Staatliches Wettmonopol verstößt gegen Berufsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit

12. Mai 2011
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Eigener Leitsatz:

Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigt erneut seinen Ansicht, dass das staatliche Wettmonopol gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit und die europäische Dienstleistungsfreiheit der privaten Sportwetten-Vermittler verstößt. Das Lotterieangebot der Deutschen Kassenlotterie Berlin sei durch seine Hinweise auf hohe Gewinnmöglichkeiten und die gemeinnützige Verwendung der Erlöse auch mit dem Glücksspielstaatsvertrag selbst nicht vereinbar.

 

Verwaltungsgericht Berlin

Beschluss vom 15.04.2011

Az.: 35 L 177.11

Tenor:

Unter Abänderung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Juli 2010 (OVG 1 S 88.10) wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin VG 35 K 100.10 vom 15. März 2010 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 7. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2010 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 12.500,– Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die Antragstellerin, die rumänische Staatsangehörige ist, wendet sich im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Untersagungs- und Beseitigungsverfügung hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten sowie entsprechender Werbung.

Die Antragstellerin vermittelte in Berlin, U…, Sportwetten an die Firma F… nach Österreich. Der Antragsgegner untersagte ihr mit Bescheid vom 7. Januar 2010 unter Androhung von Zwangsmitteln „für den Bereich des Landes Berlin jegliche Art des Veranstaltens und der Annahme und Vermittlung von Sportwetten einschließlich jeder Form des terrestrischen und Internetvertriebs derselben, diesbezügliche Handreichungen und Unterstützungshandlungen, soweit nicht jeweils eine behördliche Genehmigung des Landes Berlin vorliegt und die Werbung hierfür. Jegliche Werbung für in Berlin behördlich nicht genehmigte Sportwetten ist unverzüglich einzustellen und in, an und außerhalb der Betriebsstätte zu beseitigen“. Für die Entscheidung wurde eine Gebühr in Höhe von 2.000,– Euro festgesetzt. Der Widerspruch der Antragstellerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2010, zugestellt am 15. Februar 2010, zurückgewiesen. Für die Entscheidung über den Widerspruch wurde erneut eine Gebühr in Höhe von 2.000,– Euro festgesetzt. Über die unter dem 15. März 2010 erhobene Klage VG 35 K 100.10 hat die Kammer noch nicht entschieden.

Dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Untersagungsverfügung hat das Verwaltungsgericht am 28. Mai 2010 stattgegeben (VG 35 L 37.10). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies jedoch den Rechtsschutzantrag im Beschwerdeverfahren zurück (Beschluss vom 26. Juli 2010 – OVG 1 S 88.10 –).

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin vom 6. April 2011,

unter Abänderung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Juli 2010 (OVG 1 S 88.10) die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin VG 35 K 100.10 vom 15. März 2010 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 7. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2010 anzuordnen,

hat Erfolg.

I.

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Änderung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Juli 2010 ist zulässig.

Der Beteiligte kann die Änderung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das Gericht der Hauptsache beantragen, wenn sich die Umstände nachträglich verändert haben (§ 80 Abs. 7 S. 2 VwGO). Eine solche Veränderung liegt auch dann vor, wenn nach Ergehen der Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine bis dahin strittige einschlägige Rechtsfrage höchstrichterlich in einem anderen Sinne entschieden worden ist, als dies bei Prüfung der Erfolgsaussichten im vorangegangenen Verfahren zugrunde gelegt worden war, und sich deshalb die Verfahrensprognose verändert(VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Juni 1998 – 10 S 1178/98 –, juris, m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Denn mit den Urteilen des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 8. September 2010 (– Rs. C-316/07 u.a. [Stoß u.a.] – und – Rs. C-46/08 [Carmen Media] –, unter http://curia.europa.eu) und den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13, 14 und 15.09, juris) sind die vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 26. Juli 2010 vorläufig beantworteten Rechtsfragen höchstrichterlich mit einem anderen Ergebnis geklärt worden, woraus sich die Zulässigkeit einer Entscheidung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ergibt.

Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere verfügt die Antragstellerin über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Durch die Aussetzung des Vollzugs der Untersagungsverfügung würde die Tätigkeit der Antragstellerin zwar – worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist – nicht erlaubt. Die Rechtsstellung der Antragstellerin kann sich aber durch einen stattgebenden Beschluss verbessern, indem dem Antragsgegner vorläufig untersagt wird, die Untersagungsverfügung mit Zwangsmitteln durchzusetzen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 7. Juli 2008 – VG 35 A 108.07 –, juris, Rn. 28; st. Rspr. der Kammer). Auch kann die Antragstellerin nicht darauf verwiesen werden, vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zunächst eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) zu beantragen, welche sie wegen des staatlichen Veranstaltungsmonopols ohnehin nicht erhalten könnte (BayVGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 – 10 CS 08.1364 –, Rn. 11, juris; weiterhin in diesem Sinne BayVGH, Beschluss vom 21. März 2011 – 10 AS 10.2499 –, http://www.verwaltungsgerichtsbarkeit.bayern.de/BayVGH/documents/10a02499b.pdf, Rn. 34). Darauf weist der angefochtene Bescheid vom 7. Januar 2010 ausdrücklich hin:

„Eine Genehmigung oder Erlaubnis für das Veranstalten von Sportwetten hat der Gesetzgeber im Land Berlin nicht vorgesehen…Das Veranstalten von Sportwetten bleibt daher allein dem staatlichen Lotterieunternehmen…vorbehalten.“

II.

Der Antrag ist auch begründet. Das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die angefochtene Untersagungs- und Beseitigungsverfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides überwiegt das öffentliche Interesse an deren sofortiger Durchsetzung. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die angefochtene Verfügung als rechtswidrig.

Die Untersagungsverfügung verstößt gegen höherrangiges (Verfassungs- und Unions-) Recht (1.). Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig (2.). Die Rechtswidrigkeit der Verfügung erstreckt sich ebenso auf das Verbot der Werbung (3.). Die Antragstellerin kann sich als rumänische Staatsbürgerin auf die Verletzung eigener Rechte berufen (4.). Ferner sind die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzungen rechtswidrig (5.). Die Interessenabwägung fällt schließlich auch im Rahmen einer Folgenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus (6.).

1. Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV kann die zuständige Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagen. Vorliegend lässt sich die Untersagungsverfügung jedoch nicht auf das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV (und damit die Unerlaubtheit des Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV) stützen. Denn das staatliche Wettmonopol verstößt in seiner derzeitigen Ausgestaltung gegen die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG (a.) und gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 und 56 AEUV (b.).

a. Der Eingriff in die Berufswahlfreiheit der privaten Sportwettvermittler ist vom Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 GG nur gedeckt, wenn er verhältnismäßig im engeren Sinne und damit zumutbar ist. Dies setzt eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Suchtvorbeugung und -bekämpfung voraus, dem der Gesetzgeber vorrangige Bedeutung beigemessen hat (BVerwG, Urteile vom 24. November 2010, juris, – 8 C 14.09 –, Rn. 32 f., – 8 C 15.09 –, Rn. 31 f.). Mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen unvereinbar ist eine Werbung für staatliche Wettangebote, die zum Wetten anreizt oder ermuntert in dem Sinne, dass sie die Teilnahme an Wetten als sozialadäquate oder gar positiv bewertete Unterhaltung darstellt. Der Beschränkung auf die allein zulässige sachliche Information über legale Wettmöglichkeiten widersprechen aber nicht nur der absichtliche Anreiz und die direkte Aufforderung zum Wetten, sondern alle Werbemaßnahmen, die allein nach ihrem objektiven Aussagegehalt von einem noch nicht zum Wetten entschlossenen durchschnittlichen Empfänger der Botschaft als Motivierung zum Wetten zu verstehen sind. Unzulässig sind danach jede Form der Image- und Sympathiewerbung sowie Hinweise auf eine aussichtsreiche Möglichkeit materiellen Zugewinns und auf die gemeinnützige Verwendung von Erlösen aus Wettveranstaltungen, durch die das Wetten zum Sponsoring gemeinnütziger Tätigkeiten aufgewertet und die Entscheidung für eine Teilnahme als positiv zu beurteilende Handlung im Sinne eines „Spendens durch Spielen“ dargestellt würde (BVerwG, a.a.O., – 8 C 14.09 – und – 8 C 15.09 –, jeweils Rn. 46, 48, 51 f.).

