Nicht jede Verwendung eines fremden Patents ist auch eine Verletzung

16. August 2010
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Eigener Leitsatz:

Wendet ein Ausführungsverfahren nur unwesentliche Elemente eines fremden Verfahrens an, wird das fremde Verfahrenspatent nicht verletzt. Unwesentlich sind Elemente, die nicht zum Leistungsergebnis des geschützten Verfahrens beitragen, sondern nur dessen Objekt sind. Der Verwender eines fremden Patents verletzt dieses in subjektiver Hinsicht nur, wenn er gegen eine Rechtspflicht verstößt, die dem Schutz des Patents dient.

Landgericht Mannheim

Urteil vom 12.2.2010

Az.: 7 O 84/09


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits und die der Nebenintervention.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.


Tatbestand

        
Die Parteien streiten über Unterlassungs-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzpflichten als Folgen einer Patentverletzung.
   
Die Klage ist nach Zurücknahme der Klage in Bezug auf das Schutzrecht EP 1 138 162 mit Anwaltsschriftsatz der Klägerin vom 20.10.2009 allein gestützt auf das Europäische Patent 1 018 849 B1, das ein „Verfahren zum Handover, Mobilstation für ein Handover und Basisstation für ein Handover“ betrifft (im Folgenden: Klagepatent). Die Bundesrepublik Deutschland ist als Vertragsstaat benannt, die Erteilung des am 26.11.1999 angemeldeten Patents wurde am 07.03.2007 veröffentlicht, wobei das Klagepatent eine Unionspriorität vom 08.01.1999 beansprucht. Veröffentlichungstag der Patentanmeldung ist der 12.07.2000. Gegen den deutschen Teil des in Kraft stehenden Klagepatents haben die X. AG, die Beklagte Ziffer 2 sowie die Y. GmbH Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben. Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents hat in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
   
Verfahren zum Handover einer Verbindung einer Mobilstation zu einem Netzwerk von einer ersten Basisstation (BS 1) zu einer zweiten Basisstation (BS 2) des Netzwerks, wobei bei einer bestehenden Verbindung in der jeweiligen Basisstation Verbindungsdaten für die Verbindung gespeichert sind und Ressourcen der Basisstation für die Verbindung reserviert sind, dadurch gekennzeichnet, dass beim Handover einer Verbindung die Verbindungsdaten in der ersten Basisstation (BS 1) zunächst gespeichert bleiben und die Ressourcen der ersten Basisstation (BS 1) zunächst reserviert bleiben und, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Verbindungsdaten gelöscht werden und die Ressourcen freigegeben werden, wobei der spätere Zeitpunkt durch eine Mitteilung der Mobilstation oder der zweiten Basisstation über den erfolgreichen Handover festgelegt wird.
   
Hinsichtlich des weiteren Inhalts, insbesondere der Patentbeschreibung wird auf die als Anlage K 42 vorgelegte Patentschrift verwiesen.
   
Die Klägerin, eine Patentverwertungsgesellschaft, ist seit einer Registerumtragung am 10.10.2007 als Patentinhaberin im Patentregister eingetragen (Anlage K 43). Sie leitet ihre Rechtsstellung aus dem Erwerb eines umfangreichen, das Klagepatent umfassenden Patentportfolios von der früheren Patentinhaberin, der Z. GmbH, sowie einer korrespondierenden Abtretung zeitlich vor dem Erwerb des Klagepatents liegender Ansprüche ab.
   
Die Beklagte Ziffer 1, ein Mobilfunkgerätehersteller mit Sitz in …, vertreibt bundesweit – auch unter eigenem Markennamen – und insbesondere durch ihre in … ansässige Tochtergesellschaft, die Beklagte Ziffer 2, Mobilfunkgeräte, hierunter die … (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen), die GSM- und UMTS-fähig sind.
   
UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) beruht auf Mobilfunkstandards des 3rd-Generation-Partnership-Projects (3GPP), die in einzelnen Dokumenten des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) niedergelegt sind. Im standardrelevanten Dokument mit der Bezeichnung „TS 25.133 Version 6.22.0“ (im Folgenden: TS 25.133), das festlegt, inwieweit Mobilstationen die Funkbetriebsmittel-Verwaltung unterstützen müssen, wird in Kapitel 5.9 das Verfahren „Inter-RAT cell change order from UTRAN in CELL_DCH and CELL_FACH“ behandelt. Gegenstand des Verfahrens ist die Übergabe einer Mobilfunkverbindung einer Mobilstation von einem UMTS-Zugangspunkt zu einem Zugangspunkt eines Netzwerks, das sich der Zugangstechnologie GSM bedient (TS 25.133, 5.9.1). Unter 5.9.2 wird festgelegt, dass die im Kapitel enthaltenen Anforderungen durch alle Mobilstationen erfüllt werden müssen, die UMTS und GSM unterstützen.
   
Wie sich der Wechsel vom einen zum anderen Zugangspunkt vollzieht, wird im Einzelnen im weiteren standardrelevanten Dokument „3GPP TS 25.331 Version 6.17.0“ (im Folgenden: TS 25.331) unter Punkt 8.3.11 beschrieben, auf den Kapitel 5.9.1 des Dokuments TS 25.133 verweist, wobei die dortigen Bestimmungen kraft der Inbezugnahme auf das Dokument selbst Bestimmungen des Dokuments TS 25.133 werden (TS 25.133, 2. References).
   
