EuGH-Generalanwalt sieht Überwachungspflicht bei Facebook in Bezug auf Hasskommentare
Im Ausgangsfall hatte eine österreichische Politikerin der Grünen vor den österreichischen Gerichten eine einstweilige Verfügung gegen Facebook beantragt, um gegen die Veröffentlichung eines ehrverletzenden Kommentars vorzugehen. Streitgegenstand war der Beitrag eines Facebook-Nutzers, der einen Artikel eines österreichischen Nachrichtenmagazins zusammen mit einem Foto der Klägerin und einem die Klägerin herabwürdigenden Kommentar gepostet hatte. Nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung sperrte Facebook den Zugang zu dem ursprünglich geposteten Beitrag.
Ausgangsverfahren in Österreich
Der Oberste Gerichtshof in Österreich hatte schließlich darüber zu entscheiden, ob die Unterlassungsverfügung auch wort- oder sinngleiche Äußerungen erfasst. Außerdem war die räumliche Erstreckung einer eventuellen Löschungspflicht streitig. Das Gericht setzte das Verfahren aus und wandte sich an den EuGH bezüglich der Auslegung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG) im vorliegenden Fall.
Diese Richtlinie besagt, dass ein Host-Provider – und damit auch der Betreiber einer Social-Media-Plattform wie Facebook – grundsätzlich nicht für die Inhalte verantwortlich ist, die von Dritten eingestellt werden. Dies gilt jedoch nur insofern er keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Informationen hat. Sobald der Host-Provider jedoch Kenntnis von deren Rechtswidrigkeit erlangt hat, muss er diese löschen sowie den Zugang zu ihnen sperren. Dagegen kann dem Provider keine allgemeine Verpflichtung auferlegt werden, den von ihm gespeicherten Content zu überwachen oder aktiv nach Hinweisen auf eine rechtswidrige Tätigkeit zu suchen.
Feststellungen des EuGH-Generalanwalts
Besagte Richtlinie schließt nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts Maciej Szpunar nicht aus, dass ein Host-Provider im Wege einer gerichtlichen Verfügung dazu verpflichtet werden kann, sämtliche von den Nutzern einer Plattform geposteten Informationen zu durchsuchen und diejenigen zu identifizieren, die mit der Information wortgleich sind, die von dem Gericht als rechtswidrig eingestuft worden sind. Dadurch könne ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Schutz des Privatlebens und der Persönlichkeitsrechte, dem Schutz der unternehmerischen Freiheit sowie dem Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit als dabei betroffene Grundrechte hergestellt werden.
Außerdem sollen Host-Provider auch dazu gezwungen werden können, Informationen zu identifizieren, die mit der als rechtswidrig eingestuften Information sinngleich sind. Dabei sind jedoch nur die Inhalte zu durchsuchen, die von dem Nutzer gepostet wurden, der auch die rechtswidrige Information verbreitet hat. Auch sollen sinngleiche Informationen zu löschen sein, wenn der Host-Provider einen Hinweis auf diese Inhalte erhalten hat. Da die Richtlinie keine Regelung zur räumlichen Reichweite einer Löschpflicht von über Social-Media-Plattformen verbreitete Informationen trifft, könne von einem Host-Provider auch die weltweite Entfernung solcher Informationen verlangt werden.
Einschätzung unverbindlich
Auf Basis der Empfehlung von Generalanwalt Szpunar werden die Richter des Europäischen Gerichtshofs nun über die Angelegenheit beraten. Die Schlussanträge der Generalanwälte sind für die Richter zwar nicht bindend, allerdings folgen sie ihnen oftmals zumindest in Teilen. Somit könnte das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in dieser Sache (Eva Glawischnig-Piesczek gegen Facebook Ireland Limited, Rechtssache C‑18/18) zu einer umfassenden Prüfpflicht von Social-Media-Plattformen wie Facebook in Bezug auf ehrverletzende Kommentare führen.