Nach diesen Maßstäben verstößt die angefochtene Untersagungsverfügung gegen das Grundrecht der Berufswahlfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG, weil das staatliche Wettangebot des Berliner Monopolinhabers, der Deutschen Klassenlotterie Berlin – DKLB –, unverändert mit Hinweisen auf hohe Gewinnmöglichkeiten (1) und die gemeinnützige Verwendung der Erlöse (2) sowie mit Rabattangeboten (3) beworben wird. Insofern besteht nach Auffassung der Kammer im Land Berlin ein strukturelles Vollzugsdefizit, weil der Antragsgegner im Rahmen der Glücksspielaufsicht gehäufte und systematische Verstöße gegen das Werbeverbot des Glücksspielstaatsvertrages für staatliche Angebote duldet und damit eine Handhabung der Monopolregelung erlaubt, die mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages nicht vereinbar ist.

(1) Zum einen wirbt die DKLB in verschiedener Weise kontinuierlich für aussichtsreiche Möglichkeiten materiellen Zugewinns, wie ihre regelmäßigen Hinweise auf die Höhe des sog. Jackpot zeigen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 3. November 2010 – VG 35 L 395.10 –, juris, Rn. 73). Insoweit wird aktuell auf den Beschluss des Kammergerichts vom 4. März 2011 (24 W 91/10) verwiesen, mit dem gegen die DKLB ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,– Euro verhängt wurde, weil sie unzulässigerweise mit Hinweisen auf die Möglichkeit eines Jackpot-Gewinns in Höhe von 14 Millionen Euro geworben habe. Ferner hat das Landgericht Berlin nach einem erneuten Verstoß gegen das Werbeverbot mit Beschluss vom 30. März 2011 (103 O 35/11) gegen die DKLB eine einstweilige Verfügung erlassen und ihr unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – zu vollziehen an ihrem Vorstand – untersagt, im Bereich des Glücksspielwesens für Sonderauslosungen zu einer öffentlich veranstalteten Lotterie zu werben oder werben zu lassen.

Ferner wird auf die Pressemitteilung des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) vom 7. Januar 2011 verwiesen (http://www.lotto.de/lotto-news/article/deutscher-lotto-und-totoblock-macht-112-neue-millionaere/), in der es u.a. heißt:

„Deutscher Lotto- und Totoblock macht 112 neue Millionäre

Ein glückliches Jahr ist 2010 für viele Bundesbürger auch dank dem sicheren und transparenten Glücksspielangebot des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) gewesen. 112 neue Millionäre, einen mehr als im Jahr zuvor, hat es über alle Spielarten hinweg gegeben – davon allein 65 beim „Flaggschiff“ LOTTO 6aus49…

346 Sechser im LOTTO 6aus49

Der Traum der Lottospieler von den sechs Richtigen ist im vergangenen Jahr 346 Mal in Erfüllung gegangen. Davon gab es 42 Sechser in Kombination mit der entscheidenden Superzahl. Die Gewinnsumme allein für sechs Richtige (mit und ohne Superzahl) belief sich auf insgesamt 365.514.715,80 Euro. Der mit 16.271.863,50 Euro höchste Einzelgewinn im LOTTO 6aus49 ging am 13. Februar 2010 nach Schleswig-Holstein. Der Schlüssel zum Glück waren hierbei die Zahlen 5, 11, 15, 20, 36 und 48 samt der Superzahl 2. Der höchste Lotto-Jackpot des Jahres hingegen hatte sich in zehn Ausspielungen bis zum 29. Mai aufgebaut. In der ewigen Bestenliste des seit 1955 existierenden Lotto rangiert die Summe von 21.211.900,40 Euro, die auf zwei in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz abgegebene Tippscheine gefallen ist, auf Platz neun. Der zweithöchste Jackpot Im LOTTO 6aus49 war auf rund 20,9 Millionen Euro angewachsen und wurde am 6. November 2010 geknackt…

21 neue Millionäre gab es in der Zusatzlotterie Spiel 77, zehn bei der seit über 40 Jahren bestehenden Rentenlotterie GlücksSpirale (jeweils 2,1 Millionen Euro), acht bei Sonderauslosungen, vier bei BingoLotto, drei bei der rein baden-württembergischen Lotterie Silvester-Millionen und einen bei TOTO. Die höchste Gewinnsumme bei Spiel 77, exakt 5.177.777 Euro, wurde am 6. Oktober in Hessen erzielt, der größte Gewinntopf im BingoLotto mit einem Volumen von 3.093.124 Euro am 21. Februar in Niedersachsen ausgeschüttet…“

Ergänzend wird auf die bisherige Rechtsprechung der Kammer Bezug genommen (vgl. Urteil vom 7. Oktober 2010 – VG 35 K 262.09 –, juris, Rn. 123, sowie Urteil vom 4. November 2010 – VG 35 K 88.09 –, juris, Rn. 105, 136).

(2) Der Antragsgegner duldet ferner eine Werbung für das staatliche Monopolangebot, die sich nicht auf sachliche Informationen über die Möglichkeiten zum legalen Wetten beschränkt, sondern mit dem Hinweis auf eine gemeinnützige Verwendung der Wetteinnahmen auch bislang noch nicht zum Wetten entschlossene Empfänger dazu auffordert, anreizt und ermuntert. Auf die von der Kammer gewonnenen und in ständiger Rechtsprechung dargelegten und aktualisierten Erkenntnisse wird insoweit Bezug genommen (Beschluss vom 3. November 2010 – VG 35 L 395.10 –, juris, Rn. 35 bis 72; Urteil vom 4. November 2010 – VG 35 K 88.09 –, juris, Rn. 112 bis 135). Beispielhaft sei hier nur darauf verwiesen, dass auf der aktuellen Internetseite des DLTB nach wie vor ein offener Brief aller staatlichen Lotteriegesellschaften an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer und an die F.A.Z.-Leser eingestellt ist (http://www.lotto.de/fileadmin/templates/lotto/pdf/Offener_Brief.pdf), der am 3. Oktober 2010 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung abgedruckt war und u.a. folgende Sätze enthält:

„Unser Land hat das große Glück, auf 20 Jahre deutsche Einheit zurück zu blicken.

