Arzneimittelwerbung mit nicht zugelassener Indikation unzulässig

18. Mai 2015
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Arzneimittel und Tabletten in Blistern aufeinandergestapelt Urteil des LG Bielefeld vom 28.01.2015, Az.: 16 O 2/15

Ein Verstoß gegen § 3a S. 2 HWK ist gegeben, wenn ein nicht von der Zulassung erfasstes Anwendungsgebiet explizit genannt wird oder wenn der Anwendungsbereich eines Arzneimittels mit einem Oberbegriff bezeichnet wird, zu dem neben dem Anwendungsgebiet, für welches das Mittel zugelassen ist, auch ein Anwendungsgebiet gehört, für das es an einer Zulassung fehlt. Dies gilt auch dann, wenn sich die fehlende Zulassung aus dem Zusammenhang ergibt. Für das Verständnis der Werbung ist nicht maßgeblich darauf abzustellen, dass die Anwendungsgebiete in dem Werbeträger als Pflichtangaben abgedruckt sind. Diese Pflichtangaben sind grundsätzlich ungeeignet, etwaige Fehlvorstellungen im Rahmen des § 3 a HWG zu korrigieren. Ein entsprechender Hinweis auf die eingeschränkte Zulassung des Medikamentes im Kleindruck der Werbeanzeige ändert dabei nichts an der Unzulässigkeit.

Landgericht Bielefeld

Urteil vom 28.01.2015

Az.: 16 O 2/15

Tenor

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel „S.“-Tabletten zu werben:

1.       „Für alle, die durchstarten wollen.S. für starke und belastbare Knochen, Bänder und Muskeln.“,

2.       „Zur Stärkung“,

3.       „Für alle, die beweglich bleiben wollen.S. unterstützt den Erhalt von leistungsfähigen Knochen, Bändern und Muskeln.“,

4.       „Für Beweglichkeit“,

5.       „Für alle, die hoch hinaus wollen.S. unterstützt den Aufbau von starken Zähnen, Knochen, Bändern und Muskeln.“,

6.       „Im Wachstum“,

wenn dies geschieht wie in den diesem Urteil als Anlage beigefügten Werbeanzeigen der Antragsgegnerin (Anlagen A 3 bis A 5 zur Antragsschrift).

Die Kosten des Verfügungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Tatbestand

Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden, verlangt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung von Werbeaussagen betreffend von ihr vertriebener homöopathischer Arzneimittel.

Die Antragsgegnerin hat für das Arzneimittel „S.“ mit den aus dem Tenor ersichtlichen Aussagen in der Zeitschrift „PTA in der Apotheke“, Heft Nr. 11/2014 (Anlage A3), in der Zeitschrift „Deutsche Apothekerzeitung“, Heft Nr. 46 vom 13.11.2014 (Anlage A4) sowie in der Zeitschrfft „PTAheute“, Heft 20/Oktober 2014 (Anlage A5) geworben. Wegen der Einzelheiten der Werbungen wird auf die genannten Anlagen Bezug genommen.

Bei dem genannten homöopathischen Arzneimittel handelt es sich um ein im Jahr 2003 zugelassenes Medikament i.Sv. § 105 AMG.

Die zugelassene Indikation lautet „Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu gehören: Schwächezustände des Stütz- und Bindegewebes und der Knochen“.

Wegen der Gebrauchsinformation für das Arzneimittel wird auf die Anlage A8 Bezug genommen.

Der Antragsteller vertritt hinsichtlich der in der Zeitschrift „PTA in der Apotheke“ getätigten Aussage (Anlage A3) die Auffassung, das Arzneimittel sei für den angepriesenen Anwendungszweck – Steigerung der sportlichen Leistungskraft – von vornherein nicht zugelassen und brächte einem durchtrainierten Sportler keinen Gewinn. Insoweit läge ein Verstoß gegen §§ 3, 3a HWG vor. Ein Nachweis für die Richtigkeit dieser sowie der weiteren gesundheitsbezogenen Werbebehauptungen sei nicht geführt. Das Mittel sei auch nicht allgemein und umfassend zur Stärkung des menschlichen Körpers und seiner Funktionen geeignet.

Auch hinsichtlich der in der Anlage A4 wiedergegebenen Werbung werde die zugelassene Indikation überschritten und die Werbeaussage sei zur Täuschung geeignet. Gleiches gelte für die pauschale Aussage „Für Beweglichkeit“.

