Vertrauliche E-Mails dürfen nicht veröffentlicht werden
Eigener Leitsatz:
E-Mails, die mit einem „Vertraulichkeitsvermerk“ versehen sind, dürfen vom Empfänger oder Dritten nicht veröffentlicht werden. Die unerlaubte Veröffentlichung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Absenders ein und ist lediglich bei einem ausreichend hohen Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt.
Landgericht Saarbrücken
Urteil vom 16.12.2011
Az.: 4 O 287/11
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom 09.09.2011 wird aufrecht erhalten.
2. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin begehrt die Aufrechterhaltung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung gegen die Verfügungsbeklagte.
Die Verfügungsklägerin betreibt unter www… eine Auskunftei, die Vermietern Bonitätsauskünfte über Mieter anbietet. Die Verfügungsbeklagte betreibt unter www… eine Plattform, über die sich Verbraucher Auskünfte über die bei Auskunfteien gespeicherten Daten einholen können.
Nachdem die Verfügungsbeklagte eine Vielzahl von Auskunftsersuchen verschiedener Verbraucher per Fax an den Verfügungskläger gesendet hatte, teilte dieser der Verfügungsbeklagten ebenfalls per Fax unter anderem mit, dass deren Geschäftsmodell nicht zulässig sei und die übersandten Auskunftsersuchen darüber hinaus nicht bearbeitet werden könnten, da es an der gesetzlich vorgeschriebenen Unterschrift der einzelnen Antragsteller fehle. Der Inhalt dieses Schreibens wurde am 07.07.2011 von der Verfügungsbeklagten unter http://… veröffentlicht (Ast 1, Bl. 104 d.A.).
Daraufhin folgte ein E-Mailwechsel (Ast 2, Bl. 106 ff.) zwischen den Parteien. In der ersten E-Mail des Verfügungsklägers vom 8. Juli 2011 befand sich oberhalb der Unterschrift der Hinweis: „Einer Veröffentlichung wird mit Blick auf das Urheberrecht und Firmengeheimnis widersprochen.“ Am Ende aller E-Mails des Verfügungsklägers war folgender Vermerk vorhanden: „Diese E-Mail enthält vertrauliche und rechtlich geschützte Informationen. Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind und diese E-Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort den Absender und vernichten Sie diese E-Mails. Das Kopieren von Inhalten dieser E-Mail, die Weitergabe ohne Genehmigung ist nicht erlaubt und stellt eine Urheberrechtsverletzung dar.“ Dieser E-Mailverkehr wurde am 08.07.2011 von der Verfügungsbeklagten ebenfalls auf ihrer Internetseite veröffentlicht.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.07.2011 (ASt. 4, Bl. 114 d.A.) forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte wegen Urheberrechtsverletzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. In diesem Schreiben wurde der Verfügungskläger fälschlicherweise als … GbR bezeichnet. Auch dieses Schreiben wurde am 16.07.2011 von der Verfügungsbeklagten veröffentlicht (Ast 3, Bl. 110 d.A.).
Der Verfügungskläger hat beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im Internet, insbesondere auf der Homepage www… Inhalte von Briefen (Fax, Post) sowie Inhalte von E-Mails wörtlich wiederzugeben, die der Antragsteller an die Antragsgegnerin versendet hat, soweit diese mit einem Vertraulichkeitsvermerk versehen sind.
Mit Beschluss vom 09.09.2011 (Bl. 119 d.A.) hat das Landgericht Saarbrücken diesem Antrag stattgegeben und eine einstweilige Verfügung erlassen. Mit Schriftsatz vom 06.10.2011 erhob die Verfügungsbeklagte Widerspruch gegen die ihr am 22.09.2011 zugegangene einstweilige Verfügung.
Der Verfügungskläger ist der Auffassung,
er sei durch die Veröffentlichung der Schreiben in seinem Unternehmerpersönlichkeitsrecht verletzt. Insbesondere habe er mit dem Vertraulichkeitshinweis deutlich gemacht, dass eine Weitergabe an Dritte oder eine Veröffentlichung nicht gewünscht sei. Die Auskunftsverlangen, die von der Verfügungsbeklagten angefordert wurden, seien in der gestellten Form nicht zulässig.
Der Verfügungskläger beantragt,
den Widerspruch zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 09.09.2011 gemäß dem Antrag vom 06.09.2011 aufrecht zu erhalten.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 09.09.2011 aufzuheben.
Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung:
Der Antrag sei unzulässig, da zu unbestimmt. Der Antrag sei auch nicht begründet. Es fehle schon an einem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Verfügungsklägers. Zudem sei sie in ihrem Handeln durch das erhebliche öffentliche Interesse an der Information gerechtfertigt, weshalb die Auskunftsersuchen durch den Verfügungskläger nicht bearbeitet wurden. Auch fehle es an einer für eine einstweilige Verfügung erforderlichen inhaltlich kongruenten Abmahnung durch den Verfügungskläger. Außerdem seien zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung die Schreiben gar nicht mehr veröffentlicht gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
I.
