Gegenstandswert geografische Herkunftsangabe

15. Dezember 2009
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Amtlicher Leitsatz:

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren über die beantragte Eintragung einer geografischen Herkunftsangabe beträgt im Regelfall 20.000 €. Bei mehreren Einsprüchen gegen die Eintragung kann ein Gegenstandswert von 25.000 € angemessen sein.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 02.10.2009

Az.: 30 W (pat) 78/06

(…)

betreffend den Antrag auf Eintragung der geografischen Herkunftsangabe

300 99 005.7

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 30. April 2009 unter Mitwirkung der Richter …

b e s c h l o s s e n:

I.
Auf die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen wird der Beschluss der Markenabteilung 3.2. vom 14. Februar 2006 aufgehoben.

II.
Es wird festgestellt, dass der Antrag der Beschwerdegegnerin vom 25. Mai 2000 nicht den Voraussetzungen für die Eintragung als geographische Herkunftsangabe im Sinne des Artikels 2 Abs. 2 lit. b) der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel entspricht.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt für das Erzeugnis

"Lebensmittel"

für die Bezeichnung

Thüringer Klöße

Antrag auf Eintragung als geographische Angabe in das Verzeichnis der geschützten geographischen Angaben und der geschützten Ursprungsbezeichnungen eingereicht, das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EG Nr. L 208 vom 24. Juli 1992 S. 1, im Folgenden als "VO 2081/92" zitiert) geführt wird. Die Markenabteilung 3.2. des Deutschen Patent- und Markenamts hatte nach § 55 Abs. 1 MarkenV a. F. Stellungnahmen eingeholt (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Bonn; Bundesministerium für Gesundheit, Bonn; Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, Thüringen; Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit, Thüringen, i. V. m. dem Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz; Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft; Deutsches Institut zum Schutz geographischer Herkunftsangaben e.V., Köln; Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. (RAL), St. Augustin; Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie e.V., Bonn; Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern in Thüringen, Erfurt; Thüringer Bauernverband, Erfurt; Deutscher Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA, Berlin).

Nach Eingang dieser und weiterer Stellungnahmen interessierter Dritter hat das Deutsche Patent- und Markenamt den Antrag im Markenblatt vom 23.04.2004 veröffentlicht (§ 130 Abs. 4 S. 1 MarkenG, § 49 MarkenV n. F.).

Die Einsprechenden haben sich nach § 130 Abs. 4 S. 2 MarkenG in rechtzeitig eingegangenen Stellungnahmen gegen die Eintragungsfähigkeit gewendet.

Durch Beschluss vom 14. Februar 2006 hat die Markenabteilung 3.2 des Deutschen Patent- und Markenamts festgestellt, der Antrag entspreche den Voraussetzungen der VO 2081/92.

Zunächst hat sie die Antragsberechtigung der schutzsuchenden Erzeugergemeinschaft gem. Art. 5 Abs. 1 VO 2081/92 bejaht und im Weiteren ausgeführt, die Bezeichnung "Thüringer Klöße" sei im Rahmen der Spezifikation des Antrags eine geographische Angabe i. S. v. Art. 2 Abs. 2 lit. b) VO 2081/92.

Entgegen den Stellungnahmen sei die angemeldete Angabe nicht zur Gattungsbezeichnung gemäß Art. 3 Abs. 1 VO 2081/92 geworden. Nach dieser Vorschrift seien bei der Beurteilung, ob dies der Fall sei, alle Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehöre zunächst insbesondere die Situation in dem Mitgliedstaat, aus dem der Name stamme. So habe das fragliche Kartoffelerzeugnis seinen Ursprung unstreitig in dem Land Thüringen, so dass es sich bei der fraglichen Bezeichnung unzweifelhaft ursprünglich um eine echte geografische Herkunftsangabe gehandelt habe. Dass sich aufgrund intensiver Benutzung der Bezeichnung durch Lebensmittelhersteller aus dem gesamten Bundesgebiet über einen langen Zeitraum in den Augen des Verkehrs ein Bedeutungswandel vollzogen habe, sei in den eingegangenen Stellungnahmen weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Zwar könne die Verbreitung von Kochrezepten für die Zubereitung von rohen "Thüringer Klößen" im Lauf der Zeit eine Umwandlung zur Gattungsbezeichnung zur Folge haben. Vom Abschluss einer solchen Entwicklung sei nach ständiger Rechtsprechung in Deutschland aber erst dann auszugehen, wenn nur noch ein "ganz unbeachtlicher Teil", nämlich 10 – 15 % der betroffenen Verkehrskreise, in der Angabe einen Hinweis auf die geographische Herkunft des Produkts sehe; das Gemeinschaftsrecht stelle an eine Umwandlung keine geringeren Anforderungen. Zudem sei bei unmittelbaren geografischen Herkunftsangaben von einer starken Vermutung für ihre Herkunftsnatur auszugehen, die hier auch nicht durch das Ergebnis eines im Verfahren vorgelegten demoskopischen Gutachtens der Ipsos GmbH vom Juli 2004 widerlegt werde, wonach 14,4 % der befragten Endverbraucher von einer Herstellung der Klöße mit der fraglichen Bezeichnung in Thüringen ausgingen; dies stelle einen noch beachtlichen Anteil der befragten Verkehrskreise dar. Auch sei das Schutzbedürfnis des Verkehrs nicht deshalb reduziert, weil eine mögliche Irreführung des Verkehrs hinsichtlich der Herkunft auf dem unrichtigen Verständnis einer objektiv richtigen Angabe beruhe. Für eine solche Pseudoherkunftsangabe bestehe angesichts der ursprünglichen Herkunft der Klöße kein Anlass. Für nicht aus Thüringen stammende Hersteller seien auch keine erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen aufgrund eines Schutzes der beanspruchten Angabe ersichtlich, die eine Vernachlässigung der beachtlichen Interessen der Verbraucher am Schutz der Angabe rechtfertigen könnten, zumal dieser keine Monopolisierung der Rezeptur nach sich ziehen würde. Nachdem auch keine Anhaltspunkte für eine Denaturierung des Begriffs durch die Situation in anderen Mitgliedsstaaten bestünden und weder nationale noch gemeinschaftsrechtliche Vorschriften den Charakter der beanspruchten Bezeichnung als Gattungsangabe oder geografische Angabe festlegen würden, sei nicht von einer Gattungsangabe auszugehen.

Die nach der Spezifikation erforderliche Herstellung in Thüringen genüge den Anforderungen von Art. 2 Abs. 2 b) der Verordnung, wonach das betreffende Lebensmittel nicht vollständig dort erzeugt sein müsse, so dass es unschädlich sei, dass die als Rohstoff dienenden Kartoffeln nicht ausschließlich aus Thüringen stammten. Andererseits sei die nach der Spezifikation vorgesehene überwiegende Verwendung von Kartoffeln aus Thüringen gerechtfertigt, weil dies einerseits den ständigen Gepflogenheiten der gewerblichen Kloß-Hersteller aus Thüringen und andererseits den Zielen der Verordnung entspreche, Erzeugnisse mit bestimmbarer Herkunft zu fördern und die Einkommen regionaler Erzeuger zu sichern.

