Wiederholungsgefahr trotz Namenslöschung der betroffenen Personen in Onlineveröffentlichung

08. Mai 2007
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Eigener Leitsatz:

Löscht der Verlag  nach einer persönlichkeitstrechtsverletzenden Presseberichterstattung die Namen der betroffenen Personen, so entfällt dadurch nicht die Wiederholungsgefahr.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 08.05.2007

Az.: 11 U 63/06

Sachverhalt:

Der Verfügungskl. (nachfolgend KI.) verbüßt seit 1991 eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes an dem Schauspieler S. Die Verfügungsbekl. (nachfolgend Bekl.) berichtete in der Onlineausgabe des Kölner Stadtanzeigers am 4.5.2006 unter der Überschrift „S-Mörder wollen Freiheit“ unter voller Namensnennung über den Kl. und dessen Halbbruder im Hinblick auf deren mögliche vorzeitige Haftentlassung.

Nach einer Abmahnung durch den Halbbruder des Kl. entfernte die Bekl. in der im Internet abrufbaren Berichterstattung die Namen des KI. und seines Halbbruders.

Mit anwaltlichem Schreiben v. 30.5.2006 ließ der KI. die Bekl. wegen der Veröffentlichung ebenfalls abmahnen und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten U nterlassungserklärung auf, die die Bekl. mit der Begründung verweigerte, infolge der redaktionellen Korrektur des Beitrags sei die Wiederholungsgefahr entfallen.

Aus den Gründen:

Zu Recht hat das LG die Beschlussverfügung v. 1.6.2006 bestätigt, weil die Wiederholungsgefahr nicht entfallen ist. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Berichterstattung in ihrer ursprünglichen Form das Persönlichkeitsrecht des KI. verletzte, weil darin über den Kl. in identifizierender Weise unter Namensnennung berichtet wurde. Dies entspricht auch der Rspr. des Senats (zuletzt Senatsurteil v. 6.2.2007 – 11 U 51/06).

Die Bekl. ist … der Auffassung, die Wiederholungsgefahr sei bereits dadurch entfallen, dass sie den Artikel durch Entfernen der voll ausgeschriebenen Namen des Kl. und dessen Halbbruders korrigiert habe. Dabei stützt sie ihre Auffassung auf eine Entscheidung des OLG Köln (AfP 1993, 744). Dem vermag der Senat im zu entscheidenden Fall nicht zu folgen.

Die Wiederholungsgefahr ist materielle Anspruchsvoraussetzung für einen Unterlassungsanspruch. Sie ist die auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. In der Regel begründet die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH NJW 2004, 1035), an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 1999, 356).

Das gilt grds. auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Presseberichterstattung (Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rdnr. 30.7 ff.; Prinz/Peters, Medienrecht, Rdnr. 334 ff.). Die im Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätze zur Wiederholungsgefahr sind weitgehend ins Medienrecht übernommen worden. An den Nachweis des Wegfalls der Wiederholungsgefahr sind deshalb auch hier strenge Anforderungen zu stellen. Grds. wird die Wiederholungsgefahr auch im Presserecht daher nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt. Nur ausnahmsweise ist es möglich, dass durch ein bestimmtes Verhalten des Verletzers – wie z.B. eine freiwillige Korrektur – die Wiederholungsgefahr entfällt.

Der Verletzte braucht sich aber grds. nicht mit einer einfachen ungesicherten Erklärung zu begnügen. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine redaktionelle Richtigstellung die Wiederholungsgefahr entfallen lässt, ist deshalb nicht unumstritten. So hat das OLG Hamburg die Richtigstellung selbst in Form eines Widerrufs nicht ausreichen lassen, sondern als Voraussetzung für den Wegfall der Wiederholungsgefahr noch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert (NJW-RR 1996, 90).

Die Entscheidung des OLG Köln betrifft aber ohnehin schon einen völlig anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalt. Zum einen erfolgte die „Korrektur“ hier nicht freiwillig, sondern erst nach einer Verwarnung durch den Halbbruder des KI. Der entscheidende Unterschied besteht aber in der vorgenommenen „Korrektur“ an sich. Während in dem Fall des OLG Köln die Korrektur in einem inhaltlichen Abrücken von der vorausgegangenen Berichterstattung bestand, geht es vorliegend um eine eher redaktionelle Anderung, nämlich ob der Name des KI. in der Berichterstattung künftig in anonymisierender oder identifizierender Weise angeführt wird.

Diese inhaltliche Distanzierung mag die Annahme rechtfertigen, die Wiederholungsgefahr sei ausgeräumt, wiel es äußerst unwahrscheinlich erscheint, dass der ursprüngliche, aber ausdrücklich und freiwillig zurückgenommene Vorwurf trotz der Distanzierung und Korrektur in der späteren Berichterstattung wider besseres Wissen erneut aufgegriffen und wiederholt werden könnte.

Diese Situation ist mit dem zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar. Eine Wiederholung der rechtsverletzenden Berichterstattung setzt hier nämlich nicht voraus, dass sich die Bekl. in Widerspruch zu ihrer früheren Berichterstattung setzen und Behauptungen wider besseres Wissen verbreiten müsste. Da die Rechtsverletzung allein auf redaktionellen Modalitäten der Berichterstattung beruhte, könnte die Bekl. jederzeit wieder zu dieser Form der Berichterstattung zurückkehren, ohne damit eine inhaltliche Aussage verbinden oder sich zu früheren Artikeln in Widerspruch setzen zu müssen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Gefahr einer Wiederholung – und sei es infolge ungenügender redaktioneller Kontrolle oder eines bloßen Versehens – deutlich höher, als wenn die Wiederholung der inkriminierten Berichterstattung inhaltlich eine „Korrektur der Korrektur“ darstellen würde. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung wäre deshalb zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr notwendig gewesen, weil die Bekl. nur so ausreichend zur erforderlichen Sorgfalt und Überwachung angehalten werden kann (so auch OLG Hamburg, a.a.O.).

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