Zum Nachweis der ernsthaften Benutzung einer deutschen Marke bei ausschließlicher Nutzung in der Schweiz

07. März 2014
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Urteil des EuGH vom 12.12.2013, Az.: C-445/12 P

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die ausschließliche Nutzung einer deutschen Marke in der Schweiz nicht mit einer ernsthaften Benutzung in Deutschland gleichzusetzen ist. Dem Verweis auf ein Übereinkommen zwischen Deutschland und der Schweiz aus dem Jahre 1892, welches die Benutzung einer Marke in dem anderen Staat der Benutzung im eigenen Staat gleichsetzte, hielt das Gericht entgegen, dass dieses nur zwischen diesen beiden Staaten gelte und im vorliegenden Fall Unionsrecht anzuwenden sei. Dies hat zur Folge, dass beim Nachweis der ernsthaften Benutzung eines Zeichens auf die Benutzung in dem Land, in dem es geschützt ist, abgestellt werden muss.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 12.12.2013

Az.: C-445/12 P

In der Rechtssache C 445/12 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 2. Oktober 2012,

…, Prozessbevollmächtigter: …,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch … als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

…,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2013,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rivella International AG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Juli 2012, Rivella International/HABM – Baskaya di Baskaya Alim (BASKAYA) (T‑170/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 10. Januar 2011 (Sache R 534/2010‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Rechtsmittelführerin und der Baskaya di Baskaya Alim e C. Sas (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 207/2009

Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) bestimmt:

„‚Ältere Marken‘ im Sinne von Absatz 1 sind

a)      Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke, gegebenenfalls mit der für diese Marken in Anspruch genommenen Priorität, die den nachstehenden Kategorien angehören:

i)      Gemeinschaftsmarken;

ii)      in einem Mitgliedstaat oder, soweit Belgien, Luxemburg und die Niederlande betroffen sind, beim BENELUX-Amt für geistiges Eigentum eingetragene Marken;

iii)      mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registrierte Marken;

iv)      aufgrund internationaler Vereinbarungen mit Wirkung in der Gemeinschaft eingetragene Marken;

…“

Art. 42 der Verordnung Nr. 207/2009 regelt das Widerspruchsverfahren beim HABM wie folgt:

„…

(2) Auf Verlangen des Anmelders hat der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis zu erbringen, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke die ältere Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat, oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere Gemeinschaftsmarke seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Widerspruch zurückgewiesen. Ist die ältere Gemeinschaftsmarke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt worden, so gilt sie zum Zwecke der Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren oder Dienstleistungen als eingetragen.

(3) Absatz 2 ist auf ältere nationale Marken im Sinne des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe a mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der Benutzung in der Gemeinschaft die Benutzung in dem Mitgliedstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist.

…“

In Art. 160 („Benutzung einer Marke, die Gegenstand einer internationalen Registrierung ist“) dieser Verordnung heißt es:

„Für die Zwecke der Anwendung der … Artikel 42 Absatz 2 … tritt zur Festlegung des Datums, ab dem die Marke, die Gegenstand einer internationalen Registrierung mit Benennung der Europäischen Gemeinschaft ist, ernsthaft in der Gemeinschaft benutzt werden muss, das Datum der Veröffentlichung gemäß Artikel 152 Absatz 2 an die Stelle des Datums der Eintragung.“

Richtlinie 2008/95/EG

Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25) bestimmt:

„Hat der Inhaber der Marke diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren nach dem Tag des Abschlusses des Eintragungsverfahrens nicht ernsthaft in dem betreffenden Mitgliedstaat benutzt oder wurde eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Marke den in dieser Richtlinie vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.“

Abkommen von Madrid

Das Abkommen von Madrid über die internationale Registrierung von Marken vom 14. April 1891 in geänderter Fassung (im Folgenden: Abkommen von Madrid) sieht in Art. 4 Abs. 1 vor:

„Vom Zeitpunkt der … vollzogenen Registrierung an ist die Marke in jedem der beteiligten Vertragsländer ebenso geschützt, wie wenn sie dort unmittelbar hinterlegt worden wäre. …“

Übereinkommen von 1892

Nach Art. 5 Abs. 1 des am 13. April 1892 in Berlin unterzeichneten Übereinkommens zwischen Deutschland und der Schweiz betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz in geänderter Fassung (im Folgenden: Übereinkommen von 1892) sollen die Rechtsnachteile, welche nach den Gesetzen der vertragschließenden Teile eintreten, wenn eine Handels- oder Fabrikmarke nicht innerhalb einer bestimmten Frist angewendet wird, auch dadurch ausgeschlossen werden, dass die Ausführung, Nachbildung oder Anwendung in dem Gebiet des anderen Teiles erfolgt.