Die angemeldete geographische Angabe entspreche auch im Übrigen den Anforderungen von Art. 2 Abs. 2 lit. b) i. V. m. Art. 4 Abs. 2 der VO 2081/92 an eine geographische Angabe. Das gelte für die Bezeichnung, neben der zwar auch andere existierten, was aber unschädlich sei, sowie für die Rezeptur und die im Antrag vorgenommene Begrenzung des geographischen Herkunftsgebiets auf das gesamte Land Thüringen. Weder die Recherchen der Markenabteilung noch die eingegangenen Stellungnahmen hätten ergeben, dass Thüringer Klöße auch heute noch in beachtlichem Umfang außerhalb des jetzigen Freistaates Thüringen angeboten würden, sondern allenfalls mit ähnlicher Rezeptur, aber dann auch unter anderem Namen. Auch bestehe zwischen den Eigenschaften und der Herkunft des fraglichen Produkts der erforderliche Zusammenhang aufgrund des besonderen Ansehens, das sich aus der über 200-jährigen Tradition dieses Gerichts und seiner engen Verbindung zur Esskultur in Thüringen ergebe, wo es als beliebte Sonntagsmahlzeit und sogar als "Nationalgericht" gelte.

Ob sich die beanspruchte Eintragung als faktische Benutzungssperre für die eingetragene Wort-Bild-Marke 1 090 051 mit dem Wortbestandteil "Original Thüringer Klöße" erweise, könne nicht berücksichtigt werden, denn unabhängig von der Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 4 der Verordnung im nationalen Prüfungsverfahren lägen dessen Voraussetzungen nicht vor, zumal über die Benutzung der Marke nichts bekannt sei.

Gegen diesen Beschluss haben die durch einen gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten vertretenen Beschwerdeführerinnen I – III Beschwerde eingelegt.

Sie sind der Auffassung, entgegen der Beurteilung im angefochtenen Beschluss handele es sich bei der fraglichen Bezeichnung um einen Gattungsbegriff, der nicht als geografische Herkunftsangabe geschützt werden könne. Maßgebend dafür sei nach der "Feta"-Rechtsprechung des EuGH die tatsächliche Erzeugungs- und Vermarktungssituation unter besonderer Gewichtung der Verhältnisse in der Ursprungsregion sowie die herrschenden Bezeichnungsgewohnheiten für dieses Produkt und die Verkehrsauffassung zur Frage der Gattungsbezeichnung. Es fehle bereits an der schwerpunktmäßigen Erzeugung im Land Thüringen, wo ohnehin bis 1993 fast keine "Thüringer Klöße" gewerblich produziert worden seien, weder als Kloßmehl noch als Kloßbrei noch als fertiger Kloß für das Kühlregal. Selbst der einzige heute dort ansässige Produzent lasse Teig und Rohware von Fremdfirmen produzieren. Alle anderen Produzenten hätten ihren Sitz außerhalb Thüringens. Die beanspruchte Bezeichnung sei nach allgemeiner Verkehrsauffassung nur ein Hinweis auf Klöße allgemein, was sich auch aus den Leitsätzen des Lebensmittel-Buches ergebe, das nach § 15 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) eine Sammlung von Leitsätzen zur Beschreibung der Herstellung, Beschaffenheit und sonstiger Merkmale von Lebensmitteln enthalte; sie hätten den Charakter objektivierter Sachverständigengutachten, die die Verkehrsauffassung der am Lebensmittelverkehr Beteiligten umschrieben. Die Leitsätze würden von der Lebensmittelbuch-Kommission einstimmig beschlossen, die beim Landwirtschaftsministerium gebildet werde (§ 16 LFGB). Weiterhin rechtfertige das Ergebnis der Anhörung auch nicht die Schlussfolgerung einer geografischen Herkunftsangabe, da in vier Stellungnahmen Bedenken erhoben worden seien. Zudem sei der ermittelte Anteil der Verbraucher von 14,4 %, die eine Herkunft aus Thüringen erwarteten, eher noch niedriger und könne keinesfalls die objektiv richtigen Herstellungsstätten, die zu 90 % außerhalb Thüringens lägen, konterkarieren. Wenn die Markenabteilung sich auf eine Relevanzschwelle von 10 – 15 % stütze, wende sie kritiklos die bisherige national geltende Rechtsauffassung an und verkenne die neuartigen Beurteilungsmaßstäbe nach der VO 2081/92, welche der Feta I – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu entnehmen seien. Danach bedürfe es selbst bei einem in einer Meinungsumfrage zu Gunsten der Eigenschaft als Herkunftsbezeichnung ermittelten Anteil von 50 % der Antworten noch weiterer Feststellungen. Auch sei nunmehr ein strengeres, durch die europäischen Vorschriften geprägtes Verbraucherleitbild zugrunde zu legen. Überdies habe die geografische Herkunft der Klöße keinen entscheidenden Einfluss auf die Qualität; diese sei vielmehr von der Kartoffelsorte, der Bodenbeschaffenheit und der Witterung abhängig, die in Thüringen keineswegs einheitlich seien. Letztlich spreche auch die Verwendung relokalisierender Zusätze wie „echt“, "original" für das Vorliegen einer Gattungsangabe der beanspruchten Bezeichnung.

Ebenso wenig sei das "besondere Ansehen" der "Thüringer" Klöße gegenüber solchen aus anderen Bundesländern nicht substantiiert dargelegt worden; die Markenabteilung habe insoweit den Rechtsbegriff des "Ansehens" der Klöße in Thüringen mit der dortigen Beliebtheit verwechselt.

Darüber hinaus sei aber auch die Spezifikation nicht stichhaltig, was auch durch die späteren Modifikationen des Antrags bestätigt werde.

Die Beschwerdeführerinnen I – III beantragen (sinngemäß),

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Eintragungsantrag zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sich die ursprüngliche Herkunftsangabe "Thüringer Klöße" nicht zu einer Gattungsangabe gewandelt habe. Insoweit habe die europäische Rechtsprechung auch keine Änderung der bisherigen Grundsätze des Bundesgerichtshofes bewirkt. Die Bedeutung des geografischen Zusatzes ergebe sich ferner daraus, dass andere Klöße ebenfalls mit einem geografischen Hinweis gekennzeichnet seien, wie "fränkische, bayrische, Vogtländer" etc. Selbst das Ipsos-Gutachten könne, abgesehen von grundsätzlichen Bedenken gegen Verkehrsbefragungen, die Annahme einer Umwandlung zur Gattungsangabe nicht stützen.

Bei der Beurteilung dürfe indes nicht der Verbrauch von Kloßteig oder Kloßmasse berücksichtigt werden, da zur Herstellung der "Thüringer Klöße" neben besonderen Gerätschaften auch nicht allein auf diese Zutaten zurückgegriffen werden könne, sondern weitere Verarbeitungsschritte erforderlich seien, etwa das Überbrühen mit Kartoffelbrei, so dass die Fertigware nur als Tiefkühlprodukt angeboten werden könne. Derartige Produkte würden jedenfalls seit 1993 von zwei Firmen in Thüringen hergestellt, die über große Handelsketten vertrieben würden. Außerhalb Thüringens gebe es nur Hersteller von Kloßteig, der jedoch für "Thüringer Klöße" unbrauchbar sei. Zwar beziehe der Marktführer, die Fa. A… GmbH, seinerseits Kloßteige und -massen außerhalb Thüringens, die aber nicht für die "Thüringer Klöße" verwendet würden. Im Übrigen lasse sich aus der Aufnahme der Spezialität "Thüringer Klöße" in das Lebensmittelbuch kein Rückschluss auf eine Gattungsangabe ziehen. Auch die Stellungnahmen der angehörten Verbände ließen eine solche Schlussfolgerung nicht zu, wie bereits die Markenabteilung zu Recht festgestellt habe. Soweit die Thüringer Hersteller auf ihren Verpackungen den Aufdruck "echte Thüringer Sonntagsklöße" verwendeten, beziehe sich dies auf die Echtheit als Sonntagsklöße.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

A.

