Irreführende Verwendung des Begriffs „KLIMA-NEUTRAL“
Landgericht Kiel
Urteil vom 02.07.2021
Az.: 14 HKO 99/20
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise an dem Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu vollziehenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer jeweils festzusetzenden und an dem Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu vollziehenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Müllbeutel mit der Angabe „KLIMA-NEUTRAL“ zu werben, wenn dies geschieht wie für das Produkt „Extra stark 10 Müllbeutel“ aus den Anlagen K1 und K2 ersichtlich.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 294,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf ab dem 05.09.2020 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte als Verband zur Förderungen gewerblicher Interessen wegen unlauterer Werbung in Anspruch.
Die Beklagte gehört zur ………. und firmiert unter ………….. Sie produziert und vertreibt unter anderem verschiedene Arten von Müllbeuteln.
Der Kläger wendet sich gegen den Vertrieb von Müllbeuteln in einer Verpackung mit einer Beschriftung „Extra stark 10 Müllbeutel“ und der Angabe „KLIMA-NEUTRAL“ neben dem Wort „……..“ sowie dem Hinweis, dass das Produkt Gold Standard zertifizierte Klimaschutzprojekte zur Erreichung der UN-Klimaziele unterstützen würde. Das sei irreführend, weil sich die angegebene Klimaneutralität durch den räumlichen Bezug zu dem Unternehmenslogo auf das Unternehmen und nicht nur auf das Produkt beziehe, ohne darzulegen, ob das Unternehmen selbst klimaneutral sei. Im Übrigen sei die Angabe klimaneutral auch dann irreführend, wenn sie nur auf das Produkt bezogen wäre, weil nicht erläutert werde, wie die behauptete Klimaneutralität erreicht werde.
Er beantragt,
– wie erkannt -.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass der Begriff „…….“ nicht ihr Unternehmenslogo sei. Dieses sei „…….“. Der Begriff „…….“ sei eine Marke unter die auch Müllbeutel fallen. Verbunden mit der Angabe „KLIMA-NEUTRAL“ handele es sich um eine Untermarke, die klimaneutral hergestellt werde. Sie produziere nämlich sowohl nicht klimaneutral herstellte günstigere Beutel wie auch teurere entsprechend gekennzeichnete klimaneutrale. Der Begriff klimaneutral sei auch ausreichend bestimmt. Er bedeute – wie allgemein bekannt – nicht emissionsfrei, sondern lediglich, dass durch Ausgleichsmaßnahmen im Ergebnis eine Klimaneutralität hergestellt werde. Darüber werde auf der Verpackung unter Hinweis auf die Unterstützung von Goldstandard zertifizierten UN – Projekte aufgeklärt. Des Weiteren ergebe sich dies aus ihrer Webseite, auf der ihre unterschiedlichen Marken dargestellt und die unterstützten Projekte beschrieben werden würden.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist gemäß den §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 und 5a Abs. 2 UWG begründet. Danach ist eine Werbung unlauter, wenn sie irreführende Angaben enthält bzw. wesentliche Informationen vorenthält, die geeignet sind, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Beides ist hier der Fall.
Indem die Beklagte die Angabe „KLIMA-NEUTRAL“ neben den Begriff „……..“ stellt, wirbt sie wahrheitswidrig für ihr Unternehmen als klimaneutral. Denn für den durchschnittlichen Verbraucher ist nicht erkennbar, dass es sich bei dem Begriff „……..“ nur um eine Marke handeln soll und der Zusatz „KLIMA-NEUTRAL“ für eine Untermarke stehen soll. Der durchschnittliche Verbraucher verbindet mit dem Wort „……“ vielmehr das Unternehmen der Beklagten, was mit der Nutzung einer Marke auch erreicht werden soll, und schließt deshalb aus dem Zusatz „KLIMA-NEUTRAL“ auf eine klimaneutrale Produktion der Beklagten, was wegen der nicht klimaneutralen Produkte, die die Beklagte ebenfalls produziert, unzutreffend ist. Dahingestellt bleiben kann, ob das von der Beklagten im Übrigen verwendete Unternehmenslogo anders lautet. Dies schränkt die Wirkung des Begriffs „……“ nicht ein.
