Keine Prüfungspflichten bei Übernahme von Zeitungsartikeln

17. Oktober 2008
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Eigener Leitsatz:

Ein Betreiber eines Internetforums treffen keine besonderen Prüfungspflichten bezüglich übernommener Artikel aus einer weit verbreiteten Tageszeitung. Durch eine Prüfung träte nämlich nicht nur eine Lähmung der individuellen Meinungsfreiheit ein, es würden vielmehr würde auch der gesellschaftliche Kommunikationsprozess verengt, wenn Presseberichte, die ihre meinungsbildende Funktion erfüllen, vom Einzelnen, der sich aufgrund solcher Berichte eine Meinung gebildet hat, nicht mehr verwertet werden dürften, weil er den Beweis für ihre Wahrheit nicht antreten kann. Beides ließe sich mit dem Sinn von Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbaren.<br/><br/>

Landgericht Berlin

Beschluss vom 11.09.2008

Az.: 27 O 829/08

In dem Verfahren (…)

hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO bei einem Wert von 10.000,00 EUR zu tragen.

Entscheidungsgründe:

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, nachdem es in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, weil dies der Billigkeit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand entspricht (§ 91a Abs. 1 S. 1 ZPO).

Ein Unterlassungsanspruch bestand im Hinblick auf die Grundsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts AfP 1992, 53, 57 von Anfang nicht. In dieser Entscheidung heißt es u.a., es würden „die Anforderungen an die Darlegungspflicht überspannt, wenn jemand, der eine herabsetzende Behauptung über Dritte aufstellt, die nicht seinem eigenen Erfahrungsbereich entstammt und seine eigenen Überprüfungsmöglichkeiten übersteigt, sich zur Begründung seiner Behauptung nicht auf unwidersprochene Pressemitteilungen beziehen darf.

Zwar gilt im allgemeinen, dass eine unbewiesene Tatsachenbehauptung herabsetzenden Charakters nicht deswegen zulässig wird, weil sie auch von anderen unwidersprochen aufgestellt worden ist. Es steht dem Gekränkten frei, gegen einzelne Schädiger vorzugehen und andere zu verschonen. Die Motive seiner Auswahl spielen dabei keine Rolle. Allerdings lassen sich diese Grundsätze nicht unbesehen auf eine Fallgestaltung übertragen, in der die nachteilige Behauptung zunächst unwidersprochen in der Presse oder anderen öffentlich zugänglichen Quellen erschienen ist. Der Presse obliegt zwar nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte eine besondere Sorgfaltspflicht bei der Verbreitung nachteiliger Tatsachen. Vom Einzelnen darf eine vergleichbare Sorgfalt aber nur verlangt werden, soweit er Tatsachenbehauptungen aus seinem eigenen Erfahrungs- und Kontrollbereich aufstellt. Dagegen ist es ihm bei Vorgängen von öffentlichem Interesse, namentlich solchen aus nicht transparenten Politik- und Wirtschaftsbereichen, regelmäßig nicht möglich, Beweise oder auch nur Belegtatsachen aufgrund eigener Nachforschungen beizubringen. Er ist insoweit vielmehr auf die Berichterstattung durch die Medien angewiesen.

Würde man dem Einzelnen gleichwohl auch insoweit nachprüfbare Angaben abverlangen, so hätte das zur Folge, dass er herabsetzende Tatsachen, die er der Presse entnommen hat, überhaupt nicht mehr aufgreifen und zur Stützung seiner Meinung anführen dürfte. Damit träte aber nicht nur eine Lähmung der individuellen Meinungsfreiheit ein. Vielmehr würde auch der gesellschaftliche Kommunikationsprozess verengt, wenn Presseberichte, die ihre meinungsbildende Funktion erfüllen, vom Einzelnen, der sich aufgrund solcher Berichte eine Meinung gebildet hat, nicht mehr verwertet werden dürften, weil er den Beweis für ihre Wahrheit nicht antreten kann. Beides ließe sich mit dem Sinn von Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbaren. Werden die zivilrechtlichen Vorschriften im Lichte dieses Grundrechts ausgelegt, so darf ein Einzelner, der Presseberichte guten Glaubens aufgreift und daraus verallgemeinernde Schlussfolgerungen zieht, erst dann zur Unterlassung oder zum Widerruf verurteilt werden, wenn die Berichterstattung erkennbar überholt oder widerrufen ist."

So liegt es hier. Der Antragsgegner hat die angegriffene Meldung lediglich aus einer weit verbreiteten Tageszeitung, ohne eigenen Recherchen vorzunehmen, in sein Internetangebot — aufgenommen. Als er abgemahnt worden ist, hat er die beanstandeten Stellen in dem Artikel geschwärzt.

Der Antragsgegner hat daher nach den oben genannten Grundsätzen durch die Aufnahme des „WAZ"-Artikels in seine Internet-Seite nicht rechtswidrig gehandelt, so dass es an der Gefahr der Wiederholung einer rechtsverletzenden Handlung fehlt. Anhaltspunkte für die Annahme einer (Erstbegehungs-) Gefahr sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch der Umstand, dass der Antragsgegner die vom Antragsteller geforderte Unterlassungsverpflichtungserklärung im Wortlaut auf seiner Internetseite wiedergibt, ändert hieran nichts. Der Antragsgegner gibt nämlich auch die Richtigstellung, die vom Antragsteller gewünscht war, wieder. Aus ihr ergeben sich ebenfalls die Äußerungen, hinsichtlich derer der Antragsteller die Unterlassung begehrt, so dass die Wiedergabe der Unterlassungserklärung keine weitergehende Rechtsverletzung hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Äußerungen enthält.

Schließlich gilt auch im Hinblick auf den vom Antragsgegner der Richtigstellung beigefügten Zusatz nichts anderes. Dieser enthält jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass der Antragsgegner Zweifel an dem vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt und der inhaltlichen Berechtigung des geltend gemachten Unterlassungsbegehrens hätte.

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