Nach Kapitel 8.3.11 wird der Wechsel des Zugangspunkts durch eine Anweisung des Zugangsnetzwerks von UMTS mit der Bezeichnung UTRAN (Universal Terrestrial Radio Access Network) ausgelöst, wobei das Mobilfunkgerät, welches im Standard als UE (User Equipment) bezeichnet wird, eine Anweisung erhält, zu einer anderen Zugangstechnologie als UMTS wie z.B. GSM zu wechseln („ Inter -RAT [Radio Access Technology] cell change order“). Nach 8.3.11.3 des Standards muss das Mobilfunkgerät so ausgebildet sein, dass es die Anweisung verarbeiten und einen entsprechenden Wechsel durchführen kann. Sobald das Mobilfunkgerät eine Meldung über einen erfolgreichen Wechsel von der Zielzugangstechnologie erhalten hat, soll es das Verfahren nach 8.3.11.4 des Standards als abgeschlossen betrachten. Weiter legt Abschnitt 8.3.11.4 fest, dass die Kontextinformationen für das betroffene Mobilfunkgerät gelöscht werden und die Funkverbindung freigegeben wird, sobald mitgeteilt wird, dass das Mobilfunkgerät die Anweisung, zu dem Zugangspunkt eines anderen Netzwerks zu wechseln, erfolgreich abgeschlossen hat. Zudem merkt Abschnitt 8.3.11.4 an, dass die Freigabe der UMTS-Funkressourcen von der anderen Zugangstechnologie bewirkt wird.
   
Die Signalisierungsprozedur für das Verfahren „Inter-RAT cell change order from UTRAN“, die sich zwischen den beteiligten Einheiten vollzieht, wird im technischen Report „3GPP TR 25.931“ in Kapitel 7.13.5 in Schaubild „Figure 40: UTRAN to GPRS Cell Reselection“ (im Folgenden: TR 25.931) im Einzelnen grafisch dargestellt und beschrieben:
   
Danach nimmt die Signalisierung ihren Ausgang in einer Aufforderung des Serving Radio Network Controllers (SRNC), der Bestandteil von UMTS ist, an das Mobilfunkgerät (UE = User Equipment), einen Zellwechsel vorzunehmen („cell change order“). Sobald das Mobilfunkgerät sich beim Base Station Subsystem (BSS) von GSM registriert hat, sendet es in einem weiteren Schritt eine Nachricht an das Core Network (CN) von GSM. Darauf setzt sich das Core Network von GSM mit dem SRNC von UMTS in Verbindung und es werden Kontextinformationen und Daten zwischen ihnen ausgetauscht, die das Mobilfunkgerät betreffen. Schließlich sendet das Core Network von GSM in Schritt 8 ein Freigabekommando („Iu Release command“) an den SRNC von UMTS, um die Verbindung zu beenden, woraufhin in Schritt 9 der SRNC an das Core Network von GSM den Abschluss der Freigabe mitteilt („Iu Release Complete“). Sodann nimmt das Core Network von GSM den Kontakt mit dem Mobilfunkgerät auf (Schritt 11 und 12). Zudem kommunizieren – hiervon nunmehr unabhängig – innerhalb des UMTS-Netzwerks der SRNC und die Node B und löschen den Informationskontext der Funkverbindung (Schritt 14 und 15 „Radio Link Deletion Request“ und „Radio Link Deletion Response“).
   
Die Klägerin ist der Auffassung, die durch die Beklagten vertriebenen UMTS- und GSM-fähigen Mobilfunkgeräte seien geeignet und dazu bestimmt, die durch das Klagepatent gelehrte Erfindung zu benutzen. Mangels einer entsprechenden Berechtigung verletzten die Beklagten hierdurch das Ausschließlichkeitsrecht aus dem Klagepatent. Insbesondere mache das für UMTS und GSM standardisierte Verfahren „Inter-RAT cell change order from UTRAN“ vom Klagepatent Gebrauch. Daraus, dass die Mobilfunkgeräte der Beklagten standardgemäß ausgebildet seien, folge die Verletzung des Klagepatents durch die Beklagten.
   
Der Standard verwirkliche sämtliche Merkmale des Klagepatents wortsinngemäß. Entgegen der Auffassung der Beklagten finde eine Auslegung des Klagepatents dahingehend, dass sich die erfinderische Lehre ausschließlich mit einem Handover befasse, der sich ohne Netzwerkunterstützung vollzieht, weder in den Patentansprüchen noch in der Beschreibung eine Stütze.
   
