Nicht angeforderte E-Mails unzumutbare Belästigung

24. Mai 2006
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Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 24.05.2006

Az.: I-15 U 45/06

TENOR:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 4. Januar 2006 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, an die E-Mail-Adresse: …@….de E-Mails mit werbenden Inhalt zu senden, insbesondere wenn es sich um E-Mails an eine Vielzahl von Adressaten unter Offenlegung der Empfängernamen und/oder den am 22. August 2005 erstmalig versandten Newsletter unter der Überschrift "…" handelt.

Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen jeweils an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin, angedroht.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

TATBESTAND:

Die Antragstellerin erhielt in der Zeit vom 22. bis zum 25. August 2005 unter ihrer E-Mail-Adresse …@….de ca. 2000 die Antragsgegnerin als Absenderin ausweisende E-Mails, in der diese auf digitales Diktieren sowie die Möglichkeiten weiterer Informationsbeschaffung von der Homepage der Antragsgegnerin hingewiesen wurde. Unmittelbar nach Eintreffen der ersten E-Mails versuchte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die weitere Zusendung des Newsletters abzustellen. Gleichwohl ging der Strom der E-Mails unvermindert weiter.

Entsprechend dem Antrag der Antragstellerin, die behauptet, der Antragsgegnerin nie eine Einwilligung zur Zusendung von Werbe-E-Mails erteilt zu haben und die deswegen der Ansicht ist, die Antragsgegnerin habe mit der Zusendung der E-Mails rechtswidrig in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingriffen, hat das Landgericht am 26. August 2005 eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin erlassen, durch die dieser unter Androhung von Ordnungsmittel untersagt worden ist, an die E-Mail-Adresse: …@….de E-Mails mit werblichen Inhalt zu senden, insbesondere wenn es sich um E-Mails an eine Vielzahl von Adressaten unter Offenlegung der Empfängernamen und/oder den am 22. August 2005 erstmalig versandten Newsletter unter der Überschrift "…" handelt.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht durch Urteil vom 4. Januar 2006, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, seine Beschlussverfügung wieder aufgehoben und den entsprechenden Erlassantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht länger vom Vorliegen eines Verfügungsanspruches auszugehen sei. Die Versendung der ersten E-Mail sei im vermuteten Einverständnis der Antragstellerin erfolgt und stelle deswegen keinen rechtswidrigen Eingriff in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Bezüglich des Stroms der E-Mails, der sich nach der Zusendung der ersten E-Mail über den elektronischen Briefkasten der Antragstellerin ergossen habe, sei die Antragsgegnerin nicht Störerin.

Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Verbotsbegehren weiterverfolgt.

Unter Hinweis darauf, dass sie am 4. April 2006 den streitgegenständlichen Newsletter erneut durch eine die Antragsgegnerin als Absenderin ausweisende E-Mail erhalten habe – was insoweit unstreitig ist -,

beantragt die Antragstellerin,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, an die E-Mail-Adresse: …@….de E-Mails mit werbenden Inhalt zu senden, insbesondere wenn es sich um E-Mails an eine Vielzahl von Adressaten unter Offenlegung der Empfängernamen und/oder den am 22. August 2005 erstmalig versandten Newsletter unter der Überschrift "…" handelt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Es ist dem Senat rechtlich nicht möglich, die Wirksamkeit der mit Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. August 2005 erlassenen, durch das Urteil desselben Gerichts vom 4. Januar 2006 aufgehobenen einstweiligen Verfügung wieder herzustellen. Denn dem Beschluss vom 26. August 2005 hat das erstinstanzliche Urteil vom 4. Januar 2006 mit seiner Verkündung die Wirksamkeit genommen. Da die im Wege des Beschlusses erlassene einstweilige Verfügung infolge der sofort wirkenden Aufhebung nicht mehr existiert, kann der Senat auch nicht ihre Wirksamkeit wiederherstellen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. 5. 2001 – U (Kart) 25/01, NJW-RR 2002,138) sondern durch das Berufungsurteil nur eine neue einstweilige Verfügung erlassen. Der Antrag auf den erneuten Erlass dieser einstweiligen Verfügung ist begründet.

Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch (Verfügungsanspruch) zu. Er findet seine Grundlage in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB. Danach steht der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in ein geschütztes sonstiges Recht – hier den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – ein Anspruch auf Unterlassung der Zusendung von Werbenachrichten an ihre E-Mail-Adresse zu.

Die Antragsteller können ihr Verbotsbegehren in der Sache selbst nur auf eine Verletzung ihres durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stützen, da andere Anspruchsgrundlagen nicht einschlägig sind.

Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch kommt schon mangels eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien gem. § 2 Abs. 1 Ziff. 3 UWG nicht in Betracht. Auch eine direkte Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG scheidet aus. Zwar gehört nach § 2 Abs. 1 Ziff. 2 UWG auch der Verbraucher zu den durch § 7 UWG vor unzumutbaren Belästigungen geschützten Marktteilnehmern. Gleichwohl handelt es bei dieser Vorschrift des § 7 UWG nicht um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB zugunsten der Verbraucher (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. [2006], § 823 Rdnr. 71; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, Einleitung UWG Rdnr. 7.5).

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Der Schutzbereich dieses Tatbestandes umfasst neben Unternehmen im engeren Sinne auch die wirtschaftliche Betätigung in freien Berufen, z.B. die Tätigkeit von Rechtsanwälten (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O. § 823, Rdnr. 127). Die Antragsstellerin ist eine Rechtsanwaltskanzlei und macht eine Beeinträchtigung der Ausübung des Berufes der in ihr zusammengeschlossenen Rechtsanwälte im Kanzleibetrieb geltend.

Durch das Zusenden der E-Mails mit werbendem Inhalt hat die Antragsgegnerin unmittelbar zielgerichtet in das Recht der Antragstellerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Ein unmittelbarer zielgerichteter Eingriff in den Gewerbebetrieb ist dann gegeben, wenn sich der Eingriff gegen den Betrieb als solchen richtet und nicht von dem Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft (BGH, Urteil vom 8. Juni 1976 – VI ZR 50/75 -NJW 1976, 1740; Urteil vom 18. Januar 1983 – VI ZR 270/80 – NJW 1983, 812, 813; Beschluss vom 10. Dezember 2002 – VI ZR 171/02, NJW 2004, 1040, 1041; MünchKomm/Wagner, 4. Aufl. [2004], § 823 Rdnr.185; ). Für die Beurteilung eines solchen betriebsbezogenen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch unaufgeforderte Zusendung von E-Mails mit werbendem Inhalt sind die Kriterien für die Wettbewerbswidrigkeit von E-Mail-Werbung im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG heranzuziehen. Denn zum einen dient die nur subsidiär anwendbare Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB zum Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes gerade auch dazu, noch vorhandene Lücken im Anwendungsbereich des UWG zu schließen (MünchKomm/Wagner, 4. Aufl. [2004], § 823 Rdnr.186 f; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O. Einleitung UWG Rdnr. 7.4). Zum anderen verursacht die unverlangte E-Mail-Werbung für einen Mitbewerber keine wesentlich anderen Beeinträchtigungen als für einen Gewerbetreibenden mit der Folge, dass beide Tatbestände im Zusammenhang betrachtet werden müssen.

