Wettbewerber müssen in Fahrplaninformations-App unter schnellste Verbindungen angezeigt werden

24. Oktober 2023
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Roter Zug, der in einen Bahnhof einfährt bei Sonnenuntergang Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 21.09.2023, Az.: 6 W 61/23

Das OLG Frankfurt hat mit diesem Beschluss festgestellt, dass die Anbieterin einer Webseite bzw. App zur Reiseauskunft im Schienenpersonenfernverkehr bei der Suchfunktion nach den schnellsten Verbindungen auch jene Verbindungen anzeigen muss, die von Wettbewerbern der Anbieterin angeboten werden. Damit gab das OLG der Antragstellerin Recht, deren zur Verfügung stehenden Verbindungen nicht in der Auskunft der Navigator-App der Gegnerin angezeigt wurden. Das Nichtanzeigen der Verbindungen verstößt somit gegen § 5 Abs. 1 UWG und ist daher wettbewerbsrechtlich relevant.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss vom 21.09.2023

Az.: 6 W 61/23

Leitsatz

Gibt der Verletzer eine Unterlassungserklärung mit der Erklärung ab, diese gelte auch bei Ablehnung weiter, führt diese nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr, da es an der nötigen Gefahr der jederzeitigen Annahme durch den Gläubiger fehlt.

Anmerkung

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Tenor

  1. Der Beschluss des Landgerichts wird abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,-, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,

im geschäftlichen Verkehr in der Verbindungssuche auf (…).de und in der App Y Navigator eine Suchoption mit der Bezeichnung „Schnellste Verbindungen anzeigen“ anzubieten, wenn bei Nichtabwahl dieser Option und Betätigung des Suchvorgangs

(a) zur Verfügung stehende Verbindungen nicht angezeigt werden, die den eingegebenen Suchkriterien (z.B. Datum, Start- und Zielbahnhof, Abfahrts- oder Ankunftszeit) entsprechen, obwohl sie eine kürzere Reisedauer aufweisen als die stattdessen angezeigten Verbindungen, wenn dies geschieht wie in Anlage 1 zum Beschluss abgebildet,

(b) bei der Suche nach einer bestimmten Abfahrtzeit zur Verfügung stehende Verbindungen nicht angezeigt werden, die den eingegebenen Suchkriterien (z.B. Datum, Start- und Zielbahnhof, Abfahrts- oder Ankunftszeit) entsprechen, obwohl sie die Nutzer – ausgehend von der ausgewählten Abfahrtszeit – früher an den angegebenen Zielort verbringen als die stattdessen angezeigten Verbindungen, wenn dies geschieht wie in Anlage 2 zum Beschluss abgebildet,

(c) bei der Suche nach einer bestimmten Ankunftszeit Verbindungen, die den eingegebenen Suchkriterien (z.B. Datum, Start- und Zielbahnhof, Abfahrts- oder Ankunftszeit) entsprechen, nicht angezeigt werden, obwohl sie den gewählten Startbahnhof später verlassen und ihre Ankunftszeit am Zielbahnhof näher an der gewählten Ankunftszeit liegt als die der stattdessen angezeigten Verbindungen, wenn dies geschieht wie in Anlage 3 zum Beschluss abgebildet.

  1. Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000.– € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Anbieter von Transportdienstleistungen im Schienenpersonenfernverkehr (berichtigt – die Red.). Sie wendet sich gegen die Gestaltung und Funktionsweise der Suchoption „Schnellste Verbindungen anzeigen“ auf den von der Antragsgegnerin betriebenen Fahrplaninformations- und Reiseauskunftsmedien auf der Website (…).de sowie in der App Y Navigator. Die Antragsgegnerin ist Konzerntochter der Y AG und bietet ebenfalls Transportdienstleistungen im Schienenpersonennahverkehr an.

(…)

Die Antragsgegnerin stellt Verbrauchern, die die Plattformen (…).de und Y Navigator für die Reiseauskunft nutzen wollen, eine Suchmaske zur Verfügung, die die Eingabe verschiedener Suchparameter erlaubt. Dazu gehören insbesondere die Grundparameter

– Start und Ziel,

– das Datum der Fahrt sowie

– die Abfahrts- oder Ankunftszeit („Ab“ und „An“).

