Erhöhte Duldungspflicht bei Vorstandsvorsitzenden

23. Juni 2008
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Eigener Leitsatz:

Ein Vorstandsvorsitzender eines großen Unternehmens, der in einer derart exponierten Stellung tätig ist, muss sich Kritik an seinem beruflichen und auch persönlichen Handeln in sehr viel höherem Maße gefallen lassen als andere. Damit unterliegt er einer erhöhten Duldungspflicht. Ein Anspruch auf Geldentschädigung steht ihm nicht zu, wenn der Vorwurf nicht offensichtlich nur um der persönlichen Diffamierung und Verletzung Willen verbreitet wird. <br/><br/>

Landgericht Hamburg

Urteil vom 11.01.2008

Az.: 324 O 493/07

In der Sache

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24,

auf die mündliche Verhandlung vom 30.11.2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske

die Richterin am Landgericht Käfer

den Richter Goritzka

für R e c h t:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar;

und beschließt:

Der Streitwert wird auf 50 000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen verschiedener ihn betreffender Äußerungen in Anspruch.

Der Kläger ist Vorstandsvorsitzender der D.… AG bzw der früheren D.… AG und war schon vorher viele Jahre in führender Position in der D.… AG tätig. Der Beklagte ist Realschullehrer sowie ein bekannter Buchautor, Kritiker und Aktivist. Als solcher engagiert er sich unter anderem als Sprecher der Kritischen AktionarInnen D.… (…).

Im Jahre 2002 wurde vor dem Landgericht Stuttgart ein Strafverfahren gegen den Unternehmer G.… S.… geführt. Ihm wurden so genannte Graumarktgeschäfte mit Fahrzeugen der D.… AG vorgeworfen. In dem Verfahren

wurde der Kläger als Zeuge vernommen.G.… S.… wurde von dem Landgericht schließlich zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dieses Urteil wurde später vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Bis dahin befand sich G.… S.… zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft.

Im November 2005 veröffentlichte der Beklagte unter dem Titel „Das D.… Desaster“ ein Buch über verschiedene Vorgänge um die D.… AG – unter anderem die so genannten Graumarktgeschäfte und den Fall G.… S.… und die Beteiligung des Managements an diesen Vorgangen. Anlässlich dieser Buchveröffentlichung berichtete der H.… R.… in der von der, ausgestrahlten Sendung „titel thesen temperamente“ über das Buch. In dem Beitrag kam zunächst G.… S.… wie folgt zu Wort: „Wenn er, Z.…, die Wahrheit vor

Gericht gesagt hätte, und dem Gericht auch nur gesagt hätte, dass D.… beteiligt gewesen war oder dass D.… Vorteile durch die Geschäfte gehabt hätte, dann wäre ich am gleichen Tag nach Hause gegangen. So musste ich aber noch über zwei komplette Jahre in Haft verbringen, bis der Bundesgerichthof festgestellt hat, dass die Aussagen nicht glaubwürdig sind.“ Weiter hieß es in dem Beitrag: „Der Bundesgerichtshof befand, es sei keineswegs sicher, ob sich – Zitat –, ein stillschweigendes Einverständnis zwischen der D.… AG und dem Angeklagten ausschließen ließe.“ Das Urteil nennt dafür viele Indizien. Genau diesen Fall macht der Realschullehrer aus Freiburg nun publik. Saß da einer unschuldig im Gefängnis, weil ein deutscher Mythos nun einmal von Sauberkeit lebt – und nicht von dubiosen Graumarktgeschäften?“ Sodann kam der Beklagte wie folgt zu Wort: „Damit muss man natürlich auch die Frage stellen, wie dieses Urteil, dieses Fehlurteil des Landgerichts Stuttgart zustande kommen konnte. Eine Antwort liegt auf der Hand: Durch offensichtliche Falschdarstellungen von M.…-Managern und Händlern.“ Es folgte die Frage: „Darunter auch Herr Z.…?“ Diese Frage wiederum beantwortete der Beklagte wie folgt: „Darunter auch Herr Z.…“ Wegen der weiteren Einzelheiten des Beitrages wird auf dessen Niederschriften (Bl. 11–17 der Anlage K1/K3) verwiesen.

Die genannten Äußerungen des Beklagten ließ der Kläger dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung des Landgerichts Berlin durch Beschluss vom 14.12.2005 zum Aktenzeichen 27 O 1125/05 (Bl. 1–20 der Anlage K1/K3) sowie durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 31.08.2006 zum Aktenzeichen 27 O 334/06 (Anlage K2) verbieten.