Hinsichtlich der in der Zeitschrift „PTAheute“ (Anlage A 5) veröffentlichten Werbeanzeige werde ebenfalls eine nicht zugelassene Indikation beansprucht. Ein Zusammenhang mit der Indikation des Aufbaus starker Zähne sowie einer Wachstumsförderung sei nicht erkennbar. Eine generell das Wachstum fördernde Wirkung komme dem Mittel nicht zu.

Die getätigten Werbeaussagen seien auch bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen.

Die Antragstellerin beantragt,

es der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel „S.“-Tabletten zu werben:

1.       „Für alle, die durchstarten wollen.S. für starke und belastbare Knochen, Bänder und Muskeln.“,

2.       „Zur Stärkung“,

3.       „Für alle, die beweglich bleiben wollen.S. unterstützt den Erhalt von leistungsfähigen Knochen, Bändern und Muskeln.“,

4.       „Für Beweglichkeit“,

5.       „Für alle, die hoch hinaus wollen.S. unterstützt den Aufbau von starken Zähnen, Knochen, Bändern und Muskeln.“,

6.       „Im Wachstum“,

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Werbeaussagen beinhalteten keine Angaben zu Anwendungsgebieten, sondern bewegten sich im Bereich von Wirkungsaussagen. Konkrete Indikationen würden nicht genannt, Krankheitsbilder würden nicht beschrieben.

Die beanstandeten Aussagen bewegten sich unmittelbar im Rahmen des zugelassenen Anwendungsgebietes. Dies auch für den in der Anlage A3 angesprochenen Bereich der Muskeln, da eine Sehne der bindegewebige Teil eines Muskels sei. Eine besondere Eignung für Sportler werde weder behauptet noch suggeriert. Darüber gehörten auch Zähne gehörten zum Stütz- und Bindegewebe.

Die Werbeaussagen „Zur Stärkung/Für Beweglichkeit//Im Wachstum“ würden als Wirkungsaussagen im Zusammenhang mit dem zugelassenen Anwendungsgebiet verstanden.

Der Antragsteller könne sich im Hinblick auf die erfolgte Zulassung nicht darauf berufen, dass die behaupteten Wirkungen nicht bewiesen seien. Darüber hinaus finde sich in der homöopathischen wissenschaftlichen Fachliteratur eine Vielzahl von Belegen für die ausgelobten Wirkungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die angegebenen Fundstellen in dem Schriftsatz vom 22.01.2015 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.

I.

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, §§ 3, 3a HWG zu.

1.

Die im Tenor genannten Werbeaussagen betreffend das Arzneimittel S. verstoßen gegen § 3a Satz 2 HWG.

Danach darf mit einer Indikation, für welche das Arzneimittel nicht zugelassen ist, nicht geworben werden.

a)

Die Vorschrift ist nicht nur dann verletzt, wenn ein nicht von der Zulassung erfasstes Anwendungsgebiet explizit genannt wird, sondern auch dann, wenn der Anwendungsbereich eines Arzneimittels mit einem Oberbegriff bezeichnet wird, zu dem neben dem Anwendungsgebiet, für welches das Mittel zugelassen ist, auch ein Anwendungsgebiet gehört, für das es an einer Zulassung fehlt. Dabei wird auch der Fall erfasst, dass sich die fehlende Zulassung aus dem Zusammenhang ergibt. Die Werbeangabe muss dabei als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet verstanden werden, für welches das Arzneimittel nicht zugelassen ist. Wird demgegenüber in der Werbung nur auf (zusätzliche) Wirkungen des betreffenden Arzneimittels hingewiesen, so ist ein Verstoß gegen § 3 a HWG nicht gegeben, wenn der ursächliche Zusammenhang mit der zugelassenen Indikation und das Fehlen einer insoweit eigenständigen Indikation werblich verdeutlicht wird. Für das Verständnis der Werbung ist nicht maßgeblich darauf abzustellen, dass die Anwendungsgebiete in dem Werbeträger als Pflichtangaben abgedruckt sind. Diese Pflichtangaben sind grundsätzlich ungeeignet, etwaige Fehlvorstellungen im Rahmen des § 3 a HWG zu korrigieren. Diese Vorschrift verlangt schon im Interesse ihrer hohen Schutzfunktion gerade in der Werbung klare Angaben (OLG Stuttgart, Urteil vom 13.11.2008 – Az.: 2 U 39/08 – („Geistig fit“ bzw. „Fit im Kopf, fit im Leben“)).

