Einkaufsgutschein als Beigabe zu Arzneimitteln unzulässig

20. Mai 2015
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Hand eines Arztes übergibt Arzneimittelrezept an einen Patienten Beschluss des OLG Frankfurt vom 02.04.2015, Az. 6 U 17/15

Die Zugabe eines Einkaufsgutscheins (hier: über „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“) zum Erwerb eines rezeptpflichtigen und preisgebundenen Arzneimittels stellt einen Verstoß gegen die Vorschriften über die Preisbindung rezeptpflichtiger Arzneimittel gemäß §§ 78 II 2, 3 III AMG, § 3 AMPreisV dar und ist folglich als unlautere geschäftliche Handlung einzustufen.

Die Zugabe eines Gutscheins zu Arzneimitteln fördert den unerwünschten Wettbewerb zwischen Apotheken, da Verbraucher aufgrund der festgeschriebenen Abgabepreise von Arzneimitteln bereits durch geringe Zuwendungen dazu verleitet werden können, nochmals - in der Hoffnung auf erneute Vergünstigungen - in der entsprechenden Apotheke einzukaufen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss vom 02.04.2015

Az.: 6 U 17/15

Tenor

In dem Rechtsstreit…

wird die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 4.12.2014 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000,- € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Die Antragsgegnerin betreibt eine Apotheke. Sie hat einem Kunden anlässlich des Erwerbs eines rezeptpflichtigen und preisgebundenen Arzneimittels einen „Brötchen-Gutschein“ über „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“ ausgehändigt, der bei einer bestimmten, in der Nähe der Apotheke der Antragsgegnerin gelegenen Bäckerei eingelöst werden konnte. Auf Antrag der Antragstellerin, einem gewerblichen Interessenverband, hat das Landgericht der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, geschäftlich handelnd den Verkauf rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchen-Gutscheins zu verknüpfen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung.

II.

Die Berufung war durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen, da das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Zur Begründung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 3.3.2015 verwiesen (§ 522 II 3 ZPO), deren Gründe nachfolgend wiedergegeben werden:

„1.Das Landgericht hat die Dringlichkeitsvermutung des § 12 II UWG mit Recht als nicht widerlegt angesehen.Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin nach dem Testkauf vom 8.9.2014 unter dem 18.9.2014 abgemahnt und nach dem Schreiben des Antragsgegnervertreters vom 25.9.2014 den Eilantrag am 14.10.2014 eingereicht. Sie hat damit ihr Unterlassungsbegehren hinreichend zeitnah verfolgt.Ebenso wenig kann der Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt der Dringlichkeitswiderlegung vorgeworfen werden, dass sie nach Einreichung der Antragsschrift mit einem weiteren Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.10.2014 einen Antrag auf Verweisung an die Kammer für Handelssachen mit der Begründung gestellt hat, in der Antragsschrift selbst sei versehentlich der Adresszusatz „Kammer für Handelssachen“ unterblieben. Dass dieser Schriftsatz zu einer Verfahrensverzögerung geführt hat, weil zwischen der Zivilkammer und der Kammer für Handelssachen des Landgerichts eine Meinungsverschiedenheit über die Zuständigkeit bestand, die durch das Oberlandesgericht entschieden werden musste, war für die Antragstellerin nicht vorhersehbar.

2.Wie das Landgericht weiter zutreffend angenommen hat, steht der Antragstellerin auch der geltend gemachte Verfügungsanspruch zu. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.Wie in dem zwischen den Parteien des Rechtsstreits ergangenen Senatsurteil vom 10.7.2014 (6 U 32/14) ausgeführt, verbieten die Vorschriften über die  Preisbindung rezeptpflichtiger Arzneimittel (§ 78 II 2, 3 III AMG, § 3 AMPreisV) die Gewährung jeglicher an den Kauf gekoppelter Vorteile, die den Erwerb für den Kunden wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Dazu gehören entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht nur Prämien und Gutscheine, sondern auch Sachzugaben, solange sie nur geeignet sind, den unerwünschten Preiswettbewerb zwischen Apotheken zu beeinflussen, weil der Verbraucher veranlasst werden kann, sich künftig erneut für die Apotheke zu entscheiden, von der er den Vorteil erhalten hat. Auch die Vorschrift des § 7 I 1 Nr. 1 HWG, wonach Zuwendungen und Werbegaben für Arzneimittel generell unzulässig sind, soweit sie entgegen arzneimittelpreisrechtlicher Vorschriften gewährt werden, bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme, Sachzugaben könnten von diesem Verbot ausgenommen sein.Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob der streitgegenständliche, bei einer bestimmten Bäckerei einzulösende „Brötchen-Gutschein“ für zwei Wasserweck oder ein Ofenkrusti der Sache nach als Sachzugabe einzustufen ist. Da der Wert der Zuwendung zwar gering, aber dennoch geeignet ist, die Entscheidung des Verbrauchers, rezeptpflichtige Arzneimittel künftig erneut bei der Apotheke der Antragsgegnerin erwerben, zu beeinflussen, liegt ein Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht in jedem Fall vor.“