Die Beschwerden sind zulässig. Auf das Verfahren über den im Jahr 2000 eingegangenen Schutzantrag einschließlich des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Verordnung 2081/92 anzuwenden. Weder dies noch der zulässige Rechtsweg zum Bundespatentgericht ist vorliegend von den Beteiligten in Frage gestellt worden. Die Beschwerden sind in zutreffender Form und Frist eingelegt. Die Beschwerdeführerinnen sind sämtlich zur Beschwerdeerhebung berechtigt.

Die Beschwerdeberechtigung setzt nach § 133a S. 2 MarkenG voraus, dass die Beschwerdeführerinnen zum Kreis berechtigter Personen gehören, die auf die Veröffentlichung des Eintragungsantrags im Markenblatt hin eine Stellungnahme i. S. d. § 130 Abs. 4 S. 2 MarkenG abgeben dürfen, dass sie ferner diese Stellungnahme fristgerecht abgegeben haben und dass schließlich ihnen nach § 133a S. 2 MarkenG ein Interesse an der Beschwerdeerhebung, welches als berechtigt anerkannt ist, oder zumindest ein Prozessführungsrecht zukommt.

1. Die Beschwerdeführerinnen gehören als Erzeuger und Wettbewerber der Antragstellerin sämtlich zu den stellungnahmeberechtigten Personen. In diesem Verfahrensstadium sind beliebige Dritte zur Abgabe einer solchen Stellungnahme befugt. Diese weiten Grenzen der personellen Befugnis folgen aus dem Aufgebotscharakter der Veröffentlichung des Eintragungsantrags im Markenblatt nach Abs. 4 S. 1 der Vorschrift (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 130 Rn. 41). Die Beschwerdeführerinnen haben ferner, was in § 133a S. 2 MarkenG weiter vorausgesetzt ist, ihre Stellungnahme i. S. d. § 130 Abs. 4 S. 2 MarkenG innerhalb der dort bestimmten viermonatigen Ausschlussfrist nach Veröffentlichung des Antrags im Markenblatt abgegeben. Sie sind durch die vorausgegangene, dem Eintragungsantrag stattgebende Entscheidung der Markenabteilung vom 14. Februar 2006 in ihren berechtigten Interessen betroffen. Aufgrund welcher Umstände ein solches Interesse anerkannt wird, lässt sich dem Markengesetz nicht unmittelbar entnehmen. Nach der Begründung zu dieser Vorschrift (BT-Drucks. 15/3658 v. 24.8.2004 = BlfPMZ 2005, 4, 8) soll sich dieses rechtliche Interesse im Gleichlauf mit Art. 7 Abs. 3 der VO 2081/92 befinden, woraus sich allerdings wegen Identität des Wortlauts beider Vorschriften keine Konkretisierung herleiten lässt. Die Interessenlage der vom Eintragungsverfahren berührten Personen, soweit sie – wie die Beschwerdeführerinnen – Mitbewerber der Antragsteller sind, werden am konkretesten im 13. Erwägungsgrund der VO 2081/92 angesprochen, und zwar im Zusammenhang mit den Einsprüchen nach Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung. Danach eröffnet eine persönliche und unmittelbare Betroffenheit, wie sie vornehmlich Erzeugern der fraglichen Waren begegnen kann, das besagte Einspruchsrecht. Die besondere Betroffenheit gibt zugleich das berechtigte Interesse als Voraussetzung für das Beschwerderecht in der nationalen Phase des Eintragungsverfahrens vor. Diese Betroffenheit besteht im vorliegenden Fall in der drohenden Beeinträchtigung bislang rechtlich und wirtschaftlich nicht in Frage gestellter Besitzstände der Erzeuger (vgl. auch Ströbele/Hacker, a. a. O., § 133a Rn. 5, § 131 Rn. 5; Hoffmann/Kleespies/Adler, Formularkommentar Markenrecht, 2008, Rn. 2421), weil im Falle der Eintragung der geographischen Herkunftsangabe die nicht in dem im Antrag spezifizierten geographischen Gebiet Land Thüringen ansässigen Produzenten am Inverkehrbringen von Klößen unter der bislang von ihnen unangefochten benutzten Bezeichnung "Thüringer Klöße" gehindert wären.

B.

Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen sind auch begründet. Bei der Angabe "Thüringer Klöße" handelt es sich um eine Gattungsbezeichnung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 VO 2081/92, welche nicht als geschützte geographische Angabe eingetragen werden darf.

I.
Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Eintragung der geographischen Angabe "Thüringer Klöße" war zulässig. Dass die Beschwerdegegnerin ungeachtet ihrer Rechtsform eine Vereinigung i. S. v. Art. 5 Abs. 1 VO 2081/92 ist, ferner der nach Art. 5 Abs. 2 der Vorschrift erforderliche Bezug zu dem von den Mitgliedern der Vereinigung erzeugten Lebensmittel "Thüringer Klöße" besteht und schließlich die notwendige Spezifikation zu der geschützten geographischen Angabe i. S. v. Art. 4 VO 2081/92 nach Art. 5 Abs. 4 der Vorschrift vorgelegt worden ist, ist nicht zweifelhaft und auch nicht angegriffen.

II.
Indessen ist der angefochtene Feststellungsbeschluss der Markenabteilung, wonach der Eintragungsantrag die Voraussetzungen der VO 2081/92 erfüllt, sachlich nicht gerechtfertigt.

1. Die Prüfung, ob eine zur Eintragung als geographische Angabe nach der VO 2081/92 beanspruchte Bezeichnung die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt, muss ausschließlich nach dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht und der hierzu ergangenen Rechtsprechung erfolgen.

2. Die Bezeichnung "Thüringer Klöße" ist eine als geographische Herkunftsangabe nicht eintragungsfähige Gattungsbezeichnung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 VO 2081/92.

Die Prüfung, ob eine zur Eintragung als geographische Angabe angemeldete Bezeichnung eine Gattungsbezeichnung ist, hat rechtssystematisch der Prüfung vorauszugehen, ob im Übrigen die Voraussetzungen einer geographischen Herkunftsangabe nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO 2081/92 gegeben sind (vgl. den Zusammenhang in EuGH GRUR Int. 1999, 532, 540, Rn. 88 ff. – Feta (I)). Das Vorliegen einer Gattungsbezeichnung muss eigenständig anhand der Kriterien der VO 2081/92 geprüft werden.

Eine Gattungsbezeichnung ist, wie Art. 3 Abs. 1 VO 2081/92 definiert, der Name eines Lebensmittels, der sich zwar auf einen Ort bezieht, wo das betreffende Lebensmittel ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, der jedoch der gemeinhin übliche Name für ein Lebensmittel geworden ist.

