Keine Textilkennzeichnungspflicht bei Werbeprospekten

25. Februar 2015
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Waschanleitung und Faserzusammensetzung von einem karrierten Kleidungsstück. Urteil des OLG Düsseldorf vom 04.12.2014, Az.: I-2 U 28/14

In reinen Werbeanzeigen oder Werbeprospekten müssen keine Angaben über die Faserzusammensetzung gemacht werden. Dies gilt jedoch nur bei Prospekten ohne Bestellmöglichkeit, da Angaben zur Textilzusammensetzung erst erfolgen müssen, wenn sich der Käufer in einer konkreten Kaufsituation befindet.

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 04.12.2014

Az.: I-2 U 28/14

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung derBeklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 25.000,– EUR.

Entscheidungsgründe

I.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der insbesondere unlautere Wettbewerbshandlungen verfolgt und dem u. a. sämtliche Industrie- und Handelskammern sowie zahlreiche Handwerks-, Ärzte- und Apothekenkammern in Deutschland angehören.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet des Bekleidungs-Einzelhandels tätig und betreibt unter der Bezeichnung “ “ etwa 60 Verkaufshäuser für Mode in Deutschland.

Ende 2012 ließ die Beklagte als Postwurfsendung eine Drucksache (Anlage 3) verteilen, mit der sie verschiedene in ihren Filialen erhältliche Bekleidungsstücke bewarb. Auf der Titelseite des zwölf Seiten umfassenden Werbematerials ist unter der Nr. 6 u.a. ein Textilschal der Marke „B.“ zu sehen, für den auf Seite 2 des Werbematerials ein Kaufpreis von 44,95 € genannt wird. Angaben zur textilen Zusammensetzung dieses Schals finden sich in dem Werbematerial nicht. Gleiches gilt für die auf der Titelseite unter Ziffer 8 gezeigte Textiljacke der Marke „C. B.“, für die auf Seite 2 des Werbematerials ein Preis von 119,95 € angegeben ist. Darüber hinaus fehlen auch für die auf Seite 4 gezeigte Jacke der Marke C. B. (Preis: 119,95 €), für die auf Seite 5 abgebildete Jacke der Marke „N.“ (Preis: 139,95 €) sowie für die auf Seite 5 dargestellte Hose der Marke „T.H.“ (Preis: 79,95 €) Angaben zur textilen Zusammensetzung dieser Produkte.

Nachfolgend werden auszugsweise die Titelseite sowie die Seite 2 des in Rede stehenden Werbematerials der Beklagten wiedergegeben:

Nachstehend wird ferner die Seite 4 der Werbung der Beklagten auszugsweise wiedergegeben:

Wegen der weiteren Einzelheiten der streitgegenständlichen Werbeunterlage wird auf die Anlage 3 Bezug genommen.

Die beworbenen Produkte konnten nur in den stationären Verkaufshäusern der Beklagten erworben werden. Eine andere Möglichkeit zum Kauf bestand nicht; insbesondere konnte keine Online-, Katalog- oder Telefonbestellung erfolgen.

Der Kläger, der die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 02.01.2013 ohne Erfolg abgemahnt hat, sieht in der Verbreitung der Anlage 3 einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.09.2011 über die Bezeichnung von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnisses (TextilKennzVO) sowie einen Verstoß gegen §§ 3, 5a Abs. 2, 3 Nr. 1 UWG.

Er hat vor dem Landgericht geltend gemacht: Nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO bestehe die Pflicht, die in den Art. 5, 7, 8 und 9 TextilKennzVO genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung in Katalogen, Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen anzugeben. Bei dem von der Beklagten versandten Werbematerial handele es sich um einen „Prospekt“. Aus diesem Grund sei die Beklagte verpflichtet, bereits in dem Prospekt selbst die von der TextilkennzVO geforderten Angaben zur Textilfaserzusammensetzung der dort beworbenen Produkte zu machen. Die Pflicht, die Angaben in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen zu machen, bestehe – wie sich aus der Verwendung des Wortes „und“ im Verordnungstext ergebe – kumulativ nebeneinander. Art. 16 Abs. 1 TextilkennzVO könne nicht dahingehend interpretiert werden, dass die Kennzeichnungspflicht nicht für Prospekte ohne Bestellmöglichkeit, sondern nur für Fernabsatzgeschäfte gelte. Der Wortlaut der Vorschrift enthalte keine dahingehende Einschränkung. Aus der Vorschrift könne vielmehr das Gegenteil herausgelesen werden. Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO stelle ausdrücklich klar, dass der Verbraucher die Informationen zur Textilzusammensetzung auch bei Käufen auf elektronischem Wege rechtzeitig vor dem Kauf erhalten müsse. Da das Internet heutzutage der Hauptfernabsatzmarkt sei, wäre diese Klarstellung überflüssig, wenn Art. 16 TextilKennzVO ohnehin nur für den Fernabsatz gelte. Des Weiteren lasse sich aus Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO nicht der Schluss ziehen, dass dem Anbieter ein Wahlrecht zustehe, über welches Medium er den Verbraucher über die Textilzusammensetzung informiere. Die Vorschrift enthalte keine Einschränkung von Satz 1, sondern in Bezug auf diesen eine zusätzliche Mindestanforderung. Im Übrigen verstoße die Beklagte gegen §§ 3, 5a Abs. 2, 3 Nr. 1 UWG. Denn bei den Angaben zur Textilfaserzusammensetzung handele es sich um wesentliche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG, welche in einer „Aufforderung zum Kauf“, wie sie hier gegeben sei, mitzuteilen seien.

