Reiseinformationsportal darf sog. „Error Fares“ nicht weiter veröffentlichen
Landgericht München I
Urteil vom 11.12.2017
Az.: 37 O 14236/17
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann und zu vollziehen am Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten – wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
geschäftlich handelnd Dritte auf fehlerhafte Preisauszeichnungen („Error Fares“) der Verfügungsklägerin hinzuweisen und/oder hinweisen zu lassen, wenn dies geschieht wie in der beigefügten Anlage AS 1 wiedergegeben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin ist die größte deutsche Fluggesellschaft und vertreibt ihre Flugscheine unter anderem über ihren Onlineauftritt (Anlage AS 6).
Die Verfügungsbeklagte betreibt eine Internetseite, auf der Nutzer über preisgünstige Flug- und Reiseangebote informiert werden. Die Information der Nutzer erfolgt hierbei über die Seite selbst oder bei entsprechender Registrierung über Social Media-Kanäle, Newsletter, eine bereitgestellte Smartphone-App (Bl. 10 der Akte) oder über den Instant-Messaging Dienst Whats-App (Anlage AS 2). Zudem können Nutzer auch eine Suchmaske nutzen, mit deren Hilfe sie Angebote nach Reiseziel und Reisezeitraum filtern und im Anschluss bei den Drittanbietern buchen können (Anlage AS 5). Im Bereich „Reiseschnäppchenportal“ in Deutschland ist die Beklagte als Marktführerin anzusehen (Bl. 41, 42 der Akte).
Die Verfügungsbeklagte weist die Nutzer der von ihr bereitgestellten Informationskanäle unter anderem auch auf sog. „Error Fares“ hin. Hierbei handelt es sich um fehlerhafte Preisauszeichnungen auf den Onlineauftritten von Drittanbietern, die deutlich unterhalb einer regulären Bepreisung liegen und bei denen es sich um ein Versehen des jeweiligen Anbieters handelt.
Das Angebot der Verfügungsbeklagten, insbesondere der sog. „WhatsApp-Alarm“ ist nicht exklusiv auf Error Fares gerichtet. Die Verfügungsbeklagte bewirbt auch andere günstige Angebote und Schnäppchen (Bl. 42 der Akte). Der Urlaubspiraten WhatsApp-Alarm wird wie folgt beworben (Anlage AS 8): „Melde dich jetzt an und bekomm unsere besten Deals & Error Fares direkt auf’s Smartphone.“
In der Nacht vom 01.09.2017 auf den 02.09.2017 war ein Business Class Flugschein für Hin- und Rückflug nach Kalifornien, angeboten durch die Star Alliance, der die Verfügungsklägerin angehört, für 687,- EUR pro Person mehrere Stunden buchbar.
Die Verfügungsbeklagte machte in einer Veröffentlichung auf ihren Informationskanälen unter der Überschrift „ERROR FARE: Business Class nach Kalifornien mit Lufthansa und Co. für nur 687 €“ ihre Nutzer auf dieses fehlerhafte Angebot aufmerksam. In der Veröffentlichung bezeichnete sie das Angebot als „waschechte Business Class Error Fare mit der Star Alliance“ und wies weiterhin darauf hin, dass der Fehler bei der Allianz zu liegen scheine und es sich um einen klaren Error Fare handele, welcher „gerade in der Business Class eine hohe Stornogefahr aufweist.“ Wie immer solle man mit Folgebuchungen noch warten, einfach schnell sein und auf das Beste hoffen (Anlage AS 1).
Das Angebot war von 21:00 – 02:00 Uhr abrufbar, bevor es um 02:00 Uhr nach Kenntnisnahme durch die Verfügungsklägerin korrigiert wurde. In diesem Zeitraum wurde das ausgeschriebene Angebot von über 600 Personen gebucht (Anlage AS 11).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.09.2017 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage AS 12). Die Verfügungsbeklagte lehnte dies mit anwaltlichem Schreiben vom 22.09.2017 ab (Anlage AS 13).
Bereits in der Vergangenheit hatte die Verfügungsbeklagte in Online-Veröffentlichungen auf Error Fares der Verfügungsklägerin hingewiesen (Anlage AS 7, Anlage K 1).
