Nachzahlungsklausel bei Prepaid-Verträgen unwirksam

07. März 2014
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Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 09.01.2014, Az.: 1 U 98/13

Kunden eines Prepaid-Vertrages können davon ausgehen, dass mit Verbrauch ihres Guthabens keine weiteren Kosten mehr entstehen. Eine Klausel, die dem Anbieter eine verzögerte Abbuchung mit der Folge erlaubt, dass durch die Entstehung eines Negativsaldos der Kunde zur Nachzahlung verpflichtet wird, enthält eine von der ursprünglichen Vorleistungspflicht abweichende Regelung und verstößt gegen das Transparenzgebot. Gleiches gilt für eine Klausel, die zur fortlaufenden Entrichtung nutzungsunabhängiger Entgelte trotz Sperrung verpflichtet.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 09.01.2014

Az.: 1 U 98/13

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. März 2013 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte kann die Vollstreckung aus beiden Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, begehrt von der Beklagten, die ohne eigenes Netz als sogenannter Reseller Mobilfunkverträge vertreibt, die Unterlassung der Verwendung zweier Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die Beklagte bietet als Rechtsnachfolgerin der A … GmbH (kurz: Beklagte) über das Internet Mobilfunkverträge an, bei denen der Kunde für die Zahlungsweise zwischen zwei Varianten wählen kann, die die Beklagte mit „Monatsabrechnung (postprepaid)“ und „Komfort-Aufladung (prepaid)“ bezeichnet (Ausdruck ihres Internetauftritts, Anlage B 2, Bl. 61 d.A.). Bei der letztgenannten Option erfolgt die Abrechnung über ein Mobilfunkguthaben, welches im Voraus aufgeladen wird. Nimmt der Kunde Mobilfunkleistungen in Anspruch, werden die hierdurch entstehenden Kosten von dem Guthabenkonto abgezogen, wobei der Abzug nicht zeitgleich mit der Inanspruchnahme der Mobilfunkleistungen vorgenommen wird, sondern nachträglich erfolgt. Hierdurch kann zu Lasten des Kunden ein Negativsaldo auf dem Konto entstehen, wenn dieser trotz Verbrauchs des Guthabens weiter Leistungen der Beklagten in Anspruch nimmt.

In ihren „Allgemeine Geschäftsbedingungen der A … GmbH für Dienstleistungen im Bereich Mobilfunk (Prepaid)“, Stand Juni 2012, auf die im Übrigen Bezug genommen wird (Anlage K 2, Bl. 17 ff. d.A.), verwendete die Beklagte u.a. folgende Bestimmungen:

V. Zahlungsbedingungen/Vorleistungspflicht/Guthaben/Einwendungen 1. Die nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Entgelte sind vom Kunden grundsätzlich im Voraus zu zahlen (Vorleistungspflicht). … 3. Die Leistungspflicht des Diensteanbieters hängt davon ab, dass das Guthabenkonto des Kunden im Zeitpunkt der Inanspruchnahme über eine ausreichende Deckung verfügt. Dies gilt auch für etwaig gewählte Zusatzoptionen, wie z.B. Flatrates, Datenpakete etc. Auch laufende Verbindungen werden bei Verbrauch des Guthabens sofort unterbrochen. … … … VI. Entgeltpflichtige Leistungen/Nationale und Internationale Verbindungen/Roaming/Premiumdienste … 2.c) … Insbesondere kann aufgrund von verzögerten Abbuchungen ein Negativsaldo auf dem Guthabenkonto des Kunden entstehen. In diesem Fall hat der Kunde die Differenz unverzüglich auszugleichen. Dies betrifft auch Kunden, die eine Zusatzoption mit einem Mindestverbrauch oder Freiminuten bzw. Frei-SMS gewählt haben. … … VIII. Sperre … 6. … Trotz einer Sperre bleibt der Kunde verpflichtet, die nutzungsunabhängigen Entgelte, insbesondere die monatlichen Optionspreise (Flatrate-Preise etc.), zu zahlen. … …