Die Beklagte hat demgegenüber einen Verstoß gegen die TextilKennzVO in Abrede gestellt. Sie hat vorgebracht, bei dem in Rede stehenden Werbematerial handele es sich schon nicht um einen „Prospekt“ ist Sinne von Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilkennzVO, sondern um ein von der Kennzeichnungspflicht nicht erfasstes Konvolut von Anzeigen, das als Beilage, Beileger, Broschüre oder Flyer, aber nicht als Prospekt zu bezeichnen sei. Die Werbung enthalte keine umfassende Darstellung ihres Sortiments oder auch nur eines Teilsortiments; außerdem fehle es an detaillierten Informationen, die für die Kaufentscheidung wesentlich seien. Das Werbematerial solle das Interesse des Kunden erst wecken und auf ihr Geschäft lenken, nicht aber dem Verbraucher bereits eine informierte Kaufentscheidung ermöglichen. Jedenfalls fehle es an einer die Kennzeichnungspflicht auslösenden Handlung. Die Kennzeichnungspflicht gelte ausschließlich für Textilerzeugnisse, die auf dem Markt „bereitgestellt“ würden. Daran fehle es hier, weil die abgebildeten Kleidungsstücke zum Zeitpunkt der Verteilung des beanstandeten Werbematerials weder verkauft noch übergeben oder übereignet worden seien und eine solche Handlung auch nicht unmittelbar bevorgestanden habe. Eine Kennzeichnungspflicht im Rahmen von Katalogen und Prospekten bestehe nur in den Fällen, in denen die Möglichkeit einer Bestellung der Ware bestehe. Die Verordnung begründe hingegen keine Kennzeichnungspflicht, wenn Waren – wie hier – lediglich in einer Werbeanzeige dargestellt würden und nur in einem stationären Verkaufsgeschäft erworben werden könnten, ohne dass die Möglichkeit der Bestellung im Fernabsatz bestünde. Dass sich die Kennzeichnungspflicht nicht auf eine reine Werbung ohne Bestellmöglichkeit beziehe, ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck von Art.16 TextilKennzVO. Der Verbraucher solle vor dem Kauf einer Textilie über deren Textilzusammensetzung informiert werden. Dieser Zweck werde erfüllt, wenn der Verbraucher im Verkaufsgeschäft die erforderlichen Informationen erhalte. Ein wiederholtes Informieren in der Werbung und im Geschäft sei nicht angeordnet und auch nicht erforderlich. Ein Verstoß gegen §§ 3, 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 UWG liege ebenfalls nicht vor. Das nationale Recht könne keine strengeren Voraussetzungen als die TextilkennzVO stellen, die spezialgesetzlich regele, welche Informationen über Textilfasern wie und wann angegeben werden müssten. Aufgrund des Anwendungsvorrangs europäischer Rechtsakte bleibe kein Raum für eine Anwendung von § 5a UWG, dessen allgemeine Informationspflichten hinter den speziellen Informationspflichten der Verordnung zurückträten. Zudem fehle es an einem „Angebot“ im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG, weil es sich bei der in Rede stehenden Werbung um eine bloße Anlockwerbung handele.

Mit Urteil vom 02.04.2014 hat das Landgericht die Klage, die darauf gerichtet gewesen ist, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, wie in der Anlage 3 für Textilerzeugnisse zu werben, ohne Angaben über deren Textilfaserzusammensetzung zu machen, sowie die Beklagte zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 219,35 EUR nebst Zinsen zu verurteilen, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe nicht gegen Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilkennzVO verstoßen. Durch das streitgegenständliche Werbematerial werde kein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 TextilkennzVO gelte für den Begriff der „Bereitstellung auf dem Markt“ die in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 festgelegte Definition. Danach sei eine „Bereitstellung auf dem Markt“ jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. Zu einer solchen (entgeltlichen) Abgabe komme es indes nicht bereits durch die streitgegenständliche Werbung, in der das Produkt lediglich abgebildet werde. Vielmehr vermittele diese dem Verbraucher lediglich Informationen und bezwecke einen Anreiz, das Ladengeschäft, in dem die Ware gegen Entgelt abgegeben werde, aufzusuchen. Des Weiteren verstoße die streitgegenständliche Prospektwerbung auch nicht gegen Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilkennzVO, weil die dort aufgestellten Anforderungen erfüllt seien. Da der Kauf der beworbenen Textilien nur in einem stationären Verkaufsgeschäft der Beklagten habe vorgenommen werden können, hätten die Kunden der Beklagten auch die Möglichkeit gehabt, die Informationen über die Faserzusammensetzung noch vor dem Kauf zur Kenntnis zu nehmen. Dem Kläger stehe auch kein Unterlassungsanspruch aus § 5a UWG gegen die Beklagte zu. Bei der TextilkennzVO handele es sich gegenüber § 5a UWG um die speziellere Vorschrift. Soweit sich die Werbung im Rahmen der TextilkennzVO als zulässig erweise, sei daher für die Annahme einer Irreführung durch Unterlassen kein Raum.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Begehren weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags macht er geltend:

