Gesetzliche Krankenkassen: Verbot der Werbung mit billigen Auslandsversandapotheken

23. Juni 2009
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Eigener Leitsatz:

Deutsche gesetzliche Krankenkassen dürfen nicht mit einem Bonussystem für ihre Mitglieder werben, wodurch diese Geld sparen, wenn sie ihre Medikamente bei einer ausländischen Internet- und Versandapotheke bestellen. Vielmehr verstieße so ein Vorgehen gegen geltende Arzneimittelverträge (ALV) der einzelnen Bundesländer. Darüber hinaus ist diese Form der Werbung auch unlauter, da sie gegen das grundrechtlich normierte Neutralitätsgebot verstößt.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz

Beschluss vom 04.06.2009

Az. L 5 KR 57/09 B ER

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 03.02.2009 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung unter Androhung eines Ordnungsgelds von bis zu 250.000,00 € für jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen, an einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr ihre im Land Rheinland-Pfalz wohnhaften Mitglieder durch schriftliche Werbung wie im Schreiben vom 09.06.2008 ("Die Dreifach-Garantie der E : günstig, sicher und bequem" mit Anlagen, vgl. Bl. 77 bis 82 Prozessakte) dahingehend zu beeinflussen, dass diese ihre zu Lasten der Antragsgegnerin verordneten Medikamente über die E beziehen, soweit nicht die Versicherten an einer vertraglich vereinbarten besonderen Versorgungsform teilnehmen oder die Antragsgegnerin über eine Ausschreibung eine verpflichtende Vereinbarung mit der E eingegangen ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Sozialgerichts Mainz (Ziffer 3 des Tenors) wird zurückgewiesen.

4. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
 

Gründe:

I.

Die Antragstellerin betreibt eine öffentliche Apotheke in G und ist Mitglied im Apothekerverband Rheinland-Pfalz. Die Antragsgegnerin versandte an eine unbekannte Zahl ihrer Mitglieder Werbebroschüren der niederländischen Versandapotheke E und warb in einem Begleitschreiben unter der Überschrift "Die Dreifach-Garantie der E : günstig, sicher und bequem" u. a. für einen "persönlichen Bonus", den die Versicherten bei dieser Apotheke auf zuzahlungspflichtige Arzneimittel sowie frei verkäufliche Produkte erhalten. Auf den Inhalt des Schreibens vom 09.06.2008 und der Werbebroschüre (Bl. 77 bis 82 der Prozessakte) wird Bezug genommen. Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin im Juli 2008 erfolglos zur Unterlassung und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Am 16.09.2008 hat die Antragsgegnerin beim Sozialgericht Mainz den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Durch Beschluss vom 03.02.2009 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin unter Androhung eines Ordnungsgelds von bis zu 250.000,00 € für jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr ihre Mitglieder durch schriftliche Werbung dahin zu beeinflussen, dass diese ihre auf Kosten der Antragsgegnerin verordneten Medikamente über die E beziehen, soweit nicht die Versicherten an einer vertraglich vereinbarten besonderen Versorgungsform teilnehmen oder die Antragsgegnerin über eine Ausschreibung eine verpflichtende Vereinbarung mit der E eingegangen ist. Der Streitwert ist auf 5.000,00 € festgesetzt worden. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien erfüllt. Der in der Hauptsache geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich aus den zwischen den Beteiligten geltenden Verträgen zur Arzneimittelversorgung. Die Beteiligten nähmen zunächst an dem zum 01.04.2008 in Kraft getretenen bundesweit geltenden Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.d.F. vom 17.01.2008 teil. Gemäß § 2 Abs. 4 des Vertrags könnten die Krankenkassen oder ihre Verbände mit den Mitgliedsverbänden des Deutschen Apothekerverbands, die Verbände der Ersatzkassen mit dem Deutschen Apothekerverband, ergänzende Verträge schließen (§ 129 Abs. 5 SGB V). Soweit ergänzende Verträge geschlossen seien, sei der für den Sitz der Apotheke geltende Vertrag der jeweiligen Kassenart anzuwenden. Die Antragsgegnerin sei demnach als Betriebskrankenkasse an die vertraglichen Vereinbarungen, die der BKK-Landesverband Rheinland-Pfalz mit dem Apothekenverband Rheinland-Pfalz getroffen habe, gebunden, ohne unmittelbar vertragsschließende Partei zu sein. Durch die Versendung der Hinweisschreiben und der Werbebroschüren der E an ihre Versicherten habe die Antragsgegnerin gegen ihre Pflichten aus § 2 Abs. 5 S. 3 des zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz einerseits und verschiedenen Krankenkassen und Krankenkassenverbänden, u.a. dem BKK-Landesverband Rheinland-Pfalz und Saarland, am 26.02.1996 geschlossenen Arzneiliefervertrags (ALV 1996) verstoßen. Danach sei eine Beeinflussung der Anspruchsberechtigten und der Vertragsärzte zugunsten einer bestimmten Apotheke oder anderer Abgabestellen durch diese oder eine vertragsschließende Krankenkasse unzulässig. Das Hinweisschreiben der Antragsgegnerin vom 09.06.2008 stelle schon für sich alleine eine Beeinflussung der Versicherten zugunsten der E dar. Der Werbezweck des Schreibens und die Absicht, dadurch Versicherte der E zuzuführen, sei offensichtlich. Der Verstoß gegen vertraglich vereinbarte Pflichten sei nicht durch das Inkrafttreten des neuen Arzneiliefervertrags zum 01.09.2008 (ALV 2008) überholt. Danach dürften die Versicherten oder Vertragsärzte im Rahmen der Regelversorgung weder von den Apotheken zu Lasten der Krankenkassen noch von den Krankenkassen zugunsten bestimmter Apotheken und anderer Leistungserbringer im Sinne einer Zuweisung beeinflusst werden (§ 3 Abs. 2 S. 1 ALV 2008). Mit dem streitigen Werbeschreiben beabsichtige die Antragsgegnerin eine Zuweisung im Sinne dieser Vorschrift. Daher bestehe auch nach Inkrafttreten des ALV 2008 ein vertraglicher Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin auf Unterlassung der beanstandeten Werbemaßnahme zugunsten der E. Die Androhung eines Ordnungsgelds beruhe auf § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 928, 890 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Streitwert-festsetzung folge aus § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Festsetzung des vollen Regelstreitwerts in Streitigkeiten wie der vorliegenden sei angemessen, da sie in der Regel den gesamten Streit erledigten.