Zudem seien an dem standardgemäßen Handover Basisstationen im Sinne des Klagepatents beteiligt. Die Auffassung der Beklagten, wonach eine Basisstation im Sinne des Klagepatents mit einer BTS (Base Transceiver Station) im Sinne des GSM-Standards gleichzusetzen sei, die weder Verbindungsdaten speichere noch Ressourcen für die Verbindung bereithalte, sei ebenso unzutreffend wie die Zurechnung des BSC (Base Station Controller) zum Backbone-Netzwerk und das Postulat, das Klagepatent lehre eine – nach dem Stand der Technik so nicht bekannte – „intelligente“ Funkfeststation. Die Basisstation im Sinne des Klagepatents finde im relevanten Standard ihre Entsprechung unter Anknüpfung an den Stand der Technik vielmehr im Base Station Subsystem (BSS) des GSM-Standards, das entgegen der Auffassung der Beklagten den relevanten Zugangspunkt des Mobilfunkgeräts zum Funknetzwerk bilde. Bezogen auf das UMTS-Netzwerk stelle das Radio Network System (RNS) die Basisstation dar, die aus dem Radio Network Controller (RNC) sowie der Funkfeststation Node B bestehe. Irrelevant sei nach der erfinderischen Lehre, ob die Speicherung der Verbindungsdaten und die Vorhaltung der Ressourcen in dem einen oder in dem anderen Element des Zugangsnetzwerks lokalisiert sei. Unzutreffend sei auch der weitere Argumentationsstrang der Beklagten, der Standard „Inter-RAT cell change order from UTRAN“ befasse sich im Gegensatz zur Lehre des Klagepatents allein mit einem Handover von Netzwerk zu Netzwerk.
   
Insbesondere werde auch das Merkmal 5 a) durch den Standard verwirklicht. Der „spätere Zeitpunkt“ im Sinne des Merkmals werde durch eine Mitteilung definiert, die letztlich auf eine Signalisierung durch die Mobilstation zurückzuführen sei. Der Umstand, dass an dem Mitteilungsvorgang auch die zweite Basisstation und ggf. auch das Netzwerk beteiligt seien, sei unschädlich. Patentgemäß entscheidend sei allein, dass die Mitteilung über den erfolgreichen Handover von der Basisstation oder der Mobilstation komme. Merkmal 5 sehe beide Alternativen gleichwertig vor, ohne im Sinne einer strengen Alternativität zwischen ihnen zu differenzieren.
   
Die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Patent unmittelbar dadurch, dass die durch die Beklagten vertriebenen Mobilfunkgeräte das Handover von UMTS nach GSM unter Anwendung des patentgemäßen Verfahrens vollzögen. Da die Durchführung des patentgemäßen Verfahrens vorherbestimmt sei, hätten die Beklagten Tatherrschaft und setzten somit wissentlich und willentlich eine eigene Ursache für die Patentverletzung, weshalb sie jedenfalls als Nebentäter zu qualifizieren seien. Da ein vorsätzliches Handeln in Rede stehe, setze sich diese Wertung nicht in Widerspruch zu den Wertungen des § 10 PatG. Jedenfalls rechtfertige sich ein Schlechthinverbot nach § 10 PatG. Die von den Beklagten vertriebenen Mobilfunkgeräte seien kein passives Objekt, sondern aktiv an dem Verfahren beteiligt, das im Klagepatent gelehrt werde. Die Mobilstation sei selbst Anspruchsmerkmal und damit wesentliches Element der Erfindung. Der Streitgegenstand sei durch die bezeichneten technischen Eigenschaften der Mobilfunkgeräte hinreichend bestimmt.
   
Die Klägerin beantragt zuletzt:
   
I. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im Inland Mobilstationen anzubieten oder in Verkehr zu bringen, die dazu geeignet sind, ein Verfahren zum Handover einer Verbindung einer Mobilstation zu einem Netzwerk von einer ersten Basisstation zu einer zweiten Basisstation des Netzwerks anzuwenden, wobei bei einer bestehenden Verbindung in der jeweiligen Basisstation Verbindungsdaten für die Verbindung gespeichert sind und Ressourcen der Basisstation für die Verbindung reserviert sind, und wobei beim Handover einer Verbindung die Verbindungsdaten der ersten Basisstation zunächst gespeichert bleiben und die Ressourcen der ersten Basisstation zunächst reserviert bleiben und dass zu einem späteren Zeitpunkt die Verbindungsdaten gelöscht werden und die Ressourcen freigegeben werden, wobei der spätere Zeitpunkt durch eine Mitteilung der Mobilstation oder der zweiten Basisstation über den erfolgreichen Handover festgelegt wird.

II. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß Ziffer I. ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretungsorganen der jeweiligen Beklagten zu vollstrecken ist.
   
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 23.05.2007 entstanden ist und noch entsteht.
   
IV. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin schriftlich in geordneter Form, gegliedert nach Kalendervierteljahren Rechnung zu legen über ihre jeweiligen Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 23.05.2007 und zwar unter Angabe
   
a) der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen und Lieferscheine) mit
   
aa) Liefermengen, -zeiten und -preisen,
   
bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen, wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,
   
cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
   
b) der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote) mit
   
aa) Angebotsmengen, -zeiten und -preisen,
   
bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen, wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,
   
cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
   
c) der nach den einzelnen Faktoren aufgeschlüsselten Kosten sowie des erzielten Gewinns,
   
d) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse.
   
