Desinfektionsmittel darf nicht als „hautfreundlich“ beworben werden
Bundesgerichtshof
Urteil vom 10.10.2024
Az.: I ZR 108/22
Tenor
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. September 2024 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts
Karlsruhe – 6. Zivilsenat – vom 8. Juni 2022 im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe
– Kammer für Handelssachen III – vom 25. März 2021 wird auch im Um-
fang der Aufhebung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittel mit Ausnahme der Kosten
der Streithelferin, die diese selbst trägt
von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.. Die
Beklagte ist eine bundesweit operierende Drogeriemarktkette.
Die Beklagte bot ein Desinfektionsmittel mit der Bezeichnung „BioLYTHE“ in der
nachstehend abgebildeten Aufmachung in ihren Filialen und – unter Abbildung des
Produkts samt Etikett sowie mit weiteren textlichen Angaben einschließlich einer „Pro-
duktbeschreibung“ – im Internet zum Verkauf an. Das Produkt enthält Natriumhypo-
chlorit (NaCIO) in einer Konzentration von 0,049 Gewichtsprozent. Dabei handelt es sich um ein Oxidationsmittel, das Sauerstoff abspaltet beziehungsweise freisetzt, wel-
cher die Zellmembranen von Bakterien, Viren und Pilzen dahin beeinträchtigt, dass sie
dem osmotischen Druck nicht mehr standhalten können.
[Abbildung]
Das in den folgenden Abbildungen jeweils ausschnittsweise vergrößert gezeigte
Etikett trägt unter der Produktbezeichnung die – auch in der Produktbeschreibung auf der Internetseite der Beklagten enthaltene – Angabe „Ökologisches Universal-Breit-
band Desinfektionsmittel“ sowie unter dem Text „Haut-, Hände- und Oberflächendes-
infektion“ und „Wirksam gegen SARS-Corona“ die Angaben „Hautfreundlich Bio
ohne Alkohol“.
[Abbildung]
Die Klägerin meint, die Werbung sei unlauter, weil die Beklagte damit Marktver-
haltensregelungen der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem
Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (Biozid-VO) zuwiderhandle. Nach er-
folgloser Abmahnung hat sie beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Desinfektionsmittel, insbesondere „BioLYTHE“,
als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ und/oder „Hautfreundlich“
und/oder „Bio“, in der Werbung (auch im Internet) oder auf dem Produktetikett zu be-
zeichnen oder zu vertreiben (jeweils selbst oder durch Dritte).
Sie hat außerdem die Erstattung einer Abmahnkostenpauschale nebst Zinsen
verlangt.
Die Herstellerin des streitgegenständlichen Produkts ist dem Rechtsstreit vor
dem Landgericht auf Seiten der Beklagten als Streithelferin beigetreten. Im Revisions-
verfahren hat sie die Rücknahme der Nebenintervention erklärt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Karlsruhe, Urteil vom 25. März
2021 – 14 O 61/20 KfH, juris). Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das erstinstanzliche Urteil in-
soweit teilweise abgeändert, als es den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Werbe-
aussage „Hautfreundlich“ abgewiesen hat (OLG Karlsruhe, GRUR 2022, 1620). Mit
ihrer vom Berufungsgericht im Umfang der Teilklageabweisung zugelassenen Revi-
sion, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Unter-
lassungsantrag hinsichtlich der Werbeaussage „Hautfreundlich“ weiter.
Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von
Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt
(BGH, Beschluss vom 20. April 2023 – I ZR 108/22, GRUR 2023, 831 = WRP 2023,
820 – Hautfreundliches Desinfektionsmittel I):
Sind „ähnliche Hinweise“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU)
Nr. 528/2012 nur solche in einer Werbung enthaltenen Hinweise, die genauso wie die
in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids
hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für
die Umwelt oder seiner Wirksamkeit in pauschaler Weise verharmlosen, oder fallen un-
ter „ähnliche Hinweise“ alle Begriffe, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die
Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit einen
den konkret aufgezählten Begriffen vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwin-
gend auch einen generalisierenden Gehalt wie diese aufweisen?