Die Auffassung des Landgerichts, die Informationspflicht aus Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilkennzVO bestehe nur für das Medium, in dem eine unmittelbare Möglichkeit zum Bestellen des Textilerzeugnisses bestehe, stehe bereits im Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift. Diese stelle zunächst abstrakt die Voraussetzung auf, dass ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt werden müsse, was vorliegend dadurch geschehe, dass die Beklagte es in ihrem Ladengeschäft verkaufsbereit halte. Die Vorschrift fordere nach ihrem Wortlaut demgegenüber nicht, dass in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen, mit denen ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt werde, die in den Artikeln 5 sowie 7 bis 9 der Verordnung genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung anzugeben seien, sondern abstrakt vor die Klammer gezogen, dass, wenn ein Produkt auf dem Markt bereitgestellt werde, diese Angaben in den Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen zu machen seien.

Darüber hinaus habe der Verordnungsgeber auch keine im Verhältnis zu sonstigen Produkten geringeren Informationspflichten statuieren wollen, sondern im Gegenteil wegen der auch gesundheitlich besonderen Bedeutung der Textilfaserzusammensetzung für den Verbraucher erhöhte Informationspflichten einführen wollen. Im Rahmen von § 5a Abs. 3 UWG könne es jedoch keinem Zweifel unterliegen, dass das Material des beworbenen Textilerzeugnisses neben seinem Design dessen wesentliche Eigenschaft sei. Sehe man Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilkennzVO daher im Verhältnis zu § 5a Abs. 3 UWG als verdrängende Spezialregelung an, so müssten angesichts des in der TextilkennzVO angestrebten erhöhten Schutzniveaus die von § 5a Abs. 3 UWG verlangten Informationen jedenfalls auch von Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilkennzVO gefordert sein. Sehe man Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilkennzVO demgegenüber nicht als Spezialregelung zu § 5a Abs. 3 UWG an, wäre die textile Zusammensetzung der von der Beklagten beworbenen Produkte in der streitgegenständlichen Werbung mitzuteilen.

Der Kläger beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,- €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,

wie nachstehend wiedergegeben für Textilerzeugnisse zu werben, ohne Angaben über deren Textilfaserzusammensetzung zu machen:

(im Berufungsantrag folgt eine Ablichtung des bereits im erstinstanzlichen Klageantrag in Kopie eingeblendeten und im Urteil des Landgerichts wiedergegebenen Werbematerials gemäß Anlage 3, auf dessen nochmalige Wiedergabe hier verzichtet wird).

II. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen;

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und ein Vorabentscheidungsgesuch an den EuGH zu richten.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und tritt den Ausführungen des Beklagten unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen, wobei sie geltend macht:

Nach der TextilkennzVO müssten die Informationen dem Käufer rechtzeitig vor dem Kauf, aber nicht stets mit der ersten Werbemaßnahme zur Verfügung gestellt werden. Die beanstandete Werbebroschüre habe allein die Einladung enthalten, ein Ladengeschäft von ihr oder die Internetseite aufzusuchen, um sich näher über die vorgestellten Produkte zu informieren, ohne dass eine direkte Kauf- oder Bestellmöglichkeit bestanden habe. Die streitgegenständlichen Werbematerialien stellten auch kein Prospekt dar, da ein Prospekt ebenso wie ein Katalog nur etwas sein könne, was eine unmittelbare Kaufmöglichkeit eröffne. Die Intention der TextilkennzVO sei es nämlich, den Verbraucher vor dem Kauf über die Textilfaserzusammensetzung zu informieren.

Im Übrigen gehe der Antrag des Klägers zu weit. Es werde etwas verlangt, was auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers so nicht geschuldet werde. Laut Antrag solle hinsichtlich der kompletten, 12-seitigen Werbebroschüre Unterlassung geschuldet sein, obwohl sich aus dem weiteren Sachvortrag ergebe, dass nur auf drei Seiten Verstöße gegen die TextilkennzVO gerügt würden. Daneben gehe der Antrag auch nicht darauf ein, dass nach dem klaren Wortlaut der in Bezug genommenen Verbotsnorm, nämlich Art. 16 Abs. 1 TextilkennzVO, eine Kennzeichnungspflicht nur bestehe, soweit es sich um Kataloge, Prospekte, Verpackungen und Etiketten handele.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1.

Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO.