Entsprechende Äußerungen hatte der Beklagte wörtlich bzw. sinngemäß auch in dem von ihm verantworteten Internetauftritt verbreitet. Nachdem ihm die einstweilige Verfügung zugestellt worden war, versäumte er es, seinen Internetauftritt auf entsprechende Äußerungen zu durchsuchen und diese zu entfernen. Deswegen verhängte das Landgericht Berlin gegen den Beklagten wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das ihm auferlegte Verbot mit Beschluss vom 04.04.2006 zum Aktenzeichen 27 O 1125/05 (Anlage K4) ein Ordnungsgeld in Höhe von 1 000 €.

Unmittelbar nach der zum genannten Urteil führenden mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Berlin am 31.08.2006 wurde der Beklagte noch im Gerichtsgebäude von einem Journalisten der N.… R.… Z.… interviewt. Dieses Interview wurde am 05.09.2006 im Online-Flyer Nr. der N.… R.… Z.… im Internet veröffentlicht. In dem Interview berichtete der Journalist zunächst: „Die Richter gaben Z.… Recht, so dass Sie nicht mehr behaupten dürfen, dass er im Graumarktfall S.… vor Gericht eine „offensichtliche Falschdarstellung“ abgegeben habe.“ Weiter hieß es: „Sie haben darüber in ihrem Buch berichtet und sind jetzt mit einer Unterlassungserklärung zum Schweigen verurteilt worden.“ Hierauf entgegnete der Beklagte: „Mir wurde vom Landgericht Berlin untersagt, die Rolle von Herrn Z.… auf den Punkt zu bringen, was ich im Interview mit dem Kulturmagazin „…“ getan habe. Doch ich werde durch die Instanzen gehen und sei es bis zum Bundesverfassungsgericht. Denn ich bin mir sicher, dass ich Recht habe.“ An anderer Stelle hieß es: „Zurück zum Landgericht Berlin. Die dortigen Richter waren nicht bereit, an einem zweiten Verhandlungstag neun von Ihnen benannte Zeugen anzuhören und haben Ihnen stattdessen einen Maulkorb verpasst. Was hätten Ihre Zeugen berichten können?“ Hierauf antwortete der Beklagte: „Hätten die Richter am Landgericht Berlin die von mir und meinen … Rechtsanwalt … benannten Zeugen geladen, so hätten diese zum einen die Aussagen Z.… bei dessen Vernehmung im Fall S.… bestätigen können. An diese Aussagen scheint sich Herr Z.… heute augenscheinlich nicht mehr so recht erinnern zu können. Zum anderen hätten mehrere der Zeugen meine massiven Vorwürfe als wahr bestätigen können, die ich gegenüber Herrn Z.… geäußert habe – und wegen derer Z.… vor dem Landgericht Berlin eine Unterlassungserklärung gegen mich verfügt hat. Einer meiner Zeugen hat eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, die im Kern noch wesentlich dramatischere Schlussfolgerungen aufdrängt, als ich sie geäußert habe. Sollte dieser Zeuge Recht haben, und ich hege keine Zweifel daran, dann müssten meines Erachtens sofort strafrechtliche Ermittlungen gegen führende D.…-Manager eingeleitet werden.“ Wegen der weiteren Einzelheiten des Interviews wird auf den Ausdruck der Veröffentlichung (Anlage K5) verwiesen.

Der Kläger sah in diesem Interview einen Verstoß gegen das dem Beklagten auferlegte Verbot und beantragte die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Diesen Antrag wies das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 28.11.2006 zum Aktenzeichen 27 O 1125/05 (Anlage B2) zurück, da es von einer Wahrnehmung berechtigter Interessen durch den Beklagten ausging. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers verhängte das Kammergericht mit Beschluss vom 13.02.2007 zum Aktenzeichen 9 W 12/07 (Anlage K6) ein Ordnungsgeld von 1 500 € gegen den Beklagten. Das Kammergericht sah in den von dem Beklagten in dem Interview getätigten Äußerungen einen fahrlässigen Verstoß gegen das ihm auferlegte Verbot.

