Werbung eines Preisvergleichsdienstes mit mehr als den tatsächlich buchbaren Hotels ist irreführend
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 06.05.2015
Az.: 12 O 337/14
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, im Rahmen des Internetportals „H“ in Anzeigen beziffert mit buchbaren Hotels pro Destination zu werben, sofern die Zahl der tatsächlich im Rahmen der angebotenen Destination buchbaren Hotels unter der beworbenen Zahl liegt.
2. Der Beklagten werden für jede Zuwiderhandlung gegen das unter Ziff. 1. genannte gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Abmahnkosten in Höhe von 219,35 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2014 zu zahlen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 22.500,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgabe die Bekämpfung des unterlauteren Wettbewerbs gehört.
Die Beklagte bietet im Internet über die Adresse www.U.de ein Preisvergleichsdienst für Hotelübernachtungen an, Hotelbuchungen können über die Beklagte nicht durchgeführt werden.
Die Beklagte arbeitet mit Hotelbuchungsportalen aber auch mit den Hotelbetreibern selbst zusammen, sog. „Kooperationspartnern“.
Der interessierte Kunde erhält über das Portal der Beklagten die Möglichkeit, in einer Suchmaske die Stadt, in der er nach einem Hotel sucht, sowie den Zeitraum, in dem er ein Hotel benötigt, einzugeben. Nach Eingabe dieser zwingenden Suchkriterien wird ihm aus dem Gesamtkontingent der bei der Beklagten registrierten Hotels eine Auswahl zur Verfügung gestellt (vgl. screenshots Anlage K 1, K 2). Der Kunde hat die Möglichkeit die Suchergebnisse über weitere nicht zwingende Auswahlkriterien (bspw. die Art des Zimmers, einen Höchstpreis, Barrierefreiheit) zusätzlich einzuschränken.
Der Kunde kann die einzelnen ihm angezeigten Hotels über die Schaltfläche „zum Angebot“ anwählen und wird dann auf die Buchungsseite des jeweiligen Hotels oder ein Buchungsportal, beispielsweise „F“, weitergeleitet, wo er dann den eigentlichen Buchungsvorgang durchführen kann.
Der interessierte Kunde kann durch die Beklagte veranlasst auch unter Verwendung des Stichwortes „Hotel“ und die Eingabe des jeweiligen Ortes über die Suchmaschine „H“ nach Hotels und Preisvergleichsportalen suchen, und so auf die Internetseite der Beklagten gelangen, die ihm als Suchergebnis angezeigt wird. Die Anzeige der Internetseite der Beklagten bei „H“ enthält in diesem Zusammenhang unter anderem eine bezifferte Angabe von Hotels. Folgt man dem im Rahmen des Suchergebnisses bei „H“ angezeigten Link auf die Internetseite der Beklagten, so kann die dort angezeigte Gesamtanzahl von Hotels im Vergleich zu der bei „H“ angegebene Hotelanzahl nach unten abweichen. So wurde die Hotelanzahl für den Ort „V“ am 30.07.2014 bei dem Suchergebnis über „H“ mit 297 Hotels angegeben, während man auf der Internetseite der Beklagten die Angabe „60 von 242 Hotels“ erhielt. Ebenfalls am 30.07.2014 befand sich für die Anfrage „Hotels T“ bei H die Angabe „610“ und auf der Seite der Beklagten die Angabe „82 von 554“. Da für die Anzeige buchbarer Hotels die Angabe eines Reisedatums zwingend ist, sieht eine Standardeinstellung der Beklagten vor, dass das bei Weiterleitung auf ihr Portal angezeigte Anreisedatum stets zwei Wochen später als der Tag der Suche liegt und eine Übernachtung angefragt wird.
Wegen der genauen Anzeige wird auf die vorgelegten screenshots (Anlage K 1, K2) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 07.08.2014 (Anlage K 3) mahnte der Kläger, der die angegriffene Handlung für irreführend hält, die Beklagte ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
Die Beklagte reagierte mit Schreiben vom 19.08.2014 (Anlage K 4) und lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.