Die Beklagten und die Streithelferin beantragen ,
   
die Klage abzuweisen;
   
hilfsweise : den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobenen Nichtigkeitsklagen auszusetzen;
   
höchst hilfsweise : Vollstreckungsschutz.
   
Die Beklagten tragen vor, eine Patentverletzung könne nicht festgestellt werden. Es liege bereits keine Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents vor. An dem standardgemäßen Verfahren „Inter-RAT cell change order from UTRAN“ sei keine patentgemäß ausgebildete „intelligente“ Basisstation beteiligt. Die Verbindungsdaten würden nach dem Standard anders gelöscht, die Ressourcen für die Funkverbindung anders freigegeben, als in der patentgemäßen Lehre beschrieben. Zudem beschreibe das standardgemäße Verfahren einen Handover von Netzwerk zu Netzwerk, wohingegen das Klagepatent einen Handover, der mit Unterstützung des Netzwerks stattfindet, nicht erfasse.
   
Insbesondere sei das Merkmal 5 nicht erfüllt, weil keine patentgemäße Freigabe erfolge. Merkmal 5 sehe entgegen der Auffassung der Klägerin zwei sich ausschließende Alternativen vor. In Alternative 5 a) sende die Mobilstation die Mitteilung über den erfolgreichen Handover unmittelbar an die erste Basisstation, wohingegen dies in Alternative 5 b) die zweite Basisstation bewerkstellige.
   
Eine unmittelbare Patentverletzung liege nicht vor. Für eine mittelbare Patentverletzung fehle es bereits an schlüssigem Vortrag der Klägerin zur positiven Kenntnis der Beklagten. Zudem rechtfertige die bloße Bereitstellung der angegriffenen Ausführungsformen nicht die Gleichstellung mit der eigentlichen Benutzung des Verfahrens. Die Mobilstation sei für das standardgemäße Verfahren unbedeutend. Danach erfolge die Löschung der Verbindungsdaten und die Freigabe der Ressourcen durch das Netzwerk und nicht, wie es das Klagepatent verlange, durch die Mobilstation oder die zweite Basisstation. Die Mobilfunkgeräte seien bloße Objekte des Verfahrens, da sie selbst zum Leistungsergebnis – dem erfolgreichen Handover – nichts beitrügen.
   
Einer Patentverletzung stehe zumindest entgegen, dass aus der FRAND-Verpflichtungserklärung der Z. GmbH gegenüber ETSI durch Nutzungsaufnahme der Beklagten nach französischem Recht ein Nutzungsrecht folge. Jedenfalls führe die ETSI-FRAND-Erklärung der Z. GmbH zu einem auch die Klägerin bindenden Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) gegenüber den Beklagten. Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruch stehe überdies der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, der sich zum einen aus der auch die Klägerin bindenden FRAND-Verpflichtungserklärung der Z. GmbH zum anderen aus kartellrechtlichen Gründen ergebe.
   
Im Hinblick auf die anhängigen Nichtigkeitsklagen sei der Rechtsstreit jedenfalls auszusetzen.
   
Angesichts bestehender Lieferbeziehungen mit der Beklagten ist die Streithelferin auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit durch Anwaltsschriftsatz vom 04.08.2009 beigetreten.
   
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen. Die Klägerin hat zuletzt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 04.02.2010 vorgetragen, dessen Zurückweisung die Beklagte durch nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.02.2010 beantragt.


Entscheidungsgründe

        
A. Entscheidungszuständigkeit
   
Die Kammer ist zur Entscheidung berufen nach § 32 ZPO und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO i.V.m. § 143 Abs. 1 PatG i.V.m. § 14 ZuVOJu. Die Beklagten sind dem Vorwurf bundesweiter patentverletzender Handlungen ausgesetzt, womit ein deliktischer Gerichtsstand auch in Baden-Württemberg vorliegt.
   
B. Klage
   
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagten verletzen das Klagepatent (I.) weder unmittelbar gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 9 S. 2 Nr. 2 PatG (II.) noch mittelbar gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 10 Abs. 1 PatG (III.).
   
I. Klagepatent
   
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Handover einer Verbindung einer Mobilstation zu einem Netzwerk von einer ersten Basisstation (BS 1) zu einer zweiten Basisstation (BS 2).
   
1. Es kennzeichnet in der Beschreibung im Stand der Technik Verfahren, durch die die Verbindung einer Mobilstation zu einem Netzwerk von einer an eine andere Basisstation weitergegeben wird (Handover), als bekannt. Dabei seien digitale Mobilfunksysteme als „zellulare Netze“ aufgebaut, wobei jeweils ein Zugangspunkt eine Funkzelle ausbilde, deren Größe von verschiedenen Parametern abhängig sei. Aufgrund der hohen Frequenzen und der großen Anzahl von Mobilstationen müssten diese eine sehr begrenzte Größe haben. Daher komme dem Handover von einer zur anderen Zelle große Bedeutung zu. Dabei setzten die nach dem Stand der Technik bekannten Handover-Verfahren voraus, dass der Handover durch das Backbone-Netzwerk unterstützt werden könne. Dies sei jedoch in Zukunft bspw. dann nicht gewährleistet, wenn unterschiedliche Netzwerke angeschlossen seien.
   