Auf das, was erreicht wurde, können wir alle stolz sein. In besonderer Weise steht hierfür die Sanierung der ostdeutschen Innenstädte mit ihren historischen Denkmälern. Ohne Lotto wäre dies nicht möglich gewesen. Der Glücksspielstaatsvertrag sichert die gemeinnützige Verwendung der Lottogelder, derzeit circa 7 Mrd. EUR jährlich… Rund 50% werden an die Spieler ausgeschüttet. Und circa 40% fließen in gemeinnützige Zwecke sowie an die Bundesländer. Unter anderem in die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die bisher die Restaurierung von über 3.600 Denkmälern in ganz Deutschland unterstützt hat und auf diese Weise einzigartige kulturelle Werte bewahrt. Wichtige Förderprojekte dieser gesamtdeutschen Aufgabe waren und sind zum Beispiel:

– die Frauenkirche in Dresden
– die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar
– St. Georgen in Wismar
– der Kölner Dom
– das Holstentor in Lübeck
– Beethovens Geburtshaus in Bonn

In wenigen Tagen beraten Sie, sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, über die Zukunft des Glücksspiels in Deutschland.

Wir appellieren daher an Sie:

Es geht um das Gemeinwohl! [in roter Farbe und größerer Schrift]

Stärken Sie die staatlichen Lottogesellschaften, die

1. verantwortungsbewusstes Spielen im Sinne der Suchtprävention seit über 50 Jahren gewährleisten

und

2. immer ein verlässlicher Partner für das Gemeinwohl sind

– für den Denkmalschutz
– für den Spitzen- und Breitensport
– für Kultur und Wohlfahrt.

Die staatlichen Lotteriegesellschaften in

Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachen-Anhalt, Schleswig Holstein, Thüringen.“

In der Pressemitteilung des DLTB vom 7. Januar 2011 (http://www.lotto.de/lotto-news/article/deutscher-lotto-und-totoblock-macht-112-neue-millionaere/) wird ebenso mit der gemeinnützigen Verwendung der Wett-Erlöse geworben:

„2,5 Milliarden Euro für das Gemeinwohl

Aber auch für das Gemeinwohl machte sich das Angebot des Deutschen Lotto- und Totoblocks 2010 wieder bezahlt. Bundesweit rund 2,5 Milliarden Euro flossen in Form von Zweckerträgen und Lotteriesteuer dem Sport, sozialen und karitativen Zwecken, der Kunst und Kultur sowie dem Umwelt- und Denkmalschutz zu. Die Ausschüttung an die Spielteilnehmer belief sich im vergangenen Jahr auf rund 3,2 Milliarden Euro.“

(3) Schließlich wirbt die DKLB unverändert in rechtswidriger Weise für ihr staatliches Glücksspielangebot mit der sogenannten „Berlin-Prämie“, die einen unzulässigen Rabatt darstellt (vgl. VG Berlin, Urteil vom 22. September 2008 – VG 35 A 15.08 –, juris, Rn. 152, sowie Urteil vom 7. Oktober 2010 – VG 35 K 262.09 –, juris, Rn. 125 ff.). Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 7. Juli 2010 (– OVG 1 S 80.09 –, S. 19 des Umdrucks) festgestellt, dass die Rabattaktionen beim Zahlenlotto von der staatlichen Aufsichtsbehörde nicht tatenlos hingenommen werden könnten. Zudem führt die Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 2 GlüStV wörtlich aus (vgl. Anlage 11 zu Abgh.-Drs. 16/0826, S. 15 f.; Unterstreichung nicht im Original):

„Vor diesem Hintergrund richtet sich das Verbot des gezielten Aufforderns, Anreizens oder Ermunterns zur Teilnahme am Glücksspiel in Satz 1 vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung. Verboten sind insbesondere die Glücksspielsucht fördernde Formen der Werbung etwa durch verkaufsfördernde Maßnahmen wie Rabatte, Gutscheine und ähnliche Aktionen.“

Gleichwohl wurde die Berlin-Prämie erneut am 12. März 2011 angeboten (vgl. die wöchentlich erscheinende Zeitschrift der DKLB „Glück aktuell“, Nr. 9/2011).

Auf die weiteren, in der ständigen Rechtsprechung der Kammer regelmäßig aufgeführten Verstöße der DKLB gegen das Werbeverbot wird ergänzend hingewiesen (vgl. Urteil vom 7. Oktober 2010 – VG 35 K 262.09 -, juris, Rn. 80 bis 124).

b. Nach der an der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u.a. [Stoß u.a.] –, juris) orientierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, durch die sich die Kammer bestätigt fühlt, stellen ferner der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV und der Ausschluss einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten an private Wettanbieter – auch – in anderen Mitgliedstaaten eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 und 56 AEUV dar (BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 – 8 C 14.09 – und – 8 C 15.09 –, juris, Rn. 61 bzw. 60). Die staatlichen Maßnahmen, die die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit beschränken, müssen – neben anderen Voraussetzungen – jedenfalls aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beitragen (BVerwG, a.a.O., 8 C 14.09, Rn. 77; 8 C 15.09, Rn. 76); ferner dürfen sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (BVerwG, a.a.O., 8 C 14.09, Rn. 62; 8 C 15.09, Rn. 61). Dies setzt – genau wie bei einem Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG (s.o. a.) – insbesondere voraus, dass der Monopolträger nicht auf die gemeinnützige Verwendung von Erlösen hinweist und keine bedeutenden Gewinne in Aussicht stellt (BVerwG, a.a.O. – 8 C 14.09 –, Rn. 78, – 8 C 15.09 –, Rn. 77). Aufgrund der unter a. dargestellten unzulässigen Werbemaßnahmen verstößt mithin das deutsche Glücksspielmonopol auch gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit.

Ferner muss sich die nach Unionsrecht gebotene Kohärenzprüfung auf die Frage erstrecken, ob die gesetzliche Regelung oder die Anwendungspraxis in anderen Glücksspielbereichen, insbesondere solchen mit vergleichbarem oder höherem Suchtpotenzial, wie den Kasino- und Automatenspielen, die Verbraucher zur Teilnahme am Glücksspiel ermuntert oder anreizt, oder ob sie in anderer Weise – insbesondere aus fiskalischen Interessen – auf eine Expansion gerichtet ist oder diese duldet (BVerwG, a.a.O. – 8 C 14.09 –, Rn. 80, – 8 C 15.09 –, Rn. 79). Das Kohärenzkriterium wird mithin nicht erst bei einem „krassen Missverhältnis“ der Glücksspielpolitik im Bereich der Sportwetten und in den Bereichen der Spielbanken und des Automatenspiels verfehlt. An einem Beitrag zur systematischen und kohärenten Begrenzung der Spiel- und Wetttätigkeit fehlt es vielmehr schon dann, wenn die legitimen Zwecke des Sportwettenmonopols in vergleichbaren Glücksspielbereichen normativ oder durch die Praxis der Rechtsanwendung konterkariert werden, wobei die bloße Duldung bereits ausreicht (BVerwG, a.a.O., – 8 C 14.09 –, Rn. 80, 82, – 8 C 15.09 –, Rn. 79, 81).

Die Kammer hat bereits in ständiger Rechtsprechung (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 3. November 2010 – VG 35 L 395.10 –, juris) darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der der Spielverordnung unterfallenden gewerblichen Geldspielautomaten festzustellen ist, dass „die zuständigen Behörden … eine Politik betreiben oder dulden, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen“, weshalb „das der Errichtung dieses Monopols zugrunde liegende Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – Rs. C-316/07 u.a. [Stoß u.a.] –, a.a.O., Rn. 106).

