Unzulässige Verdachtsberichterstattung

18. September 2008
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Eigener Leitsatz:

Verdachtsberichterstattungen sind grundsätzlich ein rechtmäßiges Mittel, wenn die Medien bei der Verbreitung einer umstrittigen Behauptung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt haben. Dies ist dann der Fall, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Informationsinteresse die gefährdeten oder verletzten Interessen des von einer Berichterstattung Betroffenen überwiegt, und wenn die betreffende Redaktion bei der Recherche die gebotene pressemäßige Sorgfalt gewahrt hat.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 11.04.2008

Az.: 324 O 818/07

In der Sache (…)

erkennt das Landgericht Hamburg aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22.02.2008 und 11.04.2008 durch die Richter …

für R e c h t:

1. Das Versäumnisurteil vom 26.02.2008 wird aufrechterhalten.

2. Der Antragsgegner hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin ist ein Tischlereibetrieb. Sie hatte bei Bauvorhaben, unter anderem bei dem Projekt … in R., mit der Firma … zusammengearbeitet und für diese Bauleistungen erbracht. Der Antragsgegner, ein eingetragener Verein, betreibt eine Webseite mit aktuellen Nachrichten für Mecklenburg-Vorpommern.

Bei der Firma …,mit der die Antragstellerin zusammengearbeitet hatte, war es zu Ermittlungen der Rostocker Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue und des Subventionsbetruges gekommen. Im Zuge der Ermittlungen waren Hausdurchsuchungen bei der … und in den Geschäftsräumen der Antragstellerin durchgeführt worden.

Der Antragsgegner veröffentlichte auf der von ihm verantworteten Homepage mv.regio.de am 2. August 2007 einen Artikel mit der Überschrift „Hausdurchsuchung – Rostocker Staatsanwaltschaft ermittelt gegen …. Zwischen den Parteien ist streitig, welchen genauen Wortlaut die Erstmitteilung hatte (Anlage ASt 4 oder Anlage B 1). Unstreitig beschäftigte sich die Berichterstattung mit den Hausdurchsuchungen und den Vorwürfen gegenüber der … und der Antragstellerin. Streitig ist, ob von der Antragstellerin als „… nahe R.“ (Anlage ASt 4) oder als „… nahe R.“ (Anlage B I) die Rede ist. Die beiden von den Parteien eingereichten Anlagen weichen insoweit voneinander ab, als es in der Anlage ASt 4 heißt:

„Auch in der … nahe R. durchsuchte die Polizei währenddessen die Geschäftsräume. (…) Die Vorstandsvorsitzende V. soll unter Anderem Ausschreibungen fit Bauleistungen in Zusammenarbeit mit der Tischlerei … in E. manipuliert haben. (…) Es besteht die Vermutung, dass die Tischlerei … ein Dumpingangebot nach Vorgabe der Ausschreibung abgegeben habe. (…) Eine Schlüsselrolle soll der Exehemann der Frau V. gespielt haben: Er ist Geschäftsführer und zugleich 50-prozentiger Gesellschafter der …“.

Dagegen heißt es an den entsprechenden Textstellen von Anlage B 1:

„Auch in einer … nahe R. durchsuchte die Polizei währenddessen die Geschäftsräume. (…) Die Vorstandsvorsitzende V. soll unter Anderem Ausschreibungen für Bauleistungen in Zusammenarbeit mit dieser Tischlerei in E. manipuliert haben. (…) Es besteht die Vermutung, dass die Tischlerei ein Dumpingangebot nach Vorgabe der Ausschreibung abgegeben habe. Eine Schlüsselrolle soll der Exehemann der Frau gespielt haben: Er ist Geschäftsführer und zugleich 50-prozentiger Gesellschafter der … GmbH“.

Darüber hinaus enthält die Berichterstattung in Anlage ASt 4 vier Fotos. Das letzte Foto, das Frau V. zeigt, worauf im Text hingewiesen wird, befindet sich, anders als die ersten drei Fotos, nicht am rechten Rand, sondern in der Mitte der Seite.

Die Berichterstattung, die vom Antragsgegner als Anlage B 1 eingereicht wird, enthält keine Fotos. Dennoch wird im Text an verschiedenen Stellen auf Fotos verwiesen („Foto unten“, „Foto mitte“, „Frau V. (Foto)“).

