„NETBOOM“ nicht unterscheidungskräftig

21. November 2011
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Eigener Leitsatz:

Die Wortmarke „NETBOOM“ ist in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig.  Die aus „NET“ als Kurzform für „Internet“ und „Boom“ als gebräuchliche Bezeichnung für eine sehr gute Konjunkturphase gebildete Gesamtbezeichnung „NETBOOM“, wird vom Verkehr im Sinne von „Internethochkonjunktur“ und somit als Sachhinweis bzw. als allgemeine Angabe mit beschreibendem Bezug verstanden, jedoch nicht als Herkunftshinweis.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 13.10.2011

Az.: 30 W (pat) 557/10

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 059 269.1

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 13. Oktober 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:
I.

Zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet ist

NETBOOM

für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38, 41, 42 und 45, nämlich für:

mit Programmen versehene, maschinenlesbare Datenträger aller Art; Computerprogramme und Software aller Art; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Telekommunikation; Internetdienste, nämlich Bereitstellen des Zugriffs auf Daten und Informationen im Internet; Bereitstellen von interaktiven Kommunikationsdienstleistungen mittels Internet oder Online-Verbindungen; Kommunikationsdienstleistungen, nämlich Übertragung von elektronischen Daten und Dokumenten zwischen Nutzern von Computern; Ausbildung; Schulungen, insbesondere auf dem Gebiet von Computerprogrammen und Software sowie im Bereich von elektronischen Daten-, Kommunikations- und Netzwerkanschlüssen sowie das Internet; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhard- und Software; Installieren von Computerprogrammen; Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Vermietung von Websurfern [richtig wohl: Webservern] und Datenverarbeitungsgeräten; Computerberatungsdienste; Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (Webhosting); Wartung, insbesondere Fernwartung von Computern und Software; Registrierung von Domainnamen zur Identifizierung von Nutzern eines globalen Computernetzwerks; Vergabe von Domains, Registrierung von Domains, Vermieten und Verleasen von Domains, Pflege von Domains; Beratungsleistung hinsichtlich der Domainnamen“.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit Beschluss vom 15. September 2010 gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, weil dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle; in der Bedeutung von „Internetaufschwung, Internethochkonjunktur“ liege eine leicht verständliche, sprachüblich gebildete, im Vordergrund stehende Sachaussage dahin vor bzw. weise die Anmeldung einen engen sachlichen Bezug dazu in dem Sinn auf, dass die Waren und Dienstleistungen dazu genutzt werden könnten, am Internetboom teilzuhaben oder auf einen solchen vorbereitet zu sein; Voreintragungen mit dem Zeichenbestandteil „Boom“ seien nicht geeignet, ein Recht auf Eintragung zu begründen.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Eine Begründung ist im Beschwerdeverfahren nicht zu den Akten gelangt. Im Verfahren vor dem Patentamt hat sie im Anschluss an den Beanstandungsbescheid das angemeldete Zeichen für schutzfähig erachtet, weil es an einem engen beschreibenden Bezug zu den Waren und Dienstleistungen fehle; sie hat ferner auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil „Boom“ verwiesen.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete
Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Produkte und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; EuGH GRUR 2008, 608 ff. – Rn. 66, 67 – EUROHYPO; GRUR 2006, 229 – Rn. 27 ff. – BioID; GRUR 2004, 674 – Rn. 34 – POSTKANTOOR; BGH GRUR 2010, 935 – Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 – Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 952 – Rn. 9 – Deutschland- Card; GRUR 2006, 850, 854 – Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2005, 257 – Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 – anti KALK). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 m. w. N.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 411, 413 – Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla).

Keine Unterscheidungskraft kommt Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren und Dienstleistungen hergestellt wird (BGH WRP 2010, 1504, 1506 – Rn. 23 – TOOOR!; GRUR 2009, 949, 951 – Rn. 20 – My World; GRUR 2009, 411 – Rn. 9 – STREETBALL; GRUR 2006, 850, 854 – Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006).