Zu diesem Aspekt hat die Kammer auch schon im Urteil vom 17. November 2009 (– VG 35 A 247.06 –, juris, Rn. 31 ff.) ausgeführt:

„Im Widerspruch zu diesen Vorgaben – insbesondere der Vermeidung eines krassen Missverhältnisses der Glücksspielregelungen – ist nämlich davon auszugehen, dass das in der Neufassung der Spielverordnung geregelte gewerbliche Spielrecht keineswegs wie die vom GlüStV erfassten Glücksspiele von den Aspekten des Spielerschutzes dominiert wird, sondern diese geradezu konterkariert. Damit wird der im gesamten Glücksspielbereich anzustrebenden konsequenten und konsistenten Bekämpfung und Begrenzung der Glücksspielsucht zuwidergehandelt und dieses Ziel durchgreifend und insgesamt in Frage gestellt. Dies ergibt sich aus Folgendem:

(1) Mit dem Inkrafttreten der neuen SpielV zum 1. Januar 2006 wurden die Spielanreize der gewerblichen Geldspielautomaten durch eine schnellere Spielabfolge sowie höhere Einsatz- und Gewinnmöglichkeiten um ein Vielfaches gesteigert. Entsprechend weist der Verband der Deutschen Automatenindustrie e.V. unter dem 12. Januar 2009 in seiner Presse-Information für das Jahr 2008 unter der Überschrift „Positiver Trend hat sich fortgesetzt“ selbstbewusst darauf hin, dass man „die mit der Reform der SpielV beabsichtigte Stärkung des Unterhaltungsspiels mit Geldgewinn erreicht“ habe; die Zahl der Geld-Gewinn-Spiel-Geräte (GGSG) habe von 183.000 im Jahre 2005 auf 225.000 im Jahr 2008 zugenommen.

Dadurch seien – so der vom Bundestag angehörte Sachverständige Prof. Dr. Gerhard Meyer von der Universität Bremen, dessen Beiträge „Das Suchtpotenzial von Sportwetten“ (Sucht 2003, 212 ff.) und „Glücksspiel – Zahlen und Fakten“ (Jahrbuch Sucht 2005, 83 ff.) schon in das Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 Eingang gefunden hatten – die gesetzlichen Vorgaben zum Spielerschutz und zur Suchtprävention weitgehend ausgehebelt worden, denn der in der SpielV festgelegte Maximalverlust von 80,- Euro pro Stunde könne infolge verschiedener Transaktionen wesentlich höher ausfallen. So sei es möglich, den Hartz-IV-Regelsatz in Höhe von 359,– Euro in 4,5 Stunden an einem Gerät zu verspielen; bei Kauf einer Spielteilnahme auf höherem Niveau könne der Regelsatz aber auch in weniger als einer Stunde verspielt werden. Die Umsätze mit Geldspielautomaten seien seit dem Jahr 2005 von 5,88 Mrd. Euro bis zum Jahr 2008 auf 8,13 Mrd. Euro gestiegen, auch der Brutto-Spielertrag (Kasseninhalt) der Aufsteller weise eine Steigerungsrate von rund 38% von 2,35 Mrd. Euro (2005) auf 3,25 Mrd. Euro (2008) auf. Die höheren Spielanreize förderten eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs und seien mit Sinn und Zweck des § 33 f GewO, die Allgemeinheit und die Spieler zu schützen, nicht vereinbar (Stellungnahme vom 22. Juni 2009 im Hinblick auf die öffentliche Anhörung vom 1. Juli 2009 zum Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen „Prävention der Glücksspielsucht stärken“ [BT-Drs. 16/11661], veröffentlicht unter [sc. http://www.bundestag.de/ausschuese/a14/anhoerungen/127/stllg/index.html] …). …

Nach den Erkenntnissen des nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eingerichteten „Fachbeirats Glücksspielsucht“ belegen übereinstimmend alle bisher erschienenen Studien zu dieser Thematik, dass die vorstehend kritisierten gewerblichen Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit unter allen Glücksspielarten die höchste Suchtgefahr aufweisen. Für rund 80% aller Menschen, die aufgrund eines problematischen oder pathologischen Glücksspielverhaltens Beratung oder Behandlung nachfragen, stellten diese Geräte das Hauptproblem dar. Die Zahl der Geldspielgerätesüchtigen werde in Deutschland auf rund 200.000 Menschen geschätzt. Mit jedem Süchtigen seien hohe private und soziale Kosten verbunden.

(2) Daraus leitet der Fachbeirat die Empfehlung an die Länder ab, über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative für eine Änderung der Gewerbeordnung zu ergreifen; Ziel dieser Initiative sei es, eine der Hauptursachen für Glücksspielsucht und problematisches Glücksspielen zu beseitigen. Weiter heißt es in dem bereits am 12. März 2008 gefassten Beschluss zur Verminderung der von Geldspielgeräten ausgehenden Gefahren (unter www.fachbeirat-gluecksspielsucht.hessen.de, Empfehlungen; Stand: 1.4.2009) wörtlich: ‚…Angesichts der besorgniserregenden Zahlen der süchtigen Glücksspieler und der hohen sozialen Kosten des Automatenspiels ist unmittelbares Handeln des Gesetzgebers zum Schutze der Bevölkerung geboten.‘“

Ergänzend wird auf die zahlreichen Nachweise für die bewusste Förderung des gewerblichen Automatenspiels durch die Bundesregierung im Urteil der Kammer vom 7. Oktober 2010 (VG 35 K 262.09, juris, Rn. 164 bis 169) Bezug genommen (s.a. VG Stuttgart, Urteil vom 14. Februar 2011 – 4 K 4482/10 – juris, Rn. 28 bis 33 m.w.N.; ebenso VG Arnsberg, Urteil vom 9. Februar 2011 – 1 K 2979/07 –, a.a.O., juris Rn. 31 bis 59 m.w.N., und VG Hamburg, Urteil vom 5. November 2010 – 4 K 5873/04 –, juris, Rn. 85 bis 88).

Die negativen Auswirkungen der Fünften Änderungsverordnung zur SpielV vom 17. Dezember 2005 werden durch die Evaluierung eindrucksvoll belegt (Abschlussbericht des IFT – Institut für Therapieforschung vom 9. September 2010, http://www.ift.de/fileadmin/downloads/Abschlussbericht_online.pdf), zusammengefasst im Kurzbericht des Instituts vom 3. November 2010, http://www.ift.de/fileadmin/downloads/Kurzbericht_online.pdf). Dies ist besonders bemerkenswert, weil das mit der Evaluierung vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte IFT zuvor wegen seiner Nähe zur Geldspielautomatenindustrie vom Fachbeirat Glücksspielrecht als nicht unbefangen eingestuft worden war (vgl. Urteil der Kammer vom 7. Oktober 2010 – VG 35 K 262.09 –, juris, Rn. 159 bis 163). Nach der Evaluierung wurden die angestrebten Schutzziele weitgehend nicht erreicht, die spielbezogenen Risiken haben sogar zugenommen. So betrug der höchste Tagesverlust 2005 im Durchschnitt 420 Euro bzw. 280 Euro, 2009 aber schon 610 Euro bzw. 390 Euro (Abschluss- bzw. Kurzbericht, a.a.O., Ziffer 5.4 (15)); 49 % bzw. 46 % der Spieler bestätigten, dass durch die neuen Spielmerkmale das Risiko höher geworden sei, die Spielkontrolle zu verlieren; selbst die Betreiber der Spielhallen gaben an, dass die Gefahr des Kontrollverlustes erheblich gestiegen sei (Abschluss- bzw. Kurzbericht, a.a.O., (16)).

