SCHUFA: Tilgung der Forderung begründet keinen Anspruch auf Löschung der Forderungsbeiträge

15. Mai 2019
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Schufa Eintrag Urteil des LG Wiesbaden vom 21.02.19, Az.: 2 O 237/18

Die Speicherung von Daten, welche von Wirtschaftsauskunfteien gesammelt und gespeichert werden, dient dem Schutz des allgemeinen Interesses und dem der Wirtschaftsteilnehmer. Das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen muss dahinter zurücktreten und wiegt folglich weniger schwer.

Dass der Kläger keinen Mietvertrag für eine Wohnung erhalte, stellt keine Situation im Sinne des Art. 17 DSGVO dar, sodass insbesondere auch kein Anspruch auf Löschung des Eintrags gegenüber der Beklagten besteht.

Landgericht Wiesbaden

Urteil vom 21.02.2019

Az.: 2 O 237/18

 

In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Wiesbaden – 2. Zivilkammer – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht (…) als Einzelrichterin auf die mündliche Verhandlung vom 20.12.18 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Löschung von Dateneinträgen über seine Person nach Maßgabe der DSGVO. Hilfsweise begehrt er die Einschränkung der Weitergabe seiner Daten durch die Beklagte an Dritte sowie die Außerachtlassung der Dateneinträge für die Berechnung des sog. „Basisscores“ durch die Beklagte.

Die Beklagte ist eine Wirtschaftsauskunftei und führt Datenbanken mit Profilen für erwachsene natürliche Personen in Deutschland. Ziel des privaten Unternehmens ist es, Daten zur Kreditwürdigkeit von Verbrauchern und Firmen zu sammeln und zu liefern. Mitte 2012 erwirkten drei verschiedene Gläubiger jeweils Vollstreckungsbescheide gegen den Kläger wegen Forderungen in Höhe von 419,00 €m 425,00 € und 346,00 €. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt 21 bzw. 22 Jahre alt. Die jeweiligen Gläubige meldeten diese Forderungsbeiträge an die Beklagte, die sie bei sich im Profil speicherte. Die drei Forderungen glich der Kläger in den Jahren 2016, 2017 und 2018 vollständig aus. Die Beklagte speicherte den vollständigen Forderungsverlauf von 2012 bis Anfang 2018 im Profil des Klägers. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Profil des Klägers wird auf die SCHUFA-Bonitätsauskunft des Klägers (Anlage LHR 1. Stand 18.01.2018 bzw. B2, Stand 28.9.2018) verwiesen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte haben die Daten über ihn bezüglich der drei genannten Vorgänge zu löschen und ihn auf der Grundlage seiner aktuellen, deutlich besseren wirtschaftlichen Situation und Bonität im „SCHUFA-Basisscore“ zu bewerten. Er behauptete, dass ihn die Datenspeicherung der Beklagten und der damit verbundene „SCHUFA-Basisscore“ sowie die Weitergabe dieser Daten durch die Beklagte an Dritte, vielfach bei beabsichtigen Vertragsschlüssen einschränkte. So habe er bislang keine Wohnung mieten können und er sei auch am Abschluss eines Handyvertrages gehindert gewesen. Ein Bankkonto habe er nur durch persönliche Kontakte eröffnen können.

Der Kläger ist der Ansicht, ein Löschungsanspruch ergebe sich aus Art. 17 I lit. a bzw. lit. d DS-GVO. Eine Löschung der Daten habe im Übrigen bereits unmittelbar nach Ausgleich der Forderung aufgrund der alten Rechtslage des BDSG zu erfolgen gehabt. Darüber hinaus stehe ihm ein Widerspruch gemäß Art. 21 I DS-GVO gegen die Datenverarbeitung zu.