Bei der Rückabwicklung der Buchungen ergaben sich folgende Schwierigkeiten, die sich bei mehreren Versuchen der Rückabwicklung von Error Fares in der Vergangenheit gezeigt haben: Soweit die Verfügungsklägerin die Anfechtung erklären wollte, musste zunächst für jeden Fall eine Originalvollmacht eines Organs oder Prokuristen erholt werden. Das Zeitfenster bis zur Durchführung des Fluges war jeweils relativ kurz. Soweit Auslandskunden den Flug als Error Fare gebucht hatten, gab es zusätzliche Probleme bei der Rechtsdurchsetzung sowie gegebenenfalls sehr hohe angefallene Rechtsanwaltskosten. Im Jahr 2012 war im Buchungsportal der Verfügungsklägerin selbst ein Firstclass Flug nach Südafrika für mehrere Tage für 800,00 Euro bzw. später sogar für nur 08,00 Euro buchbar. Obwohl der damalige Error Fare nur 179 mal gebucht wurde, war die Klägerin mit den hieraus resultierenden Rechtsstreitigkeiten zwei Jahre beschäftigt. Hierbei fielen auch für inländische Rechtsverfolgung Rechtsanwaltskosten an, sowie im Fall eines britischen Kunden Rechtsanwaltskosten von insgesamt ca. 15.000 Pfund.
Die Verfügungsklägerin behauptet, das versehentlich fehlerhafte Ausfüllen einer Excel-Tabelle habe bei der Verfügungsklägerin einen Übertragungsfehler ausgelöst, der dazu geführt habe, dass ein Business Class Flugschein für Hin- und Rückflug nach Kalifornien, für 687,- EUR pro Person statt für den regulären Preis von 3846,- EUR pro Person buchbar war (Anlage AS 11).
Sie behauptet weiter, die Auseinandersetzung mit den Kunden bei Rückabwicklung von Error Fare-Buchungen habe auch eine Beeinträchtigung der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zur Folge. Die Beseitigung des streitgegenständlichen fehlerhaften Angebots innerhalb von 5 Stunden sei sehr schnell erfolgt. Eine schnellere Bearbeitung sei angesichts der innerbetrieblichen Abläufe – insbesondere wenn der Error Fare am Wochenende oder nachts publik werde – kaum möglich.
Die Verfügungsklägerin macht geltend, ihr sei durch die Buchungen zum Preis von 687,- EUR statt für 3846,- EUR ein Schaden in Höhe von mindestens 450.000 EUR entstanden. Dieser könne sich – legte man bei der Berechnung zugrunde, dass die Flugscheine zu bestimmten Zeiten auch für einen höheren Preis als für 3846,- EUR verkauft werden können – auch auf bis zu 1.800.000 EUR belaufen (Bl. 11 der Akte).
Das Veröffentlichen von Error Fares durch die Verfügungsbeklagte – so meint die Verfügungsklägerin – stelle deshalb ein gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG dar und sei außerdem eine Irreführung der Verbraucher i.S.d. § 5 Nr. 1 UWG. Hilfsweise beruft sich die Verfügungsklägerin auf deliktsrechtliche Vorschriften.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern,
untersagt,
geschäftlich handelnd Dritte auf fehlerhafte Preisauszeichnungen („Error Fares“) der Verfügungsklägerin hinzuweisen und/oder hinweisen zu lassen,
wenn dies geschieht wie in der Anlage AS 1 wiedergegeben.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte bestreitet, dass der Verfügungsklägerin ein Schaden entstanden sei. Sie könne – unter Zugrundelegung des von ihr beschriebenen Zustandekommens des Preisfehlers – die vorgenommenen Buchungen zum Preis von 687,- EUR durch Anfechtung rückgängig machen und dann wieder zum regulären Preis verkaufen (Bl. 28 der Akte).
Die bloße Bewerbung von Error Fares stelle keine Aufforderung zu rechtsmissbräuchlichem Verhalten dar. Nur das gezielte Buchen, um dann im Wege des Vergleichs eine Geldzahlung zu erhalten, sei rechtsmissbräuchlich (Bl. 26 der Akte). Zudem könne aufgrund der Preisschwankungen auf dem Markt für Flugreiseprodukte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ob es sich überhaupt um einen Error Fare im Sinne eines unbeabsichtigten Preisirrtums handele (Bl. 27 der Akte).
Eine Irreführung liege ebenfalls nicht vor, da die Verfügungsbeklagte bei ihrer Darstellung des Error Fare ausdrücklich auf die „hohe Stornogefahr“ hingewiesen habe (Bl. 28 der Akte).