Nach der gesetzlichen Wertung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt die unverlangte, d.h. die ohne das vorherige ausdrückliche oder stillschweigende Einverständnis des Adressaten abgeschickte E-Mail-Werbung eine unzumutbare Belästigung dar. Dies war im Ergebnis auch schon zum früheren Recht anerkannt (BGH, Urteil vom 11. 3. 2004 – I ZR 81/01, NJW 2004, 1655-1658 – E-Mail-Werbung). Die Unzumutbarkeit der Belästigung durch unverlangte E-Mail-Werbung folgt zum einen aus dem Kostenaufwand (Telefonkosten plus ggf. Nutzungsgebühren) und zum anderen aus dem Aufwand an Mühe und Zeit für die Wahrnehmung und Aussonderung unerbetener E-Mails. (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, Rdnr. 85). Hierbei übersieht der Senat nicht, dass für die Unzumutbarkeit der Belästigung eine Beeinträchtigung von gewisser Intensität erforderlich ist. Bloße Belästigungen und sozial übliche Behinderungen reichen für die Annahme eines betriebsbezogenen Eingriffs nicht aus (BGH, Urteil vom 29. Januar 1985 – VI ZR 130/83, NJW 1985, 1620). Die ab dem 22. August 2005 an die Antragsstellerin übersandten E-Mails gehen aber weit über das Maß einer bloßen sozialadäquaten Belästigung hinaus. Sie stellen eine erhebliche, nicht mehr hinnehmbare Belästigung der Antragstellerin dar. Zwar lassen sich E-Mails werbenden Inhalts grundsätzlich auch in relativ kurzer Zeit, und zwar auch ohne deren Öffnung, löschen. Als Rechtsanwaltskanzlei ist die Antragstellerin aber in besonderem Maße verpflichtet, ihr zugesandte E-Mails sorgfältig auf ihre Relevanz für den Kanzleibetrieb zu überprüfen. Sie muss dafür Sorge tragen, nicht versehentlich E-Mails, die keine Werbung enthalten, zu löschen. Löscht ein Rechtsanwalt etwa versehentlich ein Schreiben mit einer wichtigen kanzleibezogenen Mitteilung, kann dies zu einem Haftungsfall führen. Das damit erforderliche sorgfältige Aussortieren von Werbemails verursacht eine nicht unerhebliche Störung des Betriebsablaufs, weil hierzu Arbeitszeit der Mitarbeiter der Antragstellerin aufgewandt werden muss. Zudem besteht auch die Gefahr, dass der für das E-Mail-Konto zur Verfügung stehende Speicherplatz auf Grund massiver Werbeeingänge erschöpft wird und den Kanzleibetrieb betreffende Nachrichten die Antragstellerin nicht mehr erreichen. Da der Abruf der Nachrichten online erfolgt, können für den Nutzer durch die Werbe-E-Mails, die die Übertragungszeit des Nachrichtenabrufs verlängern, unter Umständen auch zusätzliche Telekommunikationsgebühren verursacht werden.

Demgegenüber kann die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg einwenden, dass die genannten nachteiligen Folgen für die Antragstellerin nicht durch die erste der hier streitgegenständlichen E-Mails verursacht worden seien sondern erst dadurch, dass der E-Mail-Newsletter nicht nur an die Antragstellerin sondern auch an weitere Empfänger verschickt worden sei und daraufhin von einzelnen Servern dieser weiteren Empfänger ein große Anzahl von Kopien des E-Mail-Newsletters an die ursprünglichen Newsletter-Empfänger weiterverschickt worden seien, was sie nicht zu vertreten habe.

Zum einen übersieht die Antragsgegnerin, dass die einzelne E-Mail nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern als Teil des nach allgemeiner Auffassung zu bekämpfenden Spammings aufzufassen ist (vgl. insoweit auch Senat, Urteil vom 22. September 2004 – 15 U 41/04 – MMR 2004, 820). Die Werbung per E-Mail ist auf ein immer weiteres Umsichgreifen angelegt (BGH; Urteil vom 11. März 2004 – I ZR 81/01, NJW 2004, 1655, 1656 – E-Mail-Werbung). Auf Grund der Ausuferungsgefahr, die die Folgen der E-Mail-Werbung mit sich bringt, muss jeder einzelne Mitverursacher für die Gesamtwirkung verantwortlich gemacht werden. Wegen der Mitverursachung eines möglichen Überlaufens des elektronischen Briefkastens, bzw. der nicht mehr möglichen Kenntnisnahme von nachfolgend eintreffenden E-Mails auf Seiten des Empfängers liegt deshalb bereits in der Übersendung einer einmaligen unerbetenen Werbenachricht ein unterlassungsrelevanter Eingriff in die Rechte des Empfängers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor (Senat, a.a.O., MMR 2004, 820).

Zum anderen erreichte die Antragstellerin nicht lediglich eine einzelne E-Mail der Antragsgegnerin sondern ihr elektronischer Briefkasten wurde nach ihrem glaubhaft gemachten Vorbringen ab dem 22. August 2005 durch eine Flut von ca. 2000 die Antragsgegnerin als Absenderin aufweisende E-Mails "zugemüllt" mit der Folge, dass die Antragstellerin für ihre Mandanten zeitweise nicht oder nur eingeschränkt über E-Mail erreichbar war.