Die Antragsgegnerin hat am 06.03.2009 gegen den ihr am 09.02.2009 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat gegen die Festsetzung des Streitwerts (Ziffer 3 des Beschlusses) am 23.02.2009 Beschwerde eingelegt.

Die Antragsgegnerin macht geltend, sie sei nicht Mitglied eines Landesverbands der Betriebskrankenkassen, sondern Mitglied des Bundesverbands. Mit Umwandlung der Bundesverbände in Gesellschaften des bürgerlichen Rechts zum 01.01.2009 sei sie originäre Gesellschafterin der BKK Bundesverband GbR geworden. Sie habe sich ihren Sonderstatus, keinem Landesverband anzugehören, wahren können. Klarzustellen sei, dass es sich bei dem ALV um einen öffentlichen Vertrag i.S.d. § 53 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) handele, nicht um einen nach Maßgabe des § 140e SGB V geschlossenen Vertrag. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt sei; durch die Verwendung des Begriffs "beeinflussen" im Antrag und dem folgend auch im Tenor des Beschlusses sei nicht hinreichend bestimmt, was zu unterlassen sei. Außerdem fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin habe mehr als acht Wochen nach Eingang der Zurückweisung der Unterlassungserklärung abgewartet, um den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Damit habe sie offenbart, dass eine Dringlichkeit nicht gegeben sei. Es sei nach wie vor nicht glaubhaft gemacht, dass wesentliche Nachteile drohen würden. Auch ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Aus dem ALV lasse sich ein Anspruch jedenfalls nicht herleiten, da das "Beeinflussungsverbot" nicht als ergänzende Regelung zum Rahmenvertrag angesehen werden könne. Hätte man ein entsprechendes Verbot vertraglich fixieren wollen, hätte es in den Rahmenvertrag aufgenommen werden müssen. Außerdem schließe der ALV 1996 lediglich eine Beeinflussung durch die vertragsschließende Krankenkasse aus, so dass er für sie – die Antragsgegnerin – nicht gelte. Wollte man annehmen, dass der ALV ein Beeinflussungsverbot enthielte, könnte lediglich eine Beeinflussung zugunsten von Apotheken erfasst sein, die grundsätzlich auch das gleiche Angebot bereit hielten. Vorliegend sei eine Vergleichbarkeit in diesem Sinne nicht gegeben. Ausländische Apotheken seien nicht an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden, so dass eine Wettbewerbssituation nicht bestehe. Das Sozialgericht nehme zu Unrecht eine Beeinflussung an und verkenne außerdem, dass sie, die Antragsgegnerin, nicht die Möglichkeit habe, ihre Versicherten "zwangsweise" zuzuweisen. Zu berücksichtigen sei, dass das Unterlassungsbegehren sich nur auf das Einzugsgebiet der Kunden der Antragstellerin beziehen könne und somit eine Ausweitung der Untersagungsverfügung allenfalls auf Rheinland-Pfalz möglich sei. Die Arzneimittellieferverträge in den einzelnen Bundesländern seien unterschiedlich ausgestaltet und enthielten zum Teil überhaupt kein "Beeinflussungsverbot", wie sich aus der beigefügten Übersicht über die Verträge ergebe.