Gemäß § 3 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt insbesondere unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO stellt zwar eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 11.130; vgl. auch Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 4.43 zum TextilkennzG). Die Beklagte hat mit der beanstandeten Werbung jedoch nicht gegen diese Bestimmung verstoßen.

a)Die TextilKennzVO verpflichtet Industrie und Handel dazu, Textilerzeugnisse mit Angaben über die Faserzusammensetzung zu versehen. Der Hauptzweck der gesetzlichen Etikettierungs- und Kennzeichnungspflicht besteht darin, den Verbraucher beim Kauf von Textilien darüber zu informieren, aus welchen Textilfasern ein Erzeugnis besteht (Lange/Quednau, Kommentar zur europäischen Textilkennzeichnungsverordnung, S. 23 und S. 56).

Die TextilKennzVO gilt gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 für Textilerzeugnisse sowie die in Abs. 2 der Bestimmung genannten Erzeugnisse, wenn sie auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden. Für den Begriff „Bereitstellung auf dem Markt“ gilt nach Art. 3 Abs. 2 TextilKennzVO die in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.07.2008 über die Vorschriften der Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zu Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates festgelegte Definition. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 1 dieser Verordnung ist „Bereitstellung auf dem Markt“ jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. „Bereitstellung“ bedeutet danach im vorliegend relevanten Zusammenhang, dass Textilerzeugnisse von einem Wirtschaftsakteuer an einen anderen entgeltlich oder unentgeltlich abgegeben werden. Gleiches gilt für die Abgabe eines Wirtschaftsakteurs an den Verbraucher (Lange/Quednau, a.a.O., S. 46). Mit „Abgabe“ ist ein Besitzerwechsel der Textilerzeugnisse gemeint, und zwar dergestalt, dass ein anderer die tatsächliche Gewalt über die Textilerzeugnisse erlangt (vgl. Lange/Quednau, a.a.O., S. 46). In Übereinstimmung hiermit ist nach dem Leitfaden der EU-Kommission für die Umsetzung der nach dem neuen Konzept und dem Gesamtkonzept verfassten Richtlinien (Anlage B&B 7, 2.3.1, S. 18) unter „Bereitstellung“ die Überlassung eines Produkts nach der Herstellung mit dem Ziel des Vertriebs oder der Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt zu verstehen. Unter den Begriff „Bereitstellen auf dem Markt“ fällt auch das „Inverkehrbringen“ (Lange/Quednau, a.a.O., S. 47). Hierunter ist nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008, auf die Art. 3 Abs. 2 TextilKennzVO verweist, die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Gemeinschaftsmarkt zu verstehen (vgl. auch EG-Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der nach dem neuen Konzept und dem Gesamtkonzept verfassten Richtlinien, Anlage B&B 7, 2.3.1, S. 18). Eine Bereitstellung am Markt ist noch nicht gegeben, wenn z.B. der textile Einzelhandel die Ware in Verkaufsabsicht durch Kataloge oder im Internet offeriert, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine Abgabe vorliegt (Lange/Quednau, a.a.O., S. 46). Die Abgabe der Textilerzeugnisse an den anderen muss zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt erfolgen. Das bedeutet, dass die Abgabe entweder zum Zwecke des Weiterverkaufs (zum Vertrieb) oder der eigenen Benutzung (zum Verbrauch) oder zur Vornahme anderer Dienstleistungen (zur Verwendung), wie z.B. der Vermietung, durch den anderen erfolgt. Allen Fällen ist gemein, dass es zu einer tatsächlichen Übernahme der Textilerzeugnisse durch den Abnehmer kommt (Lange/Quednau, a.a.O., S. 47).

Art. 4 TextilKennzVO postuliert die allgemeinen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Textilerzeugnissen auf dem europäischen Markt (Lange/Quednau, a.a.O., S. 46). Textilerzeugnisse dürfen danach nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn sie etikettiert oder gekennzeichnet sind oder in ihnen Handelsdokumente im Einklang mit der Verordnung beiliegen. Damit wird klargestellt, dass jede Abgabe von Textilerzeugnissen, sei es vom Hersteller zum Handel oder vom Handel zum Großhandel bzw. Einzelhandel oder vom Handel zum Verbraucher, den Voraussetzungen der TextilKennzVO entsprechen muss. Der jeweilige Abnehmer von Textilerzeugnissen soll – entsprechend dem Hauptziel der TextilkennzVO – durch die Etikettierung oder Kennzeichnung erkennen können, aus welchen Natur- oder Chemiefasern das Textilerzeugnis besteht (Lange/Quednau, a.a.O., S. 55).

Die schon in Art. 4 TextilKennzVO statuierte Verpflichtung, Textilerzeugnisse durch Etikettierung oder Kennzeichnung zu versehen, wenn sie auf dem Markt bereitgestellt werden, wird in Art. 14 TextilKennzVO wiederholt, wobei Absatz 1 Satz 1 der Bestimmung zusätzlich Vorgaben dazu macht, wie die Etikettierung bzw. Kennzeichnung zu erfolgen hat (Lange/Quednau, a.a.O., S. 119/120). Die Verpflichtung zur entsprechenden Etikettierung bzw. Kennzeichnung von Textilerzeugnisse besteht mit deren Bereitstellung auf dem Markt, wobei die Bereitstellung auf dem Markt im oben erläuterten Sinne zu verstehen ist (vgl. Lange/Quednau, a.a.O., S. 120).