Des Weiteren ist für den durchschnittlichen Verbraucher auch nicht ersichtlich, dass durch den Zusatz „KLIMA-NEUTRAL“ eine Untermarke bezeichnet werden soll. Vielmehr erweckt die Kennzeichnung den Eindruck, dass „………“ Müllbeutel klimaneutral herstellt werden. Dass sich dies nur auf bestimmte Müllbeutel beziehen soll, erkennt der Verbraucher nur, wenn er einen Vergleich der Müllbeutel, soweit sie nebeneinander angeboten werden, vornimmt. Ein solcher Vergleich wird in der Regel bei einem geringwertigen Produkt wie Müllbeutel unterbleiben, so dass bei dem Verbraucher, der bei seinem allgemeinen Einkauf u. a. auch beiläufig Müllbeutel mitnimmt, der unzutreffende Eindruck der Klimaneutralität von „…….“ – Müllsäcken haften bleiben.
Die Meinung der Beklagten, dass es allgemein bekannt sei, dass klimaneutral nicht mit emissionsfrei gleichzusetzen sei, ist zwar zutreffend. Gleichwohl lässt sich eine Klimaneutralität mit unterschiedlichen Mitteln erreichen. Daher ist es für die Entscheidung des Verbrauchers wesentlich, dass er beim Kauf unproblematisch Informationen darüber erhalten kann, auch welche Weise die Klimaneutralität erreicht werden soll. Nur so ist er gegebenenfalls in der Lage, zu entscheiden, ob er die ergriffenen Maßnahmen für unterstützenswert hält und ob sie überhaupt plausibel sind. Der bloße Hinweis auf die Unterstützung von Gold Standard zertifizierten Klimaschutzprojekten ist dafür nicht ausreichend.
Erforderlich ist die Angabe der Webseite auf der Verpackung oder ein QR-Code mit dem die Webseite aufgerufen werden kann, die die entsprechenden Informationen enthält. Das ist bei der von der Beklagten verwendeten Verpackung nicht der Fall. Der Hinweis „………..“ führt auf eine Seite, auf der wiederum allgemein mit ………… als klimaneutral geworben wird (Klageerwiderung S. 6, Bl. 56 d. A.). Insbesondere der Text „freundlich zur Umwelt“ und „Wir wollen gemeinsam mit Euch die Welt smart, klimaneutral und engagiert entmüllen“ stellt ein allgemeines Unternehmenskonzept blickfangmäßig in den Vordergrund. Der Hinweis auf die „……………“ tritt dagegen in den Hintergrund. Dadurch wird auf dieser Seite nur das verstärkt, was schon mit der Werbung auf der Verpackung verfolgt wird, nämlich die Beklagte unter Herausstellung eines möglicherweise klimaneutralen Produkts als klimaneutrales Unternehmen herauszustellen, was falsch ist, weil die Beklage daneben klimaschädliche Produkte vertreibt und deshalb nicht mit Unternehmen gleichzusetzen ist, die ausschließlich klimaneutral produzieren. Erst auf weiteren Unterseiten (S. 10ff der Klageerwiderung, Bl. 60ff d. A.) finden sich konkrete Informationen über die Projekte, mit deren Förderung eine Klimaneutralität erreicht werden soll. Dies genügt dem Erfordernis einer einfachen Informationsmöglichkeit des Verbrauchers nicht und ist zudem wieder blickfangmäßig mit unzutreffenden allgemeinen Anpreisungen der Beklagten als klimaneutrales Unternehmen versehen.
Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die Abmahnung ist gemäß § 13 Abs. 3 UWG begründet. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
Der Klage ist damit mit den Nebenentscheidungen aus den §§ 91, 709, 717 Abs. 2 ZPO stattzugeben.