Sachverhalt

Am 25. Oktober 2007 meldete die … beim HABM nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) eine Gemeinschaftsmarke an.

Dabei handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

[Abbildung: BASKAYA]

Die Marke wurde für folgende Waren in den Klassen 29, 30 und 32 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–  Klasse 29: „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmuse; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und ‑fette“;

–  Klasse 30: „Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffeeersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis“;

–  Klasse 32: „Biere; Mineralwässer und kohlesäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“.

Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 13/2008 vom 31. März 2008 veröffentlicht.

Am 30. Juni 2008 erhob die Rechtsmittelführerin nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) gegen die Eintragung der angemeldeten Marke einen Widerspruch, der mit dem Bestehen von Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) begründet wurde.

Der Widerspruch war auf die nachstehend wiedergegebene ältere internationale Bildmarke gestützt, die unter der Nr. 470 542 am 30. Juni 1992, verlängert bis zum 30. Juni 2012, mit Wirkung für Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich und die Benelux-Staaten und für Produkte der Klasse 32 des Abkommens von Nizza eingetragen worden war: „Biere, Ale und Porter; Mineralwässer und kohlesäurehaltige Wässer und andere nicht-alkoholische Getränke; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“:

[Abbildung: Passaia]

Auf die Aufforderung, die Benutzung der älteren Marke nachzuweisen, erklärte die Rechtsmittelführerin am 31. März 2009, sie erhalte den Widerspruch nur für den deutschen Teil der internationalen Registrierung aufrecht, und legte mehrere Schriftstücke zum Nachweis der Benutzung in der Schweiz vor. Sie berief sich insoweit auf Art. 5 des Übereinkommens von 1892. Nach diesem Übereinkommen komme die Benutzung in der Schweiz einer solchen in Deutschland gleich.

Mit Entscheidung vom 8. Februar 2010 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch wegen fehlenden Nachweises der Benutzung der älteren Marke zurück. Sie stellte fest, dass die Widerspruchsmarke nach den vorgelegten Unterlagen nur in der Schweiz benutzt worden sei, und verneinte die Anwendbarkeit des Übereinkommens von 1892.

Am 7. April 2010 erhob die Rechtsmittelführerin beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung.

Mit der streitigen Entscheidung wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass die ernsthafte Benutzung der älteren Widerspruchsmarke nur für die Schweizerische Eidgenossenschaft nachgewiesen worden sei. Die einzig maßgebliche Regelung sei die der Verordnung Nr. 207/2009, speziell deren Art. 42 Abs. 2 und 3, wonach die ältere Marke in dem Mitgliedstaat ernsthaft benutzt worden sein müsse, in dem sie geschützt sei.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

Mit Klageschrift, die am 17. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung.

Als alleinigen Klagegrund machte sie einen Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

Die Rechtsmittelführerin machte insbesondere geltend, dass sie, da die Benutzung einer Marke in Deutschland nach Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens von 1892 erwiesen sei, wenn die Marke in der Schweiz benutzt werde, keinen Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke in Deutschland erbringen müsse.

Das Gericht hat zunächst in den Randnrn. 22 bis 36 des angefochtenen Urteils die Frage geprüft, für welches Gebiet der Nachweis der Benutzung der älteren Marke erbracht werden müsse.

In Randnr. 26 des angefochtenen Urteils hat es ausgeführt, „dass die Fragen, die mit den eingereichten Nachweisen zur Stützung der Gründe für den Widerspruch gegen eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung zusammenhängen, ebenso wie die Fragen, die den territorialen Aspekt der Markenbenutzung betreffen, in den einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 207/2009 geregelt werden“, unabhängig vom innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten. In Randnr. 27 dieses Urteils hat es klargestellt, dass die Eigenschaft einer älteren Marke, die in einem gemeinschaftlichen Widerspruchsverfahren geltend gemacht werde, als national oder international keineswegs bedeute, dass das für diese ältere Marke geltende nationale Recht anzuwenden sei.

Zwar bestimmten sich die Verfahren zur Eintragung von Marken nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, doch gelte dies nicht für die Bestimmung des Gebiets, für das die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachgewiesen werden müsse, da diese Frage vom Unionsrecht geregelt werde.

In Randnr. 36 des angefochtenen Urteils heißt es weiter, dass, wenn in bestimmten Fällen das nationale Recht zur Anwendung kommen könne, die Verordnung Nr. 207/2009 die Koexistenz der nationalen Systeme und des Gemeinschaftssystems zum Markenschutz vorsehe.

