Anspruch eines Journalisten auf Informationszugang bei unverhältnismäßig hohem Verwaltungsaufwand

17. September 2009
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Eigener Leitsatz:

Jeder hat nach Maßgabe des § 1 S. 1 Informationsgesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Liegt der Umfang der angeforderten Aktenbestände jedoch bei ca. 10.000 Seiten und enthalten diese zudem in nicht nur unwesentlichem Ausmaß Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, muss der Informationsanspruch Dritter gegenüber dem unverhältnismäßig hohem Verwaltungsaufwand bei der Aktenbearbeitung durch z.B. notwendige Schwärzung, zurücktreten.

 

Verwaltungsgericht Frankfurt am Main

Beschluss vom 07.05.2009

Az.: 7 L 676/09.F

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.
Der Antragsteller ist Chefreporter im Bereich Wirtschaft der Tageszeitung „X“ und beschäftigt sich seit längerem mit dem Verhalten der Bankenaufsicht vor dem Eintritt der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Mit Schreiben vom 14.01.2009 beantragte er bei der Antragsgegnerin, ihm Einsicht in die Akten und Gutachten der Antragsgegnerin aus dem Jahre 2008 zur Überprüfung der A.Bank AG, der B Bank AG sowie der XY, D, zu gewähren. Sollten Gründe für eine Beschränkung der Auskunft gegeben sein, beantragte der Antragsteller, entsprechende Passagen zu schwärzen bzw. diejenigen Aktenteile zu übersenden, die keiner Einschränkung unterliegen.

Mit Bescheid vom 18.02.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Dem Anspruch des Antragstellers auf Informationszugang stehe § 3 Nr. 1 lit. d) IFG entgegen. Das Bekanntwerden der begehrten Informationen hätte nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Antragsgegnerin. Es handele sich um vertrauliche Informationen aus dem geschäftspolitischen Bereich des Instituts, die die Antragsgegnerin im Vertrauen auf ihre Verschwiegenheit erhalten habe. Zudem stehe dem Informationsanspruch § 3 Nr. 4 IFG i.V. mit § 9 KWG entgegen, wonach die Antragsgegnerin nicht befugt sei, im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit erlangte Informationen zu offenbaren oder anderweitig zu verwerten. Eine Einwilligung der betroffenen Institute zur Preisgabe entsprechender Informationen liege nicht vor. Ein Ausnahmetatbestand i.S. des § 9 Abs. 1 S. 4 KWG sei nicht gegeben. Schließlich stehe der begehrten Akteneinsicht auch § 6 S. 2 IFG entgegen, da insbesondere die Prüfungsberichte schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthielten. Schließlich komme eine teilweise Freigabe der vom Antragsteller begehrten Informationen nicht in Betracht, da eine Schwärzung der Unterlagen und damit eine Trennung in geheimhaltungsbedürftige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einerseits und in öffentliche Informationen andererseits faktisch unmöglich sei. Zudem würde dies dem Antragsteller keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen, da der weit überwiegende Teil der Unterlagen geschwärzt werden müsste.

Der Antragsteller hat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 15.03.2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.02.2009 Widerspruch erhoben. § 3 Nr. 1 lit. d) IFG stehe dem begehrten Informationszugang ebenso wenig entgegen wie § 3 Nr. 4 IFG i.V. mit § 9 KWG, der jedenfalls keine allumfassende Zugangssperre enthalte. Zudem habe die Antragsgegnerin nicht substantiiert dargelegt, warum gemäß § 6 S. 2 IFG die betroffenen Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung der sie betreffenden Informationen hätten und warum eine zumindest partielle Preisgabe von Auskünften ausgeschlossen sei.