Der Kläger sieht in den beiden letztgenannten Klauseln unter Ziffer VI. 2. c) Satz 2 bis 4 und VIII. 6. Absatz 2 eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher und hat die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Kläger beanstandeten Klauseln einer Inhaltskontrolle unterlägen, weil sich bereits aus ihrer Stellung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergebe, dass sie den Vollzug des Vertrages regelten und nicht etwa nur die angebotene Leistung beschrieben. Die Klausel in Ziffer VI. 2. c) ändere die zuvor angebotene Leistung wieder ab und sei daher überraschend und gemäß § 307 BGB unwirksam. Durch die Beschreibung der Leistung als „prepaid“ in den Tarifoptionen und in der Einleitung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen werde die Leistung als Vorauszahlung gekennzeichnet. Ein Kunde, der solche Verträge abschließe, tue dies in der Annahme, dass durch die Vorauszahlung nachträgliche Kosten ausgeschlossen seien. In dieser Annahme werde der Kunde durch die Überschrift zu Ziffer V. sowie durch die Bestimmungen in Ziffer V. 1. und Ziffer V. 3. bestätigt, wonach eine für Prepaid-Verträge typische Leistung angeboten werde. Dem widerspreche die Regelung in Ziffer VI. 2. c) Satz 2 bis 4. Durch sie werde der zuvor beschriebene Vertragsinhalt ausgehöhlt. Dadurch werde der Kunde unangemessen belastet. Die Belastung werde nicht dadurch beseitigt, dass er eine Gegenleistung erhalte, weil er durch die Wahl einer solchen Zahlungsweise dies gerade habe vermeiden wollen. Die Höhe der Nachzahlung sei nicht begrenzt, da es im Ermessen der Beklagten stehe, wann sie den Anschluss sperre. Tatsächlich leiste der Kunde nicht mehr voraus, sondern einen Vorschuss, der dann wie die ebenfalls angebotene Zahlungsweise postpaid nachträglich abgerechnet werde. Dies sei überraschend. Damit setze die Beklagte einseitig ihre Interessen auf Kosten des Verbrauchers durch. Die Beklagte verschaffe sich auf diese Weise die Chance auf hohe zusätzliche Umsätze, die der Kunde habe vermeiden wollen, und wälze das Risiko, durch Nachforderungen der Netzbetreiber über das vorhandene Guthaben hinaus belastet zu werden, auf den Kunden, ohne ihn deutlich darauf hinzuweisen. Sei die Beklagte durch die von ihr vorgetragene Weigerung der Netzbetreiber am Angebot eines echten Prepaid-Vertrages gehindert, dürfe dies nicht zu Lasten des Verbrauchers gehen. Die Verpflichtung, die angegriffene Klausel nicht mehr zu verwenden, führe nur dazu, dass sie keine Nachzahlungen mehr verlangen dürfe. Hierzu müsse sie nicht, wie von ihr geltend gemacht, ihr Abrechnungssystem gänzlich umstellen.

Auch die Klausel Ziffer VIII. 6. Absatz 2 sei nach § 307 BGB unwirksam. Der Verbraucher werde unangemessen benachteiligt, weil er trotz Sperre nutzungsunabhängige Entgelte zahlen müsse. Die Regelung eines Zurückbehaltungsrechts bei einem Prepaid-Vertrag widerspreche dem Wesen eines solchen Vertrages, da aufgrund der Vorauszahlung keine Rückstände aufträten. Lade der Kunde ein neues Guthaben auf, müsse er nicht damit rechnen, dass dieses mit einem noch bestehenden Negativsaldo verrechnet werde, weil ein solcher nach der in Ziffer V. 3. definierten Leistung nicht entstehe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie hat nach Erlass des Urteils mit Stand vom Mai 2013 ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Weise neu gefasst, dass diese eingangs wie folgt lauten (Bl. 180 ff. d.A.):

„Allgemeine Geschäftsbedingungen der B … GmbH für Dienstleistungen im Bereich Mobilfunk für das Produkt „A“ (Komfort-Aufladung)“, und in Ziffer V. 3. die Bestimmung, wonach auch laufende Verbindungen bei Verbrauch des Guthabens sofort unterbrochen werden, ersatzlos gestrichen ist.

