Nicht genau definierter Adressat – Wer beleidigt hier wen?

15. Dezember 2009
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Eigener Leitsatz:

Der Umstand, dass eine Beleidigung keiner bestimmten Person oder Personengruppe zuzuordnen ist, begründet keinen Unterlassungsanspruch des oder der eventuell Angegriffenen. Vorliegend wurde in einem Bericht der Ausdruck „Schramma-SA“ geäußert. Die Kölner Richter urteilten, dass, da sich nicht eindeutig feststellen ließe an wen die Beleidigung gerichtet war, keine Persönlichkeitsverletzung im zu Grunde liegenden Fall vorliegt.

Verwaltungsgericht Köln

Urteil vom 29.10.2009

Az.: 20 K 7757/08

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist Mitglied und Funktionsträger der Bürgerbewegung „pro Köln“ e.V.. Er begehrt vom Beklagten die Unterlassung einer Äußerung.

Ausgangspunkt für dieses Begehren war die Berichterstattung im T. -Online Magazin (www.T. .de) anlässlich des von der Bürgerbewegung „pro Köln“ veranstalteten sog. Anti-Islamisierungskongresses vom 19. – 21.09.2008 in Köln. Im Rahmen dieses Kongresses sollte am 20.09.2008 von 12.00 -18.00 Uhr eine öffentliche Kundgebung auf dem Heumarkt stattfinden. Zum vorgesehen Versammlungsbeginn befand sich auf dem Heumarkt nur ein kleinerer Teil der erwarteten Versammlungsteilnehmer, während sich ca. 300 weitere Versammlungsteilnehmer – u.a. auch der Kläger – noch am Bahnhof des Flughafens Köln/Bonn aufhielten und nicht zum vorgesehenen Versammlungsort gelangen konnten.

Um den Versammlungsort und an den von der Polizei eingerichteten Sperrstellen hatte es bereits im Laufe des Vormittags gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den eingesetzten Polizeikräften und gewalttätigen Gegendemonstranten gegeben, auch der weitere Innenstadtbereich in Richtung Hauptbahnhof war von Gegendemonstranten blockiert. Am Bahnhof Köln-Deutz fand eine Gleisblockade statt, bereits in den frühen Morgenstunden war die Bahnstrecke in Richtung Troisdorf beschädigt worden. Angesichts dieser Situation sah die Polizei von einer Zuführung der 300 potentiellen Versammlungsteilnehmer vom Flughafen Köln/Bonn in die Kölner Innenstadt zum Versammlungsort Heumarkt ab und sprach eine Verbotsverfügung aus, mit der die Durchführung der angemeldeten Versammlung auf dem Heumarkt untersagt wurde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei unter Einsatz von verhältnismäßigen Mitteln nicht möglich, den auf dem Bahnhof Köln /Flughafen befindlichen Personen die Anreise zum Heumarkt zu ermöglichen. Diese Verbotsverfügung wurde dem Kläger und weiteren Anhängern/Mitgliedern von „pro Köln“ durch die Polizei auf dem Flughafengelände bekannt gegeben.

In einer darauf folgenden Pressekonferenz äußerte sich der Kläger in einem Interview gegenüber dem Nachrichtenmagazin „T. „.

Die Veröffentlichung unter www.T. .de vom 00.00.2008 trägt die Überschrift „…„ . Dieser Bericht enthält nach Schilderung der Ereignisse am 20.09.2008 wörtlich folgende Passage: ‚Stolz bedankt sich Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) bei den Menschen, die sich mit Herzblut, Witz und Intelligenz erfolgreich gegen „diesen rassistischen Schwachsinn“ gestemmt hätten. Die, die der OB attackiert, machen ihrer Wut am Flughafen Luft, nachdem sie die Verbotsverfügung der Polizei erreicht. „Das ist die Schramma-SA“, schimpft K. V. , Bürgermeisterkandidat von „Pro NRW“ in M. und Ex-CDUler. Nicht die Kölner würden sich gegen den Kongress stellen, sondern „linke Randalierer, die mit dem Oberbürgermeister gemeinsame Sache machten“‚.

Diese Presseveröffentlichung nahm der Beklagte zum Anlass, eine Strafanzeige gegen den Kläger wegen Beleidigung anzukündigen.

