METAXA

16. September 2005
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Bundesgerichtshof

Urteil vom 20.03.1986

Az.: I ZR 179/83

Zum Umfang der Nutzungsrechtseinräumung bei einem Auftrag zur Herstellung einer Fotomontage für einen Verkaufskarton.

Zum Sachverhalt:

Der Kl. ist Werbefotograf. Die Bekl. zu 1, eine deutsche Spirituosenfirma, beauftragte ihn im September 1972 mit der Gestaltung eines Verkaufskartons in Originalgröße für die griechische Weinbrandspezialität „METAXA“. Der mit einer vom Kl. entworfenen Bildkomposition versehene Karton solle der Bekl. zu 1 zunächst als Argumentationshilfe für die Verhandlungen mit der griechischen Firma „METAXA“ dienen, um von dieser die Vertriebsrechte zu erlangen. Das war dem Kl. bekannt. Die Verhandlungen verliefen erfolgreich. m 21. September 1973 erhielt die Bekl. zu 2, eine Tochtergesellschaft der Bekl. zu 1, von der Firma „METAXA“ die alleinigen Vertriebsrechte für die Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlins.

Bei der vom Kl. entworfenen Bildkomposition handelt es ich um eine Fotomontage, die auf der einen Seite eine Flache „METAXA“ zeigt, welche auf dem Kapitell einer griechischen Säule steht. Im Hintergrund ist der Poseidon-Tempel von Kap Sounion abgebildet. Auf der anderen Seite ist gleichfalls eine Flasche „METAXA“ zu sehen, welche ebenso auf dem Kapitell einer griechischen Säule steht und einen lauen Himmel als Hintergrund hat. Für seine Bildkomposition berechnete der Kl. der Bekl. zu 1 mit Rechnung vom 27. Dezember 1972 einen Betrag von insgesamt 3 591,87 DM, der ich aus einem „Pauschalhonorar für die Gestaltung“ in Höhe on 1600, – DM sowie Unkosten und Mehrwertsteuer zusamensetzte. Aufgrund von Änderungswünschen der Bekl. zu 1 wandelte der Kl. den Entwurf nachträglich ab. Hierfür berechnete er mit Rechnung vom 8. Oktober 1973 insgesamt 1492,39 DM; davon entfielen 600, – DM auf ein „Pauschalhonorar für die Neugestaltung“ und der übrige Betrag auf Unkosten und Mehrwertsteuer. Beide Rechnungen wurden bezahlt.

Seit September 1974 verwendet die Bekl. zu 2 den Entwurf des Kl. auf den Verkaufskartons des von ihr vertriebenen METAXA-Weinbrandes.

Mit der Klage verlangt der Kl. im Wege der Stufenklage Schadensersatz für die Verbreitung seines Entwurfs auf den METAXA-Verkaufskartons. Er macht geltend, sein Entwurf sei urheberrechtlich geschützt. Die Bekl. seien zu dessen Verwertung nicht berechtigt, da sie nur die Gestaltung der Entwürfe sowie die Herstellung eines Musterstücks in Auftrag gegeben und keine Verwertungsrechte erworben hätten.

Das LG hat durch Teilurteil die Auskunftsansprüche abgewiesen. Das BerG hat dem Auskunftsbegehren stattgegeben. Die zugelassene Revision der Bekl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe:

I.
Das BerG hat ausgeführt: Der vom Kl. geschaffene Verpackungsaufdruck sei ein Lichtbildwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. Auch wenn man unterstelle, daß die Bekl. zu 1 bei der Auftragserteilung die konkrete Weisung erteilt habe, eine Fotomontage aus einer auf einer Säule stehenden METAXA-Flasche sowie einem Tempel, einem Weinberg, viel Sonne und blauem Himmel anzufertigen, sei dem Kl. Spielraum für eine schöpferische Entfaltung geblieben. Der Kl. habe bei den Vereinbarungen im September 1972 und September 1973 der Bekl. zu 1 keine Nutzungsrechte an dem abgebildeten Prototyp eingeräumt; denn eine ausdrückliche Nutzungsrechtseinräumung habe nicht stattgefunden, und der Vertragszweck erfordere keine dahingehende Vertragsauslegung. Die Bekl. hätten schuldhaft das Urheberrecht des Kl. verletzt und seien zum Schadensersatz und zur Erteilung der begehrten Auskunft verpflichtet. Im übrigen sei der Auskunftsanspruch auch im Falle der Übertragung des Nutzungsrechts begründet; denn dann stände dem Kl. gemäß § 36 UrhG ein Zusatzanspruch wegen der außergewöhnlichen Intensität der Nutzung seines Werkes zu.