Art. 15 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO bestimmt, dass ein Hersteller, der ein Erzeugnis in Verkehr bringt, die Etikettierung oder Kennzeichnung und die Richtigkeit der darin enthaltenen Informationen sicherzustellen hat. Ein Händler gilt hierbei als Hersteller, wenn er ein Erzeugnis unter seinem Namen oder seiner Handelsmarke in Verkehr bringt, das Etikett selbst anbringt oder den Inhalt des Etiketts ändert (§ Art. 15 Abs. 2 TextilKennzVO). In Bezug auf einen Händler, der ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitstellt, sieht Art. 15 Abs. 3 TextilKennzVO vor, dass dieser sicherzustellen hat, dass es die entsprechende Etikettierung oder Kennzeichnung gemäß der TextilKennzVO trägt.

b)

Der hier in Rede stehende Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO verlangt, dass, wenn ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt wird, die in den Art. 5, 7, 8 und 9 der TextilKennzVO genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen in einer Weise angegeben werden, dass sie leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar sind, sowie in einem Schriftbild, das in Bezug auf Schriftgröße, Stil und Schriftart einheitlich ist. Diese Informationen müssen nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO für Verbraucher vor dem Kauf deutlich sichtbar sein, wobei dies auch für Fälle gilt, in denen der Kauf auf elektronischem Wege erfolgt. Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO stellt damit besondere Anforderungen an die Etikettierung und Kennzeichnung von Textilerzeugnissen, sofern sie einem Verbraucher im Einzelhandel oder im Rahmen des Fernabsatzes zum Kauf angeboten werden. In einem solchen Fall müssen die Informationen zur Faserzusammensetzung nicht nur bei der Bereitstellung auf dem Markt, also bei der entgeltlichen oder unentgeltlichen Abgabe des Textilerzeugnisses zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit (siehe oben), sondern schon vor dem Kauf deutlich sichtbar sein (Lange/Quednau, a.a.O., S. 136). Damit soll sichergestellt werden, dass der Verbraucher vor dem Kauf von Textilerzeugnissen den Fasergehalt richtig erkennen kann, um mit diesem Wissen eine Kaufentscheidung treffen zu können (Lange/Quednau, a.a.O., S. 136 und S. 143). Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO verlagert deshalb die Informationspflicht im Rahmen des Verbraucherkaufes nach vorn (Lange/Quednau, a.a.O., S. 56 und S. 143). Während Art. 14 Abs. 1 TextilKennzVO bereits Vorgaben hinsichtlich Art und Weise der Etikettierung und Kennzeichnung macht, werden in Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO insoweit weitere Vorgaben für den Fall gemacht, dass die Textilerzeugnisse dem Verbraucher zum Kauf angeboten werden. Die Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 TextilKennzVO betreffen den Fall, dass die Textilerzeugnisse auf dem Markt bereitgestellt werden, also z.B. an den Käufer übergeben werden, wohingegen Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO im Fall des Verbraucherkaufes früher ansetzt, nämlich vor dem Kauf (Lange/Quednau, a.a.O., S. 137). Im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 TextilKennzVO fordert Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO hierbei insbesondere noch, dass die Mitteilung in Bezug auf Schriftgröße, Stil und Schriftart einheitlich ist. Dadurch soll es dem Verbraucher ermöglicht werden, ohne große Mühe die Angabe der Faserzusammensetzung lesen zu können (Lange/Quednau, a.a.O., S. 137).

Die vorgeschriebene Angabe der Faserzusammensetzung kann vor dem Verkauf der Ware an den Verbraucher auf unterschiedliche Weise erfolgen, und zwar abhängig davon, wie die Ware im Einzelhandel präsentiert wird bzw. ob sie im Versandhandel angeboten wird (Lange/Quednau, a.a.O., S. 137). Wird die Ware z.B. ohne Verpackung im Einzelhandel angeboten, muss der Verbraucher sich anhand des Etiketts bzw. der Kennzeichnung über den Fasergehalt informieren können. Ist die Ware verpackt, bedarf es der Angabe zur Faserzusammensetzung auf der Verpackung (Lange/Quednau, a.a.O., S. 137). Denn Art. 16 TextilKennzVO will sicherstellen, dass der Verbraucher auch von der Angabe der Faserzusammensetzung Kenntnis nehmen kann, wenn die Ware verpackt ist. In derartigen Fällen ist daher eine Angabe der Faserzusammensetzung auf der Verpackung zwingend erforderlich (Lange/Quednau, a.a.O., S. 139). Wird die Ware im Versandhandel angeboten, muss der Verbraucher schon im Katalog oder Prospekt die Angabe der Faserzusammensetzung erkennen können (Lange/Quednau, a.a.O., S. 137). Wie Art. 16 Abs. 1 S. 2 2. Halbs. TextilKennzVO klarstellt, wird dabei auch der Versandhandel auf elektronischem Wege von der Verpflichtung zur Angabe der Faserzusammensetzung vor dem Kauf erfasst. Wird die Ware im Online-Versand angeboten, muss der Verbraucher daher schon auf der Internetseite die Angabe der Faserzusammensetzung erkennen können (Lange/Quednau, a.a.O., S. 137 und S. 139).

