Videoangebot einer Online-Zeitung als audiovisueller Mediendienst?

27. Oktober 2015
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Hand hält Tablet mit geöffnetem Browser, News, Online-Nachrichten Urteil des EuGH vom 21.10.2015, Az.: C-347/14

Stellt eine Online-Zeitung auf ihrer Website einen Link bereit, der zu einer Unterseite führt, auf welcher mehr als 300 Videos abgerufen werden können, so stellen diese Videos Sendungen im Sinne des Art. 1 Abs. I lit. b) der Richtlinie 2010/13 dar, sofern sie sich an ein Massenpublikum richten und bei diesem eine deutliche Wirkung entfalten können. Weiterhin ist das Angebot der Videos als audiovisueller Mediendienst auf Abruf im Sinne des Art. 1 Abs. I lit. a) der Richtlinie 2010/13 zu qualifizieren, wenn es in Inhalt und Funktion gegenüber den Presseartikeln der Online-Zeitung eigenständig und nicht untrennbar mit der journalistischen Tätigkeit verknüpft ist.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 21.10.2015

Az.: C-347/14

Entscheidungsgründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und Buchst. b der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95, S. 1).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der New Media Online GmbH mit Sitz in Innsbruck (Österreich) und dem Bundeskommunikationssenat wegen der Entscheidung der Kommunikationsbehörde Austria, einen Teil der von der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens angebotenen Dienste als „audiovisuellen Mediendienst auf Abruf“ zu qualifizieren, der damit der in den einschlägigen Vorschriften vorgesehenen Anzeigepflicht unterliegt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Erwägungsgründe 10, 11, 21, 22, 24 und 28 der Richtlinie 2010/13 lauten:

„(10) Traditionelle audiovisuelle Mediendienste – wie das Fernsehen – und neu aufkommende audiovisuelle Mediendienste auf Abruf bieten erhebliche Beschäftigungsmöglichkeiten in der Union, vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen, und regen Wirtschaftswachstum und Investitionstätigkeit an. In Anbetracht der Bedeutung gleicher Wettbewerbsbedingungen und eines echten europäischen Marktes für audiovisuelle Mediendienste sollten die Grundsätze des Binnenmarkts wie der freie Wettbewerb und Gleichbehandlung respektiert werden, um Transparenz und Vorhersehbarkeit in den Märkten für audiovisuelle Mediendienste zu gewährleisten und niedrige Zutrittsschranken zu erreichen.

(11)      Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die Rechtssicherheit zu verbessern, zur Vollendung des Binnenmarkts beizutragen und die Entstehung eines einheitlichen Informationsraums zu erleichtern, ist es notwendig, auf alle audiovisuellen Mediendienste – sowohl Fernsehprogramme (d. h. lineare audiovisuelle Mediendienste) als auch audiovisuelle Mediendienste auf Abruf (d. h. nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste) – zumindest bestimmte gemeinsame Grundvorschriften anzuwenden.

(21) Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte der Begriff der audiovisuellen Mediendienste lediglich die entweder als Fernsehprogramm oder auf Abruf bereitgestellten audiovisuellen Mediendienste erfassen, bei denen es sich um Massenmedien handelt, das heißt, die für den Empfang durch einen wesentlichen Teil der Allgemeinheit bestimmt sind und bei dieser eine deutliche Wirkung entfalten könnten. Er sollte nur Dienstleistungen im Sinne des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfassen, also alle Arten wirtschaftlicher Tätigkeiten, auch die öffentlich-rechtlicher Unternehmen, sich jedoch nicht auf vorwiegend nichtwirtschaftliche Tätigkeiten erstrecken, die nicht mit Fernsehsendungen im Wettbewerb stehen, wie z. B. private Internetseiten und Dienste zur Bereitstellung oder Verbreitung audiovisueller Inhalte, die von privaten Nutzern für Zwecke der gemeinsamen Nutzung und des Austauschs innerhalb von Interessengemeinschaften erstellt werden.