Am 19.12.2006 veröffentlichte der Beklagte auf der von ihm verantworteten Internetseite unter dem Titel „G.… stellt Strafanzeige gegen D.…-Chef Z.…, M.…-Mitarbeiter und -Händler – Staatsanwaltschaft Stuttgart muss endlich auch gegen Z.… ermitteln“ eine Pressemitteilung, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese von dem Beklagten oder den Kritischen AktionärInnen D.… (…) stammt. In der Pressemitteilung hieß es unter anderem: „Der Sprecher der Kritischen AktionärInnen D.… (…) und Freiburger Buchautor, J.… G.…, hat am gestrigen Montag über seinen … Rechtsanwalt … bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden der D.… AG.D.… Z.…, sowie vier weitere M.… Mitarbeiter und -Händler erstattet. Die Strafanzeigen wurden wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage bzw. des Meineides, des Betrugs und der Untreue gestellt Hintergrund sind die dem Buchautor G.… durch seine umfangreichen Recherchen vorliegenden neuen Unterlagen, die seiner Ansicht nach eindeutig belegen, dass führende M.…-Mitarbeiter und -Händler aktiv in Graumarktgeschäfte verwickelt gewesen sind – dies jedoch vor Gericht nicht offen gelegt haben. Diesen Verdacht äußerte G.… auch gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden Z.… als damaligem D.…-Vertriebsvorstand. … G.… liegen neue Dokumente und Beweismittel vor, die den starken Verdacht nahe legen, dass die Aussagen der fünf D.…-Zeugen unter Eid vor Gericht (F.…, K.…, G.… und K.…) bzw. uneidlich (Z.…) unrichtig waren.“ Wegen der weiteren Einzelheiten der Pressemitteilung wird auf den Ausdruck der Veröffentlichung (Anlage K7) verwiesen.

Der Kläger sah in der Veröffentlichung dieser Pressemitteilung einen Verstoß gegen das dem Beklagten auferlegte Verbot und beantragte die Verhängung eines Ordnungsgeldes Diesen Antrag wies das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 11.01.2007 zum Aktenzeichen 27 O 1125/05 (Anlage B3) zurück, da es die in der Pressemitteilung veröffentlichten Äußerungen als nicht von dem dem Beklagten auferlegten Verbot erfasst ansah. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers verhängte das Kammergericht mit Beschluss vom 18.01.2007 zum Aktenzeichen 9 W 17/07 (Anlage K10) ein Ordnungsgeld von 2 500 € gegen den Beklagten. Das Kammergericht sah in der Veröffentlichung der Pressemitteilung einen fahrlässigen Verstoß gegen das ihm auferlegte Verbot und berücksichtigte bei der Bemessung des Ordnungsgeldes die Hartnäckigkeit des Beklagten. Außerdem ließ der Kläger dem Beklagten die Verbreitung einzelner in der Pressemitteilung enthaltener Äußerungen mit einstweiliger Verfügung des Landgerichts Berlin durch Beschluss vom 18.01.2007 zum Aktenzeichen 27 O 24/07 (Anlage K8) verbieten.

Nachdem die zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart zunächst trotz mehrerer Anzeigen keine Veranlassung sah, gegen den Kläger wegen des hier in Rede stehenden Vorwurfs zu ermitteln, hat sie nunmehr auf die in der Pressemitteilung genannte Anzeige bzw. auf die Beschwerde des Beklagten gegen eine Einstellungsverfügung hin unter dem Aktenzeichen 148 Js 90707/07 (Anlage B7) ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe massiv und hartnäckig höchst ehrenrührige Falschbehauptungen über ihn verbreitet Dabei habe der Beklagte ihn jedes Mal wieder aufs Neue schwer in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und nicht nur fahrlässig, sondern absichtlich unter Missachtung gerichtlicher Verbote und trotz mehrfacher Verhangung von Ordnungsgeldem gehandelt. Mit seinem Verhalten habe der Beklagte zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht mehr um Aufklärung, sondern um die bewusste Diffamierung und Verletzung des Klägers gehe. Ohne neue Erkenntnis und allein aus Spaß an der Freude halte der Beklagte an dem in der Sache völlig fehlgehenden Vorwurf fest und beschädige damit sein Ansehen schwer. Das Verhalten des Beklagten lasse darauf schließen, dass dieser auch weiterhin nicht gewillt sei, die gerichtlich untersagten Äußerungen zu unterlassen, sondern stattdessen darauf abziele, den Vorwurf der Falschaussage jeweils in einem anderen Gewand aufrecht zu erhalten und damit die Rechtsverletzung zu perpetuieren. Nur durch die Zuerkennung einer Geldentschädigung sei ihm für die erlittene schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung Genugtuung zu verschaffen und der Beklagte effektiv von weiteren Rechtsverletzungen abzuhalten.