Jeweils standardmäßig voreingestellt ist die Suchoption unter der Bezeichnung

„Schnellste Verbindungen anzeigen“. Als Ergebnis dieser Suche zeigt die Antragsgegnerin in der Regel drei Verbindungen an, die nach folgenden Kriterien durch den Algorithmus ermittelt werden:

Ausgehend von der gewählten Abfahrtszeit wird zunächst die absolut schnellste Verbindung und sodann in der Reihenfolge die danach abfahrende zweitschnellste Verbindung angezeigt. Es wird also eine zeitliche Vorwärtssuche ausgehend von der schnellsten Verbindung durchgeführt. Zweitschnellste Verbindungen, die vor der absolut schnellsten Verbindung ankommen, werden danach nicht angezeigt, obwohl sie schneller als die angezeigte zweitschnellste Verbindung nach der absolut schnellsten Verbindung sind.

Eine Suche nach der „schnellsten“ Verbindung Stadt A – Stadt B am 18. Juli 2023 (eingestellte Abfahrtszeit 18:00 Uhr) führte danach zu folgendem Ergebnis:

(Von der Darstellung der nachfolgenden Abbildung wird abgesehen – die Red.)

Die Verbindung der Antragstellerin, die planmäßig um 18:23 Uhr von Stadt A startet und Stadt B um 20:23 erreicht (Fahrzeit: 2:00h) wurde nicht angezeigt.

Entsprechend wurde auch bei der Suche nach einer bestimmten Ankunftszeit eine Verbindung der Antragstellerin nicht angezeigt, obwohl ihre Ankunftszeit am Ziel näher an der ausgewählten Ankunftszeit lag und sie später den Startort verließ als die stattdessen angezeigten Verbindungen. Weitere Abfragen führten zu strukturell vergleichbaren Ergebnissen, die Gegenstand der Anträge zu 1b) und 1c) sind.

Die Antragsgegnerin hat nach einer Abmahnung durch die Antragstellerin am 28.04.2023 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, deren Annahme die Antragstellerin mit Schreiben vom 05.05.2023 (Anlage AG 32) abgelehnt hat. Mit Email vom gleichen Tag erneuerte die Antragsgegnerin ihre Unterlassungserklärung unverändert und gab schließlich am 08.05.2023 (Anlage AG 34a) eine neue abgeänderte Unterlassungserklärung ab, wobei sie erklärte, dass diese unbefristet abgegeben werde und sich die Antragsgegnerin unabhängig von einer Annahme und sogar im Fall einer ausdrücklichen Zurückweisung durch die Antragstellerin daran gebunden halte.

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag mit Beschluss vom 30.05.2023 zurückgewiesen. Die Unterlassungserklärung vom 08.05.2023 sei geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, da die Antragsgegnerin trotz Ablehnung der Annahme durch die Antragstellerin die Antragsgegnerin ihr Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages ausdrücklich aufrechterhalten habe.

Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1.) Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 III Nr. 1, 5 I UWG zu.

(a) Die Antragsgegnerin hat durch die Ausgestaltung ihrer Verbindungsauskunft gegen § 5 I UWG verstoßen.

(1) Eine geschäftliche Handlung ist im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (stRspr; vgl. nur BGH, GRUR 2013, 1254 Rn. 15 – Matratzen Factory Outlet; GRUR 2016, 1193 Rn. 20 – Ansprechpartner; BGH, GRUR 2018, 1263 Rn. 11 – Vollsynthetisches Motorenöl).

Für den Gesamteindruck, den die vorliegende geschäftliche Handlung erwecken wird, ist zunächst zu bedenken, dass die Antragsgegnerin es Verbrauchern ermöglicht, Verbindungen auf Grundlage der von ihnen eingegebenen Suchparametern (Start, Ziel, Datum, Ankunfts- oder Abfahrtzeit) zu suchen. Verbraucher werden daher annehmen, dass die als Ergebnisse angezeigten Verbindungen zu den von ihnen eingegebenen Suchparametern gehören bzw. passen. Gleichzeitig ergibt sich aus der Anzeige der Ergebnisse die Annahme, dass eine vollständige Information vermittelt wird.