Die Beklagte rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, tatsächlich vertreibe sie keine „klassischen“ Prepaid-Verträge, sondern „Pseudo“-Prepaid-Verträge. Dementsprechend würden die angegriffenen Klauseln ihr angebotenes Produkt zutreffend beschreiben. Die Verwendung zutreffender Klauseln könne ihr aber nicht untersagt werden. Unwirksam habe allenfalls die – nun aus dem Klauselwerk entfernte – Bestimmung sein können, wonach bei Verbrauch des Guthabens das Gespräch unterbrochen werde. Als Leistungsbeschreibung unterläge die Bestimmung in Ziffer VI. 2 c) Satz 2 bis 4 ohnehin nicht der Inhaltskontrolle. Da sie keinen unmittelbaren Zugriff auf die Systeme der vier Netzbetreiber habe, sondern auf deren Mitteilungen angewiesen sei, könne sie nur Verträge anbieten, bei denen die Mobilfunkleistungen erst nachträglich, zeitlich verzögert vom Guthabenkonto abgezogen würden (sogenanntes „Offline-Billing“ im Gegensatz zum „Online-Billing“). Selbst wenn sie das Abrechnungssystem umstellen wollte, seien die Netzbetreiber hierzu nicht bereit.

Durch die von ihr den Kunden eingeräumte Möglichkeit, das Guthaben zu überziehen, sei sie auch in der Lage, monatliche Zusatzoptionen, wie Flatrates, oder Roamingdienste in einem Umfang anzubieten, wie sie nur bei echten Postpaid-Verträgen verfügbar seien. Ohne die angegriffenen Klauseln könnte sie die Kunden jedoch nicht zum Ausgleich der Minusbeträge verpflichten, was gerade bei monatlichen Flatrates von Bedeutung sei. Demgegenüber liege der Vorteil des Offline-Abrechnungssystems für den Kunden in dessen Flexibilität, indem dieser selbst dann noch Mobilfunkleistungen in Anspruch nehmen könnte, wenn nicht mehr genügend Guthaben auf dem Mobilfunkkonto vorhanden sei. Auch ein laufendes Gespräch werde somit nicht unterbrochen.

Die von ihr verwendeten Klauseln seien auch nicht für den Kunden überraschend. Das Landgericht habe nämlich fehlerhaft den Ablauf des Bestellvorgangs im Internet unberücksichtigt gelassen. In dessen Verlauf stelle sie aber die Besonderheiten der Komfort-Aufladung deutlich dar. Insbesondere ergebe sich hieraus bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses unmissverständlich, dass sie kein klassisches Prepaid-Mobilfunkprodukt anbiete. Dies folge zudem aus einer Reihe weiterer Klauseln ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, was das Landgericht nicht gewürdigt habe.

Das Landgericht habe des Weiteren übersehen, dass es, wie die Beklagte meint, keinen feststehenden Begriff eines „Prepaid-Vertrages“ gebe, sondern eine Vielzahl von Produktgestaltungen zwischen den Begriffen „prepaid“ und „postprepaid“. Daher fehle es auch an der hinreichenden Bestimmtheit des erstinstanzlichen Tenors.

Darüber hinaus sei Ziffer VIII. 6. Absatz 2 auch deshalb nicht unwirksam, weil es einem Kunden, der eine Zusatzoption wähle, selbstverständlich sei, dass er die damit verbundene Monatsgebühr unabhängig davon zu entrichten habe, ob sein Mobilfunkguthaben ausreichende Deckung aufweise. Mit Blick auf die Zusatzoptionen unterscheide sich ihr Produkt daher nicht von einem Postpaid-Produkt mit monatlichen Gebühren.

Sie beantragt,

das am 21. März 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2 – 24 O 231/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

A. Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die von dem Kläger beanstandeten Klauseln der Beklagten nach § 307 BGB unwirksam sind und der Kläger Aufwendungsersatz verlangen kann.

1. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung unterfallen die angegriffenen Klauseln gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle.

