Mitnahme des Festnetzanschlusses bei Umzug

16. Dezember 2010
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Eigener Leitsatz:

Sofern vertraglich nicht gesondert geregelt, hat ein Kunde bei Umzug grundsätzlich einen Anspruch auf Mitnahme seines Festnetzanschlusses. Denn es besteht ein schützenswertes Interesse des Kunden daran, dass er nicht auf einen neuen Vertrag mit neuer Laufzeit verwiesen wird, wenn der Vertrag zu den alten Bedingungen am neuen Wohnort erfüllt werden kann. Allerdings können die Kosten, die dem Telekommunkationsanbieter durch eine Änderung des Anschlusses entstehen, dem Kunden als Entgelt auferlegt werden.

Amtsgericht Lahr

Urteil vom 10.12.2010

Az.: 5 C 121/10

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 247,69 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Telekommunikationsvertrag.

Die Beklagte erteilte zusammen mit Herrn H. der Klägerin am 01.08.2007 den Auftrag, ihr einen Telefonfestnetzanschluss sowie eine DSL-Anbindung ins Internet im "C. Comfort (2)"-Tarif zur Verbindung zu stellen. Der Anschluss wurde ihnen mit der Rufnummer 0. zur Verfügung gestellt.

In der Auftragsbestätigung vom 01.08.2007 heißt es unter anderem: "Wir werden Ihren Auftrag am 13.08.2007 ausführen. Eine Montage in Ihren Räumen ist nicht erforderlich."

In der dem Vertragsverhältnis zugrunde gelegten Leistungsbeschreibung heißt es u.a.: "Die D. (im Folgenden D. genannt) überlässt dem Kunden im Rahmen der bestehenden technischen und betrieblichen Möglichkeiten C. Comfort (2) Anschluss mit einem analogen Telefonanschluss (im Folgenden Standard-Anschluss genannt), DSL 6000 der D. und Internetleistungen mit Flatrate zur Datenübertragung für den Zugang zum Internet über den DSL der D."

Noch vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit von 24 Monaten zogen die Beklagte und Herr H. am 12.12.2008 innerhalb ihres bisherigen Wohnortes um.

Sie zeigten dies mit Schreiben vom 03.12.2008 der Klägerin an und baten darum, den früheren Tarif auch an ihrem neuen Wohnsitz weiter nutzen zu können. Die Klägerin lehnte dies mit Schreiben vom 11.12.2008 ab und bot der Beklagten und Herrn H. den Abschluss eines neuen Vertrages ("C. Comfort (4) ") mit geänderten Konditionen und einer neu beginnenden Laufzeit von 24 Monaten an. Die Beklagte und Herr H. nahmen dieses Angebot nicht an. Mit Anwaltsschreiben vom 17.12.2008 forderten sie die Klägerin dazu auf, bis zum 30.12.2008 zu erklären, dass das Vertragsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen auch unter der neuen Wohnanschrift fortgeführt werde. Als es zu keiner entsprechenden Erklärung von Seiten der Klägerin kam, erklärten die Beklagte und Herr H. gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 07.01.2009 die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses.

Die Klägerin stellte der Beklagten sodann die Erbringung ihrer Dienste am alten Wohnort zum alten Tarif bis Juni 2009 in Rechnung. Die Beklagte bezahlte die bis zum Zugang der Kündigung vom 07.01.2009 entstandenen Kosten. Weitere Zahlungen leistete sie nicht. Die Klägerin fordert für den verbleibenden Zeitraum einen Betrag in Höhe von 247,69 Euro.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei zur Erfüllung des ursprünglichen Vertrages verpflichtet gewesen. Durch den Umzug der Beklagten sei der Klägerin die weitere Erfüllung nicht mehr möglich, da der Festnetzvertrag ein ortsgebundener Vertrag sei. Der Vertrag nach den alten Bedingungen werde von der Klägerin nicht mehr angeboten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 247,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.07.2009 sowie 11,62 Euro Nebenkosten und 39,00 Euro außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Die Beklagte meint, das Vertragsverhältnis sei durch ihre Kündigung beendet worden. Die Klägerin hätte ihr eine Fortsetzung des Vertrages am neuen Wohnort anbieten müssen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der zwischen den Parteien geschlossene Telekommunikationsvertrag wurde durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.01.2009 beendet, so dass der Klägerin kein Anspruch auf Entgelt für die Zeit nach Zugang der Kündigung zusteht.

