Ausübung der Heilkunde auch ohne Zulassung möglich

27. Juni 2018
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Mann massiert Frau im Nackenbereich Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 23.11.2017, Az.: 6 U 140/17

Der Heilpraktikervorbehalt des § 1 HeilPrG greift bei der Ausübung von Heilkunde dann, wenn von der Behandlung zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung ausgeht. Ob dies vorliegt, kann nur vor Gericht beurteilt werden, wenn die Anwendungsbereiche und Formen der Therapie im Einzelnen vom Kläger dargelegt werden. Die mittelbare Gesundheitsgefährdung kann grundsätzlich auch daraus folgen, dass sie den Patienten vom Arztbesuch abhält, es sei denn, die Therapie erfolgt auf Grund einer ärztlichen Verordnung.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 23.11.2017

Az.: 6 U 140/17

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.6.2017 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gießen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen ( § 540 I , 1 ZPO). Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Nach dem Inhalt des antragsgemäß erlassenen Unterlassungstenors ist der Beklagten nicht nur eine bestimmte Werbung für die „CranioSacrale Therapie nach Upledger“, sondern generell die Anwendung dieser Therapie ohne eine Erlaubnis nach § 1 I HeilPrG oder eine ärztliche Approbation untersagt worden; dies schließt insbesondere auch solche Fälle ein, in denen die Therapie auf Grund einer ärztlichen Verordnung erfolgt.

Als Grundlage für ein solches Betätigungsverbot kommt der Tatbestand des § 5 UWG nicht in Betracht, da eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 UWG voraussetzt, dass die Beklagte in ihrer Werbung oder in sonstiger Weise unzutreffende Vorstellungen über Inhalt und Umfang ihrer Tätigkeit hervorruft. Dies macht die Klägerin nicht geltend.

Der verfolgte und vom Landgericht zuerkannte Unterlassungsanspruch könnte sich allerdings aus § 8 III Nr. 1 UWG i.V.m. dem Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG ergeben, soweit die Anwendung der in Rede stehenden Therapie generell unter § 1 HeilPrG fällt (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., Rdz. 1.141 zu § 3a m.w.N.). Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden.

Zwar erfüllt die Anwendung der „CranioSacralen Therapie nach Upledger“ unstreitig den Begriff der Ausübung von Heilkunde im Sinne von § 1 I HeilPrG. In den Anwendungsbereich des Heilpraktikervorbehalts fällt eine Ausübung der Heilkunde jedoch – wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann, wenn von der Behandlung eine zumindest mittelbare Gesundheitsgefährdung ausgeht (BVerfG NJW-RR 2004, 705 [BVerfG 02.03.2004 – 1 BvR 784/03] ).Dies ist nach dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Verfahrens nicht der Fall.

Ob von der Anwendung der „CranioSacralen Therapie nach Upledger“ selbst gesundheitliche Gefahren für den Patienten ausgehen, könnte nur auf der Grundlage des Gegenstandes dieser Therapie, d.h. der genauen Therapieformen und Anwendungsgebiete beurteilt werden. Hierzu hat die Klägerin jedoch auch nach dem Hinweis des Senats in der Verfügung vom 12.9.2017 substantiiert nichts vorgetragen. Die bloße Behauptung, dass die Therapie „gefährlich“ sei, reicht dafür bei weitem nicht aus.

Eine mit der Anwendung der „CranioSacralen Therapie nach Upledger“ verbundene (mittelbare) Gesundheitsgefährdung lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, dass Patienten auf diese Weise von einem erforderlichen Arztbesuch abgehalten werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – was die Beklagte behauptet und von dem beantragten Verbot ebenfalls umfasst wäre – die Anwendung der Therapie nur auf Grund ärztlicher Verordnung erfolgt. Denn unter dieser Voraussetzung ist eine hinreichende Prüfung und Entscheidung durch den Arzt sichergestellt, ob die Therapie zur Behandlung erforderlich oder sinnvoll ist. Ob der Patient sich nach Beendigung der „CranioSacralen Therapie nach Upledger“ im verordneten Umfang erneut in ärztliche Behandlung begeben sollte, ist eine Frage, die sich im Anschluss an jede ärztlich verordnete Therapie stellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO , die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 , 711 ZPO .

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision ( § 543 II ZPO ) sind nicht erfüllt.

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