Sodann hat das Gericht in den Randnrn. 37 bis 40 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass auch in Bezug auf eine ältere internationale Marke der Nachweis ihrer ernsthaften Benutzung gemäß Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verlangt werde könne, da eine solche Marke einer nationalen Marke gleichzustellen sei.

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht die Klage abgewiesen.

Anträge der Parteien

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und dem HABM die Verfahrenskosten vor dem Gerichtshof und dem Gericht aufzuerlegen.

Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

Die Rechtsmittelführerin macht als alleinigen Rechtsmittelgrund einen Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Dieser Rechtsmittelgrund gliedert sich in drei Teile.

Zum ersten Teil des alleinigen Rechtsmittelgrundes

Vorbringen der Parteien

Die Rechtsmittelführerin ist der Ansicht, dass Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht auf Marken anwendbar sei, die mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registriert worden seien.

Diese Bestimmung betreffe ihrem Wortlaut nach ausdrücklich nur „ältere Gemeinschaftsmarken“ und „ältere nationale Marken“ und nicht die anderen Fälle, die in Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung, der den allgemeineren Begriff „ältere Marke“ verwende, genannt seien. Somit falle die ältere Marke, die mit der angemeldeten Marke kollidiere, unter Art. 8 Abs. 2 Buchst. a.

Da diese ältere Marke international registriert worden sei, habe das Gericht zu Unrecht verlangt, dass die Rechtsmittelführerin deren Benutzung in Deutschland nachweise.

Das HABM trägt vor, dass der Benutzungszwang, wie er sich aus Art. 42 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebe, in Art. 160 dieser Verordnung für internationale Registrierungen, die die Europäische Union benennen, ausdrücklich geregelt sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

Mit dem ersten Teil ihres alleinigen Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe rechtsfehlerhaft das Kriterium der ernsthaften Benutzung nach Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 auf die ältere Marke, deren Inhaberin sie sei, angewandt, obwohl es sich um eine internationale Marke handle, die nicht unter diese Bestimmung falle.

Erstens ist zu beachten, dass aus dem Wortlaut von Art. 42 der Verordnung Nr. 207/2009 hervorgeht, dass Abs. 2 dieses Artikels für ältere Gemeinschaftsmarken gilt, während Abs. 3 ältere nationale Marken betrifft.

Außerdem ist festzustellen, dass diese beiden Absätze nicht zwischen nationalen Marken und international registrierten Marken unterscheiden.

Die in Art. 42 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 genannten „älteren nationalen Marken“ sind jedoch als Marken zu verstehen, die unabhängig davon, ob sie auf nationaler oder internationaler Ebene registriert wurden, in einem Mitgliedstaat Wirkung haben.

Art. 42 Abs. 3 sieht nämlich vor, dass die Bestimmungen dieses Absatzes auf „ältere nationale Marken“ im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 anzuwenden sind, ohne dabei zwischen den dort aufgeführten vier Kategorien von „älteren Marken“ zu unterscheiden, zu denen u. a. die mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registrierten Marken gehören.

Mit Art. 42 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 soll daher einzig und allein das Erfordernis der Benutzung einer älteren Gemeinschaftsmarke im Gemeinschaftsgebiet, wie es sich aus Art. 42 Abs. 2 dieser Verordnung ergibt, auf den Fall älterer nationaler Marken angewandt werden, für den klargestellt wird, dass die Benutzung in dem Gebiet eines Mitgliedstaats erforderlich ist.

Zweitens umgeht die von der Rechtsmittelführerin vertretene Auslegung, die den Ausschluss der internationalen Marken vom Anwendungsbereich des grundlegenden Erfordernisses der Benutzung zur Folge hat, das Schutzsystem, zu dem Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 gehört, und die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen. Insbesondere ist zum einen zu betonen, dass der zehnte Erwägungsgrund dieser Verordnung, der auf den Grundsatz der Priorität der Marke hinweist, nicht nach der Art der Marke unterscheidet, die Gegenstand des Widerspruchs ist. Zum anderen ergibt sich dies auch aus Art. 160 der Verordnung Nr. 207/2009, der für den auf eine internationale Marke gestützten Widerspruch im Zusammenhang mit der Bestimmung des Datums der Eintragung die Benutzung verlangt.

Dies hat das Gericht sinngemäß hervorgehoben, indem es in Randnr. 38 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen hat, dass Art. 4 Abs. 1 des Madrider Abkommens und Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls zum Madrider Abkommen bestimmen, dass die Marke in jedem der beteiligten Vertragsländer ebenso geschützt ist, wie wenn sie unmittelbar bei der Behörde dieses Vertragslands hinterlegt worden wäre.