Der Kläger begehrt mit der der Beklagten am 01.10.2014 zugestellten Klage Unterlassung wegen irreführender Werbung sowie Erstattung außergerichtlich entstandener Abmahnkosten. Die Abmahnkosten beziffert der Kläger auf der Grundlage der Personal- und Sachkosten im Jahre 2012 und bringt eine Kostenpauschale in Höhe von 219,35 € (inkl. 7 % Mehrwertsteuer) in Ansatz.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1.
es bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
im Rahmen des Internetportals „H“ in Anzeigen beziffert mit buchbaren Hotels pro Destination zu werben, sofern die Zahl der tatsächlich im Rahmen der angebotenen Destination buchbaren Hotels unter der beworbenen Zahl liegt;
2.
an sie Abmahnkosten in Höhe von 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur Sitzung vom 25.03.2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Klage hat Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Die Prozessführungsbefugnis des Klägers, die die Beklagte auch nicht in Frage stellt, liegt nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG vor. Aufgrund der Mitgliederstruktur des Klägers (vgl. Köhler, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, Kommentar, 33. Auflage, 2015, Einl UWG, Rn. 2.29) ist davon auszugehen, dass ihm eine hinreichende Anzahl von Mitbewerbern, die zumindest gleichartige Dienstleistungen wie die Beklagte vertreiben, angehört, und er sachlich und finanziell mit hinreichenden Mitteln ausgestattet ist, um seinen – gerichtsbekannten – Satzungszweck, die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, zu erfüllen.
2.
Sofern die Beklagte der Antragsfassung entgegentritt, weil sie diese für nicht hinreichend bestimmt nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hält, ist die Antragsfassung nicht zu beanstanden. Insbesondere stellt sich die Verwendung des Begriffs „buchbar“ nicht als unbestimmt dar. Der Wortsinn des Begriffs ist eindeutig mit den zur Buchung zur Verfügung stehenden Hotels bestimmt. Der Begriff wird auch nicht deshalb unklar, weil nicht deutlich wird, über wen die Buchung erfolgt bzw. ob aus Gründen, die bei dem interessierten Kunden liegen, weniger Hotels buchbar sind.
II.
Die Klage ist begründet.
1.
Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG zu.
a)
Die Beklagte ist passivlegitimiert.
Der vorgelegten vorgerichtlichen Korrespondenz der Parteien, insbesondere dem Schreiben der Beklagten vom 19.08.2014, lässt sich entnehmen, dass die Beklagte selbst über „H“ die Werbung schaltet.
Es liegt auch eine geschäftliche Handlung der Beklagten vor.
Die geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Nr. 1 UWG erfordert einen objektiven Zusammenhang zum eigenen oder einem fremden Unternehmen (Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, Kommentar, 33. Auflage, 2015, § 5, Rn. 2.1, 2. 3) und muss auf die Absatzförderung ausgerichtet sein (Bornkamm, a. a. O.). Erforderlich ist weiter ein Verhalten vor, bei oder nach dem Geschäftsabschluss (Bornkamm, ebd., § 5, Rn. 2.5). Diese Voraussetzungen liegen dann vor, wenn das fragliche Verhalten darauf gerichtet ist, geschäftliche Entscheidungen des (potenziellen) Vertragspartners zu beeinflussen (a. a. O.). Eine geschäftliche Entscheidung in diesem Sinne liegt bereits dann vor, wenn der angesprochene Verkehrskreis der endgültigen Kaufentscheidung vorgelagerte Entscheidungen trifft, die mit der Kaufentscheidung unmittelbar zusammenhängen (Köhler, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, Kommentar, 33. Auflage, 2015, § 2, Rn. 48 a). Zu diesen Entscheidungen gehört insbesondere auch die Entscheidung, sich mit der Person des Unternehmers, seinem Produkt oder seinem Angebot zu befassen, wie beispielsweise eine Internetseite aufzusuchen (a. a. O.).
Orientiert an diesem Maßstab liegt in der Anzeige der Hotelanzahl über die Suchmaschine „H“ eine geschäftliche Handlung vor.
Das von der Beklagten angebotene Preisvergleichsportal dient jedenfalls der Förderung des Absatzes fremder Unternehmen, insbesondere der Hotels und Hotelbuchungsplattformen, die an dem Preisvergleichsportal der Beklagten teilnehmen. Denn durch den Preisvergleich rücken solche Hotels, auf die der Adressat andernfalls möglicherweise nicht aufmerksam geworden wäre, als potenzielle Vertragspartner des Nutzers des Vergleichsportals in den Fokus. Ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrskreises wird durch die Angabe einer größeren Gesamtzahl der für den Preisvergleich zur Verfügung stehenden Hotels bei „H“ dazu veranlasst, auf das Preisvergleichsportal der Beklagten und die dort an dem Preisvergleich teilnehmenden Unternehmen zuzugreifen. Denn mit einer großen Anzahl an für den Vergleich zur Verfügung stehender Hotels ist die Erwartungshaltung eines möglichst objektiven und umfassenden Vergleichs verbunden. Die Bereitschaft auf der Grundlage dieses Vergleichs einen Vertragsschluss mit einem vorgeschlagenen Hotel einzuleiten, liegt dann nahe.
b)
Die angegriffene Aussage stellt sich als irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG dar.
Irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei den Adressaten eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, 2013, § 5, Rn. 2.66) und diese unrichtige Vorstellung für die Entschließung des angesprochenen Verkehrskreises relevant ist (Bornkamm, ebd., § 5, Rn. 2.74).
Der Aussageinhalt einer Angabe bestimmt sich dabei nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise, an die die Werbung sich richtet (Bornkamm, a. a. O.) – vorliegend an das allgemeine Publikum. Maßgebend für das Verständnis der Aussage ist der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der der Angabe die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (Bornkamm, ebd., § 5, Rn. 2.87).
Der angesprochene Verkehrskreis, zu dem die Kammer selbst zählt, geht aufgrund der Anzeige einer konkreten Anzahl von Hotels bei der Suchmaschine „H“, wie sie am 30.07.2014 erfolgte, davon aus, dass mit der Anzeige die Gesamtzahl der bei der Beklagten angemeldeten Hotels in dem jeweiligen Ort angezeigt wird, mithin die Beklagte bei ihrem Preisvergleich grundsätzlich auf diese Anzahl von Hotels zugreifen und die auf den jeweiligen Kunden passenden Hotels aus dieser Gesamtzahl herausfiltern kann. Aufgrund des Umstandes, dass der interessierte Kunde im Zeitpunkt der Suchanfrage bis auf den Ort keine weiteren Suchkriterien (insbesondere das Reisedatum) angegeben hat, geht er gerade nicht davon aus, dass bei der bei der Suchmaschine angegebenen Hotelanzahl etwaige individuelle Wünsche bereits Berücksichtigung gefunden haben.
Die bei der Suchmaschine „H“ angezeigte Anzahl von Hotels für die Orte T und V entsprach zu dem Zeitpunkt der Anzeige am 30.07.2014 nicht der tatsächlichen Anzahl der bei der Beklagten für diese Orte registrierten Hotels.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Seite der Beklagten am 30.07.2014 für den Ort T die Angaben „82 von 554 Hotels“ (Anlage K 1) und für den Ort V „62 von 242 Hotels“ zu entnehmen war, während das H-Suchergebnis die Ziffern „610“ (T) und „297“ (V) anzeigte. Die vor dem Wort „von“ stehende Zahlenangabe ist dabei so zu verstehen, dass es sich dabei um die Gesamtzahl aller für den Preisvergleich zur Verfügung stehender Hotels handelt, während die vor dem Wort „von“ stehende Anzahl so verstanden wird, dass es sich dabei um die Anzahl der auf die einschränkend angegebenen Suchkriterien passenden Hotels handelt.
c)
Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des feststehenden Rechtsverstoßes vermutet. Indizien, die die Vermutung entkräften, sind weder vorgetragen, noch erkennbar.
d)
Der nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 13.04.2015 enthält gegenüber dem bereits im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vorliegenden Klägervorbringens keine für die Entscheidung erheblichen Tatsachen mehr, weshalb von einer Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO abgesehen wurde.
2.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung von Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Die Abmahnung war aufgrund des feststehenden Rechtsverstoßes erforderlich.
Der Abmahnung vom 07.08.2014 lässt sich die abgemahnte Handlung auch ohne Vorlage der die Verletzungshandlung enthaltenden screenshots hinreichend deutlich entnehmen. Denn der Kläger beschreibt darin die den screenshots zugrundeliegenden Verletzungshandlungen genau. Dass diese Beschreibung hinreichend ist, kommt auch darin zum Ausdruck dass das Schreiben der Beklagten vom 19.08.2014 ein auf diese abgemahnte Handlung angepasstes Verteidigungsvorbringen enthält.
Die Höhe der Abmahnkosten, bemessen nach einer Kostenpauschale, ist plausibel dargelegt. Die Beklagte tritt dem Anspruch auch insoweit nicht entgegen.
3.
Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.
Die Ordnungsmittelandrohung ergeht nach § 890 Abs. 2 ZPO.
Streitwert: 20.000,00 €