Der angefochtene Beschluss geht zutreffend davon aus, dass bei der Beurteilung, ob die zur Eintragung vorgesehene Bezeichnung eine Gattungsbezeichnung ist, alle Faktoren zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH a. a. O., Rn. 88 – Feta (I)). Er greift sodann allerdings unter diesen Faktoren die Situation in dem Mitgliedstaat heraus, aus dem der Name stammt (hier Deutschland) und gibt dieser im Zuge der weiteren Prüfung besonderes Gewicht, ohne die übrigen Faktoren, aus denen sich weitere Beurteilungskriterien ergeben könnten, ausreichend heranzuziehen.

Angewendet und interpretiert sind diese Faktoren in den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs "Feta" (I) (a. a. O.), "Feta" (II) (GRUR 2006, 71) und "Parmesan" (GRUR 2008, 524), von denen für die Beurteilung als Gattungsbezeichnung auszugehen ist. Dabei räumt der Senat ein, dass die Markenabteilung in dem angefochtenen Beschluss, der von Anfang des Jahres 2006 datiert, die teils erstmals ins Einzelne gehenden Beurteilungskriterien der beiden jüngeren Entscheidungen noch nicht ausreichend berücksichtigen bzw. überhaupt kennen konnte. Maßgebender Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist indessen der Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren.

Nach Art. 3 Abs. 1 2. Unterabs. VO 2081/92 sind umfassend zu berücksichtigen
– die bestehende Situation in dem Mitgliedstaat, aus dem der Name stammt,
– die Situation in den Verbrauchsgebieten,
– die Situation in anderen Mitgliedstaaten und schließlich
– die einschlägigen nationalen oder gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften.

Unter den zu untersuchenden Situationen ist insbesondere nach Maßgabe der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs "Feta" (II) (a. a. O., Rn. 77 – 87) zusammengefasst Folgendes zu verstehen:

– Die tatsächliche Erzeugungs- und Vermarktungssituation in Bezug auf das mit der Angabe bezeichnete Produkt, wobei die Verhältnisse in der Ursprungsregion von besonderem Gewicht sind (Knaak, ZLR 2006, 66),

– die herrschenden Bezeichnungsgewohnheiten für dieses Produkt und schließlich, wenn auch deutlich eingeschränkt (vgl. insbesondere EuGH a. a. O., Rn. 96 ff. – Feta (I); a. a. O. Rn. 54 – Parmesan),

– die Verkehrsauffassung zur Frage der Gattungsbezeichnung in Abgrenzung zur Herkunftsbezeichnung, welche sich bildet aus den Vorstellungen der angesprochenen Verbraucher, der Gewerbetreibenden, aus Verlautbarungen von Fachkreisen (Fachliteratur, Standardwerke) und aus Aussagen der allgemeinen Literatur (z. B. Kochbücher).

a. Der angefochtene Beschluss der Markenabteilung stellt fest, es gebe keine direkten Rechtsvorschriften darüber, ob es sich bei der Angabe "Thüringer Klöße" um eine Gattungsbezeichnung handele oder nicht.

Solche Rechtsnormen können zunächst bilaterale Herkunftsverträge unter Staaten der Gemeinschaft darstellen, in welche die "Thüringer Klöße" aufgenommen sind. Sie werden als ein Indiz für das Vorliegen einer geschützten geografischen Angabe gesehen (EuGH a. a. O., Rn. 77 f. – Feta (I); krit. Erdmann/Rojahn/Sosnitza, Handbuch des Fachanwalts Gewerblicher Rechtsschutz, S. 663, Rn. 1256). Solche Handelsverträge sind im vorliegenden Fall weder geltend gemacht noch sonst wie ersichtlich. Sie hätten im Übrigen auch nicht für sich ausgereicht, um die Eigenschaft als Gattungsbezeichnung auszuschließen oder einer geographischen Angabe maßgeblich zu begründen. Im Rahmen der erforderlichen umfassenden Prüfung sind nicht nur Handelsverträge, sondern sind auch alle anderen relevanten tatsächlichen Umstände heranzuziehen. Im Vordergrund steht der wahre materielle Gehalt einer in die Abkommen aufgenommenen Bezeichnung, denn eine Herkunftsangabe, die in Wahrheit eine Gattungsbezeichnung ist, stellt eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit in der Gemeinschaft dar (EuGH, GRUR Int. 1993, 76, 79, Rn. 39 – Exportur; a. a. O. Rn. 89 f. – Feta (I)). In der Literatur (z. B. Erdmann/Rojahn/Sosnitza, a. a. O., S. 663, Rn. 1256) wird zutreffend darauf hingewiesen, dass in den bilateralen Verträgen häufiger, und seinerzeit wohl sogar bewusst, auch Gattungsbezeichnungen aufgenommen worden sind. Weil im vorliegenden Verfahren erstmals im dafür vorgesehenen Verfahren geprüft wird, ob die Bezeichnung "Thüringer Klöße" tatsächlich materiell geeignet ist, als geografische Herkunftsangabe Bestandteil eines solchen Herkunftsabkommens zu sein, könnte jedenfalls der bisher ungeprüften Aufnahme dieser Bezeichnung in bilaterale Herkunftsabkommen kein ausschlaggebendes Gewicht zukommen.

b. Im angefochtenen Beschluss der Markenabteilung ist indessen nicht gewürdigt, dass die in Thüringen hergestellten Klöße, soweit sie überhaupt mit "Thüringer Klöße" gekennzeichnet sind, stets den Zusatz "echte" oder "Original" enthalten.

Allgemein stellen die Zusätze "Original" oder "Echt" ein Unterscheidungsmerkmal dar, um eine (vorhandene echte) geographische Herkunftsangabe eines Produkts abzugrenzen von einer Gattungsbezeichnung, welche ebenfalls diese geografische Angabe enthält (vgl. Deutsches Lebensmittelbuch, Vorbemerkung Absatz 2.15 – dazu s. auch u.), oder mit Hilfe dieses Zusatzes eine Relokalisierung herbeizuführen (Erdmann/Rojahn /Sosnitza, a. a. O., S. 652 Rn. 1220; Büscher-/Dittmer/Schiwy, a. a. O., § 126 MarkenG Rn. 25 m. w. N. der Rspr.). Für die allein verfahrensgegenständliche Bezeichnung "Thüringer Klöße" bedeutet dies, dass aus dem Fehlen dieses Zusatzes der Rückschluss auf eine Gattungsbezeichnung eher naheliegt.

c. Eine Kodifizierung des Begriffs der Thüringer Klöße hat ersichtlich nicht stattgefunden, anders als z. B. bei dem Produkt Feta durch neuere nationale Vorschriften in den Jahren 1987/88, welche nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine beachtliche "neue Situation" herbeigeführt haben, vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 78 – Feta (II).

d. Die Angabe "Thüringer Klöße" erweist sich als Gattungsbezeichnung auch nach den weiteren, nach der maßgeblichen Rechtsprechung nunmehr anzuwendenden Kriterien für die Abgrenzung von einer geographischen Herkunftsangabe. Entscheidend ist, wie oben ausgeführt, die bestehende Situation in dem Mitgliedstaat, aus dem der Name stammt, die Situation in den Verbrauchsgebieten sowie in anderen Mitgliedstaaten. Dies ist anhand der tatsächlichen Herstellungs- und Vermarktungssituation in Bezug auf das mit der Angabe bezeichnete Produkt festzustellen und anhand der diesbezüglichen herrschenden Bezeichnungsgewohnheiten (vgl. insbesondere EuGH, a. a. O., Rn. 77 ff. – Feta (II)).

