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„Scoring“ der SCHUFA darf nicht als entscheidendes Merkmal für die Frage einer Kreditgewährung dienen

14. Dezember 2023
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Schufa Eintrag Pressemitteilung Nr. 186/23 zum Urteil vom 07.12.2023, Az.: C-634/21, C-26/22, C-64/22

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte über das "Scoring"-System sowie über die Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung der SCHUFA zu entscheiden. Diesem Urteil gingen mehrere Klagen vor dem Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden voraus. Konkret ermöglicht das "Scoring" der SCHUFA die Kreditwürdigkeit einer Person mittels eines statistischen Verfahrens festzustellen. Laut EuGH verstößt dieses Verfahren grundsätzlich gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), wenn Banken und andere Kunden der SCHUFA dieses "Scoring" als wesentliches Entscheidungsmerkmal für die Gewährungen von Krediten verwenden. Möglich sind allerdings nationale Ausnahmetatbestände. Ob das deutsche Recht eine solche Regelung bereithält, hat nun das VG Wiesbaden zu entscheiden. Weiter stellte der EuGH fest, dass Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung jedenfalls nicht länger von der SCHUFA gespeichert werden dürfen als von dem öffentlichem Insolvenzregister.

Europäischer Gerichtshof

Pressemitteilung Nr. 186/23 zum Urteil vom 07.12.2023

Az.: VI ZR 137/14

 

Urteile des Gerichtshofs in der Rechtssache C-634/21|SCHUFA Holding (Scoring) und in den verbundenen Rechtssachen C-26/22 und C-64/22| SCHUFA Holding (Restschuldbefreiung)

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht zwei
Datenverarbeitungspraktiken von Wirtschaftsauskunfteien entgegen

Während das „Scoring“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung vonInformationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Widerspruch zur DSGVO

Mehrere Bürger fochten vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Bescheide des zuständigen Datenschutzbeauftragten an, mit denen er sich weigerte, gegen bestimmte Tätigkeiten der SCHUFA, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, vorzugehen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das „Scoring“ sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.

Das „Scoring“ ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das es ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie etwa die Rückzahlung eines Kredits, vorauszusagen. Die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung werden im deutschen öffentlichen Insolvenzregister sechs Monate lang gespeichert, während Verhaltensregeln der deutschen Wirtschaftsauskunfteien für ihre eigenen Datenbanken eine
Speicherdauer von drei Jahren vorsehen. Das Verwaltungsgericht ersucht den Gerichtshof, den Umfang des Schutzes der personenbezogenen Daten, wie er von der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 vorgesehen ist, näher zu erläutern.

Der Gerichtshof entscheidet, dass das „Scoring“ als eine von der DSGVO grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen ist, sofern die Kunden der SCHUFA, wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist dies der Fall. Es obliegt diesem Gericht zu beurteilen, ob das deutsche Bundesdatenschutzgesetz im Einklang mit der DSGVO eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält.
Trifft dies zu, wird das Gericht außerdem zu prüfen haben, ob die in der DSGVO vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung erfüllt sind.

In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung entscheidet der Gerichtshof, dass es im Widerspruch zur DSGVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen
werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen.

Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen.

Was die parallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die in Rede stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, um die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung während der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch
gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf deren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe nach.

Schließlich betont der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.

HINWEIS: Mit einem Vorabentscheidungsersuchen haben die Gerichte der Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsstreits, über den sie zu entscheiden haben, Fragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts oder die Gültigkeit einer Handlung der Union vorzulegen. Der Gerichtshof entscheidet dabei nicht den beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Dieser ist unter Zugrundelegung der Entscheidung des Gerichtshofs vom nationalen Gericht zu entscheiden. Die Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, wenn diese über vergleichbare Fragen zu befinden haben.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

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