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Erstmitteilung wird auf die Anlagen ASt 4 und B 1 verwiesen. Laut Auszug aus den Gelben Seiten (Anlage B 2) befinden sich einschließlich der Klägerin vier Tischlereien in E..

Die Antragstellerin mahnte den Antragsgegner mit Schreiben vom 3. September 2007 ab (ASt 5, 6), eine Unterlassungsverpflichtungserklärung wurde nicht abgegeben. Am 06.09.2007 beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nach Hinweis durch die Kammer und einer Umstellung des Antrags wurde dem Antragsgegner verboten, durch die Berichterstattung:

„Auch in der … nahe R. durchsuchte die Polizei währenddessen die Geschäftsräume. Dieser Tischlereibetrieb, der u. a. auch Familienangehörige von Frau V. beschäftigen soll, arbeitet seit Jahren eng mit der … zusammen und soll diverse Objekte für die … mit Fenster und Türen sowie anderen Baumaterialien ausgestattet haben. Gegenstand der offensichtlich umfangreichen Ermittlungen der Rostocker Staatsanwaltschaft und der Rostocker Polizei ist der Verdacht der Untreue sowie des Subventionsbetruges und der Bestechlichkeit in mehreren Fällen. Auslöser dieser Aktion war eine Strafanzeige eines Insiders. Die Vorstandsvorsitzende V. soll unter Anderem Ausschreibungen für Bauleistungen in Zusammenarbeit mit der Tischlerei … in E. manipuliert haben.

Im Jahr 2002/2003 hat die … im R. Stadtteil … den … entwickelt und gebaut. Dafür sollen hochwertige Fenster, Türen sowie Dachkonstruktionen von der … in einem Bieterverfahren ausgeschrieben worden sein. Es besteht die Vermutung, dass die Tischlerei … ein Dumpingangebot nach Vorgabe der Ausschreibung abgegeben habe. Dadurch habe dieser Betrieb den Zuschlag erhalten aber bei der Ausführung der Arbeiten minderwertige Materialien verwendet. Hierzu sollen fir Ausschreibungen und Baukontrolle Architekturbüros zwischengeschaltet worden sein, die laut Weisung des Vorstandes der … sowohl die minderwertigen Qualitäten als auch die geringen Bauleistungen als hochwertig und qualitativ der Ausschreibung entsprechend bestätigt haben sollen. Die Differenz der Preise soll der persönlichen Verwendung zugeführt worden sein. Nach ersten groben Schätzungen könnte es sich dabei um Beträge in Millionenhöhe handeln. Eine Schlüsselrolle soll der Exehemann der Frau V. gespielt haben: Er ist Geschäftsführer und zugleich 50-prozentiger Gesellschafter der ….

Der damalige Ehemann soll in Zusammenarbeit mit dem namensgebenden Gesellschafter des  Tischlereibetriebes selbst oder über zwischengeschaltete Unternehmen als Hauptauftragsnehmer fungiert haben. In dieser Funktion sollen die Bauleistungen von der … über Scheinfirmen mit Sitz im Ausland an Dritte weiter vergeben haben. Die Bezahlung sei durch die … erfolgt, und zwar zeitnah und in voller Höhe an die Scheinfinnen. Deren Subunternehmer seien aber nur unzureichend oder gar nicht bezahlt worden. Auch die daraus resultierenden Einnahmen sollen privaten Zwecken zugeführt worden sein.

Zeitnah mit der Berufung der Frau V. (Foto) zum Vorstand auf Lebenszeit bei der … sollen nach Informationen von MVregio News sämtliche Bauleistungen an die gerade frisch gegründeten Unternehmungen Ihres Ex-Ehemannes vergeben worden sein. In der Zeit 1999 bis heute hat die … fast ihren restlichen noch unsanierten Wohnungsbestand abgearbeitet. Immer wieder sollen dabei Unternehmungen ihres Ex-Mannes eine Rolle gespielt haben.“

den Verdacht zu verbreiten, die Firma … habe – in Absprache mit der … – entgegen den Vorgaben einer Ausschreibung minderwertige Materialien geliefert bzw. eingebaut und/oder geringe Bauleistungen als hochwertige deklariert und/oder geringe von den daraus resultierenden Einnahmen profitiert.