1.1 Auf den vorliegenden Telekommunikationsvertrag ist Dienstvertragsrecht nach §§ 611 ff. BGB anzuwenden.

Bei der rechtlichen Einordnung von Telekommunikationsverträgen gibt es unterschiedliche Meinungen. Möglich erscheint die Einordnung als Dienstvertrag, als Mietvertrag, als Werkvertrag oder als Vertrag eigener Art.

Nach den vertraglichen Vereinbarungen liegt der Schwerpunkt des Vertragszwecks auf der Gewährleistung eines Netzzugangs zum Telefon-Festnetz sowie zum DSL-Netz. Gleichzeitig geht es um die Gewährung eines Zugangs zum Internet mittels einer Flatrate. Der Anbieter schuldet beim DSL-Anschluss das Bereithalten des Anschlusses und den Transport von Daten in das und aus dem Internet sowie im Bereich des Festnetzanschlusses die Herstellung von Verbindungen zwischen den Kunden und Dritten sowie den Transport von Informationen. Damit liegen schwerpunktmäßig dienstvertragliche Elemente vor (BGH, Beschluss vom 23.03.2005 -III ZR 338/04).

Die Charakterisierung des Festnetzvertrages als Mietvertrag stammt aus einer Zeit, als von der damaligen Deutschen Bundespost ein Telefon mitgeliefert wurde, das benutzt werden musste (Härting/Müßig K u. R 2009, 233). Nach der Beendigung des Vertrages musste dieses Gerät zurückgegeben werden. Heutzutage kann jeder Nutzer ein eigenes Endgerät einsetzen. Der Hausanschluss wird dem Nutzer zwar noch gestellt, aber er ist Mittel zum Zweck der Herstellung von Verbindungen zwischen dem Kunden und Dritten. Nach dem Vertragszweck liegt demgemäß keine "Anschlussmiete" vor.

Einer Einordnung als Werkvertrag steht der Umstand entgegen, dass die Klägerin bei dem vorliegenden Vertrag nicht dafür einstehen will, dass ununterbrochen eine Telefon- bzw. Internetverbindung besteht. Auch das Abnahmeerfordernis des Werkvertragsrechts passt nicht zu den monatlich vereinbarten Zahlungen.

Für die Annahme eines Vertrages eigener Art gibt es kein Bedürfnis, da auch bei der Annahme der Anwendbarkeit Dienstvertragsrechtes dieses immer anhand der konkreten vertraglichen Vereinbarungen zu überprüfen ist. Wenn die Parteien Abweichungen zu den gesetzlichen Vorschriften vereinbart haben, die sich aus den Gegebenheiten des Vertragsgegenstandes ergeben, so sind sie auch nach AGB-Recht anzuerkennen.

1.2 Der Beklagten stand ein außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 626 BGB zu, da die Klägerin trotz Mahnung und Fristsetzung gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen hat.

1.2.1 Der Umzug der Beklagten stellt keinen Beendigungsgrund für das Vertragsverhältnis dar. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Risiko eines Umzugs im Rahmen eines DSL-Laufzeitvertrages bei einer Unmöglichkeit der Leistungserbringung an dem neuen Wohnsitz grundsätzlich allein die Interessenssphäre des Kunden betrifft, so dass daraus kein Kündigungsgrund hergeleitet werden kann (BGH Urteil vom 11.11.2010 -III ZR 57/10).

1.2.2 Die Ablehnung der unstreitig am neuen Wohnort möglichen Fortsetzung des bisherigen Vertrages auch nach Mahnung und Fristsetzung mit Ankündigung der außerordentlichen Kündigung stellt einen so schwerwiegenden Verstoß gegen die vertraglichen Treuepflichten dar, dass der Beklagten auch unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien eine Fortsetzung des Vertrages nicht zuzumuten war.

1.2.2.1 Eine ausdrückliche Bindung an einen Ort der Leistungsgewährung lässt sich dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht entnehmen.

