Keine Haftung von Google Deutschland bei rechtwidrigen Suchergebnissen auf google.de

17. Dezember 2014
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Urteil des LG Berlin vom 21.08.2014, Az.: 27 O 293/14

Anbieter der Suchmaschine unter google.de ist ausschließlich die Google Inc.. Für rechtsverletzende Einträge in den Suchergebnissen kann Google Deutschland daher nicht haftbar gemacht werden.

Landgericht Berlin

Urteil vom 21.08.2014

Az.: 27 O 293/14

 

Tenor

In dem Rechtsstreit

des Herrn (…),

Antragstellers,

(…)

gegen

die Google Germany GmbH (…)

Antragsgegnerin,

(…)

hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin in Berlin – Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 21.08.2014 (…) für Recht erkannt:

  1. Die einstweilige Verfügung vom 19.06.2014 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festgesetzten Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Sachverhalt

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes auf die Löschung eines Sucheintrags auf der Internetsuchmaschine www.google.de in Anspruch.

Der Antragsteller war in den 1990er Jahren Geschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei (…), ist aber seit Längerem nicht mehr in der Branche tätig, sondern vielmehr im Bereich des Eventmarketings. Im Jahre 1996 endete ein gegen ihn wegen seiner früheren Tätigkeit eingeleitetes Strafverfahren mit einem Strafbefehl. Am 17. Mai 1997 veröffentlichte das Magazin F(…) den Artikel “DATENKLAU: (…)”, in welchem über die Umstände und das damalige Verfahren berichtet wurde, insbesondere darüber, dass der Antragsteller mit seinen Praktiken Datenschutzverstöße begangen und Amtsanmaßungen betrieben habe. Der Artikel ist fortwährend unter www.f(…).de abrufbar. Bei Eingabe der Begriffe (…) in die Suchmaschine www.google.de rangiert in der Anzeige der Suchergebnisse seit mindestens sieben Jahren im oberen Bereich eine Verlinkung auf den F(…)-Artikel.

Die Antragsgegnerin ist eine Tochtergesellschaft der Google Inc. mit Sitz in Mountain View, Kalifornien, USA. Im Impressum der Webseite www.google.de ist aufgeführt, dass die Google Inc. die auf der Webseite vorgehaltenen Dienste anbietet. In das Register der DENIC ist die Google Inc. als Domaininhaberin und als materiell Berechtigte an der Domain www.google.de eingetragen (Anlagenkonvolut AG 1).

Als Gegenstand des Unternehmens der Antragsgegnerin ist im Handelsregister des AG Hamburg (HRB 86891) im Wesentlichen die Vermittlung des Verkaufs von Onlinewerbung und von sonstigen Produkten und Leistungen angegeben (Anlage ASt 9).

Nachdem der Europäische Gerichtshof am 13. Mai 2014 seine viel beachtete Entscheidung über das so genannte Recht auf Vergessenwerden im Internet verkündet hatte, mahnte der Antragsteller die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Mai 2014 mit Fristsetzung bis zum 4. Juni 2014 erfolglos ab.

Am 17. Juni 2014 hat er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt und geltend gemacht, die Antragstellerin betreibe die Internetsuchmaschine www.google.de und sei Störerin seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Vorliegend sei die Richtlinie 95/46/EG (EU-Datenschutzrichtlinie) anwendbar. Die fortwährende Anzeige des streitgegenständlichen Suchergebnisses verstoße gegen europäisches und deutsches Datenschutzrecht, was dazu führe, dass auch sein allgemeines Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt werde.

Daraufhin hat er die einstweilige Verfügung vom 19. Juni 2014 mit folgendem Tenor zu 1) erwirkt:

“Der Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Verfügung aufgegeben, den Ergebnislink ‚DATENKLAU: (…) – F(…)’ (http://www.f(…).de/(…).html) aus den Suchergebnissen der Suchmaschine google.de zu dem Suchbegriff (…) zu löschen.”

Gegen die ihr zwecks Vollziehung am 26. Juni 2014 zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Sie macht geltend, sie sei nicht passivlegitimiert. Nicht sie betreibe die Suchmaschine www.google.de, sondern vielmehr die Google Inc.

Sie sei weder technisch noch rechtlich in der Lage, auf Art und Umfang der Dienste der Suchmaschine Einfluss zu nehmen. Ferner sei sie gegenüber der Google Inc. dazu auch nicht befugt. Sie verarbeite keine personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit der Anzeige von Suchergebnissen der Suchmaschine und sei deshalb insoweit auch nicht verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG.

Zur Entfernung etwaiger Daten aus Suchergebnissen sei sie weder in der Lage noch berechtigt. Hieran ändere auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nichts. Auch danach könne nur der Betreiber der Suchmaschine als für die Datenverarbeitung Verantwortlicher angesehen werden. Dies sei jedoch auch nach Auffassung des EuGH nicht die Google Spain SL gewesen, sondern die Google Inc. Der EuGH habe sich nur deshalb mit der Google Spain SL befasst, weil er in ihr eine Niederlassung der Google Inc. im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) Richtlinie 95/46/EG gesehen habe und deswegen dahin erkannt habe, dass das europäische Datenschutzrecht auf die Google Inc. anwendbar sei. Nicht aber habe er in der Google Spain SL die Verantwortliche für die Verarbeitung der Daten der Suchmaschine selbst gesehen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Er macht geltend, die Antragsgegnerin sei Verantwortliche im Sinne des Art. 2 Buchst. d) Richtlinie 95/46/EG, ansonsten würde dem Sinn der Richtlinie nicht entsprochen. Eine weite Auslegung der Verantwortlichkeit geböten auch die Anforderungen effektiven Rechtsschutzes. Selbst wenn die Antragsgegnerin die Suchmaschine nicht betreiben würde, verarbeitete sie gleichwohl personenbezogene Daten. Insoweit reiche nach der Rechtsprechung des EuGH aus, dass die Niederlassung die Aufgabe habe, in dem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der angebotenen Werbeflächen der Suchmaschine, mit denen die Dienstleistung der Suchmaschine rentabel gemacht werden soll, und für diesen Verkauf selbst zu sorgen. Aufgrund der untrennbaren Verbundenheit der Antragsgegnerin mit der Google Inc. entscheide die Antragsgegnerin über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten mit.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung ist auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen, da sie zu Unrecht ergangen ist (§§ 935, 936, 925 Abs. 2 ZPO).

Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB, 185 ff. StGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG oder §§ 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 3 Abs. 7 BDSG in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b) und d), Art. 4 Abs. 1 Buchst. a), Art. 12 Buchst. b), Art. 14 Satz 1 Buchst. a) Richtlinie 95/46/EG, die Suchergebnisanzeige zu unterlassen bzw. diese zu löschen.

Die Antragsgegnerin ist entgegen der früheren Einschätzung der Kammer im Beschluss vom 19. Juni 2014 nach erneuter summarischer Prüfung und erneuter, gründlicher Durchsicht der europarechtlich-datenschutzrechtlichen Grundlagen nicht passivlegitimiert.

Es ist zur Überzeugung des Gerichts nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin die Suchmaschine www.google.de betreibt und deshalb als Störerin bzw. als Verantwortliche im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG anzusehen ist. Sie hat ein Impressum und einen DENIC-Auszug vorgelegt, woraus sich ergibt, dass vielmehr die Google Inc. die auf der Webseite www.google.de vorgehaltenen Dienste anbietet und Inhaberin der Domain ist.

Zudem wurde nach dem von dem Antragsteller vorgelegten Handelsregisterauszug (Anlage ASt 9) der Eintrag zum Unternehmensgegenstand “Bereitstellung von Suchfunktionen im Internet sowie Bereitstellung anderer Internetdienste und elektronischer Dienste” vom 6. April 2001 bereits am 1. Juni 2005 dahin geändert, dass die Antragsgegnerin nunmehr die Vermittlung des Verkaufs von Onlinewerbung und von sonstigen Produkten und Leistungen anbietet. Der Antragsteller hat keinerlei Umstände vorgetragen, die darauf hindeuten, dass es dem entgegen in Wahrheit die Antragsgegnerin ist, welche die Suchmaschine betreibt, oder dass sie über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der spezifischen Suchmaschinendaten in irgendeiner Form mitentscheiden würde.

Etwas anderes gilt auch nicht in Anbetracht der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 13. Mai 2014 – Rs. C-131/12 – curia.europa.eu). Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass der EuGH nicht etwa in der Google Spain SL, ihrem spanischen Pendant, die Betreiberin der Suchmaschine gesehen habe, sondern vielmehr die Google Inc. Seinem Urteil lagen unter anderem folgende Tatsachen zu Grunde:

“Google Search wird von Google Inc., der Muttergesellschaft des Google-Konzerns mit Sitz in den Vereinigten Staaten, betrieben. […] Der Google-Konzern bedient sich seiner Tochtergesellschaft Google Spain, um Werbung für den Verkauf der Werbeflächen auf der Website ‚www.google.com’ zu machen” (EuGH, a. a. O., Rn. 43).

Der EuGH hat dabei mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) Richtlinie 95/46/EG nicht etwa festgestellt, dass die Google Spain SL die personenbezogenen Daten der Suchmaschine verarbeite, sondern vielmehr, dass die Verarbeitung der Daten durch die Google Inc. als der hierfür Verantwortlichen “im Rahmen der Tätigkeiten” der Google Spain SL erfolge, was dazu führe, dass die Google Spain SL eine Niederlassung der Google Inc. im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) darstelle, weil sie die Aufgabe habe, in dem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der angebotenen Werbeflächen der Suchmaschine zu sorgen (EuGH, a. a. O., Rn. 55).

Deswegen erstrecke sich der räumliche Anwendungsbereich der Datenschutzrichtlinie auf die von der Google Inc. durchgeführte Datenverarbeitung (Rn. 58). Nur insoweit hat der EuGH auch ausgeführt, die Tätigkeit beider Unternehmen sei “untrennbar miteinander verbunden” (EuGH, a. a. O., Rn. 56). Der EuGH hat jedoch nicht dahin erkannt, dass die Google Spain SL selbst die für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne des Art. 2 Buchst. d) Richtlinie 95/46/EG wäre. Dies ist vielmehr auch nach der Rechtsprechung des EuGH die Google Inc. (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 33, 41).

Der Antragsteller hat auch keine Umstände dafür vorgetragen, dass die Antragsgegnerin etwa selbst über Zwecke und Mittel der Verarbeitung der hier streitgegenständlichen Daten entscheiden würde (Art. 2 Buchst. d) Richtlinie 95/46/EG) oder die hier streitgegenständlichen Daten etwa für sich selbst erheben, verarbeiten oder nutzen oder dies durch andere im Auftrag vornehmen lassen würde (§ 3 Abs. 7 BDSG). Für eine richtlinienkonforme Auslegung dergestalt, dass die Antragsgegnerin als verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG für die Verarbeitung von Daten durch die Google Inc. angesehen werden könnte, bleibt bei dieser Sachlage kein Raum (vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. April 2013 – 4 MB 11/13 – juris, Rn. 14).

Schließlich gebietet auch das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht, einen Nichtstörer bzw. Nichtverantwortlichen unter Missachtung der Personenverschiedenheit in die zivilrechtliche Haftung zu nehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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