Im L. T1. (www. .de) vom 00.00.2008 ist unter der Überschrift „ V. „ ausgeführt: „Die Kölner Polizei kündigte Strafanzeige gegen einen Politiker der rechtsextremen Organisation „Pro Köln“ an. Damit reagierte die Polizei auf die Aussage K. V. s , der die Polizei als „Schramma-SA“ bezeichnet hatte.“ Im weiteren Text heißt es: „Polizeipräsident Klaus Steffenhagen will den „Pro-Köln“- Funktionär K. V. wegen Beleidigung anzeigen. V. hatte aus Unmut über das Verbot einer Anti-Islam-Kundgebung am Wochenende die Polizei als „Schramma-SA“ bezeichnet. Dies erfüllt nach Ansicht der Polizeispitze den Tatbestand der Beleidigung.“

Das bei der Staatsanwaltschaft Köln unter dem Aktenzeichen 121 Js 776/08 geführte Verfahren gegen den Kläger wegen Beleidigung ist inzwischen nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Im Hinblick auf den Artikel im L. T1. verlangte der Kläger am 08.10.2008 durch seine Prozessbevollmächtigten vom Beklagten die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, wonach der Beklagte es künftig unterlassen werde, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, behaupten zu lassen oder zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen, der Kläger habe die Polizei als „Schramma-SA“ bezeichnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, die entsprechende Behauptung sei nachweislich falsch. Zu keinem Zeitpunkt habe der Kläger die Polizei als „Schramma-SA“ bezeichnet. Zwar habe er die Formulierung „Schramma-SA“ verwendet, jedoch sei diese Bezeichnung ausdrücklich und eindeutig auf die gewalttätigen Gegendemonstranten bezogen gewesen, deren Ausschreitungen der Grund für das polizeiliche Verbot der Veranstaltung gewesen seien. Dies ergebe sich eindeutig aus allen Presseveröffentlichungen, welche das Zitat des Klägers wiedergegeben hätten.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21.10.2008 lehnte der Beklagte die Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung ab. Es sei nicht nachweislich oder gar erwiesenermaßen falsch, dass der Kläger mit dem beleidigenden Begriff „Schramma-SA“ die Polizei und/oder die Polizeibeamten bezeichnet habe. Entgegen der Auffassung des Klägers komme es nicht darauf an, wie er seine Äußerung verstanden wissen wolle, oder ob er die Beeinträchtigung gewollt habe. Entscheidend sei vielmehr, wie die Äußerung entsprechend des Verständnisses des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren sei. Da die Äußerung unstreitig als Reaktion auf den Erhalt der Verbotsverfügung durch die Polizei ergangen sei, müsse der Durchschnittsempfänger sie unschwer auf die Polizei als Urheber der Verfügung beziehen. Die Berichterstattung im L. T1. stelle eine Bewertung der Äußerung des Klägers durch den Beklagten dar. Diese Bewertung genieße als Meinungsäußerung den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Zudem sei die Mitteilung über die Strafanzeige in Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB erfolgt. In der Öffentlichkeit habe ein überragendes Interesse an den Vorgängen über den Anti-Islamisierungskongress und der öffentlichen Reaktion hierauf bestanden.

Der Kläger hat unter dem 01.12.2008 Klage erhoben, mit der er sein Unterlassungsbegehren weiterverfolgt. Er legt dar, sein Anspruch folge aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 186 StGB, 826 BGB und 823 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1, Abs. 2 GG. Mit der Einstufung der Äußerung als den Straftatbestand der Beleidigung erfüllend werde er durch den Beklagten als mutmaßlicher Straftäter dargestellt. Dies verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich um eine Tatsachenbehauptung, weil es ohne Weiteres dem Beweis zugänglich sei, ob er – der Kläger – eine bestimmte Äußerung getan habe oder nicht. Seine Äußerung auf dem Flughafengelände sei eindeutig und nicht auszulegen gewesen. Die Äußerung des Beklagten sei demzufolge objektiv wahrheitswidrig und rechtswidrig.

