„Aktionssonnenbrille in gleicher Stärke dazu“ beim Kauf einer Brille wettbewerbswidrig

01. April 2015
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Sonnenbrille auf der Motorhaube mit Himmelhintergrund Urteil des LG Flensburg vom 12.03.2014, Az.: 6 O 86/13

Die kostenlose Auslobung einer Sonnenbrille beim Erwerb einer Sehbrille stellt eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Produktwerbung dar. Die Zuwendung eines Medizinprodukts ist nach dem Heilmittelwerbegesetz u. a. bei einem Mengenrabatt zulässig, welcher jedoch vorliegend nicht gegeben ist. Die Aktionssonnenbrille mit weitreichender UV-Schutzfunktion ist nicht mit der Korrekturbrille zu vergleichen, so dass es sich bei den Produkten weder um austauschbare noch gleiche Waren im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b HWG handelt.

Landgericht Flensburg

Urteil vom 12.03.2014

Az.: 6 O 86/13

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise an der Geschäftsführung zu vollziehende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder an der Geschäftsführung zu vollziehender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Aussage zu werben:

„Kauf 1 Nimm 2″“Sie kaufen eine Brille und bekommen eine Aktionssonnenbrille in gleicher Stärke dazu.“

wenn dies geschieht wie folgt:

und

2. an den Kläger 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2013 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsantrages wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert beträgt 10.000,00 €.
Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung unlauterer Werbung sowie auf Aufwendungsersatz in Anspruch.

Der Kläger ist als branchenübergreifender Zusammenschluss von Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen zum Zwecke der Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere der Erhaltung eines funktionierenden Wettbewerbs und der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen tätig.

Die Beklagte ist Optikerin und vertreibt in mehreren Läden u. a. Brillen. Im April 2013 bewarb sie in der im Raum F. erscheinenden Wochenzeitung „Die XXX“ den Verkauf ihrer Brillen mit folgender Anzeige:

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2013 ab und forderte sie zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 219,35 € auf. Sie vertrat die Auffassung, die Werbung verstoße gegen § 7 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Die Beklagte weigerte sich mit Schreiben vom 24.04.2013, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Der Kläger ist der Auffassung, das Angebot der kostenlosen Abgabe einer Aktionssonnenbrille im Falle des Erwerbs eines Korrekturbrille erfülle den Tatbestand des § 7 Abs. 1 HWG, bei dem es sich um eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG handele. Die Beklagte könne sich nicht auf die Ausnahmeregelung von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b HWG berufen, weil es sich bei der Korrekturbrille einerseits und der Sonnenbrille andererseits nicht um „gleiche Ware“ im Sinne dieses Ausnahmetatbestandes handele.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise an der Geschäftsführung zu vollziehende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder an der Geschäftsführung zu vollziehender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Aussage zu werben:

„Kauf 1 Nimm 2″“Sie kaufen eine Brille und bekommen eineAktionssonnenbrille in gleicher Stärke dazu.“

wenn dies geschieht wie folgt:

und an den Kläger 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht unter Berufung des ihren Rechtsstandpunkt teilenden Urteils der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Flensburg vom 21.03.2012 – 6 O 117/11 – geltend, die Zugabe einer Sonnenbrille sei eine wettbewerbsrechtlich zulässige Zuwendung. Eine Sonnenbrille mit Gläsern gleicher Stärke sei die gleiche Ware wie eine Korrekturbrille. Es handele sich um ein Heilmittel mit identischen Eigenschaften. Die Tönung der Gläser sei unerheblich, weil auch Korrekturbrillen mit verschiedenen Tönungen unterschiedlichen Grades angeboten würden. Es bestehe auch nicht die von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG vorausgesetzte Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung des Verbrauchers. Der Verbraucher erwerbe eine Sehhilfe nur aufgrund einer medizinischen Indikation und nach einem Beratungsgespräch und werde zum Erwerb der Korrekturbrille nicht durch das Angebot der Klägerin auf Zuwendung einer Sonnenbrille motiviert.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage hat Erfolg. Die kostenlose Auslobung einer „Aktion Sonnenbrille“ durch die Beklagte beim Kauf einer „Korrekturbrille“ ist eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Produktwerbung, denn sie verstößt gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG.