Für das Eintragungsverfahren in seinem jetzigen Stadium ist nach dem Sachvortrag der Beteiligten und den insoweit nicht angegriffenen Gründen des angefochtenen Beschlusses davon auszugehen, dass die Herstellung von "Thüringer Klößen" in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und auch der zwischenstaatliche Handel mit diesen Produkten unbedeutend sind. So können – anders als im "Feta"-Fall – aus der Situation in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bezüglich Erzeugung und Vermarktung keine Schlüsse gezogen werden.

Lässt sich somit die zu untersuchende Situation nur für Deutschland als dem Ursprungsstaat der Bezeichnung beurteilen, sind für die Prüfung der Frage, ob eine Gattungsbezeichnung vorliegt, unter diesen Umständen die für die beteiligten Mitgliedstaaten der Gemeinschaft entwickelten Kriterien auf die Situation in den unterschiedlichen Regionen einschließlich der Ursprungsregion der Bezeichnung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu übertragen. Die Definition der Gattungsbezeichnung hat als solche keine ausschließlich gemeinschaftsrechtliche Dimension, wie die substantiell gleichlautende Regelung für Deutschland in § 126 Abs. 2 MarkenG zeigt. Demzufolge müssen die faktischen Verhältnisse, an denen nach Art. 3 Abs. 1 2. Unterabs. VO 2081/92 das Vorliegen einer Gattungsbezeichnung nach dem Gemeinschaftsrecht gemessen wird, sinngemäß auf die Situation innerhalb des Mitgliedsstaats übertragen werden. Somit ist die Situation innerhalb und außerhalb des im Antrag spezifizierten Gebiets von Thüringen zu beleuchten.

aa. Was die Erzeugungssituation in Thüringen selbst anbelangt (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 77, 78 – Feta (II)), so ist, was das Ausgangsmaterial in geeigneter Weise mehlig kochender Kartoffeln anbelangt, festzustellen, dass nach den eingegangenen Stellungnahmen die im größeren Erfurter Raum angebauten Kartoffeln hierfür geeignet sein mögen. Diese Eigenschaften finden sich unbestritten aber auch in Kartoffeln anderer deutscher Herkunft, z. B aus der Pfalz. Deshalb ist nicht nachgewiesen, dass ausschließlich Kartoffeln aus diesem engen Raum für "Thüringer Klöße" verwendet werden müssen. Auch hat der Senat schon insoweit wegen der in der jetzt geltenden Spezifikation aufgeführten Größe des geografischen Gebietes Zweifel, ob sich ein Qualitätsbezug der Grundstoffe zu dem Endprodukt durchweg herstellen lässt, wenn nunmehr sämtliche unterschiedliche Landschaftsformen und -böden Thüringens maßgebend sein sollen und wohl kaum für eine einheitliche Kartoffelqualität bürgen können.

bb. Die Situation außerhalb des spezifizierten Gebiets Thüringen des Antrags ist davon geprägt, dass Klöße außerhalb dieses Gebiets seit langem – teilweise bis in das 19. Jahrhundert zurückreichend – heute in beträchtlichem, sogar weit überwiegendem Maß hergestellt und dort unter der Bezeichnung "Thüringer Klöße" bzw. "Klöße/Kloßteig Thüringer Art" ohne Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder die heute geltenden Vorgaben des Deutschen Lebensmittelbuchs vermarktet werden (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 79 – 82 – Feta II). Die Beschwerdeführer haben dazu unwidersprochen vorgetragen, dass im Wesentlichen nur zwei – dabei auch der antragstellenden Vereinigung zugehörige – Betriebe mit beachtlicher Erzeugung Klöße unter der Bezeichnung "Thüringer Klöße" vertreiben, die ihren Sitz in Thüringen hätten. Alle anderen größeren Betriebe seien außerhalb des Gebiets, dabei vorwiegend über Sachsen und Bayern verteilt. Unbestritten ist weiter, dass diese ungefähr 90 % des Kloßteiges für Thüringer Klöße produzieren und sie unter dieser Bezeichnung auch vermarkten. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht in Frage gestellt. Sie wendet sich allerdings gegen die Einbeziehung von Kloßteig und Kloßmasse. Entgegen ihrer Auffassung ist der Senat der Meinung, dass diese Erzeugnisse mitberücksichtigt werden müssen, da die Verbraucher, ehe Thüringer Klöße als Fertigprodukt angeboten wurden, immer auf diese Zwischenprodukte zurückgegriffen haben, um solche Klöße zuzubereiten. Dementsprechend werden dem Verbraucher, wie sich auch aus den von der Beschwerdegegnerin überreichten Verpackungen ergibt, Kloßteig und Kloßmasse mit dem Zusatz "Thüringer Art" oder "Thüringer Kloßteig" offeriert.

cc. Infolgedessen besteht nicht die im gegenteiligen Falle zu berücksichtigende Situation (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 83 – Feta (II)), dass trotz einer "relativ bedeutenden" Produktion außerhalb des spezifizierten Gebiets die Erzeugung gleichwohl innerhalb dieses Gebiets konzentriert geblieben ist. Vielmehr ist vorliegend die Gewichtung umgekehrt und das Produktionsvolumen eindeutig und dauerhaft auf die außerhalb gelegenen Regionen konzentriert. Das ist schon deshalb zwangsläufig, weil die Herstellungskapazitäten in Thüringen, wie sich aus der Einfuhr von Kloßmasse nach Thüringen ergibt, auch nicht entfernt die Gesamtnachfrage nach "Thüringer Klößen" abdecken können.

dd. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass Thüringer Klöße – unabhängig vom Herstellungsort – hauptsächlich in Thüringen selbst verbraucht werden (vergleichsweise etwa bei Feta 85 % der Gesamtproduktion in Griechenland verbraucht, dort gedeckt auch durch Import aus anderen Mitgliedsstaaten, vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 85, 88 – Feta (II)). Die Beschwerdeführer haben unwidersprochen vorgetragen, dass ungeachtet des historischen Ausgangspunkts der Thüringer Klöße der Verzehr von Thüringer Klößen wesentlich auch im ganzen bayerischen Raum verbreitet sei.

ee. Die Situation bei den Bezeichnungsgewohnheiten lässt des Weiteren – etwa durch relokalisierende Gestaltungselemente oder Hinweise (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 87 – Feta (II); a. a. O., Rn. 55 – Parmesan) keine Tendenz in Richtung einer geografischen Herkunftsangabe erkennen. So hat das insbesondere in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Etikettenmaterial ergeben, dass die Klöße mit der Bezeichnung "Thüringer Klöße" stets den Zusatz "echt" bzw. "Original" oder "Sonntagsklöße" enthalten. Den größten Marktanteil an tiefgekühlten Fertigklößen haben Produkte mit der Bezeichnung "Echte Thüringer Sonntagsklöße", die wegen ihrer umfangreichen Zusätze von vornherein nicht der zur Eintragung bestimmten Angabe entspricht. Wie sich im Übrigen aus den von der Antragstellerin vorgelegten Verpackungen ergibt, werden die auswärtig hergestellten Thüringer Klöße auf den Etiketten der Warenpackungen auch nicht mit auf Thüringen verweisenden relokalisierenden populären Gestaltungselementen – etwa den Thüringer Farben oder Flaggen – angeboten. Somit wäre die Schlussfolgerung unbegründet, die Verbraucher würden solche Klöße in eine Verbindung mit Thüringen bringen, selbst wenn sie woanders hergestellt sind, und insbesondere, wenn sie mit dem Hinweis "Thüringer Art" versehen sind.