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage wie folgt beantwortet
(EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 – C-296/23, GRUR 2024, 1226 = WRP 2024, 908
– dm-Drogerie Markt):
Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Ver-
wendung von Biozidprodukten ist dahin auszulegen, dass der Begriff „ähnliche Hin-
weise“ im Sinne dieser Bestimmung jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte
umfasst, der – wie die in dieser Bestimmung genannten Angaben – diese Produkte in
einer Art und Weise darstellt, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Ge-
sundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend
ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend all-
gemeinen Charakter zu haben.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren relevant – den
Unterlassungsantrag hinsichtlich der Bezeichnung des Desinfektionsmittels als „Haut-
freundlich“ für unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerin sei anspruchsberechtigt nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Beklagte
habe mit der angegriffenen Verwendung der Bezeichnung „Hautfreundlich“ für ein
Desinfektionsmittel nicht gegen Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO verstoßen. Die Angabe
„Hautfreundlich“ sei kein „ähnlicher Hinweis“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-
VO. Sie sei auch nicht irreführend im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO.
II. Der gegen diese Beurteilung gerichtete Angriff der Revision hat Erfolg und
führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt
worden ist, und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob in der Werbung
für ein Desinfektionsmittel die Bezeichnung „Hautfreundlich“ unzulässig ist. Das Beru-
fungsgericht hat die Zulassung der Revision im Entscheidungssatz und in den Ent-
scheidungsgründen wirksam auf diese Frage beschränkt (zu den Voraussetzungen
vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2021 – I ZR 248/19, NJW 2022, 52 [juris Rn. 14] mwN). Die
Klägerin hat die Bewerbung als „Hautfreundlich“ neben den ebenfalls beanstandeten Angaben „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ und/oder „Bio“ im
Wege der kumulativen Klagehäufung zu einem separaten Klageziel gemacht
(vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 [juris Rn. 25]
– Biomineralwasser).
2. Der Klägerin, die gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 30. November
2021 geltenden Fassung (vgl. § 15a Abs. 1 UWG) klagebefugt ist, steht der geltend
gemachte Unterlassungsanspruch auch hinsichtlich der Werbung mit der Angabe
„Hautfreundlich“ zu. Diese Angabe verstößt gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO und
stellt damit eine nach § 3a UWG unlautere und nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige
geschäftliche Handlung dar, die wegen der hier vorliegenden Wiederholungsgefahr
einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründet.
a) Die beanstandete Bewerbung des Desinfektionsmittels stellt eine geschäftli-
che Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar.
b) Die Vorschrift des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO ist eine Marktverhaltens-
regelung im Sinne von § 3a UWG.
aa) Nach § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwi-
derhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Markt-
verhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern,
sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Nach Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO darf die Werbung für ein Biozidprodukt
auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“,
„unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise
enthalten.
bb) Die Vorschrift des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO ist auch dazu bestimmt,
das Marktverhalten der Unternehmer im Interesse der Verbraucher zu regeln. Das Ziel
der Biozidverordnung nach ihrem Art. 1 Abs. 1 ist es, das Funktionieren des Binnen-
markts durch die Harmonisierung der Vorschriften für die Bereitstellung auf dem Markt
und die Verwendung von Biozidprodukten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines ho-
hen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu
verbessern. Die Bestimmungen der Verordnung beruhen auf dem Vorsorgeprinzip, mit
dem der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sichergestellt
werden soll (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO). Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO enthält
Regelungen zur Werbung für Biozidprodukte, mit denen Verharmlosungen der Risiken
des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt oder seiner
Wirksamkeit unterbunden werden sollen (vgl. BeckOK.UWG/Niebel/Kerl, 25. Edition
[Stand 1. Juli 2024], § 3a Rn. 195 mwN). Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO regelt mithin
das Verhalten der Unternehmer betreffend die Werbung für Biozidprodukte zum
Schutz der Gesundheit und damit im Interesse der Verbraucher.
