„TV-Premieren!“

07. Februar 2008
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Eigener Leitsatz:

Wenn bereits eine Ausstrahlung im Pay-TV erfolgt ist, ist eine Programmwerbung für eine Free-TV-Premiere mit der Bezeichnung „TV-Premiere“ irreführend. Diese Irreführung beurteilt sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr, wobei auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen ist, die beanstandete Aussage auf Grund ihres Gesamteindrucks versteht. Größtenteils verstehen die angesprochenen Verbraucher die einschränkungslose Ankündigung eines Filmes als „TV-Premiere“ im eigentlichen Wortsinne, also als eine erstmalig im deutschen Fernsehen erfolgende Ausstrahlung.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 07.02.2008

Az.: 6 W 12/08

In dem Verfahren (…)

auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch … am 7. Februar 2008

b e s c h l o s s e n:

Unter Zurückweisung der weitergehenden sofortigen Beschwerde der Antragstellerin vom 29.01.2008 wird der Beschluss der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 17.01.2008 – 33 O 9/08 – teilweise abgeändert.

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird angeordnet:

1) Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten – jeweils zu vollstecken an dem persönlich haftenden Gesellschafter der Antragsgegnerin – zu unterlassen,

in Programmzeitschriften Spielfilme mit dem Hinweis „TV-PREMIERE“ anzukündigen und/oder zu bewerben, soweit diese Filme bereits zuvor im Pay-TV ausgestrahlt worden sind,

wenn dies geschieht wie nachstehend (in schwarzweiß) wiedergegeben:

a) in der Ausgabe Nr. 26/2007 der Programmzeitschrift „TV Movie“

[Abbildung aus redaktionellen Gründen entfernt]

[Abbildung aus redaktionellen Gründen entfernt]

b) in der Ausgabe Nr. 51/2007 der Programmzeitschrift „TV Hören und Sehen“

[Abbildung aus redaktionellen Gründen entfernt]

[Abbildung aus redaktionellen Gründen entfernt]

2) Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2/3.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Antragstellerin ist ein Fernsehsender, dessen Programmempfang den Abschluss entgeltlicher Abonnementverträge durch den Zuschauer voraussetzt („Pay-TV“).

Dem ist die zunächst angerufene Zivilkammer nicht gefolgt und hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, dass es an einer Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG fehle. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin im Wege der sofortigen Beschwerde, mit welcher sie den erstinstanzlich formulierten Verfügungsantrag weiter verfolgt.

II.
Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg und führt zur Anordnung eines auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Unterlassungsgebots. Die Werbung für Spielfilme ist – nur – in den in den Tenor eingeblendeten Beispielen und im Übrigen auch nur, soweit zuvor Ausstrahlungen im Pay-TV erfolgt sind, nach §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 UWG als wettbewerblich unlauter zu untersagen. Die konkreten Ankündigungen von Spielfilmen als „TV-Premiere“ sind irreführend, weil der angesprochene Fernsehzuschauer der Täuschung erliegen wird, es handele sich um erstmals im Medium Fernsehen überhaupt und nicht nur um erstmals im frei empfangbaren Fernsehen, dem Free-TV, ausgestrahlte Filme.

1. Das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin stellt eine Wettbewerbshandlung i.S. von §§ 5 Abs. 1, 3 UWG dar.

a) Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist Wettbewerbshandlung jede Handlung mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Diese Voraussetzungen liegen in beiden Alternativen vor. Mit der Ankündigung zuvor schon im Pay-TV gesendeter Filme als „TV-PREMIERE“ fördert die Antragsgegnerin sowohl ihren eigenen Absatzwettbewerb als auch unmittelbar den Wettbewerb der in Konkurrenz zu der Antragstellerin stehenden frei empfangbaren Fernsehsender.

Hinsichtlich des ersten Gesichtspunktes ist zu bedenken, dass in ihren fraglichen Programmzeitschriften „X“, „Y“ und „Z“ nahezu ausschließlich das Angebot der frei empfangbaren Fernsehsender ausführlich vorgestellt wird; Pay-TV-Programme wie das der Antragstellerin werden nur kursorisch und zu geringen Anteilen und ausschließlich in der wöchentlichen Programmübersicht, nicht aber im redaktionellen Teil erwähnt. Infolge des Schwergewichts der Zeitschriften im Free-TV-Bereich fördert es deshalb unmittelbar ihren eigenen Wettbewerb im Absatzgeschäft der einschlägigen Programmzeitschriften, wenn das präsentierte Fernsehangebot der freien Sender als besonders attraktiv („TV-PREMIEREN!“) dargestellt wird.