ff. Es haben sich umgekehrt auch keine Anzeichen dafür ergeben, dass die auswärtigen Hersteller für ihre Kloß-Produkte durchgängig einen entlokalisierenden Zusatz verwenden, bspw. nach Art von "Bayerische/Fränkische, Thüringer Klöße" (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 92 – Feta (II): "Dänischer Feta"), weshalb die Bezeichnung "Thüringer Klöße" als geographische Herkunftsangabe verstanden werden müsste. Zwar gibt es auch Klöße mit regionalen Herkunftshinweisen, die aber hier nicht zu berücksichtigen sind, sondern nur diejenigen mit dem Hinweis auf "Thüringer Klöße".

gg. Es wurde schließlich auch nicht nachgewiesen, dass die einschlägigen Verkehrskreise Deutschlands, insbesondere die Verbraucher, in der Mehrheit der Auffassung sind, dass die Bezeichnung "Thüringer Klöße" eine geografische Nebenbedeutung hat und keine Gattungsbezeichnung ist (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 86 – Feta II). Die der Markenabteilung vorgelegte Meinungsumfrage der Ipsos GmbH zur Verkehrsauffassung über den Begriff "Thüringer Klöße", auf die sich der angefochtene Beschluss wesentlich stützt, kann hierfür nicht herangezogen werden. Die Aussagen der weiteren eingeholten Stellungnahmen und diejenigen der Fachliteratur als weiterer Ausdruck des Verkehrsverständnisses zeigen ein zwiespältiges Meinungsbild.

Der angefochtene Beschluss der Markenabteilung bezieht sich zur Beurteilung und letztlich Bejahung des Charakters von "Thüringer Klöße" als geographische Herkunftsangabe sehr wesentlich auf eine Verkehrsbefragung der Ipsos GmbH.Hierbei stützt sich der angefochtene Beschluss wesentlich auf die zum nationalen Recht der geographischen Herkunftsangaben (§§ 126 ff. MarkenG) ergangene (unterdessen ältere) höchstrichterliche Rechtsprechung. Danach ist eine geografische Herkunftsangabe anzunehmen, wenn ein noch beachtlicher Teil der betroffenen Verkehrskreise, zu denen neben den beteiligten Gewerbetreibenden insbesondere auch die angesprochenen Verbraucher gehören, nämlich 10 – 15 % in der Angabe einen Hinweis auf die geographische Herkunft des Produktes sehen (BGH GRUR 1981, 71, – Lübecker Marzipan; GRUR 1989, 440 – Dresdner Stollen I; GRUR 1990, 461 – Dresdner Stollen II). Wenn in der Umfrage nach Auffassung der Markenabteilung knapp 15 % der Befragten der Angabe "Thüringer Klöße" eine geographische Bedeutung zumindest in einer Nebenbedeutung zubilligten, sei diese Mindestgrenze deutlich überschritten.

Abgesehen von der Frage, ob diese Umfrage nach ihrem Fragen- und Antwortdesign entsprechend den Regeln der Demoskopie verwertbar ist, was aus den nachstehenden Gründen dahinstehen kann, ist diese Gewichtung der Umfrageergebnisse aus mehreren Gründen rechtlich überholt. Angewendet wurden hier im Wesentlichen Kriterien des deutschen Markenrechts i. S. v. § 126 Abs. 2 i. V. m. § 127 Abs. 1 MarkenG, die nur noch im Rahmen des gemeinschaftlichen Primärrechts und der Leitlinien der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Anwendung finden können (Omsels, a. a. O., S. 117, Rn. 285). Weil das nationale Recht der geografischen Herkunftsangaben trotz einer Fortentwicklung (dazu Büscher GRUR Int. 2008, 977, 982 f.) aufgrund seiner Herkunft aus dem Recht gegen unlauteren Wettbewerb im Kern gegen Irreführung (Herkunftstäuschung) der Verbraucher gerichtet ist (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 127 Rn. 1; Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O., § 126 MarkenG Rn. 11; Omsels, a. a. O., S. 125 Rn. 306), stehen dort Meinungsumfragen unter den Verbrauchern zur Irreführungsgefahr im Vordergrund. Das europäische Schutzsystem der VO 2081/92 hat dagegen einen kennzeichenrechtlichen, d. h. einem Formalschutzrecht angenäherten Ausgangspunkt (Büscher, GRUR Int. 2008, 977, 983 m. w. N.; Schulte-Beckhausen, GRUR Int. 2008, 984, 986 m. w. N.). Nicht die Irreführungsgefahr für den Verkehr, sondern die Erfüllung der o. g. objektiven Eintragungsvoraussetzungen ist Gegenstand der Prüfung (vgl. Erwägungsgründe 9, 11 zur VO 2081/92; Knaak, FS Beier, 1993, S. 815, 822; McGuire, WRP 2008, 620, 624), wobei das starke subjektive Moment der Verkehrsauffassung in seiner Bedeutung diejenige der Feststellungen zur objektiven Herstellungs- und Vermarktungssituation und zu den Bezeichnungsgewohnheiten nicht überwiegen kann. Stärker mögen die Ergebnisse von Verkehrsumfragen gewichtet werden bei der Untersuchung des Vorliegens eines sich aus dem geografischen Ursprung ergebenden "Ansehens" als Einzelvoraussetzung einer geographischen Angabe nach Art. 2 Abs. 2 lit. b) VO 2081/92. Dies betrifft jedoch einen anderen Bereich als den hier maßgeblichen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Gattungsbezeichnung.