(22)      Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte der Begriff der audiovisuellen Mediendienste die Massenmedien in ihrer informierenden, unterhaltenden und die breite Öffentlichkeit bildenden Funktion erfassen, einschließlich der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation, aber alle Formen privater Korrespondenz, z. B. an eine begrenzte Anzahl von Empfängern versandte elektronische Post, ausschließen. Die Begriffsbestimmung sollte alle Dienste ausschließen, deren Hauptzweck nicht die Bereitstellung von Programmen ist, d. h. bei denen audiovisuelle Inhalte lediglich eine Nebenerscheinung darstellen und nicht Hauptzweck der Dienste sind. Dazu zählen beispielsweise Internetseiten, die lediglich zu Ergänzungszwecken audiovisuelle Elemente enthalten, z. B. animierte grafische Elemente, kurze Werbespots oder Informationen über ein Produkt oder nichtaudiovisuelle Dienste. Aus diesen Gründen sollten ferner folgende Dienste von dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sein: Glücksspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz, einschließlich Lotterien, Wetten und andere Gewinnspiele, sowie Online-Spiele und Suchmaschinen, jedoch nicht Sendungen mit Gewinnspielen oder Glücksspielen.

(24)      Ein typisches Merkmal der Abrufdienste ist, dass sie ‚fernsehähnlich‘ sind, d. h. dass sie auf das gleiche Publikum wie Fernsehsendungen ausgerichtet sind und der Nutzer aufgrund der Art und Weise des Zugangs zu diesen Diensten vernünftigerweise einen Regelungsschutz im Rahmen dieser Richtlinie erwarten kann. Angesichts dieser Tatsache sollte zur Vermeidung von Diskrepanzen bei der Dienstleistungsfreiheit und beim Wettbewerb der Begriff ‚Sendung‘ unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf dem Gebiet der Fernsehsendungen dynamisch ausgelegt werden.

(28)      Elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften sollten nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.“

In Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2010/13 heißt es in Abs. 1:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚audiovisueller Mediendienst‘

i)      eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist. Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Absatzes oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Absatzes,

ii)      die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation;

b)      ‚Sendung‘ eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die Einzelbestandteil eines von einem Mediendiensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist und deren Form und Inhalt mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen vergleichbar sind. Beispiele für Sendungen sind unter anderem Spielfilme, Sportberichte, Fernsehkomödien, Dokumentarfilme, Kindersendungen und Originalfernsehspiele;

g)      ‚audiovisueller Mediendienst auf Abruf‘ (d. h. ein nichtlinearer audiovisueller Mediendienst) einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird;

…“

Österreichisches Recht

In § 2 („Begriffsbestimmungen“) des Audiovisuelle Mediendienste-Gesetzes (BGBl. I, 84/2001) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: AMD-G) heißt es:

„Im Sinne dieses Gesetzes ist:

3.      ‚audiovisueller Mediendienst‘: eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters, deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze (§ 3 Z 11 TKG [Telekommunikationsgesetz] 2003) ist. Darunter fallen Fernsehprogramme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf;

4.      ‚audiovisueller Mediendienst auf Abruf‘: ein audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird (Abrufdienst);

…“

§ 9 („Anzeigepflichtige Dienste“) des AMD-G sieht in Abs. 1 vor:

„Fernsehveranstalter, soweit sie nicht einer Zulassungspflicht nach § 3 Abs. 1 unterliegen, sowie Anbieter von Mediendiensten auf Abruf, haben ihre Tätigkeit spätestens zwei Wochen vor Aufnahme der Regulierungsbehörde anzuzeigen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens betreibt unter der Internetadresse http://www.tt.com die Online-Zeitung Tiroler Tageszeitung Online. Auf dieser Website, die hauptsächlich Presseartikel enthält, befand sich zur im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit ein Link, der auf eine Subdomain, http://video.tt.com, mit der Bezeichnung „Video“ verwies (im Folgenden: Subdomain Video) und zu einer Seite führte, auf der anhand eines Suchkatalogs mehr als 300 Videos abgerufen werden konnten.