2. Demgegenüber beschreibt das Klagepatent als allgemeinen Vorteil seiner Lehre, dass ein Handover auch bei Netzwerken ermöglicht werde, bei denen eine Kommunikation zwischen den einzelnen Basisstation nicht oder nur eingeschränkt möglich sei, weil sie nach einem anderen Standard arbeiteten. Zudem zeige die patentgemäße Lehre ein Verfahren auf, dass es der Mobilstation bei einem fehlgeschlagenen Handover-Versuch ohne großen Aufwand ermögliche, zur Ausgangsbasisstation zurückzukehren.
   
3. Dieser Vorteil gegenüber dem Stand der Technik wird aus Sicht des Klagepatents durch ein Verfahren zum Handover nach den Merkmalen des Anspruchs 1 realisiert:
   
1. Verfahren zum Handover einer Verbindung einer Mobilstation zu einem Netzwerk von einer ersten Basisstation (BS 1) zu einer zweiten Basisstation (BS 2) des Netzwerks.
   
2. Bei einer bestehenden Verbindung sind in der jeweiligen Basisstation
   
a) Verbindungsdaten für die Verbindung gespeichert und
   
b) Ressourcen der Basisstation für die Verbindung reserviert.
   
3. Beim Handover einer Verbindung bleiben
   
a) die Verbindungsdaten in der ersten Basisstation (BS 1) zunächst gespeichert und
   
b) die Ressourcen der ersten Basisstation (BS 1) zunächst reserviert.
   
4. Zu einem späteren Zeitpunkt werden
   
a) die Verbindungsdaten gelöscht und
   
b) die Ressourcen freigegeben.
   
5. Der spätere Zeitpunkt wird
   
a) durch eine Mitteilung der Mobilstation über den erfolgreichen Handover festgelegt oder
   
b) durch eine Mitteilung der zweiten Basisstation über den erfolgreichen Handover festgelegt.
   
II. Keine unmittelbare Patentverletzung
   
Es kann dahingestellt bleiben, ob bei Einsatz der angegriffenen Ausführungsformen während eines Handovers vom UMTS-Zugangspunkt zu einem GSM-Zugangspunkt von sämtlichen Merkmalen des geschützten Verfahrens wortsinngemäß Gebrauch gemacht wird. Selbst wenn dies der Fall wäre, läge jedenfalls keine unmittelbare Patentverletzung durch die Beklagten vor.
   
1. Die Mobilfunkgeräte wenden das patentgemäße Verfahren nicht i.S.v. § 9 S. 2 Nr. 2 PatG an. Hierzu wäre – ebenso wie beim Erzeugnispatent (BGH GRUR 2007, 313, 314 – Funkuhr II ) – erforderlich, dass die Mobilfunkgeräte die beanspruchten Maßnahmen vollständig durchführen. Eine solche Anwendung kann – wie vorliegend – nicht schon darin erblickt werden, dass eine Vorrichtung sinnfällig hergerichtet wird, um ein patentgeschütztes Verfahren auszuüben (BGH GRUR 1992, 305 – Heliumeinspeisung ). Eine so weitgehende Ausdehnung des Tatbestands der unmittelbaren Patentverletzung auf alle notwendigen Bedingungen der Anwendung des patentgemäßen Verfahrens würde die durch § 10 PatG gezogenen Grenzen der Verantwortlichkeit für bloß mittelbare Verursachungsbeiträge unterlaufen (BGH GRUR 2007, 313, 314 f. – Funkuhr II ).
   
2. Unabhängig davon, ob für Fälle der vorsätzlichen Patentverletzung andere Grundsätze gelten können (BGH GRUR 2007, 313, 315 bei [17] – Funkuhr II ), sind die entsprechenden subjektiven Elemente eines bewussten Eingriffs in einen fremden Rechtskreis vorliegend nicht zur Überzeugung der Kammer dargetan. Aus diesem Grund scheitert auch eine Verantwortlichkeit der Beklagten als Teilnehmer i.S.v. § 830 Abs. 2 BGB einer fremden unmittelbaren Nutzung nach § 9 S. 2 Nr. 2 PatG.
   
3. Auch soweit im Einzelfall für eine Qualifikation als Verletzungshandlung ausreichend sein kann, dass die Verwirklichung des Benutzungstatbestandes durch einen Dritten unvorsätzlich ermöglicht oder gefördert wird, obwohl der Verletzer sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt (BGH GRUR 2009, 1142, 1144 sub [29] – MP3-Player-Import ), ergibt sich aus diesem Grundsatz keine Haftung der Beklagten. Insoweit reicht ein Mitverursachungsbeitrag allein nicht aus, um eine Verantwortlichkeit zu begründen, sondern es bedarf der Verletzung einer Rechtspflicht, die jedenfalls auch dem Schutz des absoluten Rechts dient und bei deren Beachtung der Mitverursachungsbeitrag entfallen oder jedenfalls als verbotener und zu unterlassender Beitrag des Handelnden zu der rechtswidrigen Handlung eines Dritten erkennbar gewesen wäre. Andernfalls würde der Verletzungstatbestand uferlos (BGH GRUR 2009, 1142, 1145 sub [36] – MP3-Player-Import ). Bei der Bestimmung des notwendigen Zurechnungszusammenhangs sind wiederum die Wertungen des Gesetzgebers in den Blick zu nehmen. Soweit der Beitrag zu einer Verletzungshandlung eines anderen in der Lieferung oder dem Anbieten eines Mittels besteht, hat der erforderliche Zurechnungszusammenhang in § 10 PatG eine eigenständige gesetzliche Ausprägung erfahren und ist an die dort aufgestellten Voraussetzungen gebunden (BGH GRUR 2007, 313, 314 f. – Funkuhr II ).
   