Jedenfalls müsse die Beklagte im Rahmen einer individuellen Prüfung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Daten zu löschen seien. Der Kläger verweist insoweit darauf, dass er bei Tilgung der Forderung erst 21 bzw. 22 Jahre alt war. Er habe 2013 sieben Tage in der Woche Vollzeit in einem Familienunternehmen gearbeitet und ein gutes Einkommen gehabt. Er verfüge auch heute über ein solides Einkommen und eine private Krankenversicherung. Der Kläger nimmt insoweit Bezug auf die Belege Anlage LHR 8 – 10. Die damaligen Forderungen, bezüglich derer auch keinerlei Vollstreckungsversuche aus den Vollstreckungsbescheiden erfolgt sein, habe er einfach „aus den Augen verloren“. Im Hinblick auf die Einträge sei es für ihn jedoch heute nicht möglich, eine Wohnung anzumieten oder von seiner Hausbank eine Kreditkarte zu erhalten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, aus den bei ihr über den Kläger gespeicherte Daten die in Anlage LHR 1 wiedergegebene Einträge 1, 2, und 3 zu löschen;

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Verarbeitung der über den Kläger gespeicherte Daten hinsichtlich der in Anlage LHR 1 wiedergegebene Einträge 1, 2, und 3 dergestalt einzuschränken, dass sie nicht mehr an Dritte übermittelt werden und/oder, dass sie keine Berücksichtigung für die Berechnung des „SCHUFA-Basisscores“ des Klägers bei der Beklagten finden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass eine Löschung der Vorgänge erst in den Jahren 2019, 2020 und 2021 zu erfolgen habe. Eine Speicherung der Daten sei insbesondere dann erforderlich, wenn eine titulierte Forderung längere Zeit nicht ausgeglichen wurde. Für die Vertragspartner sei nicht nur die aktuelle Zahlungsfähigkeit relevant, sondern auch die wirtschaftliche Situation in der näheren Vergangenheit. Die Regelung der DS-GVO geben keinen Anlass zur Löschung der streitgegenständlichen Einträge. Sie berufen sich insoweit insbesondere auf die „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien“ (Anl. B5). Aus diesen nach Art. 40 Abs. 2 DS-GVO mit der zuständigen Aufsichtsbehörde vereinbarten Verhaltensregeln erfolge eine Löschung taggenau drei Jahre nach Ausgleich der Forderung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch auf Löschung der bei der Beklagten gespeicherten Daten des Klägers bestehen nicht.

Ein Anspruch auf Löschung der Daten ergibt sich zunächst aus Art. 17 I lit. a bzw. lit. d DS-GVO. Die Speicherung der Daten ist rechtmäßig erfolgt. Die Speicherung der Daten des Klägers ist zunächst zulässig gemäß Art. 5 und 6 DS-GVO. Die Beklagte stellt ihren Vertragspartner Informationen zur Verfügung, die geeignet sind, die Vertragspartner von Verlusten in Kreditgeschäft mit natürlichen Personen zu schützen. Die Speicherung der Daten erfolgt auf rechtmäßige und nachvollziehbare Weise (Art. 5 Abs. 1 lit. a DS-GVO). Der genannte Zweck der Datenspeicherung ist eindeutig festgelegt und legitim (Art. 5 Abs. 1 lit. b DS-GVO). Die Speicherung der Daten ist angemessen und erheblich, die Daten sind zudem sachlich richtig und auf dem neusten Stand (Art. 5 Abs. 1 lit. c, d DS-GVO). Die Verarbeitung der Daten ist auch zur Wahrung der berechtigten Interessen der Vertragspartner der Kläger erforderlich (Art. 6 Abs. 1 f DS-GVO). Die Beklagte speicherte Daten zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen als Schutzorganisationen der Wirtschaft sowie im Interesse ihrer Vertragspartner (BGH, Urteil vom 20.6.2978 – VI ZR 66/77). Die Tätigkeit der Beklagten erfolgte somit einerseits im Interesse der Allgemeinheit (BGH, Urteil vom 7.7.1983 – III TR 159/82), andererseits aber insbesondere auch im Interesse der Vertragspartner der Beklagten. Indem die Beklagte ihren Vertragspartnern Informationen zu einer Kreditentscheidung bereitstellt, schützt sie diese vor Verlusten und Risiken eines potentiellen Geschäftsabschlusses. Sinn und Zweck eines solchen Kreditinformationssystems, wie es die Beklagte unterhält, ist der Schutz der Wirtschaftsteilnehmer vor zahlungsunfähigen und zahlungsunwilligen Schuldnern (LG Wiesbaden, Urteil vom 2.12.2015 – 4 O 30/15). Kreditinformationssysteme erfüllen wirtschaftsschützende Funktionen und werden als wichtige Voraussetzung für das Wirtschaftsleben angesehen. Die von der Beklagten bereitgestellten Informationen tragen letztendlich auch dazu bei, dass Kreditinteressenten schneller und einfacher Kredite erhalten können. Die Persönlichkeitsrechte des Klägers überwiegen nicht die berechtigten Interessen der Beklagten und ihrer Vertragspartner. Bonitätsauskünfte sind von dem Kläger hinzunehmen (BGH, Urteil vom 24.6 2003 – VI ZR 3/03). Die Abwägung der widerstreitenden Grundrechte geht zugunsten der Zulässigkeit der Bonitätsauskunft aus. Der Kläger hat fällige Forderungen der anmeldenden Gläubiger über Zeiträume von mindestens 4 Jahren trotz rechtskräftiger Titulierungen nicht ausgeglichen. Auch wenn die zugrunde liegende Forderung jeweils nur in einer Größenordnung von 400-500 € bestanden, sind derart lange Rückstände mit der Erforderlichkeit einer Titulierung durch den Vollstreckungsbescheid für die betroffenen Vertragspartner des Klägers in einer Weise wirtschaftlich zu belasten, dass die Speicherung der Daten nach dem dargestellten Schutzzweck der Tätigkeit der Beklagten erforderlich ist. Auch war der Kläger im Zeitpunkt der Eingehung der Forderung volljährig. Selbst man davon ausgeht, dass der Kläger aufgrund seines relativ jungen Alters die Folgen einer Nichterfüllung seiner Verpflichtung unterschätzt hat, rechtfertigt dies bei einer Abwägung der Belange seiner Geschäftspartner nicht die Annahme eines überwiegenden Interesses des Klägers an einer Löschung der Daten.