Der Antragsgegner behauptet, bei dem von der Antragstellerin als Anlage ASt 4 vorgelegten Artikel handele es sich eine Fälschung, was sich auch daraus ergebe, dass die venvendeten Fotos auf den Originalseiten von MVregio stets am rechten Rand untereinander gesetzt würden und eine Verschiebung wie auf der von der Antragstellerin eingereichten Version nur dann entstehen könne, wenn der Artikel verändert werde, was auch problemlos möglich sei. Ausschließlich veröffentlicht worden sei der als Anlage B 1 vorgelegte Artikel, in dem die Antragstellerin nicht namentlich benannt worden sei. Der Verfasser des streitgegenständlichen Artikels versichert an Eides Statt, dass der Beitrag nie in der von der Klägerin vorgelegten Form veröffentlicht worden sei, er habe den Beitrag bewusst ohne Nennung des Namens der Tischlerei geschrieben und ins Netz gestellt (nicht nummerierte Anlage nach der Anlage B 3). Damit sei die Antragstellerin nicht eindeutig identifizierbar.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, der Bericht stelle keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin dar. Es gehe nur um ihr Verhalten in der Öffentlichkeit. Es werde deutlich, dass nur über einen Verdacht bzw. eine Vermutung berichtet werde. Die Abwägung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin und des Informationsinteresses der Öffentlichkeit falle hier zu Gunsten der Öffentlichkeit aus, bei der … handele es sich um einen im R. Stadtgebiet großen und bekannten Vermieter. Dass ein entsprechender Verdacht gegen die Vorstandsvorsitzende der … bestanden habe, ergebe sich aus einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft (Anlage B 3).

Dem Antragsgegner sei bei der Berichterstattung ein Bericht eines Insiders bekannt gewesen, wonach hochwertige Fenster ausgeschrieben waren, aber nur Fenster mittlerer Art und Güte von der Antragstellerin eingebaut worden seien, was der Autor des streitgegenständlichen Beitrags auch an Eides Statt versichert (nicht nummerierte Anlage nach der Anlage B 3). Dieser Insider, …, der als Architekt an den Planungen des Objekts … beteiligt gewesen war, versichert an Eides Statt, dass Herr … von der Antragstellerin nach Ankündigung von Frau V. bei ihm im Büro erschienen sei und das Leistungsverzeichnis am PC verändert habe, dabei habe er einige Materialien gegen höhenwertige ausgetauscht. Das so veränderte Leistungsverzeichnis sei Grundlage für die öffentliche Ausschreibung geworden. Die Antragstellerin habe den Zuschlag erhalten, da sie die höherwertigen Materialien wesentlich preiswerter angeboten habe als die Mitbewerber. Später seien entsprechend der Absprache mit Frau V. geringwertigere Materialien eingebaut und akzeptiert worden. Im Ergebnis habe die Antragstellerin geringwertige Materialien überteuert angeboten. Als Beispiel führt er an, dass Herr J. die Ausschreibung von F 30 Dachluken (Preis pro Stück ca. 400,- Euro) in F 90 Dachluken (Preis pro Stück ca. 1.500,- Euro) verändert habe und sodann F 90 Dachluken für 562,40 Euro angeboten habe, so dass er faktisch die F 30 Dachluken überteuert verkauft habe, jedoch im Vergleich zu den anderen Anbietern den Eindruck erweckt habe, F 90 Dachluken sensationell günstig anzubieten. Insgesamt dürften die Vorteile fir die Antragstellerin bei etwa 70.000,- Euro liegen (zweite nicht nummerierte Anlage nach Anlage B 3).

Nachdem der Antragsgegner in der ersten mündlichen Verhandlung am 26. Februar 2008 keinen Antrag gestellt hat und antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen wurde, hat er fristgerecht gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt.

Der Antragsgegner beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 26. Februar 2008 die einstweilige Verfügung vom 26. September 2007 aufzuheben und den zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen.

Die Anfragstellerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 26. Februar 2008 aufrecht zu erhalten.