Gemäß § 7 Abs. 1 HWG, bei dem es sich um eine Marktverhaltensregelung handelt, ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren und Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, sofern nicht eine der in den dortigen Ziffern 1 – 5 genannten Ausnahmen vorliegt.

Die Werbung der Beklagten unterfällt dem Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes, weil es sich bei der beworbenen Brille und der Aktionssonnenbrille um Medizinprodukte im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG in Verbindung mit § 3 Medizinproduktegesetz handelt.

Die Abgabe einer Sonnenbrille beim Erwerb einer Brille stellt eine Zuwendung dar. Eine Zuwendung ist die völlige oder teilweise unentgeltliche Gewährung einer Ware oder Dienstleistung für den Fall des Kaufs einer anderen Ware oder Dienstleistung. Es handelt sich auch nicht um eine bloße Verkaufshilfe, weil die Werbung produktbezogen ist.

Die Zuwendung ist unzulässig, weil keiner der Ausnahmetatbestände, insbesondere nicht jener des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b HWG erfüllt ist. Danach ist eine Zuwendung nur dann zulässig, wenn sie in einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt wird. Die Vorschrift betrifft Zuwendungen/Werbegaben in Gestalt von Geldrabatten oder Mengenrabatten (Naturalrabatten), also Fälle der Reduzierung des für die beworbene Ware verlangten Preises, indem ein prozentualer oder betragsmäßig bestimmter Abschlag unmittelbar auf den für das Medizinprodukt verlangten Preis gewährt oder die Menge der für den unveränderten Preis zu liefernden Ware erhöht wird. Dieses Verständnis entspricht auch dem Schutzzweck des § 7 HWG, durch den sichergestellt werden soll, dass eine Kaufentscheidung nach den Kriterien Preiswürdigkeit und Qualität der Ware getroffen und nicht durch die Zielsetzung bestimmt wird, in den Genuss der Zugabe zu gelangen (zit. OLG Köln, Urteil vom 23.02.2011, 6 W 2/11, „Dentalscanner“ unter Hinweis auf Gröning, Heilmittelwerberecht, § 7 Rdn. 11; zit. nach Juris Rn. 7).

Der Ausnahmetatbestand erlaubt damit solche Zuwendungen, die sich u.a. als Mengenrabatt darstellen. Das setzt voraus, dass die Zuwendung im Vergleich zu der Menge der beworbenen Hauptware unerheblich ist. Bereits an dieser Voraussetzung fehlt es. Die als unentgeltlich beworbene Abgabe einer zweiten Brille ist schon kein Mengenrabatt (OLG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2013 – 2 U 92/12, zit. Beck online). Darüber hinaus hat die Beklagte vorgetragen, dass die Aktionssonnenbrille im Vergleich zur beworbenen Korrekturbrille die gleichen Eigenschaften aufweist. Deswegen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Sonnenbrille lediglich eine Nebenleistung darstellt.

Darüber hinaus handelt es sich bei der Brille einerseits und der Sonnenbrille andererseits nicht um die gleiche Ware. Bei beiden Waren handelt es sich zwar um Heilmittel, die der Korrektur einer Fehlsichtigkeit dienen und sich lediglich darin unterscheiden, dass die Sonnenbrille darüber hinaus einen UV-Schutz bietet. Indessen sind die Waren nicht austauschbar, weil die Sonnenbrille darüber hinaus eine weitergehende Schutzfunktion bietet und sie bei anderen Gelegenheiten, insbesondere regelmäßig nicht bei Dunkelheit oder in Innenräumen, getragen wird. An der diese Frage anders bewertenden Entscheidung des LG Flensburg, Urteil vom 21.03.2012, 6 O 117/11, wird auch im Hinblick auf die inzwischen vorliegende abweichende obergerichtliche Rechtsprechung nicht festgehalten.