An dieser Beurteilung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 31.3.2015 fest.

1.

Der Einwand, die Ausführungen des Senats zur Dringlichkeit seien „rechtspolitisch falsch“, kann nicht nachvollzogen werden, da dem Gericht ein rechtspolitischer Entscheidungsspielraum nicht zusteht. Im Übrigen bleibt der Senat dabei, dass eine vom Antragsteller zwar kausal verursachte, für ihn aber nicht vorhersehbare Verfahrensverzögerung dem Antragsteller die Vermutung der Dringlichkeit (§ 12 II UWG) nicht widerlegen kann. Dass die Antragstellerin die im Beschluss vom 3.3.2015 genannten Umstände, die zur Verzögerung geführt haben, hätte voraussehen können, macht die Antragsgegnerin selbst nicht geltend.

2.

In der Sache selbst gibt der Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 31.3.2015 Anlass, den bereits im Urteil vom 10.7.2014 – 6 U 32/14 – (GRUR-RR 2015, 31 – Rubbellos in der Apotheke) sowie im Beschluss vom 3.3.2015 dargelegten Standpunkt des Senats nochmals zu verdeutlichen:

Nach der auf Seite 3 des Urteils vom 10.7.2014 wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2013, 1264 – RezeptBonus, juris-Tz. 13; GRUR 2010, 1138 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, juris-Tz. 17 ff.; MRP 2010, 204 – Bonussystem, juris-Tz. 14) verbietet es das Arzneimittelpreisrecht grundsätzlich, dem Kunden gekoppelt an den Erwerb des zum festgesetzten Preis abgegebenen Arzneimittels Vorteile jeglicher Art zu gewähren, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen und daher geeignet sind, den vom Gesetzgeber nicht erwünschten Preiswettbewerb in diesem Bereich zu beeinflussen. Dass von diesem arzneimittelpreisrechtlichen Verbot die Gewährung von Gutscheinen, die – wie der streitgegenständliche „Brötchen-Gutschein“ – bei anderen Unternehmen eingelöst werden können, ausgenommen sein soll, ist weder den einschlägigen Vorschriften noch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen. Im Gegenteil bestanden in dem der Entscheidung „Bonussystem“ zugrunde liegenden Fall die Vorteile ebenfalls in Einkaufsgutscheinen, die (auch) bei Partnerunternehmen der Apotheke eingelöst werden konnten (a.a.O. juris-Tz. 16).

Wie im Urteil vom 10.7.2014 weiter ausgeführt, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch Vorteile von geringem Wert (in der Entscheidung „Bonussystem“ in Höhe von 0,40 €) geeignet, den unerwünschten Preiswettbewerb zwischen Apotheken auszulösen. Dies entspricht auch der Lebenserfahrung; denn gerade wenn der Abgabepreis in allen Apotheken identisch ist, können auch Zuwendungen von geringem Wert den Kunden veranlassen, bei nächster Gelegenheit ein preisgebundenes Arzneimittel wieder in der Hoffnung auf weitere Vergünstigungen in derjenigen Apotheke zu erwerben, in der er bei früheren Käufen eine solche Zuwendung erhalten hat (vgl. hierzu die ebenfalls im Urteil vom 10.7.2014 erwähnte Senatsentscheidung vom 5.6.2007 – 6 U 118/07; juris-Tz. 22).