Für diese E-Mail Flut hat die Antragsgegnerin auch eine adäquat kausale Ursache gesetzt, nämlich eine entsprechende Funktion eingerichtet. Ausreichend für die Haftung als mittelbarer Störer ist, dass dieser willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder das Ausnutzen der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 1991 – I ZR 227/89 GRUR 1991, 769, 770 – Honorarfrage; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1996 – I ZR 129/94 NJW 1997, 2180-2182, – Architektenwettbewerb; Beschluss vom 10. Dezember 2002 – VI ZR 171/02, NJW 2004, 1040, 1041).

Die Antragsgegnerin war und ist in der Lage, die von ihr gesetzten Auswirkungen zu unterbinden und so Eingriffe in den Gewerbebetrieb der Antragstellerin zu verhindern. Sofern die Antragsgegnerin anführt, sie habe alles ihr Zumutbare unternommen, um die E-Mail Flut auf dem elektronischen Briefkasten der Antragstellerin zu stoppen, mag dies sogar so sein. Ungeachtet der nachträglich getroffenen Maßnahmen konnte indessen der hier streitgegenständliche Eingriff nur erfolgen, weil sie zuvor nicht durch geeignete Maßnahmen sichergestellt hatte, dass es nicht zu fehlerhaften Zusendungen von E-Mails kommen konnte (vergl. hierzu BGH, a.a.O. NJW 2004, 1655, 1657). Folgt man nämlich einmal der Begründung der Antragsgegnerin, wie es zu der Flut von E-Mails auf dem elektronischen Briefkasten der Antragstellerin gekommen ist, so ist dies darauf zurückzuführen, dass die Antragsgegnerin ihren Newsletter nicht als Blindkopie (BCC) sondern direkt an sämtliche im Adressatenfeld aufgeführte E-Mail-Adressen verschickt hat. Bei einer Blindkopie wird nämlich das BCC-Feld nicht an die Empfänger übertragen, so dass für keinen der Empfänger erkennbar ist, an wen eine Kopie der E-Mail verschickt wurde, während bei der hier gewählten Übertragungsart die Einträge im Adressatenfeld bei allen Empfängern angezeigt werden und somit bekannt sind. Da bei einer E-Mail mit offen gelegter Adressatenliste der Empfänger sieht, wer die E-Mail auch noch erhalten hat, eignet sich dieses System nur für geschlossene Benutzergruppen (z.B. innerhalb einer Firma), während Massensendungen aus Gründen des Datenschutzes (niemand hat es schließlich gerne, wenn seine E-Mail-Adresse unkontrolliert weiter verbreitet wird) oder der Sicherheit (Adressatenlisten mit Hunderten von E-Mail-Adressen – im Streitfall umfasst die ausgedruckte Adressenliste neun (!) DIN A 4 Schreibmaschinenseiten – sind ein hervorragend geeigneter Angriffspunkt für die Verbreitung von Viren und Spamming) nur als Blindkopie verschickt werden sollten. Bei der Versendung des streitgegenständlichen Newsletters wurden jedoch die E-Mail Adressen sämtlicher Empfänger des Newsletters ebenso anderen Newsletter-Empfängern mitgeteilt. Nur auf diese Weise konnte auf den E-Mail-Servern Dritter auf die E-Mail-Adresse der Antragstellerin zugegriffen werden. Es war also geradezu das sorgfaltswidrige Verhalten der Antragsgegnerin, dass bei der Antragstellerin den konkret eingetretenen Verletzungserfolg erst ermöglichte.

Dass die Antragstellerin ihren elektronischen Briefkasten möglicherweise nicht mit einem ausreichenden Filter (gegen unerwünschte Werbung) gesichert hat, ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin unerheblich. Zum einen dürfen ganz allgemein Verhinderungs-/Verhütungspflichten des Störers nicht zu Abwehrobliegenheiten des Gestörten umfunktioniert werden. Zum anderen arbeiten diese Filter (bisher jedenfalls) noch nicht fehlerfrei. Schließlich ist die Antragstellerin auch deswegen nicht zu einem weitergehenden Filtereinsatz verpflichtet, weil sonst auch solche Werbemails ausgefiltert würden, die ihr Mandanten zur Überprüfung auf wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit hin vorab zuleiten (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, Rdnr. 85).

