Zugang der Abmahnung muss Abgemahnter beweisen

31. Juli 2007
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Leitsatz:

In einem eigenen Urteil wurde vom Landgericht Frankfurt am Main die Frage geklärt, wer den Zugang einer Abmahnung zu beweisen hat. Dies ist grundsätzlich derjenige, der abgemahnt wurde.

Landgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 31.07.2007

Az.: 3 – 10 O 10/07

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren


– Antragsteller und Verfügungskläger –
– Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Hagen Hild, Konrad-Adenauer-Allee 55, 86150 Augsburg –

g e g e n


– Antragsgegner und Verfügungsgegner –
– Prozessbevollmächtigter: … –

hat das Landgericht Frankfurt am Main – 10. Kammer für Handelssachen durch Richterin am Landgericht … als Vorsitzende im schriftlichen VErfahren, in dem Schriftsätze bis 20.07.2007 eingereciht werden konnten,

für R e c h t erkannt:

Der Beschluss – einstweilige Verfügung vom 14.02.2007 – wird im Kostenpunkt bestätigt.

Der Antragsgegner hat die weiteren kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Auf seinen Antrag vom 17.01.2007 hat der Antragsteller den Beschluss – einstweilige Verfügung – der Kammer vom 14.02.2007 erwirkt, durch die dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel der Verstoß gegen verschiedene verbraucherschützende Vorschriften beim Angebot von Fernabsatzverträgen im Internet im Rahmen von Verkäufen von Herden und Öfen über die Webseite www.ebay.de untersagt wurde. Mit Schriftsatz vom 14.03.2007 hat der Antragsgegner den Anspruch unter Verwahrung gegen die Kostenlast mit der Begründung anerkannt, die Abmahnung vom 20.12.2006 (Anlage EV3, Bl. 28 d.A.) habe er nicht erhalten, andernfalls hätte er bereits vorprozessual eine Unterlassungserklärung abgegeben. Unter dem 21.03.2007 (Bl. 56 ff. d.A.) hat der Antragsgegner gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt und mit Schriftsatz vom 14.06.2007 klargestellt, dass sich der Widerspruch nur gegen die Kosten richtet.

Der Antragsteller behauptet, die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sei am 20.12.2006 durch seine Bevollmächtigten erstellt und an die Adresse des Antragsgegners gesandt worden. Im dem als Anlage AV4 (Bl. 90 d.A.) vorgelegten Ausdruck des Postausgangsbuch finde sich am 20.12.2006 der Eintrag, dass die Abmahnung mit 1,45 Euro freigemacht und zur Post gegeben worden sei. Sämtliche in dieser Liste eingetragenen Schreiben würden am elben Tag in ein Kuvert gesteckt, mit der erforderlichen Anzahl von Briefmarken freigemacht, in ein Postausgangsfach im Sekretariat der Kanzlei des Antragstellervertreters gelegt und spätestens am nächsten Tag in einen Briefkasten geworfen. Mit der Aufgabe zur Post habe er alles getan, um die Abmahnung auf den Weg zum Antragsgegner zu bringen. Der Antragsteller ist der Auffassung, er sei nicht verpflichtet, den Zugang der Abmahnung sicherzustellen oder nachzuweisen, vielmehr obliege es dem Antragsgegner als Unterlassungsschuldner die für ihn günstigen Voraussetzungen des § 93 ZPO zu beweisen.

Der Antragssteller beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 3 – 10 O 10/07 aufrechtzuerhalten.

Der Antragsgegner beantragt,

die einstweilige Verfügung hinsichtlich des Kostenpunktes aufzuheben.

Er behauptet, ihm sei die Abmahnung nicht zugegangen. Er ist der Auffassung, der Antragsteller sei verpflichtet, nicht nur die ordnungsgemäße Absendung des Abmahnschreibens, sondern auch den Zugang nachzuweisen. Wegen der Möglichkeit der Versendung eines Einschreibens mit Rückschein fei diese Anforderung auch nicht unbillig.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Beschlussverfügung vom 14.02.2007 war auf den Widerspruch des Antragsgegners hinsichtlich der Kostenentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Dies führte zur Bestätigung des Kostenausspruchs.

Der Antragsgegner hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Eilverfahrens zu tragen, da er die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht dargetan und glaubhaft gemacht hat und ihm die Darlegungs- und Beweislast dafür obliegt, dass er aufgrund seines Verhaltens keine Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat. Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob der Abmahnende den Zugang des Abmahnschreibens beim Verletzer beweisen muss oder ob es ausreicht, dass er die ordnungsgemäße Absendung eines den inhaltlichen Anforderungen genügenden Abmahnschreibens nachweist (zum Streitstand vgl. BGH, GRUR 2007, 629 f.), hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21.12.2006 (ebenda) zu Gunsten des Abmahnenden und damit im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Landgericht Frankfurt am Main entschieden.