II.
Die hiergegen gerichtete Revision der Bekl. hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerG.

1. Die Annahme des BerG, dem Kl. stehe gegen die Bekl. ein Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG zu, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Selbst wenn man mit dem BerG von der Schutzfähigkeit der streitigen Verpackungsgestaltung und – trotz der vom BerG unterstellten detaillierten Vorgabe der Bekl. zu 1 – von der alleinigen Urheberschaft des Kl. daran ausgeht, ist es nach den bisherigen Feststellungen nicht gerechtfertigt anzunehmen, daß die Bekl. den Entwurf unberechtigterweise verwerteten; denn die Annahme des BerG, daß die Bekl. zu 1 durch die getroffenen Vereinbarungen keine Nutzungsberechtigung erworben habe, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

Das BerG hat ausgeführt, bei den Vereinbarungen zwischen dem Kl. und der Bekl. zu 1 im September 1972 und September 1973 über die Gestaltung des Verpackungskartons sei eine ausdrückliche Übertragung von Nutzungsrechten nicht erfolgt. Es sei auch keine stillschweigende Übertragung derartiger Rechte anzunehmen; denn zur Erreichung des Vertragszwecks habe die Verschaffung des Eigentums an dem gefertigten Musterkarton mit der vom Kl. entworfenen Bildkomposition ausgereicht. Der Verwendungszweck dieses Entwurfs habe nämlich zunächst nur darin bestanden, zu demonstrieren, daß die Bekl. zu 1 in der Lage sei, den Weinbrand METAXA in einer gefälligen Verpackung zu vertreiben. Der fernere Verwertungszweck, als Vorlage für die Verkaufskartons zu dienen, sei damals ein noch ungewisses Fernziel gewesen, da es von der Erteilung der Vertriebsrechte abhängig gewesen sei.

Diese Vertragsauslegung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, da sie wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt läßt. Das BerG ist zwar ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß bei der Vertragsauslegung auf den Vertragszweck abzustellen ist; denn nach der für die Einräumung von Nutzungsrechten geltenden Zweckübertragungstheorie bestimmt sich der Umfang des Nutzungsrechts im Zweifel nach dem mit seiner Einräumung verfolgten Zweck (§ 31 Abs. 5 UrhG). Dabei ist jedoch, wenn eine stufenweise Verwertung in Betracht kommt, nicht ohne weiteres nur die erste Stufe als vereinbart anzusehen. Das gilt selbst dann, wenn wie im Streitfall die nächste Verwertungsstufe zwar angestrebt wird, ihre Durchführung aber von dem Eintritt eines noch ungewissen Ereignisses abhängt. Denn auch bei dieser Sachlage können die Vertragsparteien bereits von vornherein ein Nutzungsrecht für beide angestrebten Verwertungsformen vereinbart haben. Ob dies der Fall ist, ist durch eine Auslegung des Vertrages zu ermitteln; dabei sind, wenn wie hier eine ausdrückliche Vereinbarung fehlt, die gesamten Umstände nach Maßgabe von Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu würdigen.

Als maßgeblicher Umstand ist hierbei insbesondere das Verhältnis der erbrachten Leistungen aus der Sicht der damaligen Branchenübung zu berücksichtigen. Wenn nämlich bei Bestellung einer Fotomontage für einen Verpackungskarton üblicherweise das Recht zur Verwertung des Entwurfs für den Vertrieb von vornherein gegen einen festen Honorarbetrag mit erworben wurde und wenn bei einer – aufgrund von Vorgaben – erbrachten Leistung der hier gegebenen Gestaltungshöhe ein Honorar in der hier gezahlten Höhe üblicherweise auch das Verwertungsrecht für den Vertrieb mit abgegolten hat, dann sind diese Umstände in die Vertragsauslegung einzubeziehen. Wurde nämlich nach der damaligen Branchenübung für ein derartiges Honorar auch das Recht zur Verwertung eines solchen Entwurfs als Verpackungskarton im Massenvertrieb mit eingeräumt, so sind nach Treu und Glauben auch die hier streitigen Vereinbarungen dahin auszulegen, daß sie dieses Verwertungsrecht von vornherein mit umfaßten. Es kann nämlich billigerweise nicht angenommen werden, daß anders als bei einem von vornherein fest geplanten Vertrieb hier nur deshalb die betreffenden Verwertungsrechte zurückbehalten und von einem zusätzlichen Honorar abhängig sein sollten, weil der Vertrieb noch nicht endgültig feststand. Diese allein in der Sphäre der Bekl. liegende Unsicherheit erhöht nämlich nicht die vom Kl. erbrachte Leistung.