Die Antragstellerin behauptet, die streitgegenständlichen Passagen in der Berichterstattung seien unwahr. Bei der Ausführung von Aufträgen der …, insbesondere beim Einbau von Baumaterialien, seien keine minderwertigen Produkte verwendet worden. Qualität und Quantität der eingebauten Materialien hätten den Vorgaben des Auftraggebers entsprochen, so dass auch keine „Differenz der Preise“ habe entstehen können. Die Antragstellerin beruft sich zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags auf zwei eidesstattliche Versicherungen (Anlagen ASt 1 und 2). auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Der von der Antragstellerin als Anlage ASt 4 vorgelegte Artikel sei keine Fälschung. Eine Mitarbeiterin der Antragstellerin und die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hätten die streitgegenständliche Berichterstattung jeweils unmittelbar und ohne Veränderungen vorzunehmen ausgedruckt. Der von der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ausgedruckte Artikel sei als Anlage ASt 4 beigefügt worden. Dies macht die Antragstellerin durch Eidesstattliche Versicherungen ihrer Mitarbeiterin und ihrer Prozessbevollmächtigten glaubhaft (Anlagen ASt 8, 9). Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung sei der Beitrag zunächst entfernt und später in Form von Anlage B 1 wieder ins Netz eingestellt worden.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Berichterstattung verletze sie in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Sitzungen vom 22.02.2008 und vom 11.04.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung und der Einspruchsverhandlung war das Versäumnisurteil vom 26.02.2008 aufrecht zu erhalten. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. I GG zu, denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.

1) Die Kammer legt zugrunde, dass der streitgegenständliche Beitrag zunächst in Form der von der Antragstellerin als Anlage ASt 4 eingereichten Fassung auf die Homepage des Antragsgegners eingestellt wurde. Die insoweit glaubhaftmachungsbelastete Antragstellerin hat dies mit der Anlage ASt 4 und den eidesstattlichen Versicherungen ihrer Mitarbeiterin und ihrer Prozessbevollmächtigten (Anlagen ASt 8, 9) glaubhaft gemacht.

Dagegen bestehen erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei der vom Antragsgegner eingereichten Version des Artikels (Anlage B I) um die ursprünglich veröffentlichte Version handelt:

Zum einen enthält diese Version überhaupt keine Fotos, während im Text selbst an verschiedenen Stellen auf Fotos verwiesen wird: „(Foto unten) (…) (Foto mitte) (Foto)“. Dass „ausschließlich“ (so der Antragsgegner) die in Anlage B 1 eingereichte Version veröffentlicht worden wäre, erscheint vor diesem Hintergrund mehr als zweifelhaft. Im Übrigen beruft sich der Antragsgegner für den Umstand, dass die Version der Antragstellerin eine Fälschung sei, darauf, dass die Fotos bei ihm immer am rechten Rand lägen. Daran, dass ein Foto „verrutscht“ sei, merke man, dass der Beitrag verändert worden sein müsse. Damit scheint der Antragsgegner auch selbst davon auszugehen, dass die vier Fotos von ASt 4 auf der Homepage auch enthalten waren. Dies spricht dafür, dass gerade bei der als Anlage B 1 eingereichten Version eine Veränderung vorgenommen wurde und es sich dabei nicht um die „ausschließlich“ veröffentlichte Version handelt.

Desweiteren datiert der Ausdruck der Antragstellerin vom 04.09.2007, also von einem Zeitpunkt einen Tag nach der Abmahnung (Anlage ASt 5), während der Ausdruck des Antragsgegners kein Ausdrucksdatum erkennen lässt, so dass eine zeitliche Zuordnung bei der Anlage B 1 nicht möglich ist.

Schließlich ist in der vorn Antragsgegner eingereichten Berichterstattung zunächst an drei Stellen lediglich von einer „…“ bzw. einer „Tischlerei in E.“ die Rede. Bei der vierten und letzten Nennung heißt es sodann: „Er ist Geschäftsführer und zugleich 50-prozentiger Gesellschafter der … GmbH“. Wieso – nachdem die Antragstellerin zuvor durchgehend als „…“ bzw. Tischlerei in B.“ bezeichnet wurde – unvermittelt und ohne inhaltlichen Bezug von der … GmbH“ die Rede ist, erschließt sich nicht, zumal diese Formulierung auch sprachlich jedenfalls ungewöhnlich ist.

Dagegen ist die Behauptung, bei der von der Antragstellerin eingereichten Version müsse eine Veränderung schon wegen des Umstandes erfolgt sein, dass Fotos sonst immer am rechten Rand abgebildet werden, nicht glaubhaft gemacht worden. Der Glaubhaftmachung der Antragstellerin dass der Beitrag unverändert ausgedruckt wurde steht insoweit keine Glaubhaftmachung des Antragsgegners entgegen. Im Übrigen findet sich im Anlagenkonvolut ASt 7 auch ein Beitrag, bei dem zwei Fotos nebeneinander eingestellt sind. Der Antragsgegner hat nicht behauptet, dass dieser Ausdruck verändert worden sei.