Er beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn zum Ausgleich der von ihm erlittenen Schäden eine immaterielle Geldentschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die allerdings mindestens 50 000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit betragen sollte.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dem Kläger stehe eine Geldentschädigung nicht zu. Es liege jedenfalls keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Er habe sich immer an die gerichtlichen Verbote halten wollen, niemals vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese verstoßen und zudem keinerlei eigenen Nutzen aus seinem Verhalten ziehen wollen. Der Kläger habe nicht alle Möglichkeiten anderweitiger Genugtuung genutzt. Der Präventionsgedanke dürfe bei der Entscheidung über eine Geldentschädigung keine Rolle spielen, insoweit sei der Kläger auf die Beantragung von Ordnungsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren verwiesen.

Wegen der werteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2007, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung gegen den Beklagten steht dem Kläger nicht zu. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem sich aus Art 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dabei kann dahinstehen, ob der dem Kläger von dem Beklagten gemachte Vorwurf der Falschaussage zutrifft, denn bei einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls stellen die streitgegenständlichen Außerungen des Beklagten unabhängig von der Richtigkeit des Vorwurfs keinen schwerwiegenden und nur durch Zuerkennung einer Geldentschädigung auszugleichenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, der die Zuerkennung einer Geldentschädigung rechtfertigt.

Das Gericht verkennt nicht, dass grundsätzlich der unberechtigte strafrechtlich relevante Vorwurf einen schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen kann Das Gericht verkennt ferner nicht die negativen Auswirkungen der Äußerungen des Beklagten auf den Kläger, insbesondere im Hinblick auf sein Ansehen bei Geschäftspartnern und bei der Belegschaft sowie im Familien- und Bekanntenkreis.

Bei der vorzunehmenden Abwägung fällt jedoch ins Gewicht, dass der Kläger als – wie er selbst vorträgt – Vorstandsvorsitzender eines der größten deutschen Unternehmen in einer derart exponierten Stellung tätig, dass er sich Kritik an seinem beruflichen und – soweit damit zusammenhängend – auch persönlichen Handeln in weitaus höherem Maß gefallen lassen muss, als dies andere müssen. Er unterliegt deshalb einer erhöhten Duldungspflicht.

Insoweit kann der Kläger sich gegen unberechtigte strafrechtlich relevante Vorwürfe zwar uneingeschränkt mit Unterlassungsansprüchen zu Wehr setzen, ein Anspruch auf Geldentschädigung steht ihm aber jedenfalls dann nicht zur Seite, wenn der Vorwurf nicht offensichtlich nur um der persönlichen Diffamierung und Verletzung Willen verbreitet wird.

Dem Beklagten ist immerhin zu Gute zu halten, dass er in den Äußerungen G.… S.… eine Bestätigung seiner Vorwürfe findet und die zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart auf die Beschwerde des Beklagten hin die Ermittlungen wieder aufgenommen hat.

Anhaltspunkte dafür, dass es dem Beklagten nicht mehr um die Aufklärung seiner Vorwürfe, sondern nur noch um die bewusste Diffamierung und Verletzung des Klägers geht oder dass der Beklagte gar allein aus Spaß an der Freude handelt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte greift den Kläger nicht auf persönlicher Ebene, sondern rein sachlich an. Dass der Kläger davon persönlich betroffen ist, liegt in der Natur der Sache. Es ist offensichtlich, dass der Beklagte den Kläger nicht wegen seiner Person angreift, sondern weil er von der Richtigkeit der Vorwürfe überzeugt ist.

Hinzu kommt, dass der Kläger nicht alle anderweitigen Wege zur Erlangung einer Genugtuung beschriften hat. Insbesondere hat er bezogen auf die Verbreitung von dem Beklagten untersagten Äußerungen in dem von diesem verantworteten Internetauftritt eine Richtigstellung bzw. einen Widerruf weder außergerichtlich verlangt noch versucht, gerichtlich durchzusetzen.