Die Verfügungsbeklagte rügt darüber hinaus die fehlende Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin, da sie der Auffassung ist, dass bereits kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestehe (Bl. 25 der Akte).
Mit Schriftsatz vom 29.09.2017 – am gleichen Tag bei Gericht eingegangen – hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung beantragt. Mit Verfügung vom 24.10.2017 hat das Gericht einen Termin zur Güteverhandlung und unmittelbar anschließenden Haupttermin auf den 08.11.2017 bestimmt (Bl. 31 der Akte). Das Gericht hat mit Verfügung vom 06.11.2017 den Termin auf Antrag der Verfügungsbeklagten vom 08.11.2017 auf den 29.11.2017 verlegt (Bl. 35 der Akte).
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter jeweils nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2017 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat Erfolg.
A. Verfügungsanspruch
Der Verfügungsklägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte aus § 8 Abs. 1 UWG iVm §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG zu.
1. Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin
Die Verfügungsklägerin ist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus § 8 Abs. 1 UWG als Mitbewerberin nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert.
Die Parteien sind Mitbewerber iSd § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, denn zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.
An das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses sind im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist keine Branchengleichheit erforderlich (BGH NJW 2006, 3490). Für die Annahme genügt es daher, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen versucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (BGH GRUR 2014,1114).
So besteht zwischen dem Betreiber eines Hotels und dem Anbieter eines Online-Reisebüros, das mit einem Hotelbewertungsportal verknüpft ist, im Hinblick auf den Betrieb des Hotelbewertungsportals ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG (BGH, 19.03.2015, I ZR 94/13, Rn. 19, zitiert nach juris). Zwischen der vorteilhaften Wirkung des Hotelbewertungsportals für die Attraktivität des Online-Reisebüros und dem Absatznachteil, der einem Hotelbetreiber aus einer im Bewertungsportal verzeichneten negativen Hotelwerbung zu erwachsen droht, besteht eine für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses hinreichende Wechselwirkung in dem Sinne, dass der Wettbewerb des Online-Reisebüros gefördert wird und derjenige des Hotelbetreibers beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH, 19.03.2015, I ZR 94/13, Leitsatz 1).
Eine solche hinreichende Wechselwirkung besteht auch hier.
Die Verfügungsklägerin ist eine Fluggesellschaft, die ihre Beförderungsscheine auch online anbietet und die Verfügungsbeklagte betreibt ein Informationsportal, auf dem sich Nutzer über Reiseangebote informieren und diese vergleichen können. Beide richten sich – zumindest teilweise – an die gleichen Adressaten bzw. Kunden, nämlich Flugreisende. Darauf, ob die Verfügungsbeklagte selbst Flüge vermittelt, kommt es schon deshalb nicht an.
Die Verfügungsbeklagte und die Verfügungsklägerin befinden sich – auch ohne komplette Branchengleichheit – in einem Wettbewerbsverhältnis.
Die Verfügungsbeklagte hat mit dem streitgegenständlichen Verhalten jedenfalls die Nutzer des von ihr betriebenen Internetportals auf preislich fehlerhafte Angebote der Verfügungsklägerin aufmerksam gemacht. Als Internetportal, das über Werbeeinnahmen von einer hohen Anzahl an Nutzern profitiert, kann sie mit der Information über besonders günstige Angebote ihre Bekanntheit und Attraktivität für potentielle Nutzer, die Urlaubsreisen buchen wollen, sowie Werbekunden steigern und so durch die Mitteilung von Error Fares der Verfügungsklägerin Vorteile für sich generieren.
Der Vorteil der Verfügungsbeklagten durch die Präsentation der Error Fares wirkt sich zugleich als Nachteil für die Verfügungsklägerin aus: Durch die gezielte Information über preislich fehlerhafte Angebote der Verfügungsklägerin werden diese Error Fares erheblich schneller entdeckt, als wenn sie nur auf der Internetseite der Verfügungsklägerin sichtbar wären und dem entsprechend häufiger gebucht, was nach Vortrag der Verfügungsklägerin mit wettbewerblichen Nachteilen bezüglich der betroffenen Flüge verbunden (siehe Ziff. A. 2.) und damit geeignet ist, den Wettbewerb der Verfügungsklägerin zu beeinträchtigen. Eine Wechselwirkung ist demnach gegeben.
2. Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG
Indem die Verfügungsbeklagte ihre Nutzer zur Buchung von Error Fares animiert, verstößt sie gegen §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG.
Das streitgegenständliche Verhalten der Verfügungsbeklagten ist unlauter und stellt eine nicht hinnehmbare Behinderung des Wettbewerbs der Verfügungsklägerin iSd § 4 Nr. 4 UWG dar.
Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern iSd § 4 Nr. 4 UWG setzt die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über eine mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung nicht nur, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und dadurch zu verdrängen, sondern auch dann, wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können (Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4, Rn. 4.10). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie Interessen der Allgemeinheit zu beurteilen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4, Rn. 4.11; BGH GRUR 2014, 785 mwN).
a) Unlauterkeit der Behinderung
Die Verfügungsbeklagte handelt unlauter, weil sie bewusst einen erkennbaren Fehler der Verfügungsklägerin ausnutzt und damit einen deutlichen Wettbewerbsnachteil für die Verfügungsklägerin schafft.
Unlauter ist eine Maßnahme dann, wenn sie sich zwar (auch) als Entfaltung des eigenen Wettbewerbs darstellt, aber das Eigeninteresse des Handelnden unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit weniger schutzwürdig ist, als die Interessen der üblichen Beteiligten und der Allgemeinheit (BGH WRP 2014, 424). Entscheidend ist, ob die Auswirkungen der Handlung auf das Wettbewerbsgeschehen so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen (BGH GRUR 2007, 800). Dabei ist die Marktmacht des handelnden Unternehmens im Verhältnis zum behinderten Mitbewerber zu berücksichtigen, sowie, ob der Handelnde seine Ziele mit weniger einschneidenden Wirkungen erreichen könnte (Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4, Rn. 4.11).
Es läuft den Interessen der Verfügungsklägerin als Mitbewerberin in erheblichem Maße zuwider, dass die Verfügungsbeklagte, indem sie ihre Nutzer zur Buchung von Error Fares animiert, auch rechtsmissbräuchliches Verhalten der Nutzer gegenüber der Verfügungsklägerin provoziert.
Das Ausnutzen eines Error Fares kann, entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten, nicht nur dann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen, wenn die Buchung erfolgt, um den Anbieter für die Nichtinanspruchnahme der gebuchten Leistung zu einer (Vergleichs-) Zahlung zu veranlassen (vgl. OLG München NJW 2003, 367). Vielmehr können auch Nutzer, die auf Vertragserfüllung bei Angeboten bestehen, welche für sie erkennbar fehlerhaft erheblich unterhalb der üblichen Bepreisung liegen, rechtsmissbräuchlich handeln (bspw. OLG Nürnberg NJOZ 2010, 1733 und AG Dortmund MMR 2017, 497 zu Bestellung in Onlineshops sowie AG München v. 4.11.2009, Az. 163 C 6277/09 zur Buchung eines sog. error fare).
Zumindest in diesem Fall geht die Kammer vom Vorliegen einer fehlerhaften Preisauszeichnung in Form eines Error Fares aus – dies auch vor dem Hintergrund als die Verfügungsbeklagte den Preis selber als „waschechten Error Fare“ bei ihrer Veröffentlichung beworben hat (Anlage AS 1). Insofern handelt es sich hier nicht um einen Zweifelsfall. Die Fehlerhaftigkeit des Preises war für die Nutzer klar erkennbar.
Auch wirbt die Verfügungsbeklagte generell nicht nur mit günstigen Angeboten, die unerkannt Error Fares sein könnten, sondern zumindest bei Werbung für die Nutzung ihres WhatsApp-Alarms explizit auch mit der Mitteilung von (erkennbaren) Error Fares (Anlage AS 8). Damit nutzt sie die Fehler der Verfügungsklägerin gezielt als prominentes Marketing-Instrument für sich.
Der Verfügungsklägerin entstehen durch die flächendeckende Verbreitung eines Error Fares nicht nur erhöhte Rechtsverfolgungskosten, sondern sie hat auch nachvollziehbar dargelegt, und glaubhaft gemacht, dass ihr durch die sich anschließende Rückabwicklung ein Imageschaden in der Öffentlichkeit droht. Zudem hat sie schlüssig vorgetragen, dass sich eine Rückabwicklung zeitnah zum Flugangebot, um dieses sodann noch zum angemessenen Preis zu verkaufen, wegen des Zeitablaufs äußerst schwierig gestaltet. Bleibt die Verfügungsklägerin an den Vertrag mit dem Nutzer gebunden, muss sie diesen für einen Bruchteil des üblichen Preises befördern, wodurch ihr ein Schaden zumindest in der Differenz zwischen dem marktüblichen und dem fehlerhaft ausgeschriebenen Preis entsteht. Schafft sie es, sich wieder von dem Vertrag zu lösen, kann sie ggf. wegen Zeitablaufs den Flug zum regulären Preis nicht mehr erneut verkaufen.