Der Antragsteller hat am 17.03.2009 bei dem erkennenden Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, dem Antragsteller Einsicht in die im Antragsschreiben vom 14.01.2009 genannten Unterlagen zu gewähren. Im Einzelnen führt er aus, dass weder § 3 Nr. 1 lit. d) IFG noch § 3 Nr. 4 IFG i.V. mit § 9 KWG dem begehrten Informationszugang entgegen stünden. Ein berechtigtes Interesse der betroffenen Institute an der Nichtverbreitung ihrer Geschäftsgeheimnisse sei nicht zu erkennen, da diese von der Bundesrepublik Deutschland und damit vom Steuerzahler Bürgschaften in Höhe der Hälfte des Bundeshaushalts erhalten hätten und weitere Bürgschaften einforderten. Ferner sei davon auszugehen, dass gemäß § 5 Abs. 1 oder 2 IFG zu schützende personenbezogene Daten dem Informationsanspruch des Antragstellers nicht entgegen stünden, da sich die Antragsgegnerin hierauf nicht berufen habe. Ein Anspruch des Antragstellers auf den begehrten Informationszugang ergebe sich auch aus Art. 5 Abs. 1 GG. Danach sei dem Antragsteller verfassungsrechtlich ein Anspruch verbürgt, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Seit Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes seien Behördenakten des Bundes als allgemein zugängliche Quellen i.S. des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG anzusehen. Darüber hinaus ergebe sich aus Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 10 EMRK und § 242 BGB der vom Antragsteller geltend gemachte Informationszugangsanspruch.

Zum Anordnungsgrund trägt der Antragsteller vor, im Hinblick auf die auf den Bundeshaushalt bzw. letzten Endes die Bürgerinnen und Bürger zukommenden Belastungen, die mit einer Stützungsmaßnahme der B durch den deutschen Staat verbunden seien, sei es für den Antragsteller erforderlich, unverzüglich Zugang zu den erwünschten Unterlagen der Antragsgegnerin zu erhalten, um aktuell und sachgerecht die Öffentlichkeit unterrichten zu können. Dem einstweiligen Rechtsschutzbegehren des Antragstellers stehe auch nicht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Im Hinblick auf die gravierenden finanziellen Auswirkungen für alle Bürgerinnen und Bürger, die die Bürgschaften für die B bewirken, und mit Blick auf das dem Antragsteller zustehende Recht nach Art. 5 Abs. 1 GG müsse diesem bereits durch Erlass einer einstweiligen Anordnung Zugang zu den gewünschten Informationen gewährt werden. Eine einstweilige Anordnung komme insbesondere auch bei termingebundenen Ereignissen in Betracht. Dies sei vorliegend im Hinblick auf die bevorstehenden weiteren politischen Entscheidungen zur B der Fall.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Einsicht in * 54 Aktenbände (1360 Seiten) zur B Bank AG, zuzüglich 36 Aktenbände (ca. 400 Seiten) über die B Bank International AG, * 10 Aktenbände der A Bank AG, * 70 Bände (6.000 Seiten) zur B AG, * 14 Bände Jahresabschlussprüfungsbericht für die B Bank AG, die A bank, die C Bank und die D Holding AG sowie in* 4 Bände Sonderprüfungsberichte zu den oben genannten Instituten zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen, um vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren abzusehen, nicht erfüllt sind. Über den vom Antragsteller eingelegten Widerspruch werde aller Voraussicht nach innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Rechtsbehelfs entschieden. Es sei auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin dem Widerspruch ganz oder teilweise stattgibt. Zudem sei nicht erkennbar, dass dem Antragsteller bis zur Entscheidung über den Widerspruch durch den verweigerten Informationszugang schwere und unzumutbare Nachteile drohen würden. Zudem sei es dem Antragsteller zuzumuten, den Ausgang einer Entscheidung in einem sich nach Ergehen eines Widerspruchsbescheids eventuell anschließenden Hauptsacheverfahren abzuwarten. Allein die bevorstehenden Bundestagswahlen sowie die von der staatlichen Unterstützung der B Bank ausgehende und vom Antragsteller als existenzbedrohend bezeichnete Staatsverschuldung würden eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht rechtfertigen. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller als Journalist tätig sei. Selbst wenn jedoch eine Eilbedürftigkeit aufgrund drohender schwerer und unzumutbarer Nachteile für den Antragsteller gegeben sei, überwögen diese nicht die Nachteile, die den von dem Informationszugang betroffenen Instituten und der Allgemeinheit für den Fall eines unberechtigten Informationszugang infolge einer fehlerhaften summarischen Prüfung im Eilverfahren drohten. Schließlich dürfte ein Anordnungsgrund auch im Hinblick auf den umfassenden Untersuchungsgegenstand des vom Deutschen Bundestag am 23.04.2009 eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Vorgängen um die D Holding AG (BT-Drucksache 16/12690) zu verneinen sein.