Wenn Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO von „vor dem Kauf“ spricht, ist hiermit gemeint, dass der Verbraucher aufgrund der Präsentation der Ware, z.B. mittels Prospekten, Katalogen oder im Internet, unmittelbar die Möglichkeit hat, die Ware zu kaufen bzw. eine Bestellung über Fernkommunikation (Brief, Telefon, Fax, E-Mail) abzugeben (vgl. Lange/Quednau, a.a.O., S. 144). Dies kann z.B. dadurch erfolgen, dass dem Verbraucher mit dem Werbematerial ein Bestellformular ausgehändigt wird (Lange/Quednau, a.a.O., S. 144). Reine Werbeanzeigen oder Werbeprospekte ohne Bestellmöglichkeit werden von der Verpflichtung des Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO hingegen nicht erfasst (Lange/Quednau, a.a.O., S. 144; Schäfer, BB 2011, 3079, 3081; vgl. auch Gesamtverband textil + mode, Leidfaden zur neuen Textilkennzeichnungsverordnung, Stand 19.10.2011, Anlage B 1, Ziff. 6). Denn in einem solchen Fall kann der Verbraucher die Information über die Faserzusammensetzung später, aber noch rechtzeitig vor dem Kauf erhalten, nämlich entweder im Verkaufsgeschäft oder an der Stelle, wo er die Ware bestellen kann (Schäfer, BB 2011, 3079, 3081). Erst in dieser Kaufsituation befindet sich der Verbraucher „vor dem Kauf“, so dass die Angabe über die Faserzusammensetzung auch erst dann erfolgen muss.

Soweit der Kläger aus Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO eine andere Auslegung herauslesen will, kann dem nicht gefolgt werden. Satz 1 der Bestimmung ist im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Satz 2 zu lesen und vor dem Hintergrund des Zwecks der Bestimmung (Sicherstellung, dass der Verbraucher vor dem Kauf von Textilerzeugnissen den Fasergehalt richtig erkennen kann, um so eine Kaufentscheidung treffen zu können) zu interpretieren. Soweit es in Satz 1 heißt, dass im Falle der Bereitstellung eines Textilerzeugnisses auf dem Markt die in den Art. 5, 7, 8 und 9 der TextilKennzVO genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung „in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen“ anzugeben sind, werden damit nur die möglichen Verlautbarungs- bzw. Informationsmittel bezeichnet. Die Angabe der Faserzusammensetzung kann – wie ausgeführt – beim Verkauf der Ware an den Verbraucher prinzipiell auf unterschiedliche Weise erfolgen. Wie sie zu erfolgen hat, hängt jeweils davon ab, wie die Ware im Einzelhandel präsentiert wird bzw. ob sie im Versandhandel angeboten wird. Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO ist hingegen nicht dahin zu verstehen, dass immer dann, wenn ein Textilerzeugnis von dem Händler generell auf dem Markt bereitgestellt wird, eine entsprechende Angabe kumulativ in allen bezeichneten Verlautbarungsmitteln, d.h. in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, auf Etiketten und auf Kennzeichnungen, zu erfolgen hat. Zwar mag der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO bei isolierter Betrachtung ein solches Verständnis zulassen. Allerdings müsste dann die Information über die Textilfaserzusammensetzung streng genommen immer in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen erfolgen, mithin auch dann, wenn der Verkäufer z.B. gar keinen Prospekt verwendet. Auf die Verwendung bzw. Benutzung der in Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO genannten Mittel stellt die Bestimmung ihrem Wortlaut nach nämlich nicht ab. Dass eine solche buchstäbliche Interpretation der Bestimmung nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand. Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung damit begründet, dass es in Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO nicht „oder“, sondern „und“ heißt, vermag dies deshalb nicht zu überzeugen. Dies gilt auch für ein Verständnis der Vorschrift dahin, dass die Aufzählung nur in dem Umfang als kumulativ verpflichtend verstanden würde, in dem für die fragliche Ware von den potentiellen Werbemitteln tatsächlich Gebrauch gemacht wird, also tatsächlich ein Katalog, Prospekt etc. verwendet wird. Eine Auslegung, die dazu anhalten würde, immer dann, wenn ein Textilerzeugnis in einem der besagten Werbemitteln aufgenommen wird, dessen Faserzusammensetzung mitzuteilen, hätte eine mehrfache Information des Verbrauchers hintereinander zur Folge, für die kein Bedürfnis besteht. Art. 16 TextilKennzVO geht es nur darum, dass der Verbraucher vor seiner Entscheidung Kenntnis von der Faserzusammensetzung des Textilerzeugnisses erhalten kann, wofür eine einmalige Information rechtzeitig vor dem Kauf genügt. Findet sie statt, z.B. im Etikett beim Verkauf im Ladengeschäft, bedarf es deswegen keines Hinweises schon in einem reinen Werbeprospekt, der lediglich zum Aufsuchen des Ladenlokals auffordern soll.