Die derart ins Internet gestellten Videos enthielten redaktionell gestaltete Berichte unterschiedlicher Länge (30 Sekunden bis mehrere Minuten) über verschiedene Themen, wie etwa lokale Veranstaltungen und Ereignisse, Befragungen von Passanten zu aktuellen Themen, Sportveranstaltungen, Filmtrailer, Bastelanleitungen für Kinder oder redaktionell ausgewählte Videos von Lesern. Nur wenige der in der Subdomain Video angebotenen Videos hatten einen Bezug zu den Artikeln auf der Website der Tiroler Tageszeitung.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 stellte die Kommunikationsbehörde Austria fest, dass die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens mit der Subdomain Video einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf im Sinne von § 2 Z 3 in Verbindung mit Z 4 AMD-G veranstalte, welcher der Anzeigepflicht gemäß § 9 Abs. 1 AMD-G unterliege. Die Subdomain Video habe Fernsehcharakter und erfülle eine gegenüber der übrigen Website der Tiroler Tageszeitung eigenständige Funktion. Sie genüge dem Kriterium des Hauptzwecks der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Daher falle die Subdomain Video in den Anwendungsbereich des AMD-G und unterliege dessen rechtlichen Anforderungen.

Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens mit einer Berufung an den Bundeskommunikationssenat. Dieser wies die Berufung mit Bescheid vom 13. Dezember 2012 aus den auch von der Kommunikationsbehörde Austria vertretenen Gründen ab.

Die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens wandte sich daraufhin an den Verwaltungsgerichtshof. Vor ihm macht sie geltend, die unter der Subdomain Video abrufbaren audiovisuellen Inhalte seien lediglich eine Ergänzung ihrer Hauptwebsite und hätten nicht die Form eines audiovisuellen Mediendienstes. Außerdem seien die in der Subdomain Video bereitgestellten kurzen Videos in ihrer Form und in ihrem Inhalt nicht mit dem Angebot von Fernsehsendungen vergleichbar.

Das vorlegende Gericht fragt sich erstens, ob die angebotenen Videos als „Sendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13 eingestuft werden können, und insbesondere, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Sammlung von Videos der in der Bestimmung genannten Anforderung genügt, in Form und Inhalt mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen vergleichbar zu sein. Es geht davon aus, dass von einer Vergleichbarkeit des in Prüfung stehenden Dienstes mit Fernsehprogrammen dann ausgegangen werden kann, wenn ein derartiger Dienst in Fernsehprogrammen angeboten wird. Seine Zweifel ergeben sich jedoch daraus, dass der im Ausgangsverfahren fragliche Dienst darin besteht, kurze Videos anzubieten, die kurzen Sequenzen aus Nachrichten entsprechen und die es in dieser Zusammenstellung im „klassischen“ Fernsehen nicht gibt.

Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienst den „Hauptzweck“ verfolgt, dem Publikum Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung bereitzustellen. Die Richtlinie 2010/13 lasse nicht eindeutig erkennen, ob es bei der Qualifikation einer Dienstleistung als audiovisueller Mediendienst unter dem Aspekt des „Hauptzwecks“ auf das gesamte Leistungsspektrum des Anbieters ankomme oder ob jeder Dienst getrennt geprüft werden könne. Die Zielsetzung der Richtlinie spreche allerdings für Letzteres, da es andernfalls einem Anbieter durch Erweiterung seines Leistungsspektrums offen stünde, Dienste dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu entziehen.

Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 1 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2010/13 dahin gehend auszulegen, dass von einer in Form und Inhalt erforderlichen Vergleichbarkeit eines in Prüfung stehenden Dienstes mit Fernsehprogrammen dann ausgegangen werden kann, wenn derartige Dienste auch in Fernsehprogrammen angeboten werden, die als Massenmedien angesehen werden können, welche für den Empfang durch einen wesentlichen Teil der Allgemeinheit bestimmt sind und bei dieser deutliche Wirkung entfalten können?

2. Ist Art. 1 Abs. 1 lit. a sublit. i der Richtlinie 2010/13 dahin gehend auszulegen, dass bei elektronischen Ausgaben von Zeitungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Hauptzwecks eines angebotenen Dienstes auf einen Teilbereich abgestellt werden kann, in dem überwiegend kurze Videos gesammelt bereitgestellt werden, die in anderen Bereichen des Webauftritts dieses elektronischen Mediums nur zur Ergänzung von Textbeiträgen der Online-Tageszeitung verwendet werden?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „Sendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13 dahin auszulegen ist, dass er die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst.

Zunächst ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Videos nach den Angaben des vorlegenden Gerichts Nachrichten unterschiedlicher Länge zu verschiedenen Themen zeigen. Diese Videos enthalten Reportagen über lokale Ereignisse, insbesondere in den Bereichen Politik, Kultur, Sport und Wirtschaft.