Verbraucher, die ihre Suchparameter in die Suchmasken der Antragsgegnerin eingeben und die Option „Schnellste Verbindungen anzeigen“ aktiviert lassen, nehmen weiter an, dass ihnen als Ergebnis der Suche die Verbindungen angezeigt werden, die sie bei der Suche nach einer bestimmten Abfahrtzeit von einem Startbahnhof – zeitlich möglichst nah an dem gewählten Abfahrtzeitpunkt – zum frühestmöglichen Zeitpunkt an das gewählte Ziel bringen oder bei der Suche nach einer bestimmten Ankunftszeit am Zielbahnhof – am schnellsten und zeitlich möglichst nah an der gewählten Ankunftszeit – an das gewählte Ziel bringen. Die Formulierung „Schnellste Verbindungen anzeigen“ lässt insoweit auch keinen Interpretationsspielraum erkennen. Es wird im Plural von „Verbindungen“ und nicht im Singular von einer „Verbindung“ gesprochen. Diese Verbindungen sollen die „schnellsten“ sein. Verbraucher werden nach alledem davon ausgehen, dass es sich bei den angezeigten Verbindungen, wie beworben, um die (in der Regel drei) schnellsten Verbindungen zu ihrer Suchanfrage handelt, auch weil das primäre Ziel des Verkehrs bei einer Verbindungsabfrage ist, möglichst schnell von A nach B zu kommen.

Dieses Verkehrsverständnis kann der Senat selbst feststellen, da er zu dem angesprochenen allgemeinen Verkehr gehört.

(2) Das so erweckte Verständnis der Verbraucher stimmt nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen überein. Tatsächlich ist es so, dass die Antragsgegnerin eine absolut schnellste Verbindung sucht und von dieser entweder vorwärts (Abfahrtssuche) oder rückwärts (Ankunftssuche) zu den nächsten absolut schnellsten Verbindungen springt. Entgegen der Erwartung des Verkehrs sind also in der Ergebnisliste an zweiter und fortlaufender Stelle angezeigten Verbindung nicht die nächstschnelleren im Hinblick auf die objektive Gesamtfahrtdauer, sondern die nächstschnelleren nach der schnellsten Verbindung.

Dies führt im Extremfall dazu, dass im Falle einer einstündigen schnellsten Verbindung die eine Minute davorliegende Verbindung mit einer Dauer von 1:01 Stunden gar nicht angezeigt wird, die eine Minute danach liegende Verbindung mit 2:00 Stunden Dauer hingegen als zweitschnellste.

Diese Funktionsweise führt auch dazu, dass die früher am Ankunftsort ankommende oder später am Abfahrtsort abfahrende Züge nicht angezeigt werden.

Soweit die Antragsgegnerin der Auffassung ist, eine Irreführung werde durch aufklärende Hinweise verhindert, folgt der Senat dem nicht. Der Hinweis, dass bei Änderung der Suchoptionen ggf. weitere Verbindungen angezeigt würden, ist insoweit nicht ausreichend, da der Verkehr keine Veranlassung zur Annahme hat, hierdurch werde er eine schnellere Verbindung als die angezeigten in Erfahrung bringen – schließlich hat er ja die „schnellsten“ Verbindungen bereits ausgewählt.

(3) Die irreführende geschäftliche Handlung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG, da die Benutzung einer Suchoption „Schnellste Verbindungen anzeigen“ mit der dargestellten Funktionsweise dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Verbraucher, die annehmen, es handele sich bei den angezeigten Verbindungen um die „schnellsten Verbindungen“ zu seiner Suche, können durch diese Fehlvorstellung zur Buchung einer Verbindung veranlasst werden, die sie andernfalls nicht getätigt hätten, weil tatsächlich eine schnellere nicht angezeigte Alternative vorhanden war.

Auch eine weitergehende Information über alternative, besser passende Verbindungen wird durch die geschäftliche Handlung unterbunden.

(b) Die hierdurch begründete Wiederholungsgefahr ist weder durch die von der Antragsgegnerin abgegebene Unterlassungserklärung vom 28.04.2023 (Anlage AS 32) noch durch die Erklärungen vom 5. Mai und 8. Mai 2023 in Wegfall geraten.

(1) Durch die tatsächliche Umgestaltung des Abfrageergebnisses kann die begründete Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Die Einstellung der Verletzungshandlung ist regelmäßig nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen.

(2) Einem Wegfall der Wiederholungsgefahr durch die abgegebene Unterlassungserklärung steht im vorliegenden Fall entgegen, dass die Antragstellerin die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber der Antragsgegnerin abgelehnt hat.

Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr genügt allerdings in der Regel der Zugang einer einseitig vom Schuldner abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung. Verpflichtet sich der Verletzte unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung uneingeschränkt zur Unterlassung weiterer Verletzungen, so ist damit nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs im Allgemeinen ausgeräumt. Dafür genügt bereits der Zugang einer einseitig vom Schuldner abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung; deren Annahme ist nicht erforderlich (st. Rspr, vgl. zuletzt BGH GRUR 2006, 878 Rn. 20 – Vertragsstrafevereinbarung; BGH GRUR 2010, 355 Rn. 21 – Testfundstelle; BGH GRUR 2018, 1258 Rn. 55 – YouTube-Werbekanal II). Voraussetzung für den Wegfall der Wiederholungsgefahr ist dabei insbesondere, dass die Erklärung sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt, wozu namentlich gehört, dass die versprochene Sanktion geeignet erscheint, den Versprechenden von Wiederholungen der Verletzungshandlung abzuhalten. Ob dies der Fall ist, muss in umfassender Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unter Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe geprüft werden (vgl. BGH GRUR 1985, 155, juris-Rn. 11 – Vertragsstrafe bis zu …, mwN).

Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wird nicht schon durch den Zugang einer einseitigen Erklärung des Schuldners begründet, sondern setzt den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner, wofür die allgemeinen vertragsrechtlichen Vorschriften gelten (vgl. BGH GRUR 2010, 355 Rn. 17 – Testfundstelle). Während die Wiederholungsgefahr grundsätzlich bereits durch den Zugang einer einseitigen strafbewehrten Unterlassungserklärung entfällt, können Ansprüche auf Zahlung der Vertragsstrafe (aus dem Unterlassungsvertrag) allein für ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses begangene Verstöße geltend gemacht werden (vgl. BGH GRUR 2010, 355 Rn. 21 – Testfundstelle). Ein Angebot des Schuldners auf Abschluss eines solchen Unterlassungsvertrags muss deshalb auch noch nach der üblichen Annahmefrist bindend sein, damit der Gläubiger es jederzeit nach § 151 S. 1 BGB annehmen und die Vertragsstrafeverpflichtung begründen kann. Nur dann ist die erforderliche Abschreckungswirkung gegeben, die den Wegfall der Wiederholungsgefahr schon mit Zugang der strafbewehrten Unterlassungserklärung rechtfertigt (BGH GRUR 2023, 255 Rn. 38 – Wegfall der Wiederholungsgefahr III).

Eine einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung des Schuldners kann danach grundsätzlich nur dann als ernsthaft angesehen werden, wenn sie bis zu ihrer Annahme oder Ablehnung durch den Gläubiger bindend ist, weil sie nur dann vom Zeitpunkt ihres Zugangs an die erforderliche Abschreckungswirkung entfaltet. Nur bei einer solchen effektiven Sanktionsdrohung kann auch davon ausgegangen werden, dass nicht nur keine offensichtliche oder wie auch immer begrenzte Gefahr der Fortsetzung der rechtsverletzenden Handlungen besteht, sondern ein Umstand tatsächlicher Art gegeben ist, der jede Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungserklärung mit einer empfindlichen (Vertrags-)Strafe bedroht.

Nach neuerer Rechtsprechung des BGH (GRUR 2023, 255 Rn. 38 – Wegfall der Wiederholungsgefahr III) hat dies zur Folge, dass der Abschluss des Unterlassungsvertrags bei Ablehnung des Angebotes durch den Gläubiger scheitert und es deshalb ab diesem Zeitpunkt an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine (drohende) Vertragsstrafenverpflichtung fehlt, die den Schuldner von zukünftigen Verstößen abhalten soll, weil er nicht mehr damit rechnen muss, dass der Gläubiger durch die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafenverpflichtung begründet hat. Die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr kann mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aber nur solange widerlegt werden, wie die erforderliche Abschreckungswirkung durch eine – nach Ablehnung durch den Gläubiger nicht mehr bestehende – effektive Sanktionsdrohung (weiterhin) gesichert ist (BGH aaO).

(3) Der damit durch die Ablehnung der Unterlassungserklärung durch die Antragstellerin bestehenden Wiederholungsgefahr ist die Antragsgegnerin auch nicht dadurch entgangen, dass die Antragsgegnerin erklärt hat, ihr Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages bestehe auch nach einer Ablehnung durch die Antragstellerin weiter. Das Landgericht weist zwar insoweit zu Recht darauf hin, dass § 146 BGB abdingbar ist und dem Angebotsempfänger beispielsweise das Recht zur zweiten Annahme eingeräumt werden kann (BeckOGK/Möslein, 1.2.2018, BGB § 146 Rn. 10, 11; vgl. auch BGH NJW 2013, 3434). Ob tatsächlich – wie die Antragsgegnerin meint – ein sich immer wieder aktualisierendes, gewissermaßen ewiges Annahmerecht begründet werden kann, kann hier dahinstehen.