Zwar unterliegen der Inhaltskontrolle solche Abreden nicht, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regeln. Diese Freistellung gilt jedoch nur für den unmittelbaren Leistungsgegenstand. Dagegen werden Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, von der Freistellung nicht erfasst, so dass Allgemeine Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle unterworfen sind, wenn sie anordnen, dass der Verwender unter bestimmten Voraussetzungen die versprochene Leistung nur modifiziert oder überhaupt nicht zu erbringen hat. Für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung bleibt deshalb nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhaltes ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (m.w.N. BGH, Urteil vom 25. September 2013, Rz 17 – VIII ZR 206/12 – juris). Von diesen zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehörenden und deshalb nicht der Inhaltskontrolle unterliegenden Abreden sind die kontrollfähigen Nebenabreden zu unterscheiden, also Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Anders als die unmittelbaren Leistungsabreden bestimmen sie nicht das Ob und den Umfang der zu erbringenden Leistungen, sondern treten als ergänzende Regelungen, die lediglich die Art und Weise der Leistungserbringung und/oder etwaige Leistungsmodifikationen zum Inhalt haben, „neben“ eine bereits bestehende Leistungshauptabrede (BGH a.a.O., Rz 18).

Um solche die Leistungsabrede lediglich modifizierende und damit der Inhaltskontrolle unterliegende Regelungen handelt es sich indessen bei den angegriffenen Bestimmungen.

Denn Ziffer VI. 2. c) Satz 2 und 4 erlaubt der Beklagten neben der zuvor in Ziffer V. geregelten Vorleistungspflicht ihres Vertragspartners die verzögerte Abbuchung mit der Folge, dass durch die Entstehung eines Negativsaldos ihr Vertragspartner zum Nachschuss verpflichtet wird. Dadurch kommt der Klausel ein eigenständiger Regelungsinhalt insoweit zu, als sie eine von der zunächst geregelten Verpflichtung zur Vorleistung mittels Aufladung eines Guthabens abweichende Nachzahlungspflicht enthält. Auch die in Ziffer VIII. 6. Absatz 2 vorgesehene Verpflichtung zur fortlaufenden Entrichtung nutzungsunabhängiger Entgelte trotz Sperrung enthält eine von der beschriebenen ursprünglichen Vorleistungspflicht abweichende Regelung.

Die in Ziffer VI. 2. c) Satz 3 weiter enthaltene Regelung, wonach der Kunde zum unverzüglichen Ausgleich der Differenz verpflichtet wird, unterliegt als Fälligkeitsregelung ebenfalls der Inhaltskontrolle (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 307, Rz 47).

2. Die angegriffenen Klauseln benachteiligen die Vertragspartner der Beklagten unangemessen, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen.

a) Treu und Glauben verpflichten den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so deutlich erkennen lassen, wie dies nach den Umständen möglich und zumutbar ist. Die Anforderungen an die Transparenz richten sich hierbei auch danach, in welchem Maße die Regelung – für den Verwender erkennbar – den Erwartungen des Vertragspartners widerspricht. Abzustellen ist dabei nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkreten Vertragspartners, sondern auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden (BGH, Urteil vom 15. April 2010 – Xa ZR 89/09, Rz 25 – juris).

b) Diesen Maßstäben halten die angegriffenen Bestimmungen nicht stand.

aa) Ziffer VI. 2. c) Satz 2 bis 4 berechtigt die Beklagte zur verzögerten Abbuchung. Gleichzeitig verpflichtet sie ihre Vertragspartner, hierbei entstehende Minusbeträge über das in Vorleistung gezahlte Guthaben hinaus unverzüglich auszugleichen.