In diesem Zusammenhang äußert das vorlegende Gericht Zweifel, ob die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, mit Fernsehprogrammen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13 vergleichbar ist, da eine derartige Kurzvideosammlung als solche von herkömmlichen Fernsehprogrammen bislang nicht angeboten worden sei.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Sendung“ nach der in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13 enthaltenen Definition „eine Abfolge von bewegten Bildern …, die Einzelbestandteil eines von einem Mediendiensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist und deren Form und Inhalt mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen vergleichbar sind“ bezeichnet.

Diese Bestimmung verlangt somit die Vergleichbarkeit von Videosequenzen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen, nicht aber die Vergleichbarkeit einer kompletten Kurzvideosammlung mit einem von einem Fernsehveranstalter erstellten kompletten Sendeplan oder Katalog.

Ferner ist die Einstufung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Videos als „Sendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13 nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sie von kurzer Dauer sind. Diese Bestimmung enthält nämlich keine Anforderung hinsichtlich der Dauer der betreffenden Abfolge von Bildern. Außerdem enthält das Fernsehprogrammangebot – wie die Europäische Kommission hervorgehoben hat – neben Programmen von langer und mittlerer Dauer auch Programme kurzer Dauer.

Dass der Internetnutzer auf das ihn interessierende Video zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt und auf seinen individuellen Abruf hin aus einem vom Betreiber der Online-Zeitung festgelegten Katalog zugreifen kann, der die Suche sowohl nach der Rubrik als auch nach den populärsten oder neuesten Videos erlaubt, ändert nichts daran, dass sich die im Ausgangsverfahren fraglichen Videos wie ein Fernsehprogramm an ein Massenpublikum richten und bei diesem im Sinne des 21. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2010/13 eine deutliche Wirkung entfalten können. Im Übrigen ist diese Möglichkeit in der Definition des audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf in Art. 1 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2010/13 ausdrücklich vorgesehen. Die Art und Weise, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Videos ausgewählt werden, unterscheidet sich daher nicht von derjenigen, die im Rahmen der in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden audiovisuellen Mediendienste auf Abruf vorgeschlagen wird.

Außerdem zielt die Richtlinie 2010/13 nach ihren Erwägungsgründen 11, 21 und 24 darauf ab, dass in einem besonders wettbewerbsstarken Medienumfeld für Anbieter, die sich an das gleiche Publikum richten, die gleichen Regeln gelten und verhindert wird, dass audiovisuelle Mediendienste auf Abruf, wie die im Ausgangsverfahren fragliche Videosammlung, dem herkömmlichen Fernsehen gegenüber unlauteren Wettbewerb betreiben können.

Insoweit ergibt sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts, dass ein Teil der in der Subdomain Video zugänglichen Videos von einem regionalen Fernsehsender, Tirol TV, produziert wird und auch auf dessen Website zugänglich ist. Diese Videos treten somit in Wettbewerb zu den von den regionalen Fernsehsendern angebotenen Informationsdiensten. Dies gilt auch für die kurzen Videos, die sich nicht auf das lokale Tagesgeschehen, sondern auf Kultur- oder Sportveranstaltungen oder auf Unterhaltungsreportagen beziehen und mit Musikkanälen, Sportkanälen sowie Unterhaltungssendungen im Wettbewerb stehen.

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass der Begriff „Sendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13 dahin auszulegen ist, dass er die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst.

Zur zweiten Frage

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, nach welchen Kriterien der Hauptzweck im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2010/13 eines Dienstes der Bereitstellung von Videos zu bestimmen ist, der in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angeboten wird.

Insoweit ergibt sich aus der Richtlinie 2010/13, dass die elektronische Ausgabe einer Zeitung trotz der audiovisuellen Elemente, die sie enthält, nicht als ein audiovisueller Dienst zu betrachten ist, wenn diese audiovisuellen Elemente eine Nebenerscheinung darstellen und nur zur Ergänzung des Presseartikelangebots dienen.

So heißt es im 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/13, dass „Dienste …, … bei denen audiovisuelle Inhalte lediglich eine Nebenerscheinung darstellen und nicht Hauptzweck der Dienste sind“ grundsätzlich kein „audiovisueller Mediendienst“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie sind. Im 28. Erwägungsgrund der Richtlinie wird klargestellt, dass „elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften“ nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Daher haben die österreichischen Behörden entschieden, die Website der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens insgesamt gesehen nicht als audiovisuellen Mediendienst einzustufen.