Aber auch die im deutschen Recht gegen unlauteren Wettbewerb entwickelte konkrete Prozentschwelle von 10 – 15 %, die eine darunter liegende und dann nicht mehr relevante Geringfügigkeit einer Irreführungsgefahr bezeichnet, und die auch im Rahmen des § 126 MarkenG zur Abgrenzung der Verkehrsauffassung zu Gattungsbezeichnungen angewendet wird (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 126 Rn. 52), ist überholt. Dieser Prozentsatz ist nicht nur allgemein nach Maßgabe des auch in das nationale Recht transponierten europäischen Verbraucherleitbilds (BGH GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster; BGH GRUR 2002, 160, 162 – Warsteiner III) zu revidieren (vgl. Omsels, a. a. O., S. 128 ff. Rn. 311 ff. m. w. N.). Demzufolge bedarf es schon im Bereich des Irreführungsverbots bei Werbemaßnahmen einer auf 20 %, wenn nicht höher angehobenen Quote von erzeugten Fehlvorstellungen (BGH GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe; GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung). Unabhängig davon sind die noch strengeren Leitlinien der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anzuwenden. Dies bedeutet zum einen, dass der Stellenwert von Verkehrsumfragen sich angesichts der übrigen Beurteilungskriterien der objektiven Erzeugungs-, Vermarktungs-, Bezeichnungs- und Rechtssituation relativiert hat und demzufolge eher als nachrangig eingeschätzt wird (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 87 ff. – Feta (I); Omsels, a. a. O., S. 140, Rn. 339). Auch wenn in dieser Entscheidung konkrete Prozentzahlen nicht genannt sind, so dürfte die Bejahung einer geographischen Herkunftsangabe im hauptsächlichen Verbrauchsgebiet, welche die 50 %-Grenze wesentlich unterschreitet, diese Annahme wohl nicht mehr stützen (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 86 – Feta (II)). Letztlich kommt es, soweit es um die Abgrenzung einer Gattungsbezeichnung von einer geographischen Herkunftsangabe geht – anders als bei der Frage der Irreführung durch eine unrichtige Herkunftsangabe (Omsels, a. a. O., S. 141, Rn. 340 ff.) -, vornehmlich auf die objektive Richtigkeit der Eintragungskriterien an und nicht auf das – u. U. sogar falsche – Verständnis der Verbraucher (Omsels, a. a. O., S. 140, Rn. 337 ff.; Knaak ZLR 2006, 65). Meinungsumfragen haben im gegebenen Zusammenhang dieser Abgrenzung somit einen begrenzten Stellenwert und sind ein Kriterium unter mehreren (vgl. Knaak a. a. O.: "schon gar nicht allein die Verkehrsauffassung"; Omsels, a. a. O., S. 140, Rn. 339).

Was die Stellungnahmen der von der Markenabteilung angehörten Institutionen und Organisationen und die Äußerungen in der Fachliteratur anbelangt, zeigt der Sachvortrag, anders als es im angefochtenen Beschluss dargestellt ist, keine Bilanz zugunsten einer geographischen Herkunftsangabe, sondern ein durchweg zwiespältiges Bild. Die Uneinigkeit, ob es sich bei "Thüringer Klößen" um eine Gattungsbezeichnung oder eine geografische Herkunftsangabe handelt, beginnt schon bei den angehörten thüringischen staatlichen Stellen und setzt sich fort bei den angehörten Organisationen und Verbänden. So haben das Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt des Freistaates Thüringen und die Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Industrie- und Handelskammern und das Deutsche Institut zum Schutz von geografischen Herkunftsangaben keine Erkenntnisse über das Vorliegen einer Gattungsangabe und machen lediglich Bedenken gegen die ursprüngliche geografische Eingrenzung auf ein bestimmtes Teilgebiet Thüringens geltend. Auch die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft bzw. in deren Auftrag das Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz) bestätigt die Herkunft von Thüringer Klößen ausschließlich aus dem Gebiet des Freistaates Thüringen, weist aber auf die gleiche Rezeptur und Verzehrgewohnheiten im Raum Coburg hin, wo allerdings "Fränkische Knödel" verzehrt würden.

Andererseits gehen die Stellungnahmen, die vom Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie, vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) eingereicht wurden, davon aus, dass die streitige Bezeichnung eine Rezeptur von Klößen beschreibe, die geschmacklich nicht allein von der Verwendung von Thüringer Kartoffeln abhängig sei und zudem in Thüringen selbst unter weiteren Bezeichnungen bekannt sei wie "rohe/grüne Klöße", "Hütes", "Knölle" oder "Hebes".

Zwar hat die DEHOGA wörtlich ausgeführt, es handele sich nicht um eine Gattungsbezeichnung i. S. v. Art. 3 der VO. Allerdings wird im späteren Text betont, dass das zugrunde liegende Rezept für "Thüringer Klöße" nicht zwangsläufig die Verwendung von Kartoffeln aus Thüringen vorsehe. Zudem könne sich die Bezeichnung auch nicht auf die Herkunft der Ausgangsprodukte aus Thüringen beziehen; dies gelte allenfalls für das Produkt "6 echte Thüringer Sonntagsklöße".

Mit diesen letztgenannten Stellungnahmen, die sich zumindest eher für eine Beurteilung als Gattungsbezeichnung aussprechen, hat sich die Markenabteilung im angefochtenen Beschluss nicht auseinandergesetzt.

Was des Weiteren die in der Fachliteratur veröffentlichte Verkehrsauffassung anbelangt, so gilt grundsätzlich, dass solchen Stellungnahmen von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein eher geringer Stellenwert zugewiesen wird. Jedenfalls kann die Auffassung, es handele sich um eine Gattungsbezeichnung, keineswegs ausschließlich mit Stimmen aus der Literatur belegt werden, ohne wenigstens Produktions- oder Verbrauchszahlen und Angaben über den Ort von Herstellung und Verbrauch vorzulegen (EuGH, a. a. O., Rn. 54, 56 – Parmesan). In der deutschen Rechtsprechung wurde die Auffassung vertreten, dass eine Einheitlichkeit der Meinungsäußerungen in Fachkreisen in gewissem Umfang auch indiziell sprechen könne für das Vorhandensein entsprechender Verbrauchervorstellungen (BGH, a. a. O., S. 442 – Dresdner Stollen (I)). Dieses eher einheitliche Meinungsbild besteht, anders als der angefochtene Beschluss es interpretiert, vorliegend gerade nicht.

Mit obigen Maßgaben steht das Deutsche Lebensmittelbuch mit seinen Leitsätzen wegen seines auch öffentlich-rechtlichen, faktisch gesetzlichen Charakters (§§ 15, 16 LMFG, vgl. Wikipedia-Eintrag zu diesem Stichwort) an bedeutendster Stelle fachlicher Äußerungen. Das Deutsche Lebensmittelbuch ist eine gutachterliche Äußerung der jeweils sachlich einschlägigen Lebensmittelexperten für Lebensmittel in Deutschland und hat als verbindliche fachliche Stellungnahme zentrale Bedeutung für die Verfolgung von Rezepturabweichungen durch Behörden und Mitbewerber unter lebensmittelpolizeilichen und Unlauterkeitsgesichtspunkten. Für den Einwand, die Leitsätze hätten keine indizielle Bedeutung, wie es die Antragstellerin vorgetragen hat, hat sich anderweitig kein Anhaltspunkt ergeben. Aus dem Deutschen Lebensmittelbuch ergibt sich nach Auffassung des Senats letztlich, dass der rechtliche Charakter der Bezeichnung "Thüringer Klöße" eine Verkehrsbezeichnung und zugleich Gattungsbezeichnung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 VO 2081/92 ist.

Den einzelnen Leitsätzen für Kartoffelerzeugnisse, darunter Leitsatz Nr. II g) "Kartoffelknödel-Erzeugnisse", der unter Ziffer 1. die allgemeine Rezeptur der "Klöße" enthält – wobei diese Bezeichnung dort kursiv gedruckt ist -, sind im Lebensmittelbuch unter C. einleitende grundsätzliche Bemerkungen zur Interpretation der dann nachfolgenden Leitsätze vorangestellt. Dort lautet die Erläuterung des verwendeten Kursivdrucks von Lebensmittelbezeichnungen: "Für Erzeugnisse, die mindestens den folgenden Beurteilungsmerkmalen entsprechen, sind die kursiv gedruckten Verkehrsbezeichnungen üblich". Regelmäßig lässt sich somit im hier zu betrachtenden Lebensmittelbereich der lebensmittelrechtliche Fachbegriff der Verkehrsbezeichnung mit dem markenrechtlich geprägten Rechtsbegriff der Gattungsbezeichnung gleichsetzen, konkret etwa bei der damit verwandten Warengattung "Kloß" (Leitsatz Nr. II g) 1. und 2.).

Zwar sind unter dem genannten Leitsatz nur die Begriffe "Kloß, Klöße, Knödel" kursiv geschrieben. Am Ende der Beschreibung heißt es indessen im nächsten Absatz: "Es ist üblich, einen Hinweis auf die Art des Erzeugnisses zu geben wie roh, Thüringer, halb und halb, gekocht.". Derselbe Vermerk findet sich zudem für die unter der nächsten Ziffer (Leitsatz Nr. II g) 2.) wiedergegebenen Verkehrsbezeichnungen "Kloß, Klöße, Knödel im Kochbeutel". Für den Senat ist damit die Bezeichnung "Thüringer Klöße" als "Verkehrsbezeichnung" i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) ausgewiesen. Die Verkehrsbezeichnung benennt das Produkt so, wie es in Verbindung mit der angegebenen Rezeptur lebensmittelrechtlich zutreffend ist, wie es im Handel benannt und angeboten werden muss (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 4 LMKV Rn. 9). Die Verkehrsbezeichnung i. V. m. der Rezeptur ist zugleich Ausdruck der berechtigten Verbrauchererwartung, so dass Abweichungen von der Rezeptur von den Verwaltungsbehörden mit Ordnungsmitteln verfolgt werden können.

Schon mit Blick auf die Angaben im Deutschen Lebensmittelbuch erweist sich die Angabe "Thüringer Klöße" als übliche Verkehrsbezeichnung, die nicht die Herkunft, sondern die Gattung beschreibt.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass es sich nach Einschätzung im Deutschen Lebensmittelbuch um den Ausnahmefall eines geographischen Hinweises im Rahmen einer Gattungsbezeichnung handeln kann. Dies wird auch allgemein als Anzeichen genommen für eine Umwandlung von einer geographischen Herkunftsangabe in eine Gattungsbezeichnung. Die Beobachtung, wonach dann die geographische Bezeichnung in dem betreffenden geographischen Raum häufig nicht verwendet werde, trifft vorliegend zwar nicht zu; der Begriff "Thüringer Klöße" wird auch dort eingesetzt. Jedoch gehen die festgestellten Bezeichnungsgewohnheiten häufig dahin, den Herstellungsort Thüringen durch den Zusatz "Original" besonders auszuweisen, wie oben bereits dargelegt. Insgesamt lässt sich aufgrund dieser Erscheinung aus den Kriterien der Vorbemerkung ableiten, dass nach dem Deutschen Lebensmittelbuch der geographische Zusatz "Thüringer" nicht zwangsläufig auf eine geographische Herkunftsangabe schließen lässt, vielmehr die Annahme einer Verkehrsbezeichnung und damit einer Gattungsbezeichnung eher im Vordergrund stehen wird.

Die sonstige Fachliteratur bietet zumindest ein gespaltenes Bild, wenn sie nicht sogar eher die Einstufung als Gattungsangabe indiziert. So findet sich in einem Küchenlexikon unter dem Stichwort: "Kloß, Klöße, Knödl, Knödel" der Eintrag: "Grüne: Rohe Kartoffeln gerieben … Im Salzwasser pochiert, dann sofort angerichtet. Diese Klöße werden auch als Thüringer Klöße bezeichnet." (vgl. Hering, Lexikon der Küche, 21. Aufl. 1993, S. 523). In einer anderen Fundstelle heißt es unter dem Stichwort "Kartoffelkloßmehl" am Ende: "Es gibt auch aus rohen Kartoffeln hergestellte und für die Zubereitung von rohen Klößen (grüne Klöße, Thüringer Klöße) oder Kartoffelpuffer (Reibekuchen) geeignete Erzeugnisse" (vgl. Lebensmittel-Lexikon (Täufel/Ternes/Tunger Zobel, 1998, S. 748).

d. Im Ergebnis ist zu den von den maßgeblichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für maßgebend erachteten Kriterien für die Annahme einer Gattungsbezeichnung festzustellen, dass die Herstellungs- und Vermarktungssituation bei "Thüringer Klößen" und die Bezeichnungsgewohnheiten eher den Voraussetzungen einer Gattungsbezeichnung entsprechen, Rechtsvorschriften dieser Annahme nicht entgegenstehen und sich zu dieser Frage keine eindeutige oder jedenfalls überwiegende Verkehrsauffassung feststellen lässt.

e. Die im Beschluss angesprochene Abwägung der Interessen von Produzenten einerseits und Verbrauchern andererseits, also eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Verbots einer verwendeten geographischen Bezeichnung findet statt auf dem Gebiet möglicher Irreführungen durch die verwendete geographische Angabe, insbesondere i. V. m. entlokalisierenden Zusätzen (vgl. z. B. BGH a. a. O., S. 162 – Warsteiner III; a. a. O., S. 1076 – Original Oettinger; Einzelh. dazu z. B. Ströbele/Hacker, § 127 Rn. 14 ff.; Büscher/Dittmer/Schiwy, a. a. O., § 127 MarkenG Rn. 17 f., jeweils m. w. N.; Büscher GRUR Int. 2005, 801, 807). Dies betrifft indessen nicht die hier zu beantwortende Frage, ob eine Gattungsbezeichnung vorliegt oder nicht.

f. Zur Frage der Relokalisierung einer ursprünglichen Gattungsbezeichnung "Thüringer Klöße" macht der angefochtene Beschluss keine Ausführungen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere in dem Zeitraum nach 1993 genügend objektive und subjektive Gesichtspunkte sich für die Annahme einer Rückumwandlung zu einer geographischen Herkunftsangabe herausgebildet hätten. Die festgestellte Bezeichnungspraxis steht dieser Annahme ohnehin entgegen, wenn es ersichtlich, wie oben ausgeführt, üblich (geworden) ist, in Thüringen hergestellte "Thüringer Klöße" zur Unterscheidung mit dem Zusatz "Original" zu versehen. Über die Rechtsnatur der Bezeichnung "Original bzw. Echt Thüringer Klöße" als geographische Herkunftsangabe war aber im vorliegenden Verfahren nicht zu befinden. Im Übrigen sind die Anforderungen an eine Relokalisierung streng, weil eine Rückumwandlung jedenfalls nach bisherigem nationalen Recht eine entsprechende Meinungsbildung bei mindestens 50 % des Verkehrs voraussetzt (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 126 Rn. 57 m. w. N. auch zu abweichenden Auffassungen unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten). Hierfür haben sich weder Gesichtspunkte ergeben, noch haben die Beteiligten zugunsten einer solchen Entwicklung etwas vorgetragen.

C.

Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die Bezeichnung "Thüringer Klöße" die einzelnen Voraussetzungen einer geographischen Angabe i. S. d. Art. 2 Abs. 2 lit. b) VO 2081/92 erfüllt, obwohl der Senat auch insoweit, wie bereits ausgeführt, wegen der Größe des geografischen Gebietes Bedenken hat.

D.

Zu einer Auferlegung von Kosten besteht keine Veranlassung (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG).

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