(1) Damit widerspricht die Klausel jedoch Erwartungen von Kunden eines Prepaid-Vertrages. Um einen solchen Vertrag handelt es sich aber ausweislich des einleitenden Satzes ihres Klauselwerks. Auch die Bestimmungen in Ziffer V. 1. und 3. weisen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, typischerweise auf einen Prepaid-Vertrag hin. Die Entstehung eines Negativsaldos und die Verpflichtung, diesen unverzüglich auszugleichen, sind mit der Erwartung des Vertragspartners der Beklagten indessen nicht zu vereinbaren. Dabei kann der Senat die Frage, wie Mobilfunkkunden im Allgemeinen den Begriff „prepaid“ verstehen und welche Erwartung sie an Prepaid-Verträge haben dürfen, selbst beurteilen, da er zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört. Das Landgericht ist daher zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass Prepaid-Verträge in der Annahme geschlossen werden, mit Erwerb des Guthabens sämtliche in Frage kommenden Kosten bereits vorab entrichtet zu haben und nicht mehr nachträglich mit Beträgen in nicht vorhersehbarer Höhe belastet zu werden. Genau dies lässt die Klausel aber zu. Prepaid-Verträge werden im Allgemeinen gerade zu dem Zweck abgeschlossen, die entstehenden Mobiltelefonkosten im Voraus planen zu können und zu begrenzen und so schwer vorhersehbaren „Kostenexplosionen“ vorzubeugen (so auch KG, Urteil vom 28. Juni 2012 – 22 U 207/11 – MMR 2012, 734; vgl. auch OLG München, Urteil vom 17. Oktober 2013 – 29 U 899/13 – Seite 3). Solche Verträge werden deshalb typischerweise gerade dann eingegangen, wenn das Telefon Minderjährigen zur Verfügung stehen soll.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist aber bei der für die Inhaltskontrolle maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. m.w.N. BGH, Versäumnisurteil vom 30. März 2010 – XI ZR 200/09, Rz 27 – juris) die Höhe der Nachzahlungen nicht begrenzt. Dieses Risiko hoher, unkontrollierbarer Kosten wird aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für einen durchschnittlichen Kunden eines Prepaid-Vertrages nicht hinreichend klar und deutlich. Bei der Inhaltskontrolle sind nämlich zu überprüfende Klauseln nicht isoliert, sondern vor dem Hintergrund des gesamten Vertrages zu interpretieren (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1989 – XI ZR 54/88, Rz 17 – juris zu §§ 13 ff. AGBG). Auch der Inhalt anderer AGB-Bestimmungen und ihr Zusammenwirken mit der beanstandeten Klausel müssen berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – XI ZR 192/90, Rz 12 – juris zu § 9 Abs. 1 AGBG). Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung geltend macht, eine Reihe von Bestimmungen in ihrem Klauselwerk würden auf das tatsächlich von ihr vertriebene „Pseudo“-Prepaid-Produkt hinweisen, muss dies nicht weiter vertieft werden. Jedenfalls erweckte bereits der ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen einleitende Satz den Eindruck, es gehe um Bedingungen für Prepaid-Verträge. Auch Ziffer V. 3. Satz 3 enthielt mit der Bestimmung, wonach laufende Verbindungen bei Verbrauch des Guthabens sofort unterbrochen werden, eine Regelung, die ein Vertragspartner der Beklagten von einem Prepaid-Vertrag typischerweise erwarten darf. Er durfte daher angesichts dieser Regelung und mit Blick auf den ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen einleitenden Satz darauf vertrauen, dass bei Verbrauch des Guthabens keine weiteren Kosten in nicht vorhersehbarer Höhe entstehen, mit denen er noch belastet werden könnte. Dieser berechtigten Erwartung widerspricht aber die angegriffene Klausel. Sie ist mithin vor dem Hintergrund des gesamten Klauselwerks nicht geeignet, Rechte und Pflichten eines Vertragspartners der Beklagten klar und durchschaubar darzustellen.