Der Eingriff richtete sich auch unmittelbar zielgerichtet gegen den Gewerbebetrieb der Antragstellerin als solchen. Denn die von der Antragsgegnerin abgesandte E-Mail war an die E-Mail-Adresse der Antragstellerin gerichtet. Diese Adresse lässt erkennen, dass die Antragstellerin diese Internetanschrift im Rahmen ihrer anwaltlichen Tätigkeit verwendet. Soweit die Antragsgegnerin einwendet, die Versendung des Newsletters sei überhaupt nicht beabsichtigt gewesen, diese sei lediglich versehentlich im Rahmen eines unternehmensinternen Testlaufs des Newsletters erfolgt, vermag dies an der Unmittelbarkeit des Eingriffs nicht zu ändern. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einem unmittelbaren Eingriff keine Rede sein, wenn es zu Störungen im Betriebsablauf auf Grund eines schädigenden Ereignisses kommt, das in keinerlei Beziehung zu dem Betrieb steht, mag dadurch auch eine für das Funktionieren des Betriebs maßgebliche Person oder Sache betroffen sein (BGH, Beschluss vom 10. 12. 2002 – VI ZR 171/02, NJW 2003, 1040, 1041). So gesehen stellt die Unterbrechung der Stromzufuhr ebenso wenig einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 74 f. = NJW 1959,478) wie die Durchtrennung von Telefon- und sonstigen Fernmeldekabeln, über die der Betrieb an das Kommunikationsnetz angeschlossen ist (BGH, Urteil vom 25. Januar 1977 – VI ZR 29/75 – NJW 1977, 1147). Denn einerseits ist der Betrieb genauso betroffen wie eine Vielzahl gewerblicher und privater Strom- und Telefonkunden, und zum anderen handelt es sich um die Störung einer vertragsrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen Kunden und Elektrizitäts- bzw. Telekommunikationsunternehmen. Ähnliche Erwägungen rechtfertigen auch den Ausschluss deliktischer Ersatzansprüche des Inhabers eines Binnenhafens, der infolge des Einsturzes der Ufermauer einer Wasserstraße Umsatzeinbußen erleidet ( BGH, Urteil vom 15. November 1982 – II ZR 206/81 – BGHZ 86, 152, 156 f. = NJW 1983, 2313, 2314). Zu dieser Fallgruppe zählt jedoch nicht der Streitfall. Der Flut von E-Mails, die im elektronischen Briefkasten der Antragsstellerin eingegangen sind und von der Antragsgegnerin adäquat kausal verursacht wurden, fehlt nicht jeder Bezug zu der gewerblichen Tätigkeit der Antragstellerin. Die Verletzungshandlung konnte nicht jedermann treffen, sondern nur einen ausgewählten Kreis von Rechtsanwälten, deren E-Mail Adressen sich in dem bei der Antragsgegnerin offenbar für Werbezwecke geführten Verteiler befanden. Wenn die Antragsgegnerin bei Testläufen eines Newsletters nicht sicherstellt, dass diese an den richtigen Verteiler gesendet werden und dadurch dazu beiträgt, dass von E-Mail Servern Dritter auf die E-Mail Adresse der Antragstellerin zugegriffen werden konnte, verletzt sie Verhaltenspflichten, die ihr gerade im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis des betroffenen Gewerbebetriebs der Antragstellerin obliegen.

Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin ist auch rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit wird hier zwar nicht indiziert. Die erforderliche Interessenabwägung führt jedoch zu dem Ergebnis, dass schon die Übersendung der ersten E-Mail vom 22. August 2005 rechtswidrig war. Das Interesse der Antragstellerin an einer ungestörten Ausübung ihres Kanzleibetriebs ist höher zu bewerten als das Interesse der Antragsgegnerin an der für sie bequemen und kostengünstigen Werbemethode per E-Mail-Versand.