Dadurch ist nämlich die vom Bundesgerichtshof für den Wegfall der Wiederholungsgefahr notwendige Abschreckungswirkung nach Auffassung des Senats nicht eingetreten, da die Antragsgegnerin das Damoklesschwert der jederzeitigen Annahme durch die Antragstellerin, das zu einem (zeitweisen) Wegfall der Wiederholungsgefahr führt, in einer derartigen Konstellation gerade nicht fürchten muss. Es gab für die Antragsgegnerin nämlich keinerlei Anlass zur Annahme, die Antragstellerin würde das einmal abgelehnte Angebot nunmehr plötzlich doch annehmen, obwohl es inhaltlich nicht verändert wurde. Die rechtliche Möglichkeit der Annahme ist für das tatsächliche Element der Wiederholungsgefahr nicht entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Antragsgegnerin fürchten musste, dass die Antragstellerin das Angebot – nunmehr plötzlich doch – annehmen würde. Hierfür sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

Eine jederzeitige Annahme der abgegebenen Unterlassungserklärung ist damit zwar rechtlich jederzeit möglich, praktisch jedoch eine rein theoretische Überlegung, die nicht geeignet ist, die notwendige Abschreckungswirkung zu begründen.

2.) Es fehlt auch nicht an dem notwendigen Verfügungsgrund, da die Dringlichkeitsvermutung des § 12 I UWG nicht als widerlegt anzusehen ist.

Für die Antragstellerin streitet zunächst die Dringlichkeitsvermutung des § 12 II UWG. Sie hat zudem vorgetragen, dass sie Kenntnis von der Ausblendung schnellerer Verbindungen erst am 28. März 2023 erlangt hat.

Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen und glaubhaft gemacht (Anlage AS 17), dass sie bis zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass X-Verbindungen infolge der Suchoption „Schnellste Verbindungen anzeigen“ nicht angezeigt werden, weil sie langsamer als die stattdessen angezeigten Verbindungen sind. Sie hat substantiiert dargelegt, dass dieses Verständnis, dem Vortrag der Antragsgegnerin im Hamburger Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt (u.a. in dem Schriftsatz vom 24. Februar 2023) entsprochen habe. Es entsprach auch dem allgemeinen Verkehrsverständnis aufgrund der Bezeichnung der Suchoption („Schnellste Verbindungen anzeigen“). Erst eine aus anderen Gründen vorgenommene Stichprobe durch den Zeugen Z habe am 28.03.2023 zu der Erkenntnis geführt, dass objektiv schnellere Verbindungen nicht angezeigt wurden (Eidesstattliche Versicherung A, Anlage AS 17).

Dem ist die Antragsgegnerin nicht mehr substantiiert entgegengetreten

Damit begann am 28.03.23 die Dringlichkeitsfrist zu laufen; der am 05.05.2023 anhängig gemachte Eilantrag ist damit innerhalb der in der Regel unschädlichen Frist von 6 Wochen bei Gericht eingegangen.

3.) Auch ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt der Aufspaltung der Rechtsverfolgung ist nicht erkennbar.

Aus den dargestellten Gründen hatte die Antragstellerin erst am 28.03.2023 Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung und konnte daher nicht bereits in vorherigen Verfahren gegen die Antragsgegnerin vorgehen. Soweit die Antragsgegnerin der Auffassung ist, die Antragstellerin hätte den Gegenstand ihres zweiten Verfügungsantrages vom 12.05.23 (LG Frankfurt, 2-06 O 225/23) bereit, mit zum Gegenstand des streitgegenständlichen Verfügungsantrages vom 05.05.2023 machen können und müssen, übersieht sie, dass schon die Tatsache, dass für den Anspruch aus § 3a UWG i.V.m. § 12 a II AEG andere Tatsachen glaubhaft gemacht werden müssen (z.B. Marktmacht, Behinderung) als im vorliegenden – weitgehend tatsächlich unstreitigen – Verfahren, einen sachlichen Grund für eine Aufspaltung darstellt.

4.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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