(2) Die Beklagte kann auch nicht einwenden, dass ein Kunde auf ihrer Internetseite schon bei Anbahnung des Vertrags darüber informiert werde, dass sie hinsichtlich des Produkts „Komfort-Aufladung (Prepaid)“ keinen klassischen Prepaid-Vertrag anbiete. Allerdings ergibt sich aus der Anlage B 2 (Bl. 61 d.A.), dass der Kunde über einen weiterführenden Link betreffend die Option „Komfort-Aufladung (Prepaid)“ die Information erhält, dass eine Überziehung des Guthabens ohne sofortige Sperrung möglich sei. Es kann dahinstehen, ob der Kunde hierdurch ausreichend informiert wird. Eine Zusatzinformation, die die Intransparenz einer Klausel vermeidet, ist nur zu beachten, wenn sie sich aus anderen Bestimmungen der mit der beanstandeten Klausel in einem Formular zusammengefassten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt. Im Verbandsprozess, in dem eine vom Einzelfall losgelöste abstrakte Wirksamkeitsprüfung vorzunehmen ist, können Merkmale der konkreten Fallgestaltung deshalb nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie Bestandteil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind (vgl. BGH, Urteil vom 04. Februar 1997 – XI ZR 149/96, Rz 19 – juris zu § 13 AGBG). Daran fehlt es bei den lediglich über das Internet an anderer Stelle abrufbaren Informationen.

(3) Die Beklagte kann auch nicht geltend machen, Konsequenz des angegriffenen Urteils sei, dass sie ihr „Pseudo“-Prepaid-Produkt nicht mehr anbieten könne und sie mit ihren Kunden neue Verträge abschließen müsse. Denn die beanstandeten Bestimmungen sind nur in solchen Verträgen unwirksam, die im Gewande eines Prepaid-Vertrages erscheinen. Andere Verträge, die die Beklagte mit ihren Kunden geschlossen hat, bleiben von dem Verbot unberührt.

bb) Die Ausführungen zu der Klausel VI. 2. c) Satz 2 bis 4 gelten für die Bestimmung VIII. 6. Absatz 2 entsprechend.

Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie den Erwartungen eines Vertragspartners der Beklagten an eine Kostenkontrolle widerspricht, die dieser berechtigterweise an einen Prepaid-Vertrag haben darf. Ohne rechtliche Bedeutung ist insoweit der Einwand der Beklagten, dass regelmäßig anfallende Gebühren und Entgelte bei einer Sperre weiter zu entrichten seien, wenn der Grund für die Sperre beim Kunden liege. Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es zur Sperre wegen Zahlungsverzugs auch deshalb kommen kann, weil sich die Beklagte in Ziffer VI. 2 c) Satz 2 vorbehalten hat, trotz fehlender Deckung Leistungen zu erbringen, und infolgedessen Rückstände auflaufen können. Dies steht aber in Widerspruch zu den Bestimmungen in Ziffer V. 3 Satz 1 bis 3 und dem einleitenden Satz ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen und benachteiligt wie gezeigt ihren Vertragspartner unangemessen.

Das Landgericht hat weiter zutreffend darauf abgestellt, dass ein Kunde mit der Wahl eines Prepaid-Vertrags gerade vermeiden möchte, dass monatliche Gebühren für Zusatzoptionen anfallen, die sein Guthaben übersteigen. Der Vertragspartner eines Prepaid-Vertrags muss auch bei Zusatzoptionen nicht mit Belastungen wegen fortlaufender Kosten trotz Verbrauch seines Guthabens rechnen, sondern kann davon ausgehen, dass mit Verbrauch seines Guthabens keine weiteren Kosten mehr entstehen. In dieser Erwartung wurde auch vorliegend ein Vertragspartner der Beklagten gerade wegen der Regelung in Ziffer V. 3. Satz 1 und 2 bestärkt, wonach auch für Zusatzoptionen die Leistungspflicht der Beklagten davon abhängt, dass das Guthabenkonto im Zeitpunkt der Inanspruchnahme über ausreichende Deckung verfügt. Er musste nicht damit rechnen, dass monatlich Gebühren anfallen, zu deren Begleichung er verpflichtet ist, auch wenn sein Guthaben erschöpft ist.

3. Aus der vorstehenden Bewertung folgt zugleich, dass die angegriffenen Klauseln auch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind. Nach dieser Bestimmung ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (m.w.N. BGH, Urteil vom 01. Februar 2005 – X ZR 10/04, Rz 21 – juris).