Die Rechtswidrigkeit entfällt hier auch nicht auf Grund einer Einwilligung der Antragstellerin in die Zusendung des E-Mail Newsletters. Eine ausdrückliche vorherige Zustimmung hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Auch Tatsachen, auf Grund derer das Einverständnis der Antragstellerin vermutet werden könnten, hat die für die Rechtfertigung des Eingriffs beweisbelastete Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann – weil nicht entscheidungserheblich – dahingestellt bleiben, ob allein aufgrund der Tatsache, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin in der Zeit vom 1 Januar 2003 bis August 2005 nach ihrem glaubhaft gemachten Vorbringen mindestens 38 Mal per Telefax beworben hatte, ohne dass die Antragstellerin hiergegen Widerspruch erhoben hatte und zudem die Antragstellerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K. an einem von der Antragsgegnerin mitveranstalteten Informationsseminar über das durch den streitgegenständlichen Newsletter beworbene Produkt teilgenommen hatte, grundsätzlich von einem zumindest vermuteten Einverständnis der Antragstellerin mit der Zusendung von Werbe-E-Mails ausgegangen werden könnte. Selbst wenn man hiervon zugunsten der Antragsgegnerin ausgehen wollte, bezog sich das vermutete Einverständnis der Antragstellerin mit der Zusendung von Werbe-E-Mails doch nur auf solche E-Mails, bei denen die Antragsgegnerin zuvor durch geeignete Maßnahmen sichergestellt hatte, dass es nicht zu fehlerhaften Zusendungen kommen konnte. Gerade dies hat jedoch die Antragsgegnerin – wie vorstehend aufgezeigt – nicht sichergestellt.

Auch die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr, das heißt die auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen, ist hier gegeben. Die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung für die vom Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vorausgesetzte Wiederholungsgefahr (BGH NJW 1986, 2503, 2504). An die Widerlegung dieser Gefahr durch den Störer sind hohe Anforderungen zu stellen (Palandt/Bassenge, a.a.O., § 1004 BGB Rdnr. 32 m.w.N.). Ein Wegfall der Wiederholungsgefahr ist nur ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, deretwegen nach allgemeiner Erfahrung mit einem erneuten Verstoß nicht gerechnet werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 2001, 485 = MDR 2000 1233). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Die Antragsgegnerin gab schon die von der Antragstellerin geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab. Ebenso wenig hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, die bei ihr gespeicherten Daten der Antragstellerin gelöscht zu haben. Es kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin, solange sie weiter im Verteiler der Antragsgegnerin geführt wird, auch weiterhin E-Mails der hier streitgegenständlichen Art erhält, zumal die Antragstellerin am 4. April 2006 erneut einen mit den streitgegenständlichen Newslettern ab 22. August 2005 inhaltsgleichen Newsletter erhalten hat. Selbst wenn es sich hierbei nur um eine Fehlfunktion im Hause der Rechtsanwälte X gehandelt sollte, konnten auch diese Rechtsanwälte den Newsletter nur deshalb weiterleiten, weil ihnen zuvor mit der E-Mail die komplette Adressatenliste mitgeteilt worden war.

Entgegen der Rechtsmeinung der Antragsgegnerin fehlt es unter diesen Umständen nicht an dem für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund. Im Streitfall wurde der Antragstellerin nicht eine einzelne E-Mail zugesendet, sondern ihr elektronischer Briefkasten wurde in der Zeit zwischen dem 22. und 25. August 2005 mit ca. 2000 E-Mails "zugemüllt", was zu massiven Störungen der betrieblichen Abläufe im Hause der Antragstellerin führte. Das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung ist unter diesen Umständen schlechthin unzumutbar, zumal die Antragstellerin auch noch am 4. April 2006 einen mit den streitgegenständlichen Newslettern ab 22. August 2005 inhaltsgleichen Newsletter erhalten hatte, obwohl sie im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens mehrfach erklärt hatte, sie wünsche von der Antraggegnerin keine weiteren Werbe-E-Mails. Dies zeigt, dass die Gefahr für den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin, welche die Antragsgegnerin durch die Versendung des Newsletters mit einer offenen Adressatenliste heraufbeschworen hat, unverändert fortbesteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Mit Rücksicht darauf, dass nach § 542 Abs. 2 ZPO gegen Urteile, durch die über die Anordnung einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, die Revision nicht stattfindet, ist das Berufungsurteil mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000,00 €

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