Aus der Charakterisierung des Anschlusses als "Festnetzanschluss" ergibt sich nicht automatisch, dass dieser nur an dem ursprünglich vereinbarten Ort geleistet werden könnte. Der Begriff des "Festnetzanschlusses" dient in erster Linie der Abgrenzung vom Begriff des "Mobilfunkanschlusses". Dies bedeutet, dass der Festnetzanschluss stationär eingerichtet wird und nicht ständig auch an anderen Orten verfügbar ist.

Bei dem streitgegenständlichen Dienstvertrag hängt eine Nutzung der Dienste an einem anderen Ort davon ab, inwieweit an dem in der neuen Wohnung vorhandenen physikalischen Anschluss eine Freischaltung der Rufnummer erfolgt, wobei durch den vorliegend erfolgten Umzug innerhalb einer Stadt diese Rufnummer nicht geändert werden musste.

1.2.2.2 Die Verpflichtung der Klägerin zur Durchführung der Schaltung des Anschlusses in der neuen Wohnung ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach § 242 BGB.

Die Parteien haben für den Fall des Umzugs mit der Möglichkeit, den Vertrag an dem neuen Ort fortzusetzen, keine Regelung getroffen. Dabei handelt es sich um eine Vertragslücke, da der Kunde eines Dienstvertrages ohne entsprechende Hinweise in dem Vertrag nicht damit rechnen muss, dass er den Vertrag bei technischer Möglichkeit nicht in der neuen Wohnung fortsetzen kann.

Es besteht ein schützenswertes Interesse des Kunden daran, nicht auf einen neuen Vertrag mit einer neu beginnenden Laufzeit verwiesen zu werden, wenn der Vertrag nach den alten Bedingungen erfüllt werden kann. Die Klägerin erklärt zwar, dass sie im Rahmen von Neuverträgen den bisherigen Tarif nicht mehr anbietet. Allerdings erfolgten die Leistungen der Klägerin in der alten Wohnung nach dem alten Vertrag, so dass nicht nachvollziehbar erscheint, dass entsprechende Leistungen bei einer Vertragsfortsetzung nicht auch in der neuen Wohnung möglich sein sollten.

Die Klägerin hat wiederum ein Interesse daran, dass ihr der Aufwand erstattet wird, der für sie durch die Änderung des Anschlusses entsteht. Hierzu wird man aus dem Preis- und Leistungskatalog der Klägerin das Entgelt für die Schaltung eines Neuanschlusses heranziehen können. Bei einer Abdeckung dieser Kosten ist ein weitergehendes schützenswertes Interesse der Klägerin, das bei der Schließung der Regelungslücke des Vertrages zu berücksichtigen wäre, nicht ersichtlich.

Die Fälle, in denen dem Kunden eine Kündigung kompensationlos verwehrt wird, betreffen Sachverhalte, in denen die bisherigen Leistungen am neuen Ort aus technischen Gründen nicht zu erbringen sind. Hier wird der Anbieter nach § 275 BGB von seiner Leistungspflicht befreit, da ihm durch den Umzug der Kunden die Leistungserbringung unmöglich gemacht wurde. Vorliegend besteht aber die technische Möglichkeit der weiteren Leistungserbringung in der neuen Wohnung, so dass der Vertrag fortgesetzt werden kann.

1.2.2.3 Durch die Klägerin erfolgte ausweislich des Schreibens vom 11.12.2008 eine komplette Ablehnung der Möglichkeit der Fortsetzung des bisherigen Vertrages, so dass es eines Angebotes der Beklagten auf Übernahme der durch die Umschaltung des Anschlusses entstehenden Kosten nicht bedurfte.

1.3 Die Kündigung vom 07.01.2009 erfolgte innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB, da die Beklagte nach dem Ablehnungsschreiben der Klägerin vom 11.12.2008 berechtigt war, mit dem Rechtsanwaltsschreiben vom 17.12.2008 unter Fristsetzung bis zum 30.12.2008 ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen mit der Ankündigung der fristlosen Kündigung.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreites beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

3. Die Berufung wird nach § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen, da dies zur Fortbildung des Rechts erforderlich erscheint.

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