Die danach vorzunehmende Interessenabwägung (BGH a.a.O.) führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass ein angemessener Ausgleich nicht erfolgt. Soweit die Beklagte auf ein eigenes legitimes Interesse an der Verwendung der Klausel Ziffer VI. 2. c) Satz 2 bis 4 verweist, weil sie selbst gegenüber den Mobilfunknetzbetreibern einzustehen habe, kann sie sich hierauf gegenüber ihren Vertragspartnern, die angesichts der auf einen Prepaid-Vertrag hinweisenden Bestimmungen den Vertrag in Erwartung eines solchen abgeschlossen haben, nicht berufen. Diese dürfen nämlich davon ausgehen, dass sie aufgrund ihrer Vorleistung sämtliche Kosten bereits vorab erbracht haben und dass sie – in Ansehung der von der Beklagten versprochenen Leistung nur bei ausreichender Deckung des Guthabens – bei Verbrauch des Guthabens auch keine weiteren Kosten mehr verursachen, für die ihrerseits die Beklagte gegenüber den Netzbetreibern vorzuleisten hätte. Das Landgericht hat daher im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Beklagte in diesen Fällen abredewidrig einen Vorschuss verlange und damit ihre eigenen Interessen einseitig auf Kosten ihres Vertragspartners durchsetze. Die von der Beklagten aufgeführten vermeintlichen Vorteile für ihre Vertragspartner – nämlich Flexibilität, weil laufende Verbindungen trotz Verbrauch des Guthabens nicht unterbrochen würden, gleichwohl der Kunde seine Kosten „nicht ganz aus den Augen“ verliere und am Monatsende nicht mit unvorhergesehen hohen Kosten überrascht werde – sind demgegenüber von vornherein nicht geeignet, einen Ausgleich der Interessen herbeizuführen. Ein Vertragspartner, der vom Abschluss eines Prepaid-Vertrages ausgeht, will einen derartigen Sachverhalt nämlich gerade vermeiden. Indem die Beklagte ihre Berechtigung, den unverzüglichen Ausgleich eines entstehenden Negativsaldos zu verlangen, so allgemein formuliert hat, dass davon auch die Fälle erfasst werden, in denen ihre Vertragspartner den Vertrag in Erwartung eines Prepaid-Vertrages eingegangen sind, hat sie ihre eigenen Interessen übermäßig auf Kosten ihres Vertragspartners gesichert.

4. Aus den vorstehenden Ausführungen zum Inhalt eines Prepaid-Vertrags folgt, dass auch die Bedenken der Beklagten an der hinreichenden Bestimmtheit des erstinstanzlichen Urteilsausspruchs unbegründet sind.

5. Auch die Wiederholungsgefahr besteht fort. Soweit die Beklagte zwischenzeitlich den einleitenden Satz ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert und Ziffer V. 3. Satz 3. ersatzlos gestrichen hat und darüber hinaus schriftsätzlich erklärt (Seite 6 der Berufungsbegründung, Bl. 164 d.A.), sich in Altverträgen auch auf die bisherige Fassung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht berufen zu wollen, ändert dies nichts an der verbleibenden Widersprüchlichkeit ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen und führt somit nicht zu einer anderen Wertung. Die Beklagte macht in Ziffer V. 3. Satz 1 und 2 weiterhin ihre Leistungspflicht davon abhängig, dass das Guthabenkonto des Kunden im Zeitpunkt der Inanspruchnahme ausreichende Deckung aufweist. Auch die Klausel, wonach die Inanspruchnahme von Zusatzoptionen von einer ausreichenden Deckung des Guthabenkontos abhängt, hat weiter Bestand. Bei beiden Bestimmungen handelt es sich aber um für Prepaid-Verträge typische Regelungen. Bei durchschnittlichem Verständnis muss ein Vertragspartner der Beklagten dann aber gerade nicht damit rechnen, dass die Beklagte das Guthaben verzögert abbucht und es infolgedessen zu einem Negativsaldo kommen kann, den er unverzüglich ausgleichen muss, wie sie es sich gleichzeitig in Ziffer VI. 2. c) Satz 2 bis 4 vorbehält.

6. Der Anspruch auf die Abmahnkosten ist gemäß § 5 UKlaG, § 12 Abs. 1 UWG begründet, der Anspruch auf die Zinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen.

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