Nach diesen Bestimmungen unterliegen die „mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registrierten Marken“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. iii der Verordnung Nr. 207/2009 demnach derselben Regelung wie die „in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marken“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii dieser Verordnung.

Daher hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, indem es Art. 42 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 auf die Marke, deren Inhaber die Rechtsmittelführerin ist, angewandt hat.

Damit kann die Rechtsmittelführerin nicht geltend machen, die Erwägungen des Gerichts in den Randnrn. 33 und 38 des angefochtenen Urteils seien widersprüchlich. Während nämlich das Gericht in Randnr. 33 dieses Urteils im Wesentlichen ausführt, dass der Begriff der ernsthaften Benutzung im Rahmen des Verfahrens zur Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke harmonisiert worden sei, bezieht es sich in Randnr. 38 dieses Urteils auf die Gültigkeit einer internationalen Marke im Gebiet eines Mitgliedstaats.

Folglich ist der erste Teil des alleinigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des alleinigen Rechtsmittelgrundes

Vorbringen der Parteien

Mit dem zweiten Teil des alleinigen Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, dass entgegen den Feststellungen des Gerichts sämtliche Fragen, die die „territoriale Gültigkeit“ einer national registrierten Marke beträfen, ausschließlich im nationalen Recht geregelt seien. Dies sei insbesondere bei nationalen Marken der Fall, die mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registriert worden seien.

Das HABM ist der Meinung, der Begriff der Benutzung der älteren Marke sei im Rahmen der Verordnung Nr. 207/2009, die die Art der fraglichen Benutzung und das Gebiet, in dem die Benutzung nachgewiesen werden müsse, erschöpfend regle, einheitlich auszulegen. Das Übereinkommen von 1892 könne zwar Auswirkungen auf das deutsche Markenrecht haben, es entfalte aber keine Wirkung für die Gemeinschaftsregelung für Marken.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung über Gemeinschaftsmarken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind, und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (vgl. Urteile vom 22. März 2012, Génesis, C‑190/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36, und vom 27. Juni 2013, Malaysia Dairy Industries, C‑320/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33).

In diesem Zusammenhang kann die Rechtsmittelführerin die Lehren, die das Gericht aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziara/HABM (C‑234/06 P, Slg. 2007, I‑7333), in Bezug auf den Begriff der Benutzung der Marke gezogen hat, nicht in Frage stellen. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil nämlich entschieden – wie das Gericht in Randnr. 34 des angefochtenen Urteils erläutert hat –, dass der nationale Begriff der Defensivmarke, wonach eine ältere Marke nach dem nationalen Recht geschützt ist, auch wenn ihre Benutzung nicht nachgewiesen werden kann, die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke nicht verhindern kann.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn mit den Vorschriften über die Gemeinschaftsmarke der Begriff der Benutzung der Marke nicht harmonisiert würde.

Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95, der die Harmonisierung der nationalen Vorschriften über die Marken bezweckt, sieht aber vor, dass eine Marke, deren Inhaber diese nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht ernsthaft in dem betreffenden Mitgliedstaat benutzt, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Sanktionen unterliegt, zu denen u. a. die Nichtigkeit gehört.

Folglich hat das Gericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Begriff der Benutzung der Gemeinschaftsmarke im Gebiet der Union allein durch das Unionsrecht erschöpfend geregelt wird.

Somit ist der zweite Teil des alleinigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Teil des alleinigen Rechtsmittelgrundes

Vorbringen der Parteien

Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin kann der Umstand, dass die Benutzung der angemeldeten Marke im deutschen Gebiet nach dem Übereinkommen von 1892 untersagt werden könne, dazu führen, dass die Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke beeinträchtigt werde. Zwar könne es Ausnahmen vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke geben, diese müssten aber – wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 ergebe – in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehen sein.

Das HABM weist unter Bezugnahme auf die Art. 111 und 165 dieser Verordnung darauf hin, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke nicht uneingeschränkt gelte.

Würdigung durch den Gerichtshof

Vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke gelten Ausnahmen, wie sie in der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehen sind.

Insbesondere erlaubt Art. 111 Abs. 1 dieser Verordnung dem Inhaber eines älteren Rechts von örtlicher Bedeutung, sich der Benutzung der Gemeinschaftsmarke in dem Gebiet, in dem dieses ältere Recht geschützt ist, zu widersetzen, sofern dies nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats zulässig ist.

Demnach hat das Gericht in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke nicht uneingeschränkt gilt.

Folglich ist der dritte Teil des alleinigen Rechtsmittelgrundes nicht begründet und das Rechtsmittel daher insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die … mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die … trägt die Kosten.

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