Ausgehend davon, dass grundsätzlich der Antragsgegner darzulegen und im einstweiligen Verfügungsverfahren gegebenenfalls glaubhaft zu machen hat, ob er im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses Anlass zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat, weil er sich auf die in § 93 ZPO geregelte Ausnahme zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO beruft, obliegt folglich dem Antragsgegner im Grundsatz auch die Darlegung- und Beweislast des unterbliebenen Zugangs der Abmahnung.

Zwar ist bei der Ausgestaltung der den Antragsgegner insoweit treffenden Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen, dass es sich bei dem darzulegenden und im einstweiligen Verfügungsverfahren glaubhaft zu machenden Umstand – kein Zugang des Abmahnschreibens vom 20.12.2006 –um eine negative Tatsache handelt. Dies führt indes nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern allenfalls zu einer sekundären Darlegungslast auf Seiten des Antragstellers und dazu, dass an den Nachweis der negativen Tatsache durch den Antragsgegner keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Ist der Antragsteller allerdings dem einfachen Bestreiten des Zugangs mit eigenem qualifizierten Vortrag entgegengetreten, muss die darlegungspflichtige Partei ihren Vortrag konkretisieren und detailliert auf das substantiierte Bestreiten der Gegenpartei eingehen (vgl. BGH, GRUR 2007, 630 m.w.N.). Auf den Zugang des Abmahnschreibens bezogen bedeutet dies im einstweiligen Verfügungsverfahren, dass der Antragsteller gehalten ist, die genauen Umstände der Absendung vorzutragen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Eine weitergehende Verpflichtung, etwa dahingehend, dass der Antragsteller – wie der Antragsgegner mit seinem Hinweis auf die Möglichkeit einer Versendung durch Einschreiben mit Rückschein meint – besondere Versendungsformen zu wählen habe, die einen Nachweis des Zugangs ermöglichten, kann auf Grund der sekundären Darlegungslast nicht begründet werden (zur fehlenden Pflicht, besondere Versendungsformen zu wählen, vgl. BGH, GRUR 2007, 630 m.w.N.).

Mit diesen Anforderungen werden dem Antragsgegner keine unzumutbaren Belastungen aufgebürdet. Er hat die Möglichkeit, die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass er keinen Anlass zurr Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat – etwa den Umstand, dass ihm kein Abmahnschreiben zugegangen ist – substantiiert darzulegen und zu beweisen. Gelingt ihm dieser Beweis (§ 286 ZPO) beziehungsweise hält das Gericht das Vorbringen im einstweiligen Verfügungsverfahren für überwiegend wahrscheinlich (§§ 294, 286 ZPO), ist grundsätzlich Raum für eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten (§ 93 ZPO). Denn das Risiko, dass ein abgesandtes Abmahnschreiben auf dem Postweg verlorengegangen ist, trägt grundsätzlich der Antragsteller (vgl. BGH, GRUR 2007, 630 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner der ihm obliegenden Darlegungslast nicht genügt. Er hat lediglich vorgebracht, keine Veranlassung zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben zu haben, da ihm das als Anlage EV3 vorgelegte Abmahnschreiben vom 20.12.2006 nicht zugegangen sei. Der Antragsteller hat bereits mit Schriftsatz vom 05.04.2007 die Absendung des Abmahnschreibens substantiiert dargelegt und mit Schriftsatz vom 18.07.2007 unter Vorlage eines Ausdrucks aus dem Postausgangsbuch und anwaltlicher Versicherung ergänzend vorgetragen, dass sämtliche in dieser Liste eingetragenen Schreiben am selben Tag in ein Kuvert gesteckt, mit der erforderlichen Anzahl von Briefmarken freigemacht, in ein Postausgangsfach im Sekretariat der Kanzlei des Antragstellervertreters gelegt und spätestens am nächsten Tag in einen Briefkasten geworfen werden würden. Damit ist der Antragsteller der ihn treffenden (sekundären) Darlegungslast nachgekommen. Der Antragsgegner hätte daher substantiiert darlegen und glaubhaft machen müssen, dass ihm das Abmahnschreiben nicht zugegangen ist. Sowohl detaillierten Vortrag als auch dessen Glaubhaftmachung ist der Antragsgegner – auch mit dem am 26.07.2007 eingegangenen Schriftsatz – unter Verweis auf die dem Antragsteller obliegende Beweislast schuldig geblieben.

Der Antragsgegner hat als unterlegene Partei auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 ZPO.

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