Zugleich fördert die Antragsgegnerin aber auch unmittelbar den Wettbewerb dieser in Konkurrenz zur Antragstellerin stehenden freien Sender, wenn sie deren (Spielfilm-) Programm durch den Verweis auf eine vermeintlich erstmalige Ausstrahlung im deutschen Fernsehen als herausgehoben aktuell anpreist. Die Antragstellerin verweist insoweit zutreffend darauf, dass der Absatzwettbewerb des „Free-TV“ um so mehr zu Lasten ihres eigenen gefördert wird, je deutlicher das Fernsehpublikum den Eindruck erhält, dass die im Regelfall eher an hinterer Stelle in der Reihe der Spielfilmverwerter in Erscheinung tretenden freien Sender „TV-Premieren“ attraktiver Spielfilme zu bieten vermögen.

b) Anders als das Landgericht dies angenommen hat, steht einer Beurteilung des beanstandeten Verhaltens der Antragsgegnerin als Wettbewerbshandlung nicht der Umstand entgegen, dass die angegriffene Bezeichnung „TV-PREMIERE“ in Beiträge mit redaktioneller Aufmachung – wie insbesondere aus dem im Tenor unter lit. b) eingeblendeten Auszug ersichtlich – eingebunden ist. Zwar kann es zur Bejahung des grundsätzlich zu vermutenden, nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erforderlichen (unmittelbaren) Zusammenhangs zwischen Handlung und Wettbewerbsförderung ausnahmsweise der Feststellung konkreter, auf eine entsprechende Absicht der Absatzförderung schließender Umstände bedürfen, sofern das beanstandete Verhalten Gegenstand redaktioneller Beiträge der Medien ist (vgl. hierzu den Überblick bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 2 Rn. 43, 45). So liegt die Streitsache indes nicht. Das angegriffene Verhalten ist nämlich nicht Gegenstand einer redaktionellen Bearbeitung der Art, welche im Lichte der Meinungs- bzw. Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG die schutzwürdigen Interessen der Antragsgegnerin berühren könnte.

Bei dem Begriff „TV-PREMIERE“ handelt es sich um eine reine Sachangabe ohne wertenden Bestandteil, welche ebenso wie etwa die Angaben über Datum und Uhrzeit der Filmausstrahlung ausschließlich der Kurzinformation des interessierten Zuschauers dient. Eine typische redaktionelle Bearbeitung, Aufbereitung oder Bewertung findet insoweit nicht statt. Es macht deshalb auch keinen Unterschied, ob die fragliche Bezeichnung einer Filmsendung als „TV-PREMIERE“ eingebettet ist in eine reine Programmübersicht, wie etwa in derjenigen der als Anlage ASt 6 überreichten Zeitschrift „TV Movie“ auf Seiten 28/29 (Einblendung zu 1 a des Tenors), oder in einen redaktionell aufgemachten Beitrag wie auf Seiten 14/15 der Zeitschrift „TV Hören und Sehen“ gemäß Anlage ASt 4 (Einblendung zu 1 b des Tenors).

2. Der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgte Unterlassungsantrag der Antragstellerin ist allerdings in mehrfacher Hinsicht zu weit gefasst, weil sie ein uneingeschränktes und nicht an der konkreten Verletzungsform orientiertes Verbot begehrt und deshalb wettbewerbsrechtlich zulässige Verhaltensweisen einbezieht. Eine Verwendung der – nicht schon für sich gesehen irreführenden – Bezeichnung „TV-PREMIERE“ in zur Täuschung theoretisch geeigneten Zusammenhängen ist nämlich unbedenklich, wenn das Täuschungspotential durch eindeutige und klar zugeordnete Erläuterungen ausgeschlossen wird.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin bleibt weitergehend ohne Erfolg, soweit der Verfügungsantrag die Alternative erfasst, Spielfilme als „TV-PREMIERE“ zu bezeichnen, wenn diese zuvor (sogar schon) im Free-TV ausgestrahlt worden sind. Dass es nämlich bereits zu einem derartig offenkundigen Fall einer unzweideutigen Falschbezeichnung gekommen oder diese auch nur zu befürchten wäre, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor.