Dem Antragsteller stehe zudem kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die von ihm begehrten Informationen unterlägen der Verschwiegenheitspflicht der Antragsgegnerin aus § 9 Abs. 1 S. 1 KWG. Diese erstrecke sich nicht nur auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sondern auf alle Tatsachen, von denen die Antragsgegnerin in Ausübung ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangt habe. Sie habe weder Anlass, am Geheimhaltungsinteresse und -willen der im Antrag des Antragstellers genannten Finanzinstitute oder deren Organmitglieder zu zweifeln noch habe der Antragsteller Umstände vorgetragen, die entsprechende Zweifel rechtfertigten. Die Antragsgegnerin wäre auch nicht ausnahmsweise nach § 9 Abs. 1 S. 4 KWG befugt, die vom Antragsteller begehrten Informationen an ihn als Privatperson preiszugeben. Zudem nehme die Antragsgegnerin ihre Aufgaben gemäß § 4 Abs. 4 FinDAG ausschließlich im öffentlichen Interesse wahr, so dass ein subjektives Recht von Privatpersonen gegenüber der Antragsgegnerin auf Zugang zu Informationen, die von ihr auf der Grundlage des KWG erhoben worden seien, nur in den Grenzen des § 9 KWG gegeben sei. Zudem verstieße eine Herausgabe der gewünschten Informationen an den Antragsteller gegen die einschlägigen EU-Richtlinien. Die über die der deutschen Finanzaufsicht nicht unterliegende C vorhandenen Unterlagen seien durch § 9 Abs. 1 S. 8 KWG geschützt und könnten daher nicht freigegeben werden. Zudem seien der Antragsgegnerin diese Unterlagen vertraulich übermittelt worden, so dass § 3 Nr. 7 IFG einem Informationszugang entgegen stehe. Darüber hinaus hätte das Bekanntwerden der begehrten Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Antragsgegnerin, so dass ein Versagungsgrund nach § 3 Nr. 1 lit. d) IFG gegeben sei. Dieser setze zudem keine konkrete Gefährdung der Kontroll- und Aufsichtsaufgaben voraus, vielmehr würde eine Gefährdung des abstrakten Kontrollzwecks ausreichen. Der Schutz vertraulicher Informationen sei auch nach dem Willen des Gesetzgebers unabweisbar zur effektiven Wahrnehmung der Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Antragsgegnerin. § 3 Nr. 1 lit. d) IFG verlange lediglich eine negative Beeinflussung der Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Antragsgegnerin. Schließlich erfolgten Sanierungsmaßnahmen bei „systemrelevanten Instituten“ in enger Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden anderer Staaten, wenn das Institut dort Zweigniederlassungen hat oder in größerem Umfang Geschäfte betreibt. Der Preisgabe vertraulicher Informationen stünde auch § 3 Nr. 1 lit. a) IFG entgegen, da diese zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Zusammenarbeit mit diesen Staaten und der Gefährdung internationaler Beziehungen im Rahmen der weltweiten Bemühungen zur Stabilisierung der Kapitalmärkte führen würde. Zudem seien die Vorgänge um die im Antrag genannten Finanzinstitute Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen, so dass eine Herausgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf das Ermittlungsverfahren haben könne und somit ein Versagungsgrund nach § 3 Nr. 1 lit. g) IFG gegeben sei. Da Sanierungsmaßnahmen betreffend die D Holding AG und deren Tochterinstitute Gegenstand diverser Beratungen der Antragsgegnerin mit dem Bundesministerium der Finanzen, der Deutschen Bundesbank und des „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ (SoFFin) seien, würde eine Preisgabe entsprechender Informationen auch die Beratungen der beteiligten Behörden beeinträchtigen, so dass auch ein Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 lit. b) IFG vorliege. Darüber hinaus enthielten die einschlägigen Behördenakten der Antragsgegnerin auch zahlreiche personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Institute, so dass insoweit auch gemäß § 5 und § 6 S. 2 IFG ein Informationszugang ausgeschlossen sei.

