Surf.GREEN fehlt es nicht an Unterscheidungskraft
Eigener Leitsatz:
Dem Zeichen „Surf.GREEN“ fehlt für die beanspruchte Dienstleistung – Werbung – nicht jegliche Unterscheidungskraft, da es an einem engen sachlichen beschreibenden Bezug von „Werbung“ zu umweltfreundlichem oder „grünem“ Surfen fehlt.
Bundespatentgericht
Beschluss vom 06.02.2012
Az.: 26 W (pat) 522/11
Beschluss
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 020 878.6
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2011 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der
Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle
für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 26. April 2011 aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
I.
Mit Beschluss vom 26. April 2011 hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts der angemeldeten Wortmarke 30 2009 020 878.6
Surf.GREEN,
die nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in der Beschwerdeinstanz zuletzt noch Schutz für die Dienstleistung „Klasse 35: Werbung“ beansprucht, die Eintragung mit der Begründung versagt, dass dem im Interesse der Wettbewerber freihaltebedürftigen Zeichen, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, auch insoweit jegliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das Markenwort setze sich aus zwei der englischen Sprache entstammenden Wortbestandteilen zusammen, deren Bedeutung „surf“ im Sinne von „Durchsuchen von Informationssammlungen im Internet“ und „green“ im Sinne von „grün, umweltfreundlich“ auch von den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen verstanden werde. Im Zusammenhang mit der Informationssuche im Internet weise das Zeichen ausschließlich auf ein umweltfreundliches Surfen im Internet hin. Zu Werbedienstleistungen bestehe ein enger sachlicher beschreibender Bezug, weil diese üblicherweise auch von Suchmaschinen im Internet angeboten würden. Werde das Zeichen zur Kennzeichnung dieser Dienstleistungen verwendet, werde es der Verkehr daher ausschließlich als Sachhinweis in diesem Sinne, jedoch nicht als Hinweis auf einen bestimmten Erbringer dieser Dienstleistung auffassen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie hält die angemeldete Wortkombination für unterscheidungskräftig und aufgrund der Gestaltung des Gesamtzeichens mithilfe eines Punktes für phantasievoll. Der Wortbestandteil „GREEN“, der dadurch neben der Second-Level-Domain „Surf“ wie eine Top-Level-Domain wirke, bezeichne keine solche. Im Zusammenhang mit der Dienstleistung „Werbung“ könne der Wortbestandteil “Surf“ auch im Sinne der Sportart „Surfen“ verstanden werden. Die Aufforderung zu umweltfreundlichem Surfen beschreibe diese Dienstleistung weder glatt, noch bestehe zu ihr ein enger sachlicher beschreibender Bezug. Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 26. April 2011 aufzuheben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2011 hat sie ihren Standpunkt erläutert.
II.
Die gem. § 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat nach Beschränkung
des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses auch in der Sache Erfolg. Entgegen der von der Markenstelle geäußerten Rechtsansicht kann der Wortmarke „Surf.GREEN“ für die Dienstleistung „Klasse 35: Werbung“ das zu einer Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Unterscheidungskraft dieser Vorschrift bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 – Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 – Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 – FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 – EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 – Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 – FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden, reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft aus (vgl. z. B. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 – FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2008, 1002 Rn. 29 – Schuhpark). Dem durchschnittlichen allgemeinen Endverbraucher (vgl. BPatG PAVIS PROMA
24 W (pat) 145/96 – SURF) ist ebenso wie dem durch „Werbedienstleistungen“
vorwiegend angesprochenen inländischen Geschäftskunden bekannt, dass das
englische Verb ‚to surf‘ genauso wie das inzwischen eingedeutschte Wort "surfen" sowohl die Ausübung einer Wassersportart, als auch im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung das schnelle und schnell wechselnde Herstellen von Kontakten zwischen einem eigenen Rechner (Computer) und den Angeboten von Informationen, Waren und Dienstleistungen beschreibt, die in einem Netz von nationalen und internationalen Datenbahnen bereitgestellt werden. Wird die Dienstleistung „Werbung“ mit „Surf.GREEN“ gekennzeichnet, stellt das Anmeldezeichen keinen ausschließlich werbeüblichen Sachhinweis dar; auch ein enger sachlicher beschreibender Bezug von „Werbung“ zu umweltfreundlichem oder „grünem“ Surfen fehlt entgegen der von der Markenstelle getroffenen Feststellung. Üblich ist zur Beschreibung dieser Dienstleistung nur eine Bezeichnung nach der Art des Mediums oder der Branchen, auf die die Leistungen bezogen sind (BGH GRUR 2009, 949, 952, Rdn. 24 – My World). Anhaltspunkte für eine Änderung dieser Bezeichnungsgewohnheit sind nicht erkennbar. Zwar existieren
am Markt Suchmaschinen im Internet, die von ihren Betreibern als umweltfreundlich mit der Begründung beworben werden, dass ihr Rechenzentrum mit Ökostrom betrieben oder der Betreiber für jede neue Suchanfrage Bäume schützen oder pflanzen werde. Im Rahmen seiner Recherchen sind dem Senat jedoch keinerlei Werbedienstleistungen bekannt geworden, die speziell für Internetplattformen gerade dieser Suchmaschinen bzw. für umweltfreundliches Surfen konzipiert würden und sich hierdurch von anderen Werbedienstleistungen unterschieden. Für die Annahme, dass Werbedienstleistungen speziell auf umweltfreundlich betriebene Formen der Wassersportart „Surfen“ zugeschnitten sein könnten, fehlen ebenfalls zureichende Anhaltspunkte. Angesichts dessen ist nicht auszuschließen, dass der durch Werbedienstleistungen vorwiegend angesprochene Geschäftsverkehr sowie der durchschnittliche allgemeine Endverbraucher „Surf.GREEN“ zumindest auch als Hinweis auf den Erbringer von Werbedienstleistungen auffassen werden, wenn diese im Verkehr mit „Surf.GREEN“ gekennzeichnet werden.
Auch das von der Markenstelle zusätzlich angenommene Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht einer Eintragung des angemeldeten Markenwortes für „Werbedienstleistungen“ nicht entgegen, denn „Surf.GREEN“ beschreibt diese weder unmittelbar, noch ist die Anmeldung für diese Dienstleistung im Interesse der Mitbewerber freihaltebedürftig.
Aus diesen Gründen hat die Beschwerde Erfolg.