Der zulässige Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 09.09.2011 ist nicht begründet. Vielmehr hat die Verfügungsklägerin gegen den Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Erlass der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 1004, 823 BGB, 32, 935, 940 ZPO. Der Verfügungskläger hat sowohl den Verfügungsanspruch als auch den Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.
1.
Der Verfügungskläger hat schlüssig Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, aus denen sich ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 in Verbindung mit 1004 Abs. 1 BGB analog wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ergibt.
Die unerlaubte Veröffentlichung einer für einen eingeschränkten überschaubaren Personenkreis bestimmten E-Mail ist wie die Veröffentlichung eines Briefes als eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen (s. OLG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2010, Az. 4 U 96/10; LG Köln, Urteil vom 28.5.2008, Az. 28 O 157/08).
Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte in ihrem Weblog („Blog“) geschäftliche Anschreiben im Wortlaut veröffentlicht und deren Inhalt teilweise auch kommentiert hat. Ebenfalls ist glaubhaft gemacht, dass dabei E-Mails veröffentlicht worden sind, die mit Vertraulichkeitsvermerk versehen waren. Nur die mit einem solchen Vermerk versehenen Äußerungen des Verfügungsklägers sind von dem angegriffenen Beschluss erfasst.
Das Verhalten der Verfügungsbeklagten stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers dar. Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist das Recht am geschriebenen Wort. Dieses umfasst die Befugnis, grundsätzlich selbst zu bestimmen, ob der Inhalt eines Schreibens der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll oder im privaten Bereich bleibt (s. Palandt, BGB, § 824, Rz 114). Die unbefugte Fixierung oder Veröffentlichung von vertraulichen Aufzeichnungen – dazu gehört auch eine E-Mail, die nur an einen bestimmten abgegrenzten Personenkreis übersandt wird – tangiert das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, denn der Einzelne hat ein grundsätzliches Recht darauf, nicht den Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein und selbst zu bestimmen, ob er Äußerungen z.B. nur einem Gesprächspartner, einem bestimmten Adressatenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich macht. In welchem Umfang der Einzelne berechtigterweise davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein, lässt sich aber nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und damit unter Einbeziehung des eigenen Verhaltens des Betroffenen beurteilen (BVerfG NJW 2006,3406 [3408]; BVerfGE 101,361 [384 f.]).
Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme kann etwa dort entfallen oder zumindest im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden erklärt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden (BVerfG NJW 2006, 3406) oder wo er selbst an die Öffentlichkeit getreten ist.
Hier hat der Verfügungskläger geschäftliche Briefe und E-Mails versandt. Anders als etwa bei einem Brief, der in einem Kuvert verschlossen an den Adressaten verschickt wird, ist zwar bei einer E-Mail mit der Weiterleitung und Verbreitung an Dritte zu rechnen. Allerdings muss ein entsprechender Schutz wie bei Briefen gelten, wenn die Vertraulichkeit des Inhalts bzw. der einer Verbreitung entgegenstehende Wille in der E-Mail zutage tritt. Denn in diesem Fall soll der Inhalt der E-Mail vergleichbar mit einem geschlossenen Brief ebenfalls nicht aus der Geheimsphäre entlassen werden (Landgericht Köln, Urteil vom 2.10.2008, Az.: 28 O 558/06). Hier hat der Verfügungskläger E-Mails im geschäftlichen Verkehr verschickt, allerdings nicht an einen nicht abgegrenzten Personenkreis sondern lediglich an eine Person gerichtete und versandte E-Mail.
Jedoch sind solche Äußerungen jedenfalls dann nicht gegen weitere Veröffentlichungen geschützt, wenn der Wille des Verfassers oder Berechtigten zur Geheimhaltung nicht deutlich erkennbar ist. Hier war es jedoch so, dass der Verfügungskläger auf die fehlende Einwilligung zur Veröffentlichung ausdrücklich hingewiesen hat. Gerade in der ersten E-Mail hat er durch einen ausdrücklichen, individuellen Hinweis noch oberhalb seiner Unterschrift deutlich gemacht, dass er einer Veröffentlichung widerspricht. Aber auch aus den anderen E-Mails geht hervor, dass sie vertraulich bleiben sollten. Es ist schon fraglich, ob es sich bei diesem Hinweis um einen „Disclaimer“ handelt, wie es die Verfügungsbeklagte vorträgt. Die rechtliche Verbindlichkeit sog. „Disclaimer“ wird bezweifelt. In diesem Zusammenhang wird jedoch meist die wirksame Vereinbarung eines Haftungsausschlusses diskutiert und abgelehnt, da es sich insoweit um AGB handele, die aufgrund ihrer Platzierung erst am Ende