III. Keine mittelbare Patentverletzung
   
Die begehrten Rechtsfolgen rechtfertigen sich auch nicht aus § 10 Abs. 1 PatG.
   
Eine Auslegung des Klagepatents ergibt, dass Merkmal 5 zwischen zwei Möglichkeiten unterscheidet (dazu 1.). Weil das standardisierte Verfahren „Inter-RAT cell change order from UTRAN“ – bei unterstellter Verwirklichung der übrigen Anspruchsmerkmale – allenfalls Merkmal 5 b) verwirklicht (dazu 2.), sind die angegriffenen Ausführungsformen, die das Verfahren anwenden können, keine Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Sie tragen zum Leistungsergebnis des Verfahrens, das das Klagepatent lehrt, nichts Wesentliches bei, sondern sind lediglich Objekt des Verfahrens (dazu 3.).
   
1. Merkmal 5 ist entgegen der Auffassung der Klägerin im Sinne einer strengen Alternativität zu verstehen.
   
a) Die erforderliche Auslegung nach dem Verständnis eines Durchschnittsfachmanns hat sich auf den Anspruchswortlaut in seiner Beschränkung auf bestimmte Merkmale zu fokussieren (Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ, § 14 Abs. 1 S. 1 PatG; BGH GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung ) und den Inhalt der Beschreibung und der Zeichnungen heranzuziehen (Art. 69 Abs. 1 S. 2 EPÜ, § 14 Abs. 1 S. 2 PatG; BGH GRUR 2008, 779, 782 sub [30] – Mehrgangnabe ), um den Sinngehalt des Patentanspruchs zu erfassen. Soweit die Beschreibung zur Auslegung der Patentansprüche herangezogen wird, ist der technische Sinn der in der Patentschrift verwendeten Worte und Begriffe entscheidend und nicht deren rein philologischer oder logisch-wissenschaftlicher Bedeutungsgehalt (BGHZ 150, 149, 156 – Schneidmesser I ; BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube ).
   
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf das Klagepatent ergibt sich für den Fachmann, dass Merkmal 5 zwei Möglichkeiten unterscheidet, wie der „spätere Zeitpunkt“, zu dem nach Merkmal 4 die Verbindungsdaten gelöscht und die Ressourcen freigegeben werden, festgelegt wird. Nach Merkmal 5 a) wird der spätere Zeitpunkt durch eine Mitteilung der Mobilstation über den erfolgreichen Handover festgelegt, nach Merkmal 5 b) durch eine entsprechende Mitteilung durch die zweite Basisstation. Diese Differenzierung, die im Wortlaut des Anspruchs selbst zum Ausdruck kommt, wäre obsolet, wenn – im Sinne der Klägerin – für die Verwirklichung des Merkmals 5 allein entscheidend wäre, dass die Mitteilung letztlich auf eine Signalisierung der Mobilstation zurückzuführen ist. Vielmehr versteht der Fachmann Merkmal 5 a) dahin, dass die Mitteilung der Mobilstation unmittelbar an die erste Basisstation gerichtet ist, wohingegen die Mitteilung über den erfolgreichen Handover in Merkmal 5 b) unmittelbar von der zweiten an die erste Basisstation übermittelt wird. Eine Übermittlung der Mitteilung von der Mobilstation über die zweite Basisstation an die erste Basisstation ist hingegen nach dem Verständnis des Fachmanns nicht von Merkmal 5 a) erfasst.
   
aa) Zu diesem Verständnis gelangt der Fachmann aufgrund seines Verständnisses, das er aus dem Zusammenhang der Merkmale 2, 3, 4 und 5 gewinnt, die er als funktional aufeinander bezogen versteht. Danach erkennt der Fachmann, dass die in der ersten Basisstation zunächst weiterhin gespeicherten Verbindungsdaten und reservierten Ressourcen zu einem späteren Zeitpunkt gelöscht und freigegeben werden. Soweit Merkmal 5 den späteren Zeitpunkt durch die Mitteilung über den erfolgreichen Handover festlegt, versteht der Fachmann die Mitteilung als an die erste Basisstation gerichtet, da nur so die in Merkmal 4 beschriebenen Abläufe in Gang gesetzt werden können. Dem Fachmann erschließt sich zudem, dass Merkmal 5 a) nicht so verstanden werden kann, dass die Mitteilung auch dort unmittelbar durch die zweite Basisstation erfolgen kann, solange sie jedenfalls auf eine Mitteilung der Mobilstation an das Netzwerk oder die zweite Basisstation zurückführbar ist. Ansonsten wäre Merkmal 5 b) überflüssig und dem Anspruch würde ein Bedeutungsgehalt beigemessen, der über seinen Wortlaut hinausginge. Nach diesem Verständnis wäre im Ergebnis allein relevant, dass die erste Basisstation eine Mitteilung über den erfolgreichen Handover erhält. Auf den unmittelbaren Absender der Mitteilung käme es nicht an.
   