Nach alldem verbleiben hinsichtlich der Behauptung des Antragsgegners, es sei ausschließlich die mit Anlage B 1 eingereichte Version des Beitrags veröffentlicht worden so erhebliche Zweifel, dass die Kammer aufgrund der in sich schlüssigen Glaubhaftmachung der Antragstellerin zugrunde legt, dass die Veröffentlichung zunächst entsprechend der Anlage ASt 4 erfolgte.

Im Übrigen wäre auch bei Zugrundelegung von Anlage B 1 die Antragstellerin erkennbar, da nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners vier Tischlereien in E. existieren und in der Berichterstattung gem. Anlage B 1 erwähnt wird, dass der Exehemann von Frau V. Geschäftsführer und zugleich 50-prozentiger Gesellschafter der … GmbH sei. Damit musste – was ausreicht – die Antragstellerin befürchten, von Dritten erkannt zu werden, denen aufgrund näherer Kenntnisse der Verhältnisse der Antragstellerin mit diesen Angaben eine Zuordnung möglich war.

2) Bei der Berichterstattung des Antragsgegners handelt es sich um eine Verdachtsberichterstattung, aufgrund derer der durch die einstweilige Verfügung verbotene Verdacht erweckt wird, die Antragstellerin habe in Absprache mit der … entgegen den Vorgaben einer Ausschreibung minderwertige Materialien geliefert bzw. eingebaut und/oder geringe Bauleistungen als hochwertig deklariert und/oder von den daraus resultierenden Einnahmen profitiert. Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung ist die als Verdacht geschilderte Tatsachenbehauptung unwahr (a). Auch entspricht die Berichterstattung nicht den Grundsätzen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung (b).

a) Die Beweislast für die Wahrheit der angegriffenen Verdachtsberichterstattung liegt beim Antragsgegner. Im Ausgangspunkt trägt zwar derjenige die Darlegungs- und Beweislast für die Unwahrheit einer Behauptung, der sich gegen die Äußerung wendet. Entgegen dieser im Zivilprozess grundsätzlich geltenden Regel, dass derjenige, der einen Anspruch geltend macht, dessen tatbestandliche Voraussetzungen zu beweisen hat, muss nach der ins Zivilrecht transformierten Beweislastregel des § 186 StGB derjenige, der Behauptungen aufstellt oder verbreitet, die geeignet sind, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder sonstwie seinen sozialen Geltungsanspruch zu beeinträchtigen, im Streitfalle ihre Richtigkeit beweisen (Soehring, Presserecht 3. Auflage 2000, Rn 30.24). So liegt es aber hier. Der Antragstellerin wird der Vorwurf strafbaren Verhaltens gemacht, was geeignet ist, sie in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.

Allerdings gilt grundsätzlich, dass es im Anwendungsbereich des § 186 StGB zu einer abermaligen Umkehr der Beweislast kommt, wenn die Medien bei der Verbreitung einer umstrittenen Behauptung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt haben; in diesem Fall wird die generelle Regel wieder hergestellt, dass Unklarheiten in der Sachverhaltsaufklärung zu Lasten des Anspruchstellers gehen (vgl. Soehring, aaO Rn 30.25; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn 297; BGH NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt). Dies ist dann der Fall, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Informationsinteresse die gefährdeten oder verletzten Interessen des von einer Berichterstattung Betroffenen überwiegt, und wenn die betreffende Redaktion bei der Recherche die gebotene pressemäßige Sorgfalt gewahrt hat (Löffler/Ricker Handbuch des Presserechts 5. Auflage 2005 41. Kapitel Rn 10 mwN). Hier hat der Antragsgegner die pressemäßige Sorgfalt nicht gewahrt, so dass er sich nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann. Es fehlt bereits an einer hinreichenden Recherche, da die Antragstellerin nicht zu den Vorwürfen angehört und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.

Den Beweis für die Richtigkeit der vom Antragsgegner aufgestellten Verdachtsbehauptungen hat dieser nicht geführt, es liegt die Situation eines „non liquet“ vor, bei der offen ist, welche der Glaubhaftmachungen der Wahrheit entspricht.