Der Beklagte könne sich auch nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen: Allenfalls die Würdigung, ob eine bestimmte Äußerung den Straftatbestand der Beleidigung erfülle, stelle eine Meinungsäußerung dar, bei der Frage ob der Kläger eine bestimmte Äußerung getan habe, handele es sich aber um eine Tatsachenbehauptung. Auch im Klageverfahren wiederhole der Beklagte seine unwahre Behauptung, wenn er schriftsätzlich ausführen lasse, den aus der Presse zu entnehmenden Äußerungen des Klägers sei zu entnehmen, dass der Kläger mit seiner Aussage die Kölner Polizei gemeint habe. Der Beklagte verkenne des Weiteren den Kontext der Äußerung: Das Verbot der Versammlung sei auf das Vorliegen eines polizeilichen Notstandes aufgrund der gewalttätigen Ausschreitungen linker Gegendemonstranten gestützt gewesen. Zugleich habe Herr Schramma das Verbot als „Sieg der Demokratie“ gewertet. Mit seiner Äußerung habe er somit Gewalt gutgeheißen. Bereits vorher habe er dazu aufgerufen, den Kongress mit kreativen Mitteln zu verhindern. Der Kläger legt dar, er habe seine Kritik an diesem Vorgehen des Oberbürgermeisters mit scharfen Worten zum Ausdruck gebracht, wobei dies angesichts der geschilderten Umstände keine Beleidigung darstelle. Der Kläger tritt überdies dem Vorbringen des Beklagten entgegen, wonach seine – des Klägers – Äußerung sich als Schmähkritik darstelle, aufgrund derer er selbst den Schutz seines Persönlichkeitsrechts herabgesetzt habe.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen, der Kläger habe die Polizei Köln als „Schramma-SA“ bezeichnet.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, es liege keine Behauptung unrichtiger Tatsachen über den Kläger vor. Er, der Beklagte, habe lediglich seine Bewertung der Äußerung den Pressevertretern mitgeteilt. Der Kläger wende sich im Übrigen auch nicht gegen eine von ihm (dem Beklagten) getätigte Äußerung, welche als Zitat wiedergegeben sei, sondern gegen eine Darstellung von Journalisten des L. T1. s . Der Beklagte erläutert hierzu, er habe auf telefonische Anfrage von Pressevertretern mitgeteilt, er werde gegen den Kläger Strafanzeige erstatten. Den aus der Presse zu entnehmenden Äußerungen des Klägers sei zu entnehmen, dass der Kläger mit seiner Aussage die Kölner Polizei gemeint habe. In diesem Sinne sei die Äußerung auch von den Pressevertretern verstanden worden. Der Kläger könne nicht auf gerichtlichem Wege die Interpretationshoheit über seine Äußerungen gewinnen.

Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine durch Art. 5 GG geschützte Meinungsäußerung. Zu berücksichtigen sei schließlich, ob eine Äußerung – wie hier – im öffentlichen Meinungskampf getätigt worden sei. In diesem Falle müsse auch schärfere Kritik hingenommen werden.

Schließlich habe der Kläger selbst durch seine Äußerung den Schutz seines Persönlichkeitsrechts herabgesetzt, indem er den Oberbürgermeister Schramma auf menschenverachtende und schmähende Weise beleidigt habe. Die SA sei eine der übelsten Schlägertruppen der Nationalsozialisten gewesen, welche sich besonders durch ihr menschenverachtendes Auftreten hervorgetan habe. Die Äußerung des Klägers könne nur in dem Sinn verstanden werden, dass der Kölner Oberbürgermeister Menschen in einer Organisation zusammengefügt und diese zur Gewaltanwendung gegen die Kongressteilnehmer bestimmt habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, weil das geltend gemachte Unterlassungsbegehren aus einem öffentlich-rechtlichen Sachverhalt folgt. Der Beklagte hat seine Ankündigung einer Strafanzeige in seiner Eigenschaft als Polizeipräsident und Dienststellenleiter und damit als öffentlicher Amtsträger im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben abgegeben.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Materiellrechtlich kommt ein Unterlassungsanspruch in Betracht, wenn ein geschütztes Recht in rechtswidriger Weise verletzt wird und die Gefahr der Wiederholung besteht. Hier fehlt es an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in ein geschütztes Recht des Klägers. Zwar berührt die Ankündigung einer Strafanzeige mit der zugrundeliegenden Bewertung, der Kläger habe den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V. m. 185 ff StGB, Art. 1 GG. Es fehlt jedoch an einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen rechtswidrig ist, ist im Wege einer situationsbezogenen Interessenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die Wechselwirkungen zwischen dem Schutz privater Rechtsgüter und der Meinungsfreiheit zu berücksichtigen.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG kommt stets bei Meinungsäußerungen zum Tragen. Konstitutiv für eine Meinungsäußerung ist das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung. Daneben sind auch Tatsachenäußerungen durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt, soweit sie zur Meinungsbildung beitragen können. Ausgehend hiervon entfällt der Grundrechtsschutz für bewusst oder erwiesen unwahre Behauptungen, da diese nicht mehr Grundlage für eine Meinungsbildung darstellen,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 – 1 BvR 580/02, NJW 2003, S. 277 f; Beschluss vom 11.11.1992 – 1 BvR 693/92 -, NJW 1993, S. 1845; Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88 -, NJW 1992, S. 1439; Beschluss vom 22.06.1982 – 1 BvR 1376/79-, NJW 1983, S. 1415 ff.

Bei der Interessenabwägung zwischen dem Schutz privater Rechte und der Meinungsfreiheit müssen auch der Kontext und die sonstigen Begleitumstände der Äußerung in die Betrachtung eingestellt werden,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.2002 – 1 BvR 232/97-, NJW 2003, S. 660 f; Beschluss vom 25.08.1994 – 1 BvR 1423/92 -, NJW 1994, S. 2943 f; BGH, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 198/03 -, NJW 2005, S. 279 ff.

Handelt es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede. Im Interesse der freien Rede müssen im Einzelfall Schärfen und Überspitzungen hingenommen werden. Eine Ausnahme gilt insoweit nur für sog. Formalbeleidigungen und Schmähkritik, d.h. für Äußerungen, die darauf gerichtet sind, die Persönlichkeit herabzusetzen und zu diffamieren, ohne dass ein sachlicher Kern der Auseinandersetzung erkennbar ist,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.11.1992 – 1 BvR 693/92 -, NJW 1993, S. 1845 f; Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88 -, NJW 1992, S. 1439, 1441; Beschluss vom 22.06.1982 – 1 BvR 1376/79 -, NJW 1983, S. 1415 ff; BGH, Urteil vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99 -, NJW 2000, S. 1036, 1038 Urteil vom 17.11.1964 – VI ZR 181/63, NJW 1965, S. 294 f, Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn 8, 17 und 18.

Zudem spielt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Rolle, inwieweit sich jemand durch Teilnahme am öffentlichen Meinungskampf eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat. Dabei kommt dem Umstand Bedeutung zu, ob es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine adäquate Reaktion auf einen anderen Vorgang handelt,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.06.1982 – 1 BvR 1376/79-, NRW 1983 S. 1415, 1416 f; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn 21 ff (Recht auf Gegenschlag).

In Anwendung dieser Grundsätze stellt sich die vom Kläger beanstandete Äußerung des Beklagten als zulässige Meinungsäußerung dar, die zudem im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung in einer für die Allgemeinheit bedeutsamen Frage und überdies als Reaktion auf eine vorangegangene scharfe und polemische Äußerung des Klägers abgegeben wurde.

Im Einzelnen gilt Folgendes: Die Äußerung des Klägers „Das ist die Schramma-SA“, welche vom Beklagten zum Ausgangspunkt seiner Ankündigung einer Strafanzeige gemacht worden ist, stellt – dieses Zitat betreffend – eine Tatsachenbehauptung dar. Auch der Kläger gibt an, die Formulierung „Das ist die Schramma-SA“ gebraucht zu haben. Insoweit handelt es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung. Da die Tatsache als Grundlage für die Meinungsbildung dient und die Äußerung zudem nicht bewusst oder erwiesen unwahr, sondern unstreitig wahr ist, unterfällt diese Komponente dem Schutz der Meinungsfreiheit. Des Weiteren ist auch die Einschätzung, ob eine Äußerung den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, von der Meinungsfreiheit umfasst, denn diese Einschätzung ist – wovon auch der Kläger ausgeht – eine Bewertung. Streit besteht im vorliegenden Fall auf der zwischen diesen beiden Äußerungskomponenten liegenden Ebene, nämlich bezüglich der Frage, auf wen sich die Formulierung „Das ist die Schramma-SA“ bezieht“ (Hervorhebung durch das Gericht).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Ebene keineswegs eindeutig, vielmehr ist sie der Auslegung zugänglich. Insofern geht der Kläger von einem falschen rechtlichen Ausgangspunkt aus, wenn er darauf abstellt, wie er die Äußerung gemeint hat. Entscheidend ist vielmehr, wie die Äußerung von einem unbefangenen Durchschnittsbetrachter verstanden werden durfte,

vgl. BGH, Urteil vom 1606.1998 – VI ZR 105/97 -, NJW 1998 S. 4047 f..

Ausgehend hiervon kommen zwei Deutungsalternativen in Frage: Zum einen kann die Äußerung, da sie als Reaktion auf die Bekanntgabe der Verbotsverfügung durch die Polizei erfolgte, auf die Polizei bezogen werden, zum anderen kann sie wegen des Gesamtkontextes aber auch auf die linken Demonstranten bezogen werden, deren Gewalttätigkeit der Auslöser für das Verbot der Versammlung war.

Tatsächlich ist die Äußerung des Klägers in der Presse und in diversen Internetforen auch verschieden aufgefasst worden,

vgl. für eine Zuordnung der Äußerung zur Polizei: Express vom 22.09.2008 „Rechtsextreme wollen jetzt klagen“; www.bszonline.de/index. „760 – Köln gab Contra!; www.rhein-sieg- anzeiger.de „Strafanzeige gegen V. „, www.freitag.de „Auf Expansionskurs“; http://patriotischesforumsueddeutschland „Polizei zeigt K. V. an!“ http://de.altermedia.info/ „Schramma-SA“, mit einer Gegenstimme unter Ziffer 23

für eine Zuordnung der Äußerung zu den linken Autonomen: Zeit Online Leserartikel-Blog http://community.zeit.de/node/139851/199893 „Drehbuch zur politischen Katastrophe in Köln“ sowie unter http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2008/09/20/402_402 „Kongress im Keller“.

Der Umstand, dass die Äußerung des Klägers sowohl auf die Polizei als auch auf die linken Gegendemonstranten bezogen sein konnte, war überdies ausschlaggebend für die Einstellung des Strafverfahrens StA Köln 121 Js 776/08 gegen den Kläger. In der Einstellungsmitteilung der Staatsanwaltschaft an den Anzeigenerstatter ist ausgeführt, die Äußerung des Klägers „Das ist die Schramma- SA“ erfülle fraglos den Tatbestand einer Beleidigung. Allerdings sei unter Berücksichtigung der bekannten Gesamtumstände und Gegebenheiten nicht zweifelsfrei festzustellen bzw. hinreichend sicher zu belegen, wer als Adressat der beschimpfenden Äußerung anzunehmen sei.

Ausgehend von der somit bestehenden Interpretationsmöglichkeit auf dieser zweiten Stufe der Äußerung des Klägers handelt es sich beim Verständnis des Beklagten, die Äußerung sei auf die Polizei bezogen, um eine Bewertung. Der Beklagte bringt damit seine Einschätzung zum Ausdruck, wie er die Äußerung verstanden hat. Als Einschätzung und Bewertung unterliegt somit auch diese Äußerungskomponente dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG.

Hinzu kommt, dass in der vom Kläger beanstandeten Wiedergabe der Äußerung des Beklagten im L. T1. keine entsprechende Aussage des Beklagten wiedergegeben ist. Dass der Kläger die Polizei als „Schramma-SA“ bezeichnet habe, ist eine Äußerung des Autors des Artikels. In Bezug auf den Beklagten wird nur wiedergegeben, dass die Äußerung nach Ansicht der Polizeispitze den Tatbestand der Beleidigung erfülle.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte auch im anhängigen Gerichtsverfahren keine Tatsachenbehauptung dahingehend vorgenommen, der Kläger habe behauptet, die Polizei sei die „Schramma-SA“. Insoweit hat der Beklagte über seinen Bevollmächtigten im Verfahren ausgeführt, den aus der Presse zu entnehmenden Äußerungen des Klägers sei zu entnehmen, dass der Kläger mit seiner Aussage „Das ist die Schramma-SA“ die Kölner Polizei gemeint habe. Auch im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 21.10.2008 ist die Rede davon, dass der Beklagte wegen der Veröffentlichung in T. .online davon ausgehe, dass der Kläger seine Äußerung auf die Kölner Polizei bezogen habe. Hierin erkenne der Beklagte eine strafbare Handlung.

Diese Passagen geben wieder, wie der Beklagte die Pressemitteilungen aufgefasst hat und wie er die Äußerung des Klägers bewertet. Wegen des eindeutigen Schwerpunktes des Bewertens und Dafürhaltens handelt es sich auch hierbei um eine zulässige Meinungsäußerung, die einen Unterlassungsanspruch nicht begründen kann.

Hinzu kommt, dass die Äußerung im Rahmen des öffentlichen Meinungskampfes vorgenommen worden ist und sie zudem eine Reaktion auf eine stark herabsetzende, wenn nicht gar schmähende Äußerung, welche der Kläger vorgenommen hat, darstellt.

Mangels Vorliegens eines rechtswidrigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrechts des Klägers kommt es abschließend auf die Frage, ob im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO die Wiederholungsgefahr entfallen ist, nicht mehr an. Mit der Einstellung des Strafverfahrens ist der Anknüpfungspunkt für die Ehrverletzung, der Kläger werde als Straftäter hingestellt, nicht mehr vorhanden. Unberührt von dieser strafrechtlichen Würdigung durch die Staatsanwaltschaft bleibt aber das Recht des Beklagten darzulegen, wie er die Äußerung des Klägers verstanden hat.

Aus den vorgenannten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.

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