Soweit der Bundesgerichtshof gleichwohl in der Vergangenheit geringwertige – nach seiner Auffassung allerdings auch damals schon gegen das Arzneimittelpreisrecht verstoßende – Zuwendungen im Wert von bis zu 1,- € (zur Maßgeblichkeit dieser Grenze vgl. BGH – RezeptBonus a.a.O.) zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit § 7 I 1 Nr. 1 HWG a.F. als nicht spürbar im Sinne von § 3 I UWG angesehen hat, ist dem durch die am 13.8.2013 in Kraft getretene Änderung von § 7 I 1 Nr. 1 HWG die Grundlage entzogen. Wie im Urteil vom 10.7.2015 ausgeführt, stellte diese Rechtsänderung erklärtermaßen eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar und sollte Rechtseinheitlichkeit zwischen dem Arzneimittelpreisrecht und dem Heilmittelwerberecht wiederherstellen. Nach dieser Änderung des Heilmittelwerbegesetzes sind daher anlässlich des Erwerbs preisgebundener Arzneimittel gewährte Zuwendungen, die gegen das Arzneimittelpreisrecht verstoßen, als unlautere geschäftliche Handlungen i.S.v. §§ 3 I, 4 Nr. 11 UWG einzustufen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ist ein solcher Wettbewerbsverstoß zu bejahen, weil der von der Antragsgegnerin gewährte Vorteil (zwei Wasserweck oder ein Ofenkrusti) geeignet ist, die künftige Kaufentscheidung des Kunden zu beeinflussen. Ob dies auch für noch geringwertigere Vorteile zu gelten hat, in denen der Kunde möglicherweise eine reine Aufmerksamkeit und keinen Anreiz für künftige Kaufentscheidungen sieht, ist für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ohne Bedeutung.

3.

Die im Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 31.3.2015 unter Bezugnahme auf ein Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 24.3.2015 – I-20 U 149/13) aufgeworfenen Zweifel, ob die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel überhaupt mit Art. 34, 36 AEUV vereinbar ist, teilt der Senat nicht.

Wie auch das OLG Düsseldorf in den Gründen seines Beschluss (Rdz. 11) ausgeführt hat, sieht der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln schon nicht als Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV, sondern als bloße Verkaufsmodalität im Sinne der Rechtsprechung des EUGH an (vgl. BGHZ 194, 354, juris-Tz, 39 ff.); selbst wenn man eine Maßnahme gleicher Wirkung bejahen wollte, wäre diese Maßnahme nach Auffassung des Gemeinsamen Senats nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt (a.a.O. juri-Tz. 44 f.). Der Senat schließt sich der überzeugenden Begründung dieser Entscheidung an. Allein der Umstand, dass die gegenteilige Auffassung der Europäische Kommission das Oberlandesgericht Düsseldorf zu dem Vorabentscheidungsersuchen veranlasst hat, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

4.

Die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 II ZPO sind ebenfalls erfüllt; die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (Nr. 2) noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung nach mündlicher Verhandlung (Nr. 3).

Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf im Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 31.3.2015, der Senat setze sich mit seiner Sichtweise „in Widerspruch zur Rechtsprechung der letzten 40 Jahre zum Arzneimittelpreisrecht“, ist nicht nachvollziehbar. Wie ausgeführt, beruht die Rechtsauffassung des Senats zum einen auf der – ebenfalls jüngeren – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des Arzneimittelpreisrechts und zum andern auf der am 13.8.2013 in Kraft getretenen Änderung des Heilmittelwerberechts, die dazu geführt hat, dass Verstöße gegen das Arzneimittelpreisrecht der in Rede stehenden Art unabhängig von der Höhe der Zuwendung als unlautere geschäftliche Handlung einzustufen sind. Dass etwa nach dem 13.8.2013 andere Gerichte eine von der Ansicht des Senats abweichende Rechtsauffassung geäußert hätten, hat auch die Antragsgegnerin nicht dargetan; insbesondere sind die in der Berufungsbegründung (S. 7) angeführten Entscheidungen älteren Datums. Wie bereits im Urteil vom 10.7.2014 ausgeführt, hat demgegenüber das Landgericht Berlin in einem Urteil vom 16.1.2014 (52 O 272/13, juris-Tz. 72) dieselbe Auffassung vertreten wie der erkennende Senat.

Der unter Ziffer 3. angesprochenen Frage der Vereinbarkeit der hier anzuwendenden Vorschriften mit dem Unionsrecht kommt zwar über den hier zu entscheidenden Einzelfall hinaus Bedeutung zu. Dies steht jedoch einer Entscheidung nach § 522 II ZPO deswegen nicht entgegen, weil das vorliegenden Eilverfahren zur abschließenden Klärung dieser Frage von vornherein nicht geeignet ist.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

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