Hinsichtlich der Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin macht die Antragsgegnerin geltend, die Festsetzung des Regelstreitwerts sei zutreffend, da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte biete.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 03.02.2009 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen sowie die Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigen der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beantragt,

Ziffer 3 des Beschlusses des Sozialgerichts Mainz vom 03.02.2009 zu ändern und den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 100.000,00 € festzusetzen.

 

Die Antragstellerin macht geltend, die Antragsgegnerin sei an die Arzneilieferverträge gebunden. Wäre dies nicht der Fall, würde dies dazu führen, dass Versicherte ihre Arzneimittel nur bei einer Apotheke beziehen könnten, die ihren Sitz in demselben Bundesland hätten wie die Antragsgegnerin. Es treffe auch nicht zu, dass zwischen ihr und der E Apotheek V kein Wettbewerb bestehe. Insofern sei nicht zwischen Präsenzapotheken und Versandapotheken zu unterscheiden. Wie das Sozialgericht ausgeführt habe, liege auch eine unsachliche Beeinflussung vor. Außerdem habe die Antragsgegnerin gegen das grundrechtlich normierte Neutralitätsgebot verstoßen, ihr Verhalten sei unlauter im Sinne des § 4 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Ungeachtet der Tatsache, dass bereits die Hervorhebung einer Apotheke eine unsachliche Beeinflussung darstelle, sei das Schreiben jedenfalls aufgrund der Hervorhebung des rechtswidrigen Bonus-Modells der E Apotheek V  unzulässig. Es werde sowohl gegen die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung als auch gegen § 7 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (HWG) verstoßen. Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben. Da gegen bestehende Verträge sowie gegen grundrechtliche Vorschriften verstoßen werde und für rechtswidrige Vergünstigungen geworben werde, die erkennbar dem Willen des Gesetzgebers zuwiderliefen, seien die Anforderungen an den Anordnungsgrund nicht zu überspannen. Ihr drohten tatsächlich wirtschaftliche Nachteile. So habe der Umsatz in den vergangenen beiden Jahren mit Rezepten der Antragsgegnerin 49.753,88 € zuzüglich gesetzlicher Zuzahlungen in Höhe von 4.773,65 € betragen, wie sich aus einer beigefügten Aufstellung ergebe. Sollten die Mitglieder der Antragsgegnerin ihre Rezepte in Zukunft bei der E Apotheek V einlösen, drohten ihr erhebliche Umsatzeinbußen. Zu berücksichtigen sei auch der weitergehende Umsatz bezüglich frei verkäuflicher Arzneimittel, da die Werbung auch hierauf abziele.

Der Prozessbevollmächtigte macht zur Begründung seiner Streitwertbeschwerde geltend, im Hinblick auf die Tragweite der erstrebten Entscheidung für die Antragstellerin sowie die zu erwartenden Umsatzeinbußen sei nicht der Regelstreitwert, sondern der in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten übliche Streitwert von 100.000,00 € angemessen. Zu berücksichtigen sei, dass die Antragsgegnerin als Krankenkasse ein besonders hohes Vertrauen bei ihren Versicherten genieße und der Eingriff einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in den freien Wettbewerb zugunsten eines Marktteilnehmers und zu Lasten aller anderen Marktteilnehmer besonders weitgehende Folgen habe. Zudem bestehe das Risiko der Nachahmung durch andere Krankenkassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der Beratung war.

 

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ist unbegründet.

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, dass der Antragsgegnerin untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr ihre Mitglieder durch schriftliche Werbung wie im Anschreiben vom 09.06.2008 und der Übersendung einer Werbebroschüre (Bl. 77 bis 82 Prozessakte), dahin zu beeinflussen, dass diese ihre zu Lasten der Antragsgegnerin verordneten Medikamente über die E beziehen, soweit nicht die Versicherten an einer vertraglich vereinbarten besonderen Versorgungsform teilnehmen oder die Antragsgegnerin über eine Ausschreibung eine verpflichtende Vereinbarung mit der E  eingegangen ist. Diese Untersagung ist auf die in Rheinland-Pfalz wohnhaften Mitglieder der Antragsgegnerin zu beschränken.