bb) Sein Auslegungsergebnis, das er durch eine auf den Wortlaut des Patentanspruchs fokussierte Auslegung gewinnt, findet der Fachmann in der Beschreibung und der Zeichnung Figur 4 bestätigt. Wie ein Umkehrschluss aus Sp.4 Z.6-8 i.V.m. Sp.6 Z.53 – Sp.7 Z.4 ergibt, erläutert die Beschreibung zu Figur 4 unter [0020] ein patentgemäßes Verfahren.
   
Aus der Erläuterung in Sp.8 Z.25-35 zu Schritt 311 ersieht der Fachmann, dass eine unmittelbare Mitteilung der BS 2 an die BS 1 erfolgt. Diese ist für die erste Basisstation zugleich das Signal, dass die für die Verbindung mit der Mobilstation notwendigen Informationen nicht länger gespeichert werden müssen bzw. dass die Ressourcen nicht mehr benötigt werden und die erste Basisstation die Informationen löscht und die Ressourcen freigibt. Er versteht die in Merkmal 4 beschriebene Prozedur somit als das Ergebnis einer unmittelbaren Mitteilung durch die zweite Basisstation und sieht daher Merkmal 5 in der Alternative b) verwirklicht. Entsprechend versteht er Merkmal 5 a) dahin, dass die in Merkmal 4 beschriebene Prozedur dort durch die unmittelbare Mitteilung der Mobilstation ausgelöst wird.
   
2. Das standardisierte Verfahren „Inter-RAT cell change order from UTRAN“ verwirklicht bei Zugrundelegung dieses Auslegungsergebnisses – die wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale 1 bis 4 unterstellt – allein Merkmal 5 b).
   
Figur 40 des technischen Berichts TR 25.931, die nach der übereinstimmenden Auffassung der Parteien die Signalisierungsprozedur des Verfahrens grafisch darstellt, zeigt, dass die Mobilstation nach der Einrichtung der Funkverbindung zu GSM in Schritt 2 allein mit dem Core Network (CN) von GSM kommuniziert. Die letzte von der Mobilstation ausgehende Mitteilung, die die Mitteilung über den erfolgreichen Handover im Sinne von Merkmal 5 enthalten könnte, ist in Schritt 3 dargestellt. Diese Mitteilung richtet sich jedoch an eine Einheit des GSM-Netzes und somit bei Zugrundelegung des klägerischen Verständnisses an die zweite Basisstation im Sinne des Patents. Diese kommuniziert sodann in den Schritten 4 bis 10 mit dem SRNC, also einer Einheit, die funktionell dem UMTS-Netz zuzuordnen ist. Sofern man folglich mit der Klägerin wiederum in dem SRNC die zweite Basisstation im Sinne des Klagepatents erblicken wollte, würde fortan nur noch eine Kommunikation zwischen der ersten und der zweiten Basisstation stattfinden. Zu einer unmittelbaren Mitteilung der Mobilstation an die erste Basisstation im Sinne des Merkmals 5 a) kommt es während des gesamten Signalisierungsprozesses unstreitig nicht.
   
3. Unter diesen Umständen sind die angegriffenen Ausführungsformen keine Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen (§ 10 Abs. 1 PatG), weil sie selbst nichts zum Leistungsergebnis der durch das Patent geschützten erfinderischen Lehre beitragen, sondern bloßes Objekt des darin beschriebenen Verfahrens sind.
   
a) Zwar sind die angegriffenen Ausführungsformen ein Mittel i.S.v. § 10 Abs. 1 PatG, da sie geeignet sind, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
   
b) Sie beziehen sich jedoch nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung.
   
aa) Der hierfür erforderliche Bezug ist bei dem vorliegend geltend gemachten Verfahrensanspruch nur dann gegeben, wenn das Mittel zum Leistungsergebnis des Verfahrens etwas beiträgt.
   
(1) Soweit die Klägerin den erforderlichen Zusammenhang zwischen Mittel und Erfindung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil Flügelradzähler (GRUR 2004, 758) bereits dann für gegeben hält, wenn das Mittel mit irgendeinem Anspruchsmerkmal zusammenwirkt und darauf abhebt, dass der erforderliche Zusammenhang vorliegend deshalb gegeben sei, weil die Mobilstation selbst Anspruchsmerkmal und daher für die technische Lehre der Erfindung nicht nur von völlig untergeordneter Bedeutung sei, können die in der Entscheidung Flügelradzähler für den Fall eines Vorrichtungspatents aufgestellten Grundsätze nicht unbesehen auf das hier in Rede stehende Verfahrenspatent übertragen werden.
   
