Zulässigkeit von Presseberichten in kommunalen Amtsblättern
Oberlandesgericht Stuttgart
Pressemitteilung zum Beschluss vom 27.01.2016
Az.: 4 U 167/15
Aus Art. 5 GG folgt ein Gebot der Staatsfreiheit der Presse, das als sogenannte Marktverhaltensregel ein wettbewerbswidriges Verhalten begründen kann. Öffentlich-rechtliche Körperschaften dürfen Druckwerke grundsätzlich nur herausgeben, soweit sie damit ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen oder in zulässigem Umfang Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Die Verbreitung staatlicher Informationen setzt eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der gesetzlichen Zuständigkeitsgrenzen voraus. Redaktionelle Beiträge pressemäßiger Art sind nur zulässig, wenn sie mit der öffentlichen Aufgabe zusammenhängen oder von untergeordneter Bedeutung sind. Das Amtsblatt einer Gemeinde darf jedenfalls über die Tätigkeit des Gemeinderates und auch die Aktivitäten des Bürgermeisters und der Gemeindebehörden berichten, soweit die Angelegenheiten der Gemeinde betroffen sind. § 20 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg erlaubt die Unterrichtung über allgemein bedeutsame Angelegenheiten der Gemeinde sowie über wichtige Planungen und Vorhaben, wobei neuerdings auch Raum für Berichte aus den Gemeinderatsfraktionen eingeräumt wird.
Der Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit der Presse folgt für den Senat schon daraus, dass nach der Homepage der Beklagten das Amtsblatt über das gesamte politische und gesellschaftliche Leben berichtet, gute Qualität in Information und Aufmachung beabsichtigt ist und Inhalte aufgenommen werden, die nicht in den originären Zuständigkeitsbereich der Beklagten fallen (z.B. Bekanntmachungen von anderen Zweckverbänden, Behörden und öffentlich-rechtlichen Institutionen sowie insbesondere lokale Wirtschaftsberichterstattung). Der Oberbürgermeister hat in einem Interview ausgeführt, er begrüße es, dass die Stadt eine eigene Zeitung mit journalistischen Beiträgen herausgebe, er nutze das Stadtblatt als kommunalpolitisches Instrument.
Die Auswertung des maßgeblichen Exemplars des Stadtblatts belegt, dass die Grenzen zulässiger Unterrichtung überschritten sind, weil nicht nur über eigene Projekte und Vorhaben der Stadt und ihrer Verwaltung berichtet wird, keine Beschränkung auf den Bereich der eigenen kommunalen Öffentlichkeitsarbeit erfolgte, sondern eine von der staatlichen Informationsaufgabe losgelöste pressemäßige Berichterstattung über Aktivitäten und Ereignisse mit und ohne Gemeindebezug, beispielsweise eine umfassende Darstellung sonstiger Geschehnisse in der Gemeinde (Kirchen, Verbände, Bürgerinitiativen, Vereine, Sport und vor allem lokale Wirtschaftsnachrichten). Der Grundsatz der Staatsfreiheit erlaubt aber nur die Verbreitung von Informationen aus dem gemeindlichen Bereich (Belange aus dem eigenen Zuständigkeitsbereich der Gemeinde) und die Information über punktuelle Ereignisse, um gegebenenfalls ein Informationsgleichgewicht herzustellen (also umgekehrt ein Informationsdefizit auszugleichen).
Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Senats ist nicht gegeben, die Parteien streiten aber bereits im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Ellwangen über die Berechtigung der Beklagten.