Es kommt somit darauf an, ob nach der damaligen Branchenübung mit einer Vereinbarung der hier vorliegenden Art regelmäßig auch das Recht zur serienmäßigen Verwertung der bestellten Fotomontage erworben wurde. Hierfür bedarf es noch weiterer tatrichterlicher Feststellungen über die betreffende Branchenübung.

2. Der geltend gemachte Anspruch ist nach dem bisherigen Sachstand auch nicht gemäß § 36 Abs. 1 UrhG wegen groben Mißverhältnisses zwischen Honorar und Nutzung des Entwurfs gerechtfertigt. Wenn nämlich mit einem Honorar in der hier gegebenen Höhe üblicherweise auch die Verwertung der Fotomontage für den Massenvertrieb abgegolten wurde, fehlt es an einem Mißverhältnis im Sinne von § 36 Abs. 1 UrhG.

Anmerkung:

1. Das Urteil bestätigt zunächst die Bereitschaft des BGH (z. B. BGH in GRUR 1976, 382 Kaviar), im Rahmen der Revision die Nicht- sowie Fehlanwendung der Zweckübertragungstheorie zu überprüfen. Bei der Feststellung des Vertrags, der in Ermangelung einer ausdrücklichen Festlegung der Nutzungsarten für die Bestimmung der eingeräumten Nutzungsrechte maßgeblich ist, ergeben sich allerdings Grenzen für das RevG. Diese verhinderten vorliegend eine Entscheidung durch den BGH zugunsten einer Zurückverweisung an das BerG.

2. Zu beurteilen war der Zweck eines Vertrags, bei dem eine ganz bestimmte Verwendung der urheberrechtlichen Werkleistung durch den Auftraggeber feststand (nämlich als Vorlage einer Kartongestaltung zwecks Argumentationshilfe für die Verhandlungen des Auftraggebers mit der griechischen Herstellerfirma „METAXA „), eine weitergehende Nutzung indes ungewiß war (Verwendung als Verkaufskarton bei Übertragung der Vertriebsrechte).

Das BerG hatte den Vertragszweck in der Verschaffung des Eigentums am Musterkarton gesehen und war unter Hinweis auf die Zweckübertragungstheorie davon ausgegangen, daß die Verwendung der Werbegestaltung als Verkaufskarton noch ein “ ungewisses Fernziel“ gewesen sei. Daher habe der Werbefotograf die für den Vertrieb erforderlichen Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung nicht eingeräumt. An dieser Stelle hakt der BGH ein.‘ Durch eine Auslegung des Vertrags sei zu ermitteln, ob die Vertragsparteien von vornherein eine stufenweise Verwertung ins Auge gefaßt hätten, wobei die Durchführung der Verwertung auf der zweiten Stufe von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig gemacht worden sei. Die Korrektur gegenüber dem Berufungsurteil geht ersichtlich dahin, nicht bereits aufgrund der durch einen Bedingungseintritt unterbrochenen Stufenfolge von Verwertungsvorgängen lediglich die erste Verwertungsstufe als Vertragszweck zu betrachten, sondern durch Heranziehung aller Einzelumstände die Möglichkeit ins Auge zu fassen, daß die Parteien eines urheberrechtlichen Nutzungsvertrages auch mehrstufige Verwertungsvorgänge bezweckt haben können. Diesem Gedanken kann ungeachtet dessen, daß bei der Anwendung der Zweckübertragungstheorie im Zweifel zugunsten des Urhebers zu entscheiden ist, ohne weiteres beigepflichtet werden.