Für die hier vertretene Auslegung des Art. 16 TextilKennzVO, wonach die Angabe der Textilfaserzusammensetzung nicht schon in reinen Werbeprospekten ohne Bestellmöglichkeit erforderlich ist, spricht auch, dass es Ziel der Verordnung war, frühere Regelungen, die in bereits mehrfach geänderten Richtlinien enthalten waren und damit in den Mitgliedsstaaten nicht unmittelbar galten, zu bündeln und in einer unmittelbar geltenden Verordnung zusammen zu fassen (vgl. Präambel der Verordnung). Ziel der Neufassung war es, wie sich aus der Begründung der Kommission zum Vorschlag der TextilKennzVO (KOM 2009, 31 (endg.); Anlage B 8) ergibt, hingegen nicht, das EU-Recht auf weitere Etikettierungsvorschriften auszudehnen, die über die Faserzusammensetzung und die Vereinheitlichung der Textilbezeichnungen, wie sie in den bestehenden Richtlinien geregelt sind, hinauslaufen. Die bestehenden Pflichten sollten mithin nicht erweitert werden. Vor Inkrafttreten der TextilKennzVO ist jedoch – soweit ersichtlich – nicht angenommen worden, dass schon in reinen Werbeprospekten ohne Bestellmöglichkeit Kennzeichnungspflichten einzuhalten sind. Dass hieran durch die TextilKennzVO etwas geändert werden sollte, lässt sich den vorliegenden Materialien zur Entstehung der TextilKennzVO nicht entnehmen. Insbesondere ergibt sich hieraus nicht, dass der Verbraucher, der sich mit dem Angebot eines Produkts in einem Werbeprospekt befasst, davor geschützt werden sollte, zur Unterrichtung über die Textilfaserzusammensetzung eines ihn interessierenden Textilerzeugnisses ein Verkaufsgeschäft, in dem das Textilerzeugnis erworben werden kann, aufsuchen zu müssen.

c)Hiervon ausgehend hat die Beklagte mit dem beanstandeten Werbematerial nicht gegen Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO verstoßen.

Zwar handelt es sich bei der beanstandeten Werbeunterlage um einen „Prospekt“. Hierunter ist nämlich eine Werbezwecken dienende Drucksache zu verstehen, in der die Ware abgebildet und beschrieben wird. Im Vergleich zum Katalog ist ein Prospekt nicht so umfangreich; in ihm wird regelmäßig nur ein begrenztes Warenangebot oder auch nur ein Produkt beworben (Lange/Quednau, a.a.O., S. 138). Entgegen der Auffassung der Beklagten muss ein Prospekt daher keine umfassende Darstellung des Sortiments oder eines Teilsortiments enthalten. Er muss auch nicht zwingend „detaillierte Informationen“ zu den beworbenen Waren enthalten. Es reicht vielmehr aus, dass ein begrenztes Warenangebot oder auch nur ein Produkt in der Art beworben wird, dass die Ware in der Drucksache abgebildet oder anderweitig illustriert und – ggf. auch nur kurz – beschrieben wird.

Bei dem streitgegenständlichen Prospekt handelt es sich jedoch um einen reinen Werbeprospekt ohne Bestellmöglichkeit. Weder wird in dem Prospekt auf eine Bestellmöglichkeit im Versandhandel hingewiesen noch bestand eine solche Bestellmöglichkeit tatsächlich. Die beworbenen Textilerzeugnisse konnten unstreitig nur in den stationären Verkaufshäusern der Beklagten erworben werden. Eine andere Möglichkeit zum Kauf bestand nicht; insbesondere konnte keine Online- oder Telefonbestellung erfolgen. In dem Prospekt musste deshalb die Faserzusammensetzung noch nicht angegeben werden.

Dass die Beklagte in ihren Verkaufsgeschäften bei der dortigen Präsentation der Ware gegen Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO verstoßen hat, indem sie die Kunden vor dem Kauf der in dem Prospekt beworbenen Textilerzeugnisse nicht entsprechend den Vorgaben der TextilKennzVO informiert hat, macht der Kläger nicht geltend.

2.Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, §§ 3, 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG.

a)

Nach § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf ihre Merkmale und ihren Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gelten nach § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem dieser und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang als wesentlich i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben.

Diese Vorschriften dienen der Umsetzung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 über unlautere Geschäftspraktiken, wonach eine Geschäftspraxis als irreführend gilt, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informationsgeleitete geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte, sowie des Art. 7 Abs. 4 Nr. 1 dieser Richtlinie, wonach im Falle der Aufforderung zum Kauf die wesentlichen Merkmale des Produkts in dem für das Medium und das Produkt angemessenen Umfang als wesentlich gelten, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben. Eine Aufforderung zum Kauf ist nach Art. 2 Buchst. i RL 2005/29/EG jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen. Dies ist dann der Fall, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht (EuGH, Slg. 2011, I-3903 Rn. 33 = GRUR 2011, 930 – Konsumentombudsmann/Ving Sverige; BGH, GRUR 2014, 584 Rn. 9 – Typenbezeichnung).

b)

Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass die TextilKennzVO dem § 5a UWG als spezielleres Gesetz vorgeht und deshalb, soweit eine Werbung wegen der Nichtangabe der Textilfasserzusammensetzung nicht gegen diese Verordnung verstößt, für die Annahme einer Irreführung durch Unterlassen kein Raum ist (vgl. Schäfer, BB 2011, 3079, 3081).