(2) Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass der Topos der „erfindungsfunktionellen Individualisierung“, nach der das „Mittel“ an die Funktionen der Erfindung angepasst sein muss, keinen Eingang in § 10 PatG gefunden hat (vgl. nur BGH GRUR 2004, 758, 760 – Flügelradzähler ; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl. 2009, § 33 VI. b) 2.; Benkard/Scharen, 10. Aufl. 2006, § 10 Rn. 7; vgl. zum Systemwechsel im Einzelnen Busche, GRUR 2009, 236 ff.). Daraus folgt jedoch noch nicht, dass der durch § 10 PatG im Sinne eines Patentgefährdungstatbestands (BGH GRUR 2004, 758, 760 bei a) – Flügelradzähler ; BGH GRUR 2007, 773, 775 bei [18] – Rohrschweißverfahren ; Leistner, GRUR 2010 Beil. zu Heft 1/2010, S. 10) bezweckte Schutz des Ausschließlichkeitsrechts im Vorfeld der eigentlichen Patentverletzung es gebietet, jegliche Mittel zu erfassen, sofern sie nicht bloß bspw. in der Lieferung von Energie bestehen, die für den Betrieb einer geschützten Vorrichtung benötigt werden.
   
(3) Vielmehr muss das Mittel geeignet sein, mit einem wesentlichen Element der Erfindung funktional zusammenzuwirken (BGH GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler , BGH GRUR 2006, 570 – extracoronares Geschiebe ). Dieser funktionale Bezug ist nur dann gegeben, wenn das Mittel einen Beitrag zur Verwirklichung der erfinderischen Lehre erbringt (BGH GRUR 2004, 758 ff., 761 bei c) – Flügelradzähler ).
   
Bei Anwendung dieses funktional geprägten Beziehungsverständnisses auf einen Verfahrensanspruch ist erforderlich, dass das Mittel zu dem Ergebnis des durch das Klagepatent gelehrten Verfahrens einen funktionell relevanten Beitrag leistet (vgl. so für einen Verfahrensanspruch: BGH GRUR 2007, 773, 775 – Rohrschweißverfahren : Beitrag zum „Leistungsergebnis“; vgl. auch Rauh, Die mittelbare Patentverletzung, Diss. München 2009, GWR Bd. 161, S. 166 f.: „ Beitrag zur Verwirklichung des Erfindungsgedankens “; ebenso indes für ein Vorrichtungspatent BGH GRUR 2007, 769, 771 bei [20] – Pipettensystem ). Nur in diesem Fall wirkt das Mittel im Hinblick auf einen drohenden Eingriff in das Ausschließlichkeitsrecht gefahrerhöhend und rechtfertigt die Subsumtion unter den Gefährdungstatbestand (zur Maßgeblichkeit der Gefahrerhöhung vgl. Leistner, GRUR 2010, Beil. Heft 1/2010, S. 11).
   
Daher kann aus dem bloßen Umstand, dass die Mobilstation in Anspruch 1 erwähnt wird, entgegen der Auffassung der Klägerin für die erforderliche Beziehung des Mittels zur Erfindung kein zwingender Schluss in diesem Sinne gezogen werden (vgl. auch BGH GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren , 1. Leitsatz: „regelmäßig“).
   
bb) Zwar kann allein aus dem Umstand, dass die Mobilstation bei Anwendung des in Anspruch 1 gelehrten Verfahrens zum Handover einen Teil der patentgemäßen Verfahrensschritte nicht ausführt, das Fehlen einer so beschaffenen Beziehung nicht gefolgert werden (BGH GRUR 2007, 773, 775 bei [19] – Rohrschweißverfahren ). Jedoch ist die Mobilstation bei der vorliegend allein in Betracht kommenden Verwirklichung des Merkmals 5 in seiner Alternative b) nur passives Objekt des gelehrten Verfahrens. Das durch das gelehrte Verfahren bezweckte Leistungsergebnis – der Handover und die Möglichkeit einer schnellen Rückkehr zur ersten Basisstation im Falle eines Scheiterns des Handovers – wird ohne erfindungsfunktionalen Beitrag der Mobilstation erreicht. Der Handover vollzieht sich bei Verwirklichung des Merkmals 5 b), ohne dass die Mobilstation zu dem Ergebnis einen für die Verwirklichung der erfinderischen Lehre wesentlichen Beitrag leistet.
   
Soweit die Mobilstation im Rahmen der Signalisierungsprozedur, die beim Standardverfahren „Inter-RAT cell change order from UTRAN“ durchgeführt wird, insoweit beteiligt ist, als sie in Schritt 2 mit der zweiten Basisstation in Kontakt tritt, in Schritt 3 die Meldung „Routing Area Update Request“ und in Schritt 12 die Meldung „Routing Area Update Complete“ an die zweite Basisstation sendet, finden diese Schritte in dem durch die Erfindung gelehrten Verfahren keine Entsprechung und kommen daher als Anknüpfungspunkt für einen Beitrag zum Leistungsergebnis des Verfahrens nicht in Betracht.
   
C. Nebenentscheidungen
   
Die einheitliche Kostengrundentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 101 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.

D.
   
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 04.02.2010 bedarf – soweit er nicht bloße Rechtsausführungen enthält – keiner Berücksichtigung im Urteil und veranlasst die Kammer nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a i.V.m. § 128 Abs. 2 S. 1, 156 ZPO).

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