Eine Gesetzesinitiative der Länder im Sinne der Empfehlung des Fachbeirats (über den Bundesrat; vgl. Art. 76 Abs. 1, 3. Alt. GG) ist – bis auf vereinzelte Verlautbarungen über entsprechende Vorhaben und eine (mehrheitliche) Aufforderung der 82. Gesundheitsministerkonferenz der Bundesländer vom 25. Juni 2009 an die Bundesregierung – bis heute nicht ersichtlich. Als sich für die vorab vom federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie informierten Automatenunternehmer die kritischen Punkte der IFT-Studie abzeichneten, rief die Branche sofort zu dem Versuch auf, den Druck der Kritiker durch selbstbeschränkende Maßnahmen abzufedern („Durch freiwillige Maßnahmen Gesetzesänderung verhindern“, AutomatenMarkt, Juli 2010, S. 66; Urteil der Kammer vom 7. Oktober 2010 – VG 35 K 262.09 –, juris Rn. 168). Trotzdem hält die Bundesregierung nunmehr angesichts des öffentlichen Drucks eine Novelle für erforderlich und will u.a. die durchschnittlich möglichen Verluste an Geldspielautomaten von 33 auf 20 Euro pro Stunde senken (sueddeutsche.de, Meldung vom 21. März 2011 „Schärfere Auflagen für Spielhallen“), was allerdings noch immer dem Dreifachen des vom Fachbeirat Glücksspielsucht empfohlenen Betrages von 7 Euro pro Stunde entspricht (Beschluss 1/2008 vom 12. März 2008,http://www.fachbeirat-gluecksspielsucht.de/, „Empfehlungen“, „gewerbliches Spiel“); zahlreiche andere Empfehlungen des Fachbeirats im vorgenannten Beschluss sollen jedoch offenbar nicht ansatzweise umgesetzt werden. Diese Zurückhaltung der Politik erklärt sich letztlich wohl auch vor dem Hintergrund, dass der deutsche Pionier der Spielautomatenbranche, Paul Gauselmann, der inzwischen u.a. auch wegen seiner Verdienste um die deutsche Automatenwirtschaft über das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verfügt (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauselmann), ein flächendeckendes Parteispenden-System entwickelt hat, mit dem er in den vergangenen zwanzig Jahren zusätzlich zu den offiziellen Spenden seines Konzerns gezielt über seine leitenden Angestellten „unterstützungswürdiges politisches Personal“ mit vierstelligen und damit noch nicht meldepflichtigen Beträgen gefördert hat, um strengere Auflagen für die umstrittenen Spielhallen zu verhindern („Dubiose Parteispenden aus Glücksspielkonzern“, sueddeutsche.de, 18. Februar 2011; Leyendecker, in: sueddeutsche.de, Kommentar vom 19. Februar 2011).

Angesichts der unzulässigen Werbemaßnahmen für das staatliche Glücksspiel (s.o. a.) und wegen der Inkohärenz der Monopolregelung angesichts der staatlich geduldeten und geförderten Angebotsexpansion im Bereich des gewerblichen Automatenspiels, das – trotz anerkannt hohen Suchtpotenzials – nicht dem Monopol unterliegt (s.o. b.), verstößt die gegenwärtige Handhabung des Glücksspielstaatsvertrages gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV.

2. Die Untersagungs- und Beseitigungsverfügung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig.

a. Das Vermittlungsverbot für Sportwetten kann nicht auf formelle Illegalität  gestützt werden, weil eine erforderliche Erlaubnis für die streitgegenständliche Tätigkeit nicht vorliege. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt (Urteil vom 24. November 2010 – 8 C 13.09 –, juris, Rn. 72). Zwar hat es unmittelbar danach – als „obiter dictum“ – von einem „Erlaubnisvorbehalt“ gesprochen, der unabhängig von der Wirksamkeit des staatlichen Sportwettenmonopols bestehe (8 C 13.09, a.a.O., juris, Rn. 73). Gestützt hat es seine Entscheidung jedoch nicht auf das bloße Fehlen der (in jenem Fall zwar beantragten, aber nicht bewilligten) Erlaubnis, sondern auf den Mangel der Erlaubnisfähigkeit im Sinne eines normativen Verbotenseins (a.a.O., Rn. 72) und die Revision sodann ausschließlich wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Trennungsgebot in § 21 Abs. 2 GlüStV zurückgewiesen. Die Auffassung, dass allein das Fehlen einer Erlaubnis eine Untersagungsverfügung bezüglich der Vermittlung von Sportwetten nicht rechtfertigt, liegt erkennbar auch den beiden anderen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (8 C 14.09 und 8 C 15.09) zugrunde, die ausdrücklich klarstellen, dass der Erlaubnisvorbehalt in § 4 Abs. 1 GlüStV (ebenso wie der Ausschluss einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten an private Wettanbieter – auch – in anderen Mitgliedstaaten) eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle (8 C 14.09, juris Rn. 61; 8 C 15.09, juris, Rn. 60) und die angefochtenen Entscheidungen sich trotz der Verstöße gegen Verfassungs- und Unionsrecht nicht aus anderen Gründen als richtig erwiesen (8 C 14.09, juris, Rn. 83; 8 C 15.09, juris, Rn. 82). Anderenfalls hätte das Bundesverwaltungsgericht die Sachen nicht unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung bezüglich unzulässiger Werbung durch staatliche Anbieter und der Regelungen sowie der Praxis bei Glücksspielen mit vergleichbarem oder höherem Suchtpotenzial an das Berufungsgericht zurückverweisen dürfen, sondern hätte die Revisionen zwingend bereits wegen formeller Illegalität der beanstandeten Vermittlungstätigkeit nach § 144 Abs. 4 VwGO zurückweisen müssen (in diesem Sinne auch VG Arnsberg, Urteil vom 9. Februar 2011 – 1 K 2979/07–, juris, Rn. 64).

Die Versuche verschiedener Oberverwaltungsgerichte, aus den vorgenannten Entscheidungen gleichwohl abzuleiten, dass den privaten Sportwettvermittlern die Ausübung ihrer Tätigkeit allein schon wegen Fehlens einer behördlichen Erlaubnis untersagt werden könne (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10. März 2011 – 11 MC 13/11 –, juris, Rn. 7, 13; unter Bestätigung seiner Rechtsprechung im Beschluss vom 11. November 2011 – 11 MC 429/10 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. März 2011 – 4 B 48/11 –, juris, Rn. 84, 86), sind danach offenkundig nicht zu halten.