Der 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/13 darf jedoch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass ein audiovisueller Dienst immer und schon dann vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszuschließen ist, wenn der Betreiber der Website, zu der dieser Dienst gehört, eine Online-Zeitung verlegt. Ein Videobereich, der im Rahmen einer einheitlichen Website die Voraussetzungen für eine Einstufung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erfüllt, verliert diese Eigenschaft nicht allein deshalb, weil er von der Website einer Zeitung aus zugänglich ist oder in deren Rahmen angeboten wird.

Ein Ansatz, bei dem die von Verlegern von Online-Tageszeitungen angebotenen Dienste aufgrund ihres multimedialen Charakters ohne eine Einzelfallbeurteilung des „Hauptzwecks“ des betreffenden Dienstes generell vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen wären, würde nämlich die Vielfalt der in Betracht kommenden Situationen nicht hinreichend berücksichtigen und die Gefahr mit sich bringen, dass Marktteilnehmer, die tatsächlich audiovisuelle Mediendienste im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie erbringen, ein multimediales Informationsportal verwenden könnten, um sich den in diesem Bereich für sie geltenden Rechtsvorschriften zu entziehen.

Zudem würde es ein auf die Marktteilnehmereigenschaft gestützter persönlicher Ansatz, der darin bestünde, die von dem Marktteilnehmer angebotenen Dienste in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen, um eine Abwägung ihres jeweiligen Zwecks vorzunehmen, und der darauf hinausliefe, dass dieser Marktteilnehmer für die Gesamtheit der von ihm über seine Website angebotenen Dienste entweder in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2010/13 fällt oder nicht, nicht ermöglichen, Sonderfälle korrekt zu erfassen, in denen z. B. ein Unternehmen in mehreren Bereichen tätig ist, seinen Tätigkeitsbereich erweitert oder sich mit einem anderen Unternehmen zusammenschließt.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Wortlaut des zehnten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2010/13 eines ihrer Hauptziele darin besteht, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf den Märkten für audiovisuelle Mediendienste zu erreichen. Folglich kann für die Zuordnung des „Hauptzwecks“ einer Website nicht maßgebend sein, ob sich die betreffende Website als Ganzes betrachtet auf die Haupttätigkeit eines Unternehmens bezieht oder auf eine Tätigkeit, die für das Unternehmen nur eine Nebenrolle spielt.

Das Schutzniveau der Verbraucher kann nämlich nicht davon abhängen, ob ein und derselbe Fernsehinhalt von einem Unternehmen angeboten wird, für das dieser Inhalt nur eine untergeordnete Rolle spielt, oder von einem Unternehmen, dessen gesamtes Angebot in diesem Inhalt besteht.

Daher ist ein materieller Ansatz vorzuziehen, der entsprechend dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2010/13 darin besteht, zu prüfen, ob der betreffende Dienst als solcher und unabhängig von dem Rahmen, in dem er angeboten wird, den Hauptzweck hat, eine Sendung zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit bereitzustellen.

Im Ausgangsverfahren ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der in der Subdomain Video angebotene Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber den Presseartikeln des Verlegers der Online-Zeitung eigenständig ist. Wenn dies der Fall ist, fällt der Dienst in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2010/13. Wenn der Dienst dagegen insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen untrennbar mit der journalistischen Tätigkeit dieses Verlegers verknüpft ist, fällt er nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie.

Bei dieser Prüfung kann nicht maßgebend sein, ob das fragliche audiovisuelle Angebot im Hauptbereich der betreffenden Website oder in einer ihrer Subdomains präsentiert wird, da sonst die Möglichkeit geschaffen würde, die Vorschriften der Richtlinie 2010/13 durch eine entsprechende Strukturierung der Website zu umgehen.

Im Ausgangsverfahren sind nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts und den dem Gerichtshof übermittelten Akten offenbar nur wenige Presseartikel mit den fraglichen Videosequenzen verlinkt. Zudem ist nach den Angaben in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten die Mehrheit dieser Videos unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens eigenständig und damit ein Dienst ist, der sich von den übrigen von ihr angebotenen Diensten unterscheidet. Diese Beurteilung ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2010/13 dahin auszulegen ist, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der betreffenden Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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