Die Behauptung der Beklagten, die hinzugegebene Aktionssonnenbrille enthalte keine relevanten Unterschiede hinsichtlich des zur Verfügung gestellten UV-Schutzes; die UV Schutzausstattung in der Korrekturbrille sei Standard und sie vertreibe ausschließlich Gläser für Korrekturbrillen mit UV-Schutz, ist nicht entscheidungserheblich. Denn könnte der Verbraucher den Mehrwert „UV-Schutz“ oder „Tönung“ ohne weitere Kosten bereits durch die Abgabe der „Korrekturbrille“ erhalten, wäre die Werbung mit einer „Aktionssonnenbrille“ als Zugabe irreführend. Läge das Versprechen aber darin, neben einer „Korrekturbrille“ eine weitere Brille zu erhalten, die als zusätzliche Leistung getönte Gläser mit / ohne UV Schutz aufweist, würde es sich nicht um die gleiche Ware handeln. Eine Korrekturbrille bezweckt in erster Linie den Ausgleich von Fehlsichtigkeit, während eine Sonnenbrille in erster Linie gegen Sonnenblendung schützen.

Ob die Entscheidung des Verbrauchers durch die beanstandete Werbung tatsächlich unsachgemäß beeinflusst wird, ist nicht relevant, weil der Gesetzgeber bei Werbemaßnahmen, die – wie hier – nicht den Ausnahmetatbeständen unterfallen, davon ausgeht, dass das Versprechen von Medizinprodukten als Zuwendung geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinträchtigen. Da § 7 HWG ein abstrakter Gefährdungstatbestand ist, kommt es für die Verwirklichung des Tatbestandes auf Art und Ausmaß der unsachlichen Beeinflussung durch die Zuwendung grundsätzlich nicht an. Der BGH hat in seiner Entscheidung „Krankenhauswerbung“ allerdings ausgeführt, dass das – ebenfalls als abstrakter Gefährdungstatbestand ausgestaltete – Werbeverbot nach § 11 Absatz 1 S. 1 Nr. 4 HWG verfassungskonform ausgelegt werden müsse (BGH, GRUR 2007, 809, [810]). Danach würde der Tatbestand voraussetzen, dass die Werbung geeignet ist, das Laienpublikum unsachlich zu beeinflussen und dadurch zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken. Diese Grundsätze haben einige Gerichte auch auf das Zuwendungsverbot ebenfalls eine mittelbare Gesundheitsgefährdung voraussetzen würde (zit. Ulmar, MPR 2009, 181 [183f], nach Beck-Online). Die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des angesprochenen Verkehrs ist hier jedenfalls deshalb anzunehmen, weil die Werbung beim Kunden die Vorstellung hervorruft, beim Kauf einer Brille eine Sonnenbrille als Zugabe zu erhalten, deren Wert und Nutzen der beworbenen Brille gleichsteht, was eine erhebliche Anreizwirkung ausübt, sich mit dem Angebot der Beklagten zu befassen. Eine darüber hinaus gehende mittelbare Gesundheitsgefährdung ist hier keine Voraussetzung für das Werbeverbot, weil die beanstandete Wettbewerbshandlung nicht der Bewerbung von Arzneimitteln, bei denen der Gesundheitsschutz im Vordergrund steht, galt.

Es kommt auch nicht darauf an, dass der Verbraucher sich in der Regel erst nach einem ausführlichen Beratungsgespräch für den Kauf der Korrekturbrille entscheiden wird, so dass ein Informationsdefizit bis zum Abschluss des Vertrages beseitigt werden kann (BGH GRUR, 2002, 979 [982]), wenn – wie hier – das wettbewerbswidrige Inaussichtstellen einer Zuwendung bereits durch die den Vertragsschluss vorangehende Werbung erfolgt.

Da das Verbot des § 7 HWG den Schutz der Verbraucher bezweckt, ist der Verstoß gegen diese Vorschrift zugleich unlauter i.S. des § 4 Nr. 11 UWG.

II.

Der Anspruch auf Abmahnkosten beruht auf § 12 Abs. 1 UWG. Die Zinsen sind aufgrund von §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zuzusprechen. Der weitergehende Zinsantrag unterliegt der Abweisung, weil die Beklagte sich weder nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vereinbarte Leistungszeitbestimmung) noch aus anderem Rechtsgrund zuvor im Verzug befand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 GKG, § 3 ZPO.

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