b)

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist ein Verstoß gegen § 3a S. 2 HWG gegeben.

aa)

Vorliegend transportieren die Überschriften im Zusammenhang mit den auf den nebenstehenden Bildern abgebildeten Personen eine Aussage dahingehend, dass gerade für die durch die Lichtbilder definierte Zielgruppe – hinsichtlich der Anlage A3 für sportlich aktive Menschen – von dem Medikament eine positive Wirkung ausgeht in dem Sinne, dass das Arzneimittel allgemein zur Stärkung im Hinblick auf die Herbeiführung starker und belastbare Knochen, Bänder und Muskeln geeignet ist.

Dies geht über das Anwendungsgebiet „Schwächezustände des Stütz- und Bindegewebes“ hinaus. Durch diese Aussagen wird der Eindruck einer darüber hinausgehende, umfassenderen Wirkung behauptet und suggeriert. Die Einsetzbarkeit gegen bestimmte Schwächezustände beinhaltet nicht die angepriesene Wirkung als allgemeines Aufbau- und Kräftigungsmittel für die abgebildeten Zielgruppen, mithin z.B. auch für sportlich aktive Personen.

Dies insbesondere auch, soweit die Werbung auf starke und belastbare Muskeln abstellt. Derartiges ist nicht von der Zulassung erfasst. Vielmehr werden Muskeln nach Auffassung des Gerichts nicht als von der Zulassung erfasstes Stütz- und Bindegewebe angesehen werden können.

bb)

Gleiches gilt aus den genannten Gründen im Hinblick auf die als Anlage A 4 zur Akte gereichte Webeaussage. Der Erhalt der Beweglichkeit und von leistungsfähigen Knochen, Bändern und Muskeln geht über das Anwendungsgebiet „Schwächezustände des Stütz- und Bindegewebes sowie der Knochen“ hinaus.

cc)

Dies gilt auch in Bezug auf die als Anlage A5 zur Akte gereichte Werbung. Diese transportiert eine Aussage dahin, dass das Arzneimittel gerade und insbesondere während des Wachstums eine Kindes/Jugendlichen den Aufbau von starken Zähnen, Knochen, Bändern und Muskeln unterstützt. Auch dies stellt eine über das auf vorhandene Schwächezustände beschränkte zugelassene Anwendungsgebiet hinausgehende Werbung dar.

Dies umso mehr, als nach Auffassung des Gerichts eine Wirkung auf Zähne nicht von der Zulassung erfasst ist und diese nicht als Stütz- und Bindegewebe im Sinne der Zulassung verstanden werden können.

dd)

Die Aussagen werden auch als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet verstanden. Der Begriff bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die körperlichen und seelischen Zustände, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst werden sollen (OLG Hamburg, Urteil vom 24.08.2006 – Az.: 3 U 22/06 -).

ee)

Die Wiedergabe der einschränkenden Zulassung im Kleindruck im unteren Bereich der ganzseitigen Anzeigen ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.).

Die beanstandeten Werbungen verstoßen auch gegen § 3 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG.

Denn die Werbungen stellen sich als irreführend in diesem Sinne dar.

Dabei kann auch die werbliche Verwendung von Globalindikationen, Oberbegriffen und sonstigen pauschalen Indikationsangaben als irreführend angesehen werden, wenn dadurch beim Publikum der fälschliche Eindruck entsteht, dass das beworbene Heilmittel indikationsbezogen umfassender wirke als tatsächlich faktenmäßig hinreichend abgesichert (OLG Stuttgart a.a.O.).

Für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes gilt, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Danach entsprechen Studienergebnisse grundsätzlich nur dann den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH, GRUR 2013, 649).

Dem genügen die vorgelegten Auszüge aus der homöopathischen Fachliteratur nicht. Diese begründen keine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der behaupteten – über die Zulassung hinausgehenden – umfassenderen Wirkung.

II.

Der Verfügungsgrund folgt aus § 12 Abs. 2 UWG.

III.

Die Sanktionsandrohung hat ihre Grundlage in § 890 ZPO.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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