cc) Ein Verstoß gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO ist geeignet, die Interes-
sen von Verbrauchern im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Verstöße gegen Marktverhaltensrege-
lungen, die den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken, ohne weiteres
geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beein-
trächtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2016 – I ZR 243/14, GRUR 2016, 833
[juris Rn. 11] = WRP 2016, 858 – Bio-Gewürze I, mwN). Bei Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Bio-
zid-VO handelt es sich um eine solche, (auch) dem Schutz der Gesundheit der Ver-
braucher dienende Marktverhaltensregelung.
dd) Der Verfolgung eines Verstoßes gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO als
unlautere geschäftliche Handlung steht nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG
über unlautere Geschäftspraktiken die Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vollständig harmoni-
siert (Art. 3 Abs. 1, Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG). Die Richtlinie lässt nach ihrem
Art. 3 Abs. 3 die Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf
die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt. Art. 72 Abs. 3
Satz 2 Biozid-VO ist eine solche Rechtsvorschrift.
c) Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit den Parteien mit Recht da-
von ausgegangen, dass es sich bei den vom Antrag erfassten Desinfektionsmitteln um
Biozidprodukte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Biozid-VO handelt, also um einen
Stoff oder ein Gemisch, das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physi-
kalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu bekämpfen. Die bean-
standeten Angaben sind auch Teil der von Art. 72 Biozid-VO geregelten Werbung
(vgl. die Legaldefinition des Ausdrucks „Werbung“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. y Biozid-
VO).
d) Die Bezeichnung des Desinfektionsmittels als „Hautfreundlich“ stellt eine An-
gabe dar, die als „ähnlicher Hinweis“ unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-
VO fällt.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, als „ähnlich“ vom Verbot erfasst
seien Hinweise auf die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich seiner Risiken für die
Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit, die in
ihrer pauschalen Verharmlosung den in der Vorschrift beispielhaft genannten Angaben
gleichstünden. Zur Feststellung des generalisierenden Gehalts des Hinweises, der den
Verbotstatbestand kennzeichne, genüge es noch nicht, wenn der in Rede stehende
Hinweis sich einer der beispielhaft genannten Angaben in der Weise zuordnen lasse,
dass letztere den Oberbegriff bilde.
Danach falle die Angabe „Hautfreundlich“ nicht als „ähnlicher Hinweis“ unter Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO und zwar unabhängig davon, ob der Verkehr eine (un-
mittelbare) positive Wirkung, eine bloße Unschädlichkeit oder lediglich eine Begren-
zung des Risikopotenzials für die Haut erwarte. Die Angabe „Hautfreundlich“ relativiere
das Risikopotenzial des Produkts oder seiner Wirkungen und deren Schädigungseig-
nung weder allgemein (wie „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „unschäd-
lich“, „ungiftig“) noch wenigstens speziell hinsichtlich eines der Schutzgüter umfassend
(Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt) in pauschaler Weise. Sie be-
schreibe vielmehr – wenn auch insoweit sehr allgemein – die Produktwirkung auf ein
spezifisches Organ, nämlich die Haut des Menschen.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
bb) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist
Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO dahin auszulegen, dass der Begriff „ähnliche Hin-
weise“ im Sinne dieser Bestimmung jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte
umfasst, der – wie die in dieser Bestimmung genannten Angaben – diese Produkte in
einer Art und Weise darstellt, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Ge-
sundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend
ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend all-
gemeinen Charakter zu haben (EuGH, GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 48] – dm-Drogerie
Markt).
Aus dem Wortlaut von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO ergibt sich, dass die Ge-
meinsamkeit der in dieser Bestimmung aufgezählten Angaben darin besteht, dass sie
die Risiken von Biozidprodukten für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die
Umwelt oder hinsichtlich ihrer Wirksamkeit verharmlosen oder diese Risiken sogar ne-
gieren, ohne jedoch einen zwingenden allgemeinen Charakter zu haben (EuGH,
GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 33] – dm-Drogerie Markt).
Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO schafft unter Berücksichtigung des systematischen Zu-
sammenhangs eine allgemeine Regelung für die Werbung für Biozidprodukte, die sich
auf die Reaktion der Verbraucher auf die Wahrnehmung der Risiken dieser Produkte
für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt stützt und unabhängig
von den tatsächlichen Risiken und Eigenschaften dieser Produkte gilt. Die in Art. 72
Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO genannten Angaben einschließlich der „ähnlichen Hinweise“
stellen Beispiele für Angaben dar, die hinsichtlich dieser Risiken offensichtlich irrefüh-
rend sind und für die daher das in Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO vorgesehene Verbot der
Verwendung in der Werbung für Biozidprodukte gilt (vgl. EuGH, GRUR 2024, 1226
[juris Rn. 37 f.] – dm-Drogerie Markt). Den in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO genann-
ten Angaben einschließlich der „ähnlichen Hinweise“ liegt damit eine abstrakte Irrefüh-
rungsgefahr zugrunde, die das Verbot entsprechender Werbeaussagen rechtfertigt.
Auf eine konkrete Irreführung im Einzelfall kommt es nicht an.
Dabei kann sowohl ein allgemeiner als auch ein spezifischer Hinweis hinsicht-
lich der mit der Verwendung von Biozidprodukten verbundenen Risiken offensichtlich
irreführend sein, indem er die Risiken dieser Biozidprodukte für die Gesundheit von
Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder hinsichtlich ihrer Wirksamkeit verharmlost
oder diese Risiken sogar negiert, so dass ein allgemeiner Charakter für die Feststel-
lung, ob ein Hinweis, der sich auf ein Biozidprodukt bezieht, unter den Begriff „ähnliche
Hinweise“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO fällt, nicht von Belang sein
kann (vgl. EuGH, GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 39] – dm-Drogerie Markt).
Unter Berücksichtigung des Ziels der Biozidverordnung fallen Hinweise, die die
Risiken dieser Biozidprodukte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die
Umwelt oder hinsichtlich ihrer Wirksamkeit weder verharmlosen noch ausschließen,
grundsätzlich nicht unter das in Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO vorgesehene Verbot der Ver-
wendung in der Werbung für Biozidprodukte. Dagegen kann es nicht erlaubt sein, Wer-
beaussagen für Biozidprodukte zu verwenden, die sich auf das Fehlen von Risiken oder ein geringes Risiko oder auf bestimmte positive Wirkungen dieser Produkte be-
ziehen, um diese Risiken zu verharmlosen oder sie sogar zu negieren. Solche Anga-
ben können eine übermäßige, nachlässige oder fehlerhafte Verwendung dieser Pro-
dukte fördern, was dem Ziel zuwiderläuft, ihren Einsatz zu minimieren (vgl. EuGH,
GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 44 f.] – dm-Drogerie Markt).
cc) Nach diesen Maßstäben unterliegt die von der Klägerin beanstandete An-
gabe „Hautfreundlich“ als „ähnlicher Hinweis“ dem Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2
Biozid-VO. Die Angabe hebt eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektions-
mittels hervor und ist dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlo-
sen. Die Betonung der positiven Eigenschaft kann zudem in Widerspruch zu dem von
der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren,
zu einer übermäßigen Verwendung des Desinfektionsmittels führen (vgl. auch EuGH,
GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 46] – dm-Drogerie Markt). Da die in Art. 72 Abs. 3 Satz 2
Biozid-VO genannten Angaben einschließlich der „ähnlichen Hinweise“ eine abstrakte
Irreführungsgefahr begründen, bedarf es keiner tatgerichtlichen Feststellungen zu
einer konkreten Irreführung durch die streitgegenständliche Angabe.
III. Danach ist auf die Revision der Klägerin das angefochtene Urteil im Kosten-
punkt und insoweit aufzuheben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie zur
Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Landgerichts ist auch im Umfang der Aufhebung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.03.2021 – 14 O 61/20 KfH –
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 08.06.2022 – 6 U 95/21 –