3. Der BGH führt dann aus, daß die Sicht der zur Zeit des Vertragsabschlusses zwischen Werbefotograf und Vertriebsfirma maßgeblichen Branchenübung als maßgeblicher Umstand für die Vertragsauslegung zu ermitteln und zu berücksichtigen sei. Grundsätzlich liegt der BGH auch mit diesem Kriterium auf der Linie seiner früheren Rechtsprechung. Beispielsweise ist in der Entscheidung BGH in GRUR 1977, 42 , 44 Schmalfilmrechte – gleichfalls bei der Ermittlung des Zwecks eines Filmmusikvertrags zwischen Filmhersteller und Filmkomponist darauf abgehoben worden, daß die Zweitauswertung von Spielfilmen im Schmalfilmformat seit Jahrzehnten üblich gewesen sei.

Inwieweit allerdings das BerG aufgrund eines entsprechenden Parteivortrags überhaupt Veranlassung hatte, eine für die hier in Rede stehende stufenweise Verwertung von Werbegestaltungen bestehende Branchenübung festzustellen, kann ohne Kenntnis des Akteninhalts nicht beurteilt werden.

4. Wenngleich eine Abkehr von früheren höchstrichterlichen Entscheidungen zur Zweckübertragungstheorie nicht festzustellen ist, erscheint die vorliegende Entscheidung keineswegs als zwingend. Immerhin hatte das BerG zutreffend auf die Zweckübertragungstheorie abgestellt und dabei aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung einen bestimmten, auf die Vorstellung der Kartongestaltung bei der Herstellerfirma „METAXA “ eingeschränkten Vertragszweck festgestellt. Die Möglichkeit einer Verwertung durch Vertriebshandlungen des Auftraggebers hatte es als “ noch ungewisses Fernziel“ eingestuft und folgerichtig – zugunsten des Werbegestalters – unberücksichtigt gelassen. Damit steht die Tatsache in Einklang, daß es im Bereich der Werbegestaltung z. B. auf dem Sektor der Packungsgestaltung häufig vorkommt, daß der Auftraggeber eine neu entworfene Packung erst testen lassen will, bevor er sie zur endgültigen, vollen Nutzung übernimmt. In solchen Fällen wird üblicherweise eine gestaffelte Nutzung vereinbart und demgemäß auch ein gestaffeltes Nutzungsrecht eingeräumt Rainer Schmidt, Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, Hamburg 1983, S. 115). Ob überhaupt eine Branchenübung in bezug auf den noch wesentlich spezielleren Fall des Führens von Vertriebsverhandlungen des Auftraggebers mit dem Herstellerunternehmen feststellbar ist, darf bezweifelt werden. Noch stärkeren Zweifeln unterliegt es, ob eine derartige Branchenübung heute rückwirkend für die vorliegend maßgeblichen Jahre 1972/73 ermittelt werden kann.

Dem in der Revisionsinstanz obsiegenden Auftragnehmer sind möglicherweise Steine statt Brot gegeben worden.

5. Wenn der BGH abschließendfeststellt, daß Ansprüche aus § 36 Abs. 1 UrhG nach dem bisherigen Sachstand nicht gerechtfertigt seien, mag das zutreffen. Die kurze hierzu gegebene Begründung überzeugt aber in dieser Form nicht. Offenbar wird mit dem Wort “ üblicherweise“ auf die zuvor angesprochene Branchenübung angeknüpft. Man wird den BGH wohl dahin zu verstehen haben, daß dann, wenn aufgrund festgestellter Branchenübung der Auftraggeber die Rechte zur vertrieblichen Nutzung der Kartongestaltung erworben haben sollte, ein grobes Mißverhältnis gemäß § 36 Abs. 1 UrhG nicht in Betracht käme.

Indes ist mit der Feststellung einer Branchenübung, die sich auf den Erwerb von Nutzungsrechten für den Massenvertrieb bezieht, keineswegs gesagt, daß aufgrund außergewöhnlich intensiver Vertriebsmaßnahmen – solche sind bei dem allseits bekannten Verkaufserfolg des „METAXA “ nicht fernliegend – nicht doch ein grobes Mißverhältnis zwischen Honorar und Nutzung gegeben sein kann. Es wäre sachgerechter gewesen, anläßlich der Zurückverweisung das BerG darauf hinzuweisen, daß hierzu eine entsprechende gesonderte Sachaufklärung erforderlichenfalls vorzunehmen ist.

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