Ein teilweiser Informationszugang in Form von geschwärzten Akten komme nicht in Betracht. Die Akten und Gutachten enthielten ausschließlich Informationen, die einen konkreten Institutsbezug aufwiesen. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass dort befindliche einzelne Informationen allgemeiner Natur oder auch bereits öffentlich bekannt seien. Aufgrund des für die Isolierung dieser nicht von § 9 KWG umfassten Informationen erforderlichen Verwaltungsaufwands und der geringen Bedeutung der Informationen für den Antragsteller habe die Antragsgegnerin jedoch von deren Herausgabe abgesehen. Aus den genannten Gründen könne auch eine nur teilweise Akteneinsicht nicht gewährt werden.

Mit weiterem Schreiben vom 20.03.2009 teilt die Antragsgegnerin mit, dass sich der Umfang der vom Informationsbegehren des Antragstellers umfassten Akten auf ca. 10.000 Seiten belaufe.

II.
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet.

Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund nicht zur Seite. Zwar hat er im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens in nachvollziehbarer Weise dargelegt, als Wirtschaftsjournalist einer großen deutschen Tageszeitung auf zeitnahen Zugang zu den von ihm näher bestimmten und bei der Antragsgegnerin vorliegenden Informationen über die D Holding AG angewiesen zu sein, um u.a. seiner beruflichen Aufgabe als Journalist nachkommen zu können. Auch kann die Antragsgegnerin dem Antragsteller nicht mit Erfolg entgegen halten, dass mit der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses durch den Deutschen Bundestag am 23.04.2009 zu den Vorgängen um die D Holding AG ein Anordnungsgrund nicht mehr gegeben sei. Der Antragsteller braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, zunächst die Ermittlungen dieses Ausschusses abzuwarten. Im Übrigen befreit die Aufklärungstätigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu einem bestimmten Sachverhalt die Antragsgegnerin nicht von der ihr grundsätzlich obliegenden Verpflichtung, einem Informationsbegehren nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes nachzukommen.

Dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes steht jedoch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Es ist nämlich grundsätzlich mit dem Wesen einer einstweiligen Anordnung nicht zu vereinbaren, eine vorläufige Regelung zu treffen, die rechtlich oder zumindest faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft. Unzulässig ist eine Vorwegnahme der Hauptsache jedenfalls dann, wenn die Entscheidung und ihre Folgen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch nach der Hauptsacheentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Diese Folge träte jedoch im Falle einer dem Antrag des Antragstellers entsprechenden gerichtlichen Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm in die im Antrag genannten Unterlagen Einsicht zu gewähren, ein, da sich mit erfolgter Einsichtnahme sowohl das bei der Antragsgegnerin laufende Widerspruchsverfahren als auch ein sich möglicherweise anschließendes Klageverfahren in der Hauptsache erledigen würden.

Allerdings gilt im Hinblick auf die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 – 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69 (77 f.) = NJW 1989, 827; BVerfG, Beschluss vom 24.03.2009 – 2 BvR 2347/08). Zwar ist der Antragsteller aufgrund der aktuellen politischen Diskussionen über den Fortbestand und die staatliche Unterstützung der D Holding AG auf einen möglichst zeitnahen Zugang zu den von ihm näher benannten Akten der Antragsgegnerin angewiesen (zur zeitlichen Komponente vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988, a.a.O.). Seinem Antrag steht jedoch entgegen, dass nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache nicht gegeben ist.