Nach diesen Grundsätzen fehlt dem zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Zeichen NETBOOM für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Wie die Markenstelle im angefochtenen Beschluss bereits zutreffend dargelegt
hat, wird das englische Wort „net“ als Kurzform des Wortes „Internet“ (von englisch „interconnected network“) verwendet und ist so in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage, 2011, Seite 1252 sowie die bereits von der Markenstelle genannten Nachweise). Wie allgemein bekannt, ist das Internet ein weltweiter Verbund von Computersystemen in dem Daten ausgetauscht, Informationen jeder Art verbreitet und verschiedene Dienste angeboten werden (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch a. a. O., Seite 926). Das Internet hat sich in vielen Lebensbereichen, insbesondere in der Wirtschaftswelt, für das Angebot von Waren und Dienstleistungen etabliert. Der Zugang erfordert in technischer Hinsicht den Einsatz bestimmter Waren (Computer, Software) sowie die Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen, um beispielsweise ein Unternehmen mit seinen Angeboten zu präsentieren und entsprechende Geschäfte abzuwickeln (Domainregistrierung, Webseitenprogrammierung und -gestaltung).

Das englische Wort „Boom“ ist, wie die Markenstelle weiter zutreffend ausgeführt hat, auch im Deutschen eine gebräuchliche Bezeichnung für eine Konjunkturphase im Sinn von „Hochkonjunktur, Wirtschaftsblüte, plötzlich gesteigertes Interesse für eine Sache, die dadurch sehr gefragt ist“ (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch a. a. O., Seite 338 sowie die von der Markenstelle dazu bereits
angeführten Nachweise).

Das begriffliche Verständnis der Gesamtbezeichnung NETBOOM im Sinn von
„Internetboom“ (Internethochkonjunktur) bereitet dem angesprochenen Publikum somit keinerlei Schwierigkeiten. Der Internetboom wird auf das Zusammenwirken von neuen Technologien, veränderter Internetnutzung und neuen Angeboten und Geschäftsmodellen zurückgeführt. Die Internetwirtschaft ist ein Bereich, der wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig großes Wachstum zu verzeichnen hat.

Der Verkehr wird daher mit der angemeldeten Bezeichnung NETBOOM allenfalls
die Vorstellung verbinden, dass die Waren und Dienstleistungen angeboten und
erbracht werden, um Zugang zum Internet und Nutzung des Netzes zu ermöglichen, um am dortigen Boom teilzuhaben und in der Internetwirtschaft erfolgreich zu sein. Wie die Markenstelle bereits ausgeführt hat, bilden die beanspruchten Waren die technologischen und softwarespezifischen Voraussetzungen für die Nutzung elektronischer Netze; die beanspruchten Dienstleistungen können – teils schon nach der Fassung des Dienstleistungsverzeichnisses – auf Nutzung und Internetauftritt bezogen sein und die Teilhabe am Internetboom ermöglichen.

Diese Bezeichnung wird deshalb in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als Sachhinweis bzw. als eine allgemeine Angabe mit beschreibendem Bezug verstanden, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis.

Die Schutzfähigkeit des Zeichens ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung
der von der Anmelderin angeführten Voreintragungen, die ebenfalls mit dem Wort „Boom“ gebildet sind. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofes als auch des Europäischen Gerichtshofes geht davon aus, dass die Schutzfähigkeit einer neu angemeldeten Marke bezogen auf den konkreten Einzelfall und ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen ist, die insoweit keinen Ermessensspielraum vorsehen; einer vorgängigen Amtspraxis kommt damit keine entscheidende Bedeutung zu (BGH GRUR 2008, 1093, 1095, Nr. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis; EuGH MarkenR 2009, 478, 484, Rn. 57 – American Clothing/HABM, jeweils m. w. N.; BGH GRUR 2011, 230, – Rn. 10, 12 – SUPERgirl).

Die Marke kann damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

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