Bereits bei einer sehr viel geringeren Buchungszahl eines Error Fares sind der Verfügungsklägerin in der Vergangenheit mit Rechtsverfolgung und Rückabwicklung Wettbewerbsnachteile (wie zwei Jahre Rückabwicklungszeit sowie Rechtsanwaltskosten) entstanden. Die Rückgängigmachung der durch die Ausnutzung des streitgegenständlichen Error Fare zustande gekommenen 600 Buchungen ist für die Verfügungsklägerin demnach mit rechtlichen Unwägbarkeiten und mit erheblichem Mehraufwand verbunden, den sie auch als größte deutsche Fluggesellschaft nicht hinzunehmen hat.
Dabei ist mit zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht um vereinzelte Buchungen eines Error Fare geht, sondern die Verfügungsbeklagte als Markführerin im Bereich „Reiseschnäppchenportal“ Millionen von Nutzern erreicht und über das Vorliegen Error Fares informiert, so dass es – wie im vorliegenden Fall – binnen weniger Stunden zu einer Vielzahl von Buchungen kommt. Der Marktmacht der Verfügungsbeklagten kommt daher ein zusätzliches Gewicht bei der Bewertung des (parasitären) Ausnutzens hinzu.
b) Kein gleichwertig schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit oder der Verfügungsbeklagten
Demgegenüber besteht kein gleichwertiges schutzwürdiges Interesse seitens der Allgemeinheit bzw. der Verbraucher. Zwar kann die Vergleichsmöglichkeit verschiedener Angebote sowie die Information über besonders günstige Angebote die Interessen der Verbraucher fördern. Diese Interessen können jedoch nicht die Information über preislich fehlerhafte Angebote umfassen, deren Wahrnehmung ein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen kann und auch für die Verbraucher letztendlich zumindest mit rechtlichen Unwägbarkeiten verbunden ist.
Das berechtigte wirtschaftliche Interesse der Verfügungsbeklagten, ihre Nutzerzahl zu erhöhen, indem sie möglichst umfassend und detailliert über „Schnäppchenangebote“ informiert, darf ebenfalls nicht dazu führen, ihre Nutzer flächendeckend und zum Nachteil der Verfügungsklägerin zur Ausnutzung von erkennbaren Error Fares zu animieren. Die Verfügungsbeklagte kann ihr legitimes Ziel, die Nutzerzahlen durch „Schnäppchenangebote“ zu erhöhen, auch ohne die Bewerbung eines erkennbaren Error Fares weiterverfolgen, indem sie andere, günstige Flugangebote bewirbt, die keinen klar erkennbaren Error Fare darstellen.
Das streitgegenständliche Verhalten der Verfügungsbeklagten stellt sich in der Gesamtschau nicht mehr als bloße Folge eines freien Wettbewerbs dar, welchen die Verfügungsklägerin hinzunehmen hat. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich die Verfügungsbeklagte auf Preisvergleiche und die Information über besonders günstige Angebote beschränken würde, kann jedoch nicht die Aufforderung des Marktführers im Bereich „Reiseschnäppchenportal“ mit einem derart hohen Verbreitungsgrad umfassen, gezielt erkennbare Fehler der Verfügungsklägerin auszunutzen.
B.
Wiederholungsgefahr, § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG
Wiederholungsgefahr iSd § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG ist gegeben. Mit der Veröffentlichung des Error Fare am 01.9.2017 hat die Verfügungsbeklagte gegen §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG verstoßen, womit eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr begründet ist.
C.
Verfügungsgrund, §§ 935, 940 ZPO
Auch ein Verfügungsgrund gem. § 935, 940 ZPO ist gegeben. Die Verfolgung der streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche ist dringlich. Die Antragstellung erfolgte am 29.09.2017, d.h. binnen eines Monats nach Kenntnis von der Bewerbung des streitgegenständlichen Error Fares.
Die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt.
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.