Ein Anspruch des Klägers auf eine Geldentschädigung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der hartnäckigen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Eine solche Vermag die Kammer auch im Lichte der Ausführungen des Kammergerichts in dem Beschluss vom 18.01.2007 jedenfalls nicht in einem Maße zu erkennen, das die Zuerkennung einer Geldentschädigung rechtfertigen kann.

Es handelt sich bei den von dem Beklagten begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen nämlich nicht um hinreichend gleichartige Verletzungen. Damit mehrere für sich genommen die Schwelle zur schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht überschreitende Verletzungen in ihrer Gesamtheit einen Geldentschädigungsanspruch auslösen, müssen bei späteren Verletzungen bereits sanktionierte Verletzungen vorgelegen haben, die typologisch so hinreichend deutlich umschrieben werden können, dass die erneute Veröffentlichung unschwer als einem gleichen Typus zugehörig erkannt werden kann.

Der Beklagte hat jedoch die ihm untersagten Äußerungen nicht einfach wiederholt. Er hat zunächst lediglich wie das Landgericht Berlin in seinem Beschluss vom 04.04.2006 festgestellt hat fahrlässig – entsprechende Äußerungen in dem von ihm verantworteten Internetauftritt nicht entfernt, also lediglich unterlassen und nicht aktiv gehandelt.

Sodann ist der Beklagte mit dem Interview vom 31.08.2006 nicht von sich aus an die Öffentlichkeit getreten, sondern hat sich noch unter dem Eindruck der Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Berlin den Fragen eines Journalisten gestellt, der ihn mit der ihm verbotenen Aussage konfrontierte. Der Beklagte sah sich genötigt, seine Position zu verteidigen. Entsprechend ging das Landgericht Berlin von einer Wahrnehmung berechtigter Interessen aus und auch das Kammergericht sah nur einen fahrlässigen Verstoß gegen das dem Beklagten auferlegte Verbot.

Ebenso hat der Beklagte auch mit der Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 19.12.2006 nicht einfach die Vorwürfe wiederholt, so dass auch das Landgericht Berlin keinen Verstoß gegen das dem Beklagten auferlegte Verbot sah. Wiederum hat das Kammergericht lediglich einen fahrlässigen Verstoß festgestellt, so dass die in diesem Zusammenhang festgestellte Hartnäckigkeit sich allenfalls auf eine hartnäckige Unvorsichtigkeit beziehen kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass aus Sicht des Beklagten nicht die Wiederholung der Vorwürfe im Vordergrund stand, sondern die Mitteilung der weiteren, auf neue Beweismittel gestützten Anzeige. Immerhin hat dies die Staatsanwaltschaft bewogen, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, nachdem frühere Anzeigen erfolglos geblieben waren. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Ordnungsgeld wegen des Interviews vom 31.08.2006 im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pressemitteilung noch nicht verhängt war.

Aus den dargelegten Gründen ergibt sich auch, dass der Beklagte nicht darauf abzielt, seine Vorwürfe (zur Umgehung der gerichtlichen Verbote) jeweils in einem anderen Gewand aufrecht zu erhalten.

Schließlich ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf eine Geldentschädigung auch nicht aus Präventionsgesichtspunkten. Grundsätzlich können solche Gesichtspunkte bei der Entscheidung über einen Geldentschädigungsanspruch zwar berücksichtigt werden. Vorliegend gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die dem Kläger mit den Regelungen des Zwangsvollstreckungsverfahrens über Ordnungsmittel an die Hand gegebenen Möglichkeiten nicht ausreichen, den Beklagten zur Einhaltung gerichtlicher Gebote anzuhalten. Wie bereits ausgeführt hat der Beklagte jedenfalls nicht für die Zuerkennung einer Geldentschädigung hinreichend hartnäckig gegen gerichtliche Verbote verstoßen bzw. durch hartnäckige Verstöße gegen gerichtliche Verbote gezeigt, dass er nicht gewillt ist, gerichtliche Verbote zu beachten. Zu berücksichtigen ist auch, dass der gesetzlich vorgesehene Ordnungsmittelrahmen (Ordnungsgeld jeweils bis zu 250 000 €, Ordnungshaft jeweils bis zu 6 Monaten und insgesamt zwei Jahren) mit den bislang verhängten Ordnungsgeldern von 1 000 €, 1 500 € und 2 500 € nicht annähernd ausgeschöpft ist. Insoweit steht auch der Subsidiaritätsgrundsatz einem Geldentschädigungsanspruch entgegen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

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