Zur Begründung nimmt der Senat zunächst gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Klarstellend und ergänzend ist Folgendes anzumerken:

Der Einwand der Antragsgegnerin, sie sei an die Regelungen des zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz und den Landesverbänden der Krankenkassen geschlossenen Arzneiliefervertrags nicht gebunden, weil sie weder unmittelbar am Vertragsschluss beteiligt noch Mitglied eines der vertragsschließenden Landesverbände gewesen sei, greift nicht durch. Denn Verträge auf Landesebene begründen eine vertragliche Verpflichtung der Krankenkasse auch in solchen Fällen, in denen die Krankenkasse weder unmittelbar noch – weil sie ihren Sitz in einem anderen Bundesland hat – als Mitglied eines der vertragsschließenden Verbände am Vertragsschluss beteiligt war, der Kassenart nach jedoch einem der vertragsschließenden Verbände entspricht (mit ausführlicher Begründung BSG 17.1.1996 – 3 RK 26/94, juris Rn. 28 ff. = BSGE 77, 194). Dies ist hier der Fall. Die Antragsgegnerin ist zwar nicht Mitglied des BKK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz und Saarland, sie gehört als Bahn-BKK der Kassenart nach jedoch zu den Betriebskrankenkassen, die von dem vertragsbeteiligten BKK-Landesverband repräsentiert wurden. In der Neufassung des ab 1.9.2008 geltenden Arzneiliefervertrags kommt dies sogar in den Eingangsworten zum Ausdruck. Bei der Aufzählung der Vertragsschließenden heißt es nach der Nennung des BKK-Landesverbands Rheinland-Pfalz und Saarland in einem Klammerzusatz: "handelnd für die Betriebskrankenkassen".

Zwischen der Antragstellerin und der E  Apotheek V besteht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin eine Wettbewerbssituation, das Schreiben vom 09.06.2008 und die Übersendung der Werbebroschüre stellen eine Beeinflussung der Versicherten dar. Die Grenze der sachlichen und neutralen Information wird überschritten, insbesondere hat der Hinweis auf das Bonussystem Anlockwirkung; die Übersendung der Broschüre und der Freiumschläge bestätigen das Vorliegen einer Beeinflussung im Sinne des ALV 1996. Wie das Sozialgericht zu Recht festgestellt hat, ist das Verhalten auch als Beeinflussung im Sinne einer Zuweisung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 ALV 2008 zu werten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass eine zwangsweise Zuweisung nicht erfolgen kann.

Im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahrens kann dahinstehen, ob sich darüber hinaus ein Unterlassungsanspruch auch aus § 4 Nr. 1 UWG i.V.m. dem Neutralitätsgebot herleiten lässt. Denn unabhängig hiervon ist ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der aus dem Tenor ersichtlichen Begrenzung zu bejahen. Denn insoweit hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie hat unter Hinweis auf eine Aufstellung dargelegt, dass Umsätze in erheblichem Umfang auf Verordnungen für Patienten der Antragsgegnerin beruhen. Darüber hinaus ist auch glaubhaft, dass Umsatzeinbußen dadurch drohen, dass Versicherte, die im Einzugsbereich der Antragstellerin wohnen, Arzneimittel nicht mehr von der Antragstellerin in G, sondern von der E Apotheek V beziehen. Demgegenüber ist nicht nachvollziehbar, dass nennenswerte wirtschaftliche Nachteile dadurch drohen sollten, dass Versicherte außerhalb des Einzugsbereichs der Antragstellerin künftig Arzneimittel über die Versandapotheke bestellen könnten. Auch wenn der Umsatz in einzelnen Fällen hierdurch betroffen sein könnte, hält der Senat eine Begrenzung der Untersagungsverfügung auf in Rheinland-Pfalz wohnhafte Versicherte für sachgerecht. Insoweit ist es der Antragstellerin zumutbar, das Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Unterlassungsanspruch auch aus einem Verstoß gegen das Neutralitätsgebot herzuleiten ist.

Die Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ist gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG zulässig. Die Streitwertfestsetzung durch das Sozialgericht ist aber rechtlich nicht zu beanstanden. Sie folgt aus § 52 Abs. 2 GKG. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin sind konkrete Anhaltspunkte für eine höhere Bemessung des Streitwerts nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich keinerlei Grundlage für die Festsetzung des Streitwerts auf 100.000,00 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 SGG. Der Gesichtspunkt, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung beschränkt wurde, wirkt sich auf die Kostenentscheidung nicht aus.

Das Verfahren der Streitwertbeschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
 
Quelle: Justiz Rheinland-Pfalz

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