Der Antragsteller hat nicht in dem erforderlichen Maße glaubhaft gemacht, dass ihm für seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ein Anordnungsanspruch zusteht. Zwar ist der Antragsteller sowohl als Privatperson als auch als Journalist gegenüber der Antragsgegnerin gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 IFG informationsberechtigt. Seinem Begehren steht jedoch entgegen, dass die von ihm gewünschte Akteneinsicht mit einem erheblichen und nicht mehr zu vertretenden Verwaltungsaufwand der Antragsgegnerin verbunden wäre und zudem einer antragsgemäßen Einsichtnahme Verschwiegenheitspflichten nach § 9 KWG und der Schutz personenbezogener Daten i.S. des § 5 IFG und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S. des § 6 IFG entgegen stünden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung der erkennenden Kammer, dass ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand einem dem Grunde nach gegebenen Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz entgegen stehen kann. Dies kommt im Gesetz selbst zum Ausdruck. § 7 Abs. 3 S. 1 IFG bestimmt für den Fall eines zum Teil bestehenden Anspruchs auf Informationszugang, dass dem Antrag in dem Umfang stattzugeben ist, in dem der Informationszugang ohne Preisgabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen oder ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich ist. Dass der Verwaltungsaufwand informationsrechtlich eine Rolle spielt ergibt sich zudem aus § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 IFG, wonach eine beantragte bestimmte Art des Informationszugangs nur aus wichtigem Grund verweigert werden kann, insbesondere wenn diese mit einem deutlich höheren Verwaltungsaufwand verbunden ist. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die an die Antragsgegnerin gerichteten Anforderungen für eine erfolgreiche Berufung auf diese Schutzklausel im Interesse der grundsätzlichen Informationszugangsfreiheit nicht zu niedrig gestellt werden dürfen. Nach der Rechtsprechung der Kammer ist von einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand auszugehen, wenn der einschlägige Aktenbestand der Antragsgegnerin mehrere tausend Seiten umfasst und in nicht nur unwesentlichem Ausmaß geheimhaltungs- und schutzbedürftige Informationen enthält (vgl. VG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.03.2008 – 7 E 4067/06 (1): ca. 7.500 Seiten; Urteil vom 05.12.2008 – 7 E 1780/07 (1): ca. 9.520 Seiten; Urteil vom 28.01.2009 – 7 K 4037/07.F (3); vgl. demgegenüber Urteil vom 23.01.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384: Informationsanspruch bei einem Aktenumfang von knapp 200 Seiten; Urteil vom 02.07.2008 – 7 E 791/07 (1): Informationszugang bei ca. 1.400 Seiten). In einem solchen Fall scheidet zudem eine Kompensation des erforderlichen höheren Verwaltungsaufwands durch eine entsprechende Gebührenbemessung nach den Vorgaben der Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Informationsgebührenverordnung) vom 02.01.2006 (BGBl. I S. 6) aus.

Um Missverständnissen zu begegnen weist die Kammer jedoch darauf hin, dass nicht jeder begehrte Informationszugang als mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden zu qualifizieren ist, der einen behördlichen und von dem Gebührenrahmen der Informationsgebührenverordnung nicht mehr erfassten Aufwand erfordert.

Es ist davon auszugehen, dass es der Antragsgegnerin angesichts des betreffenden Aktenbestands im Umfang von ca. 10.000 Seiten nicht zugemutet werden kann, diesen gewissenhaft darauf zu sichten, ob sonstige schützenswerte Daten enthalten und gegebenenfalls zu schwärzen sind, um dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Dritter und dem gebotenen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der im Antrag benannten Finanzinstitute gerecht zu werden. Die Antragsgegnerin hat zumindest für das Eilverfahren überzeugend dargelegt, dass die im Antrag genannten Behördenakten der Antragsgegnerin zu einem erheblichen Anteil schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (u.a. Bilanzen, Finanz- und Anlagestrategien, Sanierungskonzepte etc.) enthalten.

Es liegen auch nicht die Voraussetzungen vor, um annehmen zu können, dass die bei der Antragsgegnerin verfügbaren Informationen über die im Antrag genannten Finanzinstitute nicht mehr der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 KWG unterliegen und daher auch nicht mehr schutzbedürftig sind. Zwar hat die Kammer eine Berufung auf die Verschwiegenheitspflicht nach § 9 KWG im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes für nicht zulässig erachtet, sofern es sich bei den Aktivitäten eines von der Antragsgegnerin beaufsichtigten Instituts nachweislich um kriminelle Handlungen handelte und entsprechende strafrechtliche Verurteilungen erfolgt sind (vgl. VG Frankfurt am Main, Urteil v. 12.03.2008 – 7 E 5426/06 (2): Informationsanspruch bei ca. 2.500 Seiten). Diese eine Ausnahme von § 9 KWG begründenden Voraussetzungen sind jedoch im Falle der D Holding AG nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 GKG. Da mit dem vorliegenden Eilantrag die Hauptsache vorweggenommen würde, hat das Gericht den vollen Auffangwert angesetzt.

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