3. Bei einem zu weit gefassten Unterlassungsantrag ist indes im Allgemeinen anzunehmen, dass jedenfalls die mit Klage bzw. Verfügungsantrag konkret beanstandeten Verletzungshandlungen untersagt werden sollen (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH GRUR 2007, 987, 989 Tz 23 – Änderung der Voreinstellung). Unter Heranziehung der in Antrags- und Beschwerdeschrift in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlungen der Antragsgegnerin stellt sich das Verfügungsbegehren als begründet dar. Die angegriffene Bezeichnung „TV-PREMIERE“ in ihrer Verwendung in den als Anlagen ASt 1, 4 und 6 vorgelegten Zeitschriften für zuvor schon im deutschen Pay-TV ausgestrahlte Spielfilme ist nämlich zur Irreführung des allgemeinen Verkehrs, an welchen sich diese Programmzeitschriften der Antragsgegnerin wenden, geeignet. Von einer Wiedergabe der einschlägigen Seiten 10 – 13 der Ausgabe 26/2007 der Zeitschrift tv 14 – Anlage Ast 1 – im Verfügungstenor hat der Senat abgesehen, weil die Angabe „TV-Premiere“ auf diesen Seiten dem Kernbereich des ausgesprochenen Verbots unterfällt.

a) Ob eine im Wettbewerb erfolgte Angabe irreführend ist, beurteilt sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Aussage auf Grund ihres Gesamteindrucks versteht, wobei auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen ist, der der fraglichen Aussage die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2007, 605, 606 – Umsatzzuwachs; BGH GRUR 2005, 690, 691, 692 – Internet-Versandhandel). Der Senat, dessen Mitglieder zu den von den Programmzeitschriften der Antragsgegnerin angesprochenen Verkehrsteilnehmern zählen, verfügt insoweit über die erforderliche Sachkunde für die Feststellung des fraglichen Irreführungspotentials. Im Hinblick darauf, dass jedenfalls der reine Programmteil der im Streitfall vorgelegten und zum Teil im Tenor genannten Zeitschriften – wenn auch nur in Kürze – die im Pay-TVProgramm ausgestrahlten Sendungen nennt, werden erhebliche Teile der angesprochenen durchschnittlichen Verbraucher die einschränkungslose Angabe als „TV-PREMIERE“ im eigentlich Wortsinne verstehen, d.h. aber als eine erstmalig im deutschen Fernsehen, sei es Free- oder Pay-TV, erfolgende Ausstrahlung des Filmes. Dieses Verständnis ist indes unzweifelhaft unrichtig, weil tatsächlich nur eine Erstausstrahlung im Free-TV gemeint sein soll.

Soweit – nur – in der als Anlage 6 überreichten Zeitschrift „TV-Movie“, dort auf Seite 28 unten, ein Hinweis angebracht ist, dass die Bezeichnung als „TV-PREMIERE“ für bloße Free-TV-Premieren benutzt werde, ist diese Erläuterung mangels eindeutiger und gut erkennbarer Zuordnung nicht geeignet, der Täuschungsgefahr des Lesers entgegen zu wirken.

b) Im Hinblick auf Auflage und Verbreitung der fraglichen Programmzeitschriften und die damit einhergehenden Nachteile der Antragstellerin, welche ihr durch den irrigen Eindruck des potentiellen Zuschauers über die Aktualität bzw. Attraktivität des Programms der Free-TV-Sender entstehen können, ist die hervorgerufene Fehlvorstellung wettbewerbsrechtlich relevant.

Eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Rechte der Antragsgegnerin aus Art. 5 Abs. 1 GG steht dem Unlauterkeitsurteil nicht entgegen. Auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer 1 b) wird Bezug genommen.

Wegen der Relevanz des fraglichen Täuschungspotentials und seiner Eignung, das Marktverhalten der Gegenseite zu beeinflussen, ist die Bagatellgrenze des § 3 UWG ohne weiteres überschritten (vgl. hierzu BGH WRP 2008, 220, 223 Tz 26 – Telefonaktion).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 500.000 €

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