Im Übrigen besteht ohnehin keine Möglichkeit, im Wege der Auslegung das Genehmigungsverfahren des § 4 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 GlüStV für Vermittler staatlich veranstalteter Sportwetten auch als ein Genehmigungsverfahren für private Wettangebote ergänzend auszulegen. Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass ein Rechtsmangel (wie die Unionsrechtswidrigkeit des im Glücksspielstaatsvertrag geregelten staatlichen Sportwettenmonopols, s.o. 1.a.) nicht zur Gesamt-, sondern nur zur Teilnichtigkeit eines Gesetzes führt, sofern die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 28. August 2008 – 9 B 42/08 –, juris, Rn. 13, und vom 20. August 1991– 4 NB 3/91 –, juris, Rn. 16 ff.). Beide Voraussetzungen sind jedoch vorliegend nicht gegeben (s. auch VG Halle, Urteil vom 11. November 2010 – 3 A 158/09 HAL –, S. 59 ff. des Umdrucks). Zum einen würde ein Erlaubnisverfahren, das auch die Zulassung privater Vermittler einbezieht, weitere grundlegende gesetzliche Regelungen erfordern, die das Gericht nicht eigenmächtig fingieren kann (zum Gebot richterlicher Zurückhaltung vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2009 – OVG 1 S 11.09 –, juris, Rn. 14). Beispielsweise müsste der Gesetzgeber klären, ob der private Vermittler eine „Annahmestelle“ im Sinne des § 3 Abs. 5 GlüStV betreibt; ob dann eine Erlaubnis für ihn nur über einen Antrag der DKLB beim Beklagten und nur für die DKLB zu erlangen wäre (vgl. § 8 Abs. 1 AG GlüStV); ob die Erteilung der so beantragten Erlaubnis mit der Begründung, es gebe bereits 1.100 Annahmestellen (der DKLB) in Berlin, abgelehnt werden könnte (vgl. 8 Abs. 6 AG GlüStV), oder ob der Betreiber einer Sportwett-Annahmestelle eine gewerbliche Spielvermittlung im Sinne des § 3 Abs. 6 GlüStV betreibt und dann schon deshalb die Einrichtung einer örtlichen Verkaufsstelle unzulässig wäre (vgl. § 13 Abs. 2 AG GlüStV); ob der Betreiber einer Annahmestelle eine vom Land Berlin erteilte Erlaubnis des privaten (ausländischen) Veranstalters nachweisen müsste, und – falls ja – nach welchen vom Gesetzgeber unstreitig nicht vorgesehenen Regelungen der Veranstalter diese Erlaubnis beantragen und erhalten können sollte, bzw. – falls nein –, aus welchem Grund nicht der Veranstalter, wohl aber der Vermittler über eine Erlaubnis verfügen müsste. Von einer ausreichenden Bestimmtheit der verbleibenden gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis an private Wettvermittler kann also bereits aus diesem Grund jedenfalls in Berlin keine Rede sein (a.A. für die Rechtslage in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen: VGH Bayern, Beschluss vom 21. März 2011 – 10 AS 10.2499 -, http://www.verwaltungsgerichtsbarkeit.bayern.de/BayVGH/documents/10a02499b.pdf, Rn. 35 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. März 2011 – 4 B 48/11 –, juris, Rn. 80 f.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10. März 2011 – 11 MC 13/11 –, juris, Rn. 14.).

Darüber hinaus ist ein hypothetischer Wille des Gesetzgebers, im Falle einer Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols ein Zulassungsverfahren für private Sportwett-Vermittler zu schaffen, nicht ansatzweise zu erkennen (a.A. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11. November 2010 – 11 MC 429/10 –, juris, Rn. 23 ff.). Vielmehr hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich und eindeutig in der gesamten Regelungsstruktur des Glücksspielstaatsvertrages wie des Berliner Ausführungsgesetzes für ein staatliches Sportwettenmonopol ausgesprochen. Eine hiervon abweichende, alternativ in eine andere Richtung gehende Absicht ist dem Gesetzgeber keinesfalls zu unterstellen, mögen auch rechtspolitische Erwägungen für die Aufrechterhaltung mancher Norm bezüglich der Erlaubnisvorgaben sprechen. Denn der Gesetzgeber hat sich klar für den einen der beiden vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28. März 2006 (– 1 BvR 1054/01 –, BVerfGE 115, 276) aufgezeigten Wege zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes entschieden, nämlich gerade nicht für eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltung durch private Wettunternehmer (a.a.O., S. 317), sondern für eine möglichst konsequent am Ziel der Suchtbekämpfung orientierte Ausgestaltung des Wettmonopols. Im Wissen, dass ein Monopol im vorgesehenen Umfang seines Gesetzes unionsrechtlich nicht aufrechtzuerhalten ist, hätte der Normgeber angesichts dessen nicht den allein auf das von ihm angestrebte Monopol zugeschnittenen Erlaubnisvorbehalt über das gegebene Maß hinaus öffnen müssen, sondern alternativ ebenso die Werbemaßnahmen des staatlichen Veranstalters einschränken und dafür Sorge tragen können, dass der Spielsucht auch im Rahmen der gewerblichen Glücksspiele gezielter vorgebeugt würde. Wie die Beratungen zu einem neuen Glücksspielstaatsvertrag zeigen, sind sich die Vertragspartner nach monatelangen Debatten (vgl. „Länder prüfen Liberalisierung bei Sportwetten“ vom 22. Oktober 2010, unter www.welt.de) selbst heute in Kenntnis der unionsrechtlichen Vorgaben noch immer nicht darin einig, ob und ggf. mit welchen Maßgaben eine gesetzlich normierte Zulassung privater Sportwettveranstalter vereinbart werden soll. Die Vorbereitungen für eine entsprechende Befassung des Gesetzgebers mit dieser Materie sind mit derzeit noch offenem Ausgang veranlasst, wenngleich aktuell nach der Konferenz der Ministerpräsidenten vom 10. März 2011 erstmals von Überlegungen einiger Bundesländer mit F.D.P.-Koalitionen bezüglich eines Konzessionsmodells die Rede ist, nach dem bundesweit oder regional Lizenzen an einen einzigen oder mehrere Anbieter gegeben werden könnten, ohne dass allerdings bislang irgendwelche Details bekannt geworden wären. Auch die Ministerpräsidentenkonferenz vom 6. April 2011 hat lediglich eine vorläufige Einigung von 15 Bundesländern erkennen lassen im Sinne der testweisen Vergabe von sieben bundesweiten Konzessionen. Dabei ist gänzlich unklar, wer diese Konzessionen erhalten soll und nach welchen Voraussetzungen die privaten Annahme- und Vermittlungsstellen ggf. in ein solches Genehmigungsverfahren einbezogen werden könnten, welche Art von Wetten und welche Werbung zugelassen werden sollen und ob ggf. das Land Schleswig-Holstein, das die Beschränkung auf sieben Konzessionen für europarechtlich unzulässig hält („Glücksspielstaatsvertrag: Auf tönernen Füßen“, http://www.isa-casinos.de/gaming/articles/32681.html, 11. April 2011), einen völligen Sonderweg beschreiten wird, der rechtliche Auswirkungen auch auf die Regelungen in den anderen Bundesländern haben könnte (vgl. SPIEGEL-online, Meldung vom 6. April 2011 „Länder wollen Sportwetten privatisieren“).

