IR-Marke „NUCTECH“ entgeht Super-Gau

15. November 2011
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Eigener Leitsatz:

Der IR-Marke „NUCTECH“ fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren. Nachdem die IR-Markeninhaberin für den deutschen Teil der Marke auf Produkte aus dem Bereich der Nukleartechnologie verzichtete, kann der IR-Marke kein unmittelbar beschreibender Bedeutungsgehalt für die übrigen Waren- und Dienstleistungsklassen entnommen werden.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 13.10.2011

Az.: 30 W (pat) 41/10

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 864 290

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 13. Oktober 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 IR vom 22. Januar 2008 und vom 3. Februar 2010 aufgehoben.

Entscheidungsgründe:
I.

Die international registrierte Marke 864 290

NUCTECH

sucht – nach einem im Beschwerdeverfahren erfolgten Teilverzicht für den deutschen Teil der Marke – noch für folgende Waren um Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach:

Alarms; X-ray producing apparatus and equipment, not for medical purposes;
X-ray tubes not for medical purposes; X-ray apparatus not for medical purposes;
protection devices against X-rays, not for medical purposes; electric installations
for the remote control of industrial operations; radiology screens for industrial
purposes; radiological apparatus for industrial purposes; integrated circuit cards;
computer software; computer peripheral devices; data processing apparatus;
detectors; recorded computer operating programs; mechanisms for computeroperated apparatus; cosmographic instruments; all aforementioned goods
exclusively for security inspections at airports, railway stations and bus stations,
docks and ports, customs check points, subway stations, public squares, museums, exhibition halls, stadiums and other buildings, venues of gatherings, events, exhibitions, indoor and outdoor matches, sports meetings and performances as well as other locations but not for the measuring of radioactive rays”.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat der IRMarke – auf der Grundlage des ursprünglichen Warenverzeichnisses – in zwei
Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den
nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert (§§ 107, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs 2 Nr. 1 MarkenG; Art. 5 Abs 1 MMA i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ). Die aus den Abkürzungen „NUC“ und „TECH“ gebildete IR-Marke weise in der Bedeutung „Nukleartechnologie“ einen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren auf. Dieser für die angesprochenen Fachverkehrskreise ohne Weiteres verständliche Begriff werde in erster Linie als Sachhinweis aufgefasst, nicht aber als Unterscheidungsmittel.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin. Sie hält mit näheren Ausführungen die Marke schon wegen Mehrdeutigkeit der
Abkürzung „NUC“ nicht für beschreibend; zudem seien Röntgenstrahlen keine
Nuklearstrahlen. Sie verweist ferner auf den Schutz der IR-Marke in zahlreichen
Ländern.

Die IR-Markeninhaberin beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Februar 2010 und vom 22. Januar 2008 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat auf der Grundlage des im
Beschwerdeverfahren für den deutschen Teil eingeschränkten
Warenverzeichnisses in der Sache Erfolg. Dem Schutz der IR-Marke 864 290
stehen für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keine absoluten
Schutzhindernisse gemäß §§ 107, 113, 37 Abs 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2
MarkenG, Art 5 Abs 1 MMA i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ
entgegen. Insbesondere kann der IR-Marke nicht jede Unterscheidungskraft
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 1. Alt. PVÜ abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke
im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein
muss, die Waren, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit dieses Produkt von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; EuGH GRUR 2008, 608 ff. – Rn. 66, 67 – EUROHYPO; GRUR 2006, 229 – Rn. 27 ff. – BioID; GRUR 2004, 674 – Rn. 34
– POSTKANTOOR; BGH GRUR 2010, 935 – Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2010, 825,
826 – Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 952 – Rn. 9 – DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 – Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006;
GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2005, 257 – Bürogebäude; BGH
GRUR 2003, 1050 – Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 – anti KALK). Als
beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche
Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen
Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal
informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 m. w. N.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 411, 413 – Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla).

Keine Unterscheidungskraft kommt insbesondere Bezeichnungen zu, die einen
beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren
ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen
beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der
Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152
– marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die
erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren hergestellt wird; die Eignung, Waren ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH WRP 2010, 1504, 1506 – Rn. 23 – TOOOR!; GRUR 2009, 949, 951 – Rn. 20 – My World; GRUR 2009, 411 – Rn. 9 – STREETBALL; GRUR 2006, 850, 854 – Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953, Rn. 10 – DeutschlandCard).

Nach diesen Maßstäben verfügt die IR-Marke in Bezug auf die jetzt noch
maßgeblichen Waren über die erforderliche Unterscheidungskraft. Weder lässt
sich der Marke insoweit ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt entnehmen noch bestehen sonstige Anhaltspunkte dafür, die es rechtfertigen würden, der Marke jede Unterscheidungskraft abzusprechen. Zwar ist es durchaus naheliegend, im Zusammenhang mit Waren aus dem Bereich der Nukleartechnologie in der IR-Marke NUCTECH einen Sachhinweis in diesem Sinn zu sehen. Auf solche im ursprünglichen Warenverzeichnis enthaltenen Produkte, nämlich „nuclear instruments, particle accelerators; atomic ray instruments“, hat die IR-Markeninhaberin für den deutschen Teil der Marke indessen verzichtet. Darüber hinaus hat die Markeninhaberin mit der Einschränkung durch die konkrete Benennung der Bestimmung der Waren, nämlich „all aforementioned goods exclusively for security inspections at airports, railway stations and bus stations, docks and ports, customs check points, subway stations, public squares, museums, exhibition halls, stadiums and other buildings, venues of gatherings, events, exhibitions, indoor and outdoor matches, sports meetings and performances as well as other locations” und den Ausnahmevermerk „but not for the measuring of radioactive rays” klargestellt, dass ein Bezug zu objektiven Produktmerkmalen, also zur technischen Nutzung von Kernprozessen, nicht mehr in Betracht kommt.

In diesem Zusammenhang liegt die Annahme fern, dass der Markenbestandteil
„NUC“ vom in erster Linie angesprochenen Fachverkehr, dem die technischen
Aspekte von Waren zur Sicherheitskontrolle in den ausdrücklich genannten
Bereichen bekannt sind, im Sinn von „nuclear“ verstanden und dahin gedeutet
wird, dass die mit der Marke gekennzeichneten Waren auf Nukleartechnologie
bezogene Merkmale aufweisen.

Nachdem der IR-Marke für die noch maßgeblichen Waren kein unmittelbar
beschreibender Bedeutungsgehalt entnommen werden kann, steht dem Schutz
der IR-Marke in Deutschland auch das Schutzhindernis einer beschreibenden
Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 2. Alt. PVÜ nicht entgegen.

Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger absoluter Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich und von der Markenstelle im Übrigen auch nicht innerhalb der
Jahresfrist des Art. 5 Abs. 2 MMA dem Internationalen Büro der WIPO mitgeteilt
worden.

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