Der Kläger kann eine Löschung auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. a DS-GVO verlangen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Notwendigkeit der Speicherung der Daten nicht dadurch entfallen, dass die Forderungen inzwischen getilgt wurden. Wie bereits ausgeführt, ist für Vertragspartner der Beklagten auch der Umstand, dass der Kläger derartige Forderungen erst nach ca. 4 Jahren und einer Titulierung ausgeglichen hat, von erheblichem wirtschaftlichem Gewicht. Die Beklagte speicherte den Forderungsverlauf im Übrigen zutreffend, d.h. aus der Bonitätsauskunft des Klägers ergibt sich, dass die Forderungen getilgt wurden. Eine vollständige Löschung wegen fehlender Notwendigkeit kann jedoch nicht verlangt werden.

Schließlich kann der Kläger auch keine Löschung nach Art. 17 Abs. 1 lit. c DS-GVO verlangen. Eine besondere Situation des Klägers im Sinne der genannten Vorschrift liegt nicht vor. Die Auswirkungen der Datenspeicherung bei der Beklagten ist vielmehr die wirtschaftliche Konsequenz aus dem Zahlverhalten des Klägers und entspricht der Situation andere Schuldner oder ehemaliger Schuldner vergleichbarer Forderungen.

Der im vorliegenden Verfahren gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger stützt diesen Antrag offensichtlich auf Art. 18 DS-GVO. Mit dem Antrag soll eine Einschränkung der Verarbeitung geltend gemacht werden. Die Voraussetzungen der genannten Vorschrift liegen jedoch nicht vor. Nach Art. 18 Abs. 1 lit. a DS-GVO kommt eine kurzfristige Einschränkung der Verarbeitung nur in Betracht, wenn die Richtigkeit der personenbezogenen Daten von der betroffenen Person bestritten werden. Eine Verarbeitung der Daten ist dann für eine Zeitdauer zu unterlassen, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Richtigkeit der Daten zu überprüfen. Im vorliegenden Fall ist die Richtigkeit der Daten aber unstreitig. Auch die Voraussetzungen des Nach Art. 18 Abs. 1 lit. b DS-GVO liegen nicht vor. Weder ist die Verarbeitung der Daten unrechtmäßig noch hat der Kläger eine Löschung seiner Daten abgelehnt. Der Kläger verlangt vorrangig eine Löschung der Daten, so dass auch die Voraussetzungen von Nach Art. 18 Abs. 1 lit. c DS-GVO nicht vorliegen. Schließlich ergibt eine Abwägung, dass die von der Beklagten angeführten Gründe für eine Speicherung der Daten Vorrang vor den Interessen des Klägers haben, so dass der Kläger den Hilfsantrag auch nicht auf Nach Art. 18 Abs. 1 lit. d DS-GVO stützen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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