Es bestehen demnach zumindest ausreichende Zweifel an einem von vornherein bestehenden hypothetischen Willen des Gesetzgebers, die Möglichkeit einer Erlaubnis für die Sportwettveranstaltung durch private Wettunternehmen und die entsprechende Vermittlungstätigkeit schrankenlos für alle privaten Interessenten einzuführen, so dass das erkennende Gericht nicht befugt ist, durch eine eigenmächtige Regelung dem Gesetzgeber seine Möglichkeit zu einer freien Gestaltung des Sportwettenmarktes zu nehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1991, a.a.O., juris, Rn. 16 a.E.). Insbesondere ist es nicht angängig, gleichsam im Wege einer „hypothetischen Analogie“ die Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung nach § 4 GlüStV aus § 7 AG GlüStV (ähnlich § 4 NdsGlüSpG; der Begriff der Zuverlässigkeit findet indes in § 7 AG GlüStV im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NdsGlüSpG keine Erwähnung) heranzuziehen. Hierfür besteht angesichts der weiter anwendbaren o.g. Verbotsnormen des GlüStV und der ebenso möglichen Inanspruchnahme des § 35 GewO – der im Übrigen vergleichbar zu § 4 Abs. 1 NdsGlüSpG ebenfalls an die Frage der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden anknüpft – auch keine Notwendigkeit. Da eine Gesamtnichtigkeit bzw. -unanwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages und des Ausführungsgesetzes unstreitig nicht vorliegt (vgl. die o.g. Rspr. der Kammer), kann im Übrigen auch ohne eine hypothetische Ausweitung des Erlaubniserfordernisses auf private Anbieter auf einzelne im Glücksspielstaatsvertrag verankerte Verbotsnormen, wie etwa § 4 Abs. 4 oder § 21 Abs. 3 Satz 2 GlüStV, zurückgegriffen werden.

Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung kommt damit nur eine vorübergehende Duldung des gegenwärtigen Zustandes unter ergänzender Anwendung der Gewerbeordnung in Betracht, und es bleibt – dem Bundesverwaltungsgericht folgend – allein dem Gesetzgeber überlassen, das von ihm angestrebte Regelungsmodell umzusetzen.

b. Ein Verstoß gegen weitere Regelungen des Glückspielstaatsvertrages, der eine gänzliche Untersagung rechtfertigen könnte, liegt ebenfalls nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer rechtfertigt insbesondere das Verbot von sog. Live-Wetten nach § 21 Abs. 2 S. 3 GlüStV keine vollumfängliche  Untersagungsverfügung. Eine solche ist schon deshalb unverhältnismäßig, weil das Verbot von Live-Wetten bereits durch eine weniger eingreifende, entsprechend spezifizierte Untersagungsverfügung (vgl. VG Berlin, Urteil vom 22. September 2008 – VG 35 A 576.07 –, juris, Rn. 90) oder ggf. eine Auflage nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG durchgesetzt werden kann. Im Übrigen ist dem Gericht eine geltungserhaltende Reduktion bzw. ein Austausch des Regelungsgehalts des angefochtenen Bescheides verwehrt, so dass es nicht in Betracht kommt, die rechtswidrige Untersagungsverfügung wegen unerlaubten Glücksspiels nach § 47 VwVfG in eine andere rechtmäßige Untersagungsverfügung umzudeuten (st. Rspr. der Kammer, s. Urteil vom 7. Juli 2008 – VG 35 A 149.07 –, Rn. 267 ff., mit zahlr.w.N.).

c. Die Untersagungsverfügung kann auch nicht auf die Verbote des § 4 Abs. 4 GlüStV oder des § 21 Abs. 2 S. 3 GlüStV gestützt werden, da das Sportwettenangebot der Antragstellerin weder ein Angebot im Internet i.S.d. § 4 Abs. 4 GlüStV darstellt noch es sich dabei um „Wetten über Telekommunikationsanlagen“ handelt. Insbesondere ist zum wiederholten Male festzustellen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Angebot nicht um ein Angebot im Sinne des § 4 Abs. 4 GlüStV handelt. Denn nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift ist ausschließlich das Veranstalten und Vermitteln „im Internet“ verboten, nicht aber die Übermittlung „über“ Internetleitungen. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 26. Oktober 2010 – OVG 1 S 154.10 –, juris; zuletzt Beschlüsse vom 13. Dezember 2010 – OVG 1 S 201.10 – u.a.) seine bisherige Rechtsprechung mit der (neuen) Begründung aufrecht erhält, dass es sich in Fällen, in denen ein Antragsteller Sportwetten in einer ortsfesten Annahmestelle annimmt und über das Internet an einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Wettveranstalter vermittelt, um die Vermittlung verbotener Internetsportwetten handele, trägt diese These angesichts der Gesetzeslage nicht (so auch VG Hamburg, Urteil vom 5. November 2010 – 4 K 350/08 –, S. 28 f. des Umdrucks; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2010 – 4 B 733/10 –, juris, Rn. 16). Auch das Beispiel von zwei Freunden vor dem Computer (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. November 2010 – OVG 1 S 204.10 –, juris, Rn. 13) hilft nicht weiter, weil es gerade die – zu Recht verbotene und besonders suchtgefährliche – Internet-Wette vom heimischen PC aus darstellt, bei der eben nicht die Hürde des Besuchs einer Annahmestelle mit unmittelbarem Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter genommen werden muss. Zur Begründung ausreichend ist insoweit ein Verweis auf das Urteil der Kammer vom 7. Juli 2008 (– VG 35 A 149.07 –, juris, Rn. 64 ff.; s.a. VG Berlin, Beschluss vom 3. November 2010 – VG 35 L 395.10 –, juris, Rn. 12 ff.). Darüber hinaus hat auch der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 8. September 2010 (– Rs. C-316/07 u.a. [Stoß u.a.] –, a.a.O. [zum Sachverhalt Rn. 14 ff.] einerseits, – Rs. C. 46/08 [Carmen Media] –, a.a.O., andererseits) die Unterscheidung eines Angebots von Glücksspielen im Internet und eines solchen auf den herkömmlichen Glücksspielmärkten (vgl. EuGH – Rs. C-46/08 [Carmen Media] –, a.a.O., Rn. 101 ff.; s.a. Urteilsformel zu 4.; s.a. VG Berlin, Beschluss vom 3. November 2010 – VG 35 L 395.10 –, a.a.O., Rn. 23 ff.) untermauert. Ergänzend hinzuweisen ist auf das diese Unterscheidung aufnehmende Urteil der Kammer vom 17. November 2009 (VG 35 A 247.06, juris; Az. des Berufungsverfahrens für das OVG: OVG 1 B 1.10). Die Rechtsprechung der Kammer steht also mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in Einklang (vgl. VG Berlin, Urteil vom 22. Juli 2010 – VG 35 A 353.07 –, juris, Rn. 134 ff.). Die Auslegung der Kammer von § 4 Abs. 4 GlüStV liegt offenbar auch den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 zu Grunde (BVerwG, a.a.O., 8 C 14.09 und 15.09, jeweils Rn. 37). Andernfalls hätte das Bundesverwaltungsgericht, wäre es der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gefolgt, die Revision zurückweisen müssen, weil sich die angefochtenen Urteile aus anderen Gründen als richtig erweisen würde. Dies ist indessen nicht der Fall. Die Aufhebung der angefochtenen Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und die Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zeigen jedoch, dass die These, die Vermittlung von privaten Sportwetten stelle generell ein Vermitteln verbotener Internetwetten dar, vom Bundesverwaltungsgericht nicht getragen wird.

3. Die streitgegenständliche Untersagungs- und Beseitigungsverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides stellt sich auch bezüglich der Werbung als rechtswidrig dar. Zwar ermöglicht § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV auch die Untersagung der Werbung für unerlaubtes Glücksspiel; aus den obigen Ausführungen ergibt sich aber, dass die formelle Illegalität ihrer Tätigkeit der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden kann und auch keine andere Ermächtigungsgrundlage einschlägig ist.