Die Glaubhaftmachung des Autors des streitgegenständlichen Beitrags (nicht nummerierte Anlage nach der Anlage B 3) ist unergiebig. Er versichert keine eigenen Wahrnehmungen, sondern nur Umstände, die ihm ein Informant berichtet habe.

Der Architekt … versichert an Eides Statt (zweite nicht nummerierte Anlage nach der Anlage B 3), dass Hr. … (der Mehrheitsgesellschafter der Antragstellerin) die Ausschreibung in Absprache mit Frau V. so verändert habe, dass Mitkonkurrenten höhere Gebote abgegeben hätten und er darunter liegende Angebote gemacht habe, die jedoch preislich über den absprachegemäß tatsächlich einzubauenden Materialien gelegen hätten, so dass er das scheinbar günstigste Angebot abgegeben und den Zuschlag bekommen habe, faktisch jedoch überteuerte Leistungen abgerechnet habe, was er anhand des Beispiels der Dachfenster illustriert.

Dagegen versichern die beiden Gesellschafter der Antragstellerin an Eides Statt, dass die Qualität und Quantität der eingebauten Materialien den Vorgaben des Auftraggebers entsprochen hätten, so dass im Rahmen der Berechnungen auch keine „Differenz der Preise“ entstanden sei, von welcher eines der Unternehmen hätte profitieren können. Die Verdächtigungen, sie hätten mit der … rechtswidrige Absprachen getroffen, entgegen den Vorgaben einer Ausschreibung minderwertige Materialien geliefert, bzw. eingebaut, geringe Bauleistungen als hochwertig deklariert und von den daraus resultierenden Einnahmen profitiert, seien inhaltslos (Anlagen ASt 1 und 2).

Diese Eidesstattlichen Versicherungen sind nicht miteinander in Einklang zu bringen, sie widersprechen einander diametral, ohne dass für die Kammer erkennbar wäre, welche Darstellung den den Tatsachen entspricht. Konkrete Indizien, aufgrund derer die eidesstattliche Versicherungen einer der Parteien als glaubwürdiger einzuschätzen wäre als die der anderen Partei, liegen nicht vor.

Diese Situation des „non liquet“ wirkt sich hier zu Lasten des Antragsgegners aus, da er die Glaubhaftmachungslast trägt und aufgrund der sich widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen die Wahrheit der angegriffenen Verdachtsäußerungen nicht glaubhaft gemacht ist.

b) Auch kann der Antragsgegner sich nicht auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung berufen. Zwar kann auch eine Berichterstattung über Tatsachen zulässig sein, deren Wahrheit gerade nicht bewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden kann, wenn die Grundsätze fir eine zulässige Verdachtsberichterstattung eingehalten sind. Die Berichterstattung des Antragsgegners entspricht jedoch nicht diesen Grundsätzen. Eine zulässige Verdachtsberichterstattung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes voraus, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt; dass keine Vorverurteilung stattfindet; dass die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden; eine Stellungnahme des Betroffenen eingeholt wurde und dass es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handelt, dessen Mitteilung durch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist (BGH NJW 2000 1036 (1036/1037 mwN) – Korruptionsverdacht).

Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Einholung der Stellungnahme der Antragstellerin. Unstreitig hat der Antragsgegner die Antragstellerin vor der Veröffentlichung nicht zu den von ihm erhobenen Vorwürfen angehört und die Sichtweise der Antragstellerin hat auch keinen Niederschlag in der Berichterstattung gefunden. Schon aus diesem Grund entspricht die Berichterstattung nicht den Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung. Darüber hinaus fehlt es an der Ausgewogenheit der Berichterstattung, es liegt eine Vorverurteilung vor. Durch Formulierungen wie: „So besteht die Vermutung, dass die Tischlerei … ein Dumpingangebot nach Vorgabe der Ausschreibung abgegeben habe“, „Die Differenz der Preise soll der persönlichen Verwendung zugeführt worden sein. Nach ersten groben Schätzungen könnte es sich dabei um Beträge in Millionenhöhe handeln,“ oder „Eine Schlüsselrolle soll der Exehemann der Frau V. gespielt haben: Er ist Geschäftsführer und zugleich 50-prozentiger Gesellschafter der …“, wird insinuiert, dass der Verdacht gegen die Antragstellerin zutreffend sei. Dagegen werden keinerlei entlastende Tatsachen mitgeteilt.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. I ZPO.

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