c)

Wollte man dies anders sehen, handelt es sich bei der Angabe der Textilfaserzusammensetzung in einem reinen Werbeprospekt ohne Bestellmöglichkeit im Hinblick auf die Wertung der TextilKennzVO jedenfalls noch um keine Information, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände wesentlich ist.

aa)

Die Frage, ob ein Merkmal einer im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG angebotenen Ware wesentlich ist, ist weder in § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG noch in Art. 7 Abs. 4 Buchst. a RL 2005/29/EG aufgelistet oder definiert (vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 Rn. 52 – Konsumentombudsmann/Ving Sverige; BGH, GRUR 2014, 584 Rn. 11 – Typenbezeichnung).- Ving Sverige). Sofern es – wie im Streitfall – nicht um Informationen geht, die als wesentlich gelten, weil sie dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen, ist diese Frage nach den Vorgaben des § 5a Abs. 2 UWG, mit dem die in Art. 7 Abs. 1 und 3 RL 2005/29/EG enthaltenen Regelungen in deutsches Recht umgesetzt worden sind, anhand der Umstände des Angebots, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie des verwendeten Kommunikationsmediums zu beurteilen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 Rn. 53-55 und 57 – Konsumentombudsmann/Ving Sverige; BGH, GRUR 2014, 584 Rn. 11 – Typenbezeichnung).

Für die Beurteilung der Frage, welche Merkmale als wesentlich i.S.v. § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG anzusehen sind, ergeben sich Hinweise aus dem Katalog in § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, in dem – in Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL 2005/29/EG – beispielhaft wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung aufgezählt sind, über die der Unternehmer keine unwahren oder sonst zur Täuschung geeigneten Angaben machen darf (BGH, GRUR 2014, 584 Rn. 12 – Typenbezeichnung). Dieser Katalog, in dem auch die Zusammensetzung der Ware genannt ist, ist allerdings einerseits erklärtermaßen („… wie …“) nicht abschließend und reicht andererseits tendenziell zu weit; denn der Umstand, dass der Verbraucher über Merkmale des beworbenen Produkts gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG nicht getäuscht werden darf, besagt noch nicht, dass er Informationen über diese Merkmale auch bei einer geschäftlichen Entscheidung im Falle eines Angebots benötigt (BGH, GRUR 2014, 584 Rn. 12 – Typenbezeichnung; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5 a Rn. 29 d). Die wesentlichen Merkmale des angebotenen Produkts müssen nach § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG im Übrigen nur in dem für dieses und das verwendete Kommunikationsmittel angemessenen Umfang angegeben werden. In welchem Umfang Informationen zu geben sind, lässt sich daher immer nur im Einzelfall mit Blick auf die konkret in Rede stehende geschäftliche Handlung beurteilen (BGH, GRUR 2014, 584 Rn. 12 – Typenbezeichnung). Die Nichtinformation über ein Merkmal des angebotenen Produkts ist dann als unlauter anzusehen, wenn sie zur Folge hat, dass der Durchschnittsverbraucher gehindert ist, die geschäftliche Entscheidung, vor die ihn das Angebot stellt, informationsgeleitet zu treffen (BGH, GRUR 2014, 584 Rn. 12 – Typenbezeichnung).

bb)

Letzteres ist hier zu verneinen, weil die TextilKennzVO, die gerade sicherstellen will, dass der Verbraucher vor dem Kauf von Textilerzeugnissen den Fasergehalt richtig erkennen kann, um so eine Kaufentscheidung treffen zu können, die Angabe der Faserzusammensetzung in einem bloßen Werbeprospekt ohne Bestellmöglichkeit nicht vorschreibt. Jedenfalls wenn der Verbraucher die Information über die Faserzusammensetzung später, aber noch rechtzeitig vor dem Kauf erhält, nämlich im Verkaufsgeschäft, wovon hier auszugehen ist, kann die Nichtinformation in dem Werbeprospekt daher nicht als unlauter angesehen werden.

3.Mit dem Hauptantrag erweist sich auch der Antrag auf Erstattung der Abmahnkosten als unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 108 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, ob reine Werbeprospekte ohne Bestellmöglichkeit von der Verpflichtung des Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO erfasst werden, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Umfang der Verpflichtung nach Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO erscheint im Hinblick auf den Wortlaut der Bestimmung klärungsbedürftig. Die Rechtsfrage hat für den Einzelhandel weitreichende Bedeutung. Ein vorheriger Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur ist keine notwendige Voraussetzung für die Zulassung der Revision; die Grundsatzbedeutung einer Rechtsfrage kann sich vielmehr auch aus ihrem Gewicht für die beteiligten Verkehrskreise ergeben (BGH, NJW 2003, 3765). Klärungsbedürftig sind auch solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist und die noch nicht höchstrichterlich geklärt sind. Dementsprechend kann auch eine Rechtsfrage, die nicht Gegenstand eines Meinungsstreits ist, klärungsbedürftig sein (BVerfG, NJW 2009, 572, 573).

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