Soweit der Antragsgegner geltend macht, nach der Rechtsprechung der Kammer sei die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet und die entsprechende Werbung rechtswidrig, ist dies richtig (vgl. VG Berlin, Urteil vom 17. November 2009 – VG 35 A 247.06 –), hilft vorliegend angesichts des Bescheidtenors zu 1. indes nicht weiter. Denn der Antragstellerin wurde „jegliche Art des Veranstaltens und der Annahme und Vermittlung von Sportwetten (…) und die Werbung hierfür“ untersagt. Aus dem Wortlaut der Verfügung ergibt sich klar, dass die Untersagungsverfügung – soweit sie die Werbetätigkeit betrifft – auf die zu untersagende Tätigkeit der Antragstellerin, nämlich deren (etwaige) Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten (die gerade keine solche „im Internet“ darstellt), bezogen ist. Für eine weitergehende Untersagung auch von Werbung für im Internet tätige Sportwettanbieter (insbesondere für Vertragspartner der Antragstellerin) bedürfte es einer gesonderten Verfügung des Antragsgegners, an der es hier fehlt. Insbesondere kann hierfür nicht Satz 2 des Bescheidtenors zu 1. herangezogen werden, mit dem die Antragstellerin zur Einstellung und Beseitigung der Werbung aufgefordert wird. Zwar lautet die Formulierung hier „jegliche Werbung für in Berlin behördlich nicht genehmigte Sportwetten (…)“; da jedoch eine Beseitigungsverfügung nur in der Zusammenschau mit der zugehörigen Untersagungsverfügung gesehen werden kann, ist auch insofern vom vorstehend geschilderten Tätigkeitsbezug zur konkreten gewerblichen Betätigung der Antragstellerin auszugehen.

Aber auch soweit man – entgegen den vorangegangenen Ausführungen – annähme, die Verfügungsziffer zu 1. umfasste jede Werbung für unerlaubtes Glücksspiel (also auch für Angebote Dritter im Internet), folgte daraus keine teilweise Rechtmäßigkeit des Bescheides. Denn die hierfür erforderliche geltungserhaltende Reduktion ist vorliegend bereits mangels sprachlicher Teilbarkeit (im Sinne einer sprachlichen Abtrennbarkeit bestimmter Arten von Werbung) nicht möglich (vgl. dazu ausführlich und mit weiteren Nachweisen VG Berlin, Urteil vom 22. September 2008 – VG 35 A 576.07 –, zitiert nach juris, Rn. 91).

4. Die Antragstellerin kann als rumänische Staatsangehörige über Art. 2 Abs. 1 GG mit Erfolg gegen die angefochtene Untersagungsverfügung vorgehen, weil der konkrete Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, die in ihrem Fall dem Grundrecht der Berufsfreiheit entspricht, unverhältnismäßig im engeren Sinne und damit unzumutbar ist (zum Verhältnis von Art. 12 GG und Art. 2 GG: vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 – 1 BvR 482/84, 1 BvR 1166/85 – zitiert nach juris, Rn. 50; BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 – 1 BvR 1783/99 – zitiert nach juris, Rn. 32). Darüber hinaus kann sie sich als Trägerin der europäischen Grundfreiheiten auf eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung ihrer Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 f. AEUV) berufen.

5. Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung erweisen sich ebenfalls die an sie gekoppelte Zwangsmittelandrohung und die Gebührenfestsetzungen als rechtswidrig. Auch der Höhe nach sind die Gebühren unangemessen (Urteil der Kammer vom 7. Oktober 2010 – VG 35 A 224.08 –, juris). Ob der Gebührenansatz unabhängig davon nach der Berliner Rechtslage überhaupt in Betracht kommt, weil er an die Ordnungspflichtigkeit des Antragstellers anknüpft (so Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. November 2010 – OVG 1 S 141.10 –), oder ob allein aus der durch bloßes Tätigwerden bedingten „Veranlassung“ eines Beteiligten noch nicht auf das Fehlen eines nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GebG Berlin zur Gebührenfreiheit führenden überwiegenden öffentlichen Interesses zu folgern ist (in diesem Sinne OVG Berlin, Urteil vom 13. Januar 1964 – OVG II B 55.62 –, OVGE 8, 40, 41 f.; ferner Beschluss der Kammer vom 13. Januar 2011 – VG 35 L 442.10 -, S. 16 ff. des Umdrucks), kann somit dahinstehen.

6. Da an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht (Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 159; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 264 f. m.w.N.), war die gem. § 9 Abs. 2 GlüStV kraft Gesetzes entfallende aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) anzuordnen (§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO). Gleiches gilt hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung (§ 4 Abs. 1 S. 1 AGVwGO).

Selbst wenn man von einer offenen Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens ausginge, wäre das Interesse der Antragstellerin im Hinblick auf die durch die Untersagung der Vermittlungstätigkeit verbundenen wirtschaftlichen Folgen höher zu bewerten als das Interesse des Antragsgegners an der Durchsetzung der Untersagungsverfügung. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2009 – OVG 1 S 11.09) die Auffassung vertritt, dass das Erwerbsinteresse der Antragstellerin nicht schutzwürdig sei und von vornherein kein Vertrauen verdiene, lässt es unberücksichtigt, dass die private Vermittlung von Sportwetten unstreitig in den Schutzbereich der Berufsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit fällt und dass mit der Untersagung wirtschaftlich häufig vollendete Tatsachen geschaffen werden, während sich das Interesse des Antragsgegners an der Umsetzung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrages einerseits durch konsequente Handhabung der Monopolregelungen im staatlichen Bereich sowie andererseits durch gezielte Verbotsverfügungen in Bezug auf Internetwetten und Live-Wetten sowie durch eine Zuverlässigkeitskontrolle erfüllen ließe. Die Gefahr einer „ungehinderten Entwicklung“ und „Verfestigung“ einer der Suchtprävention und –bekämpfung widersprechenden Praxis besteht also nicht (a.A. BayVGH, Beschluss vom 21. März 2011 – 10 AS 10.2499 –, http://www.verwaltungsgerichtsbarkeit.bayern.de/BayVGH/documents/10a02499b.pdf, Rn. 39). Hinzukommt, dass entgegen der Vermutung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für seinen Zuständigkeitsbereich (vorgenannter Beschluss, Rn. 36) jedenfalls im Land Berlin mangels jeglicher konkreter gesetzlicher Vorgaben (s.o. 2.a.) bzw. von der Verwaltung erarbeiteter „Checklisten“ keinesfalls mit einer zeitnahen und potenziell erfolgreichen Prüfung eines Erlaubnisantrages gerechnet werden könnte, zumal der angefochtene Bescheid dies ausdrücklich ausschließt, und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts bei Zurückweisung des vorliegenden Eilantrages damit völlig leerliefe. Schließlich ist nach dem dargelegten Stand der Diskussionen auf der Ebene der Ministerpräsidenten der Bundesländer bereits zum Jahresende grundsätzlich mit einem Konzessionsmodell zu rechnen, so dass es auch aus diesem Grunde als unverhältnismäßig erscheint, lediglich für die kurze Übergangszeit von der Antragstellerin die kostspielige Unterbrechung des Weiterbetriebs ihrer Annahmestelle zu verlangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes findet ihre Grundlage in den §§ 39 ff., 52 f. GKG. Die Kammer legt dabei unter Orientierung am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7. Juli 2004, Nrn. 54.2.1 und 1.6.2, einen Streitwert für die Hauptsache von 25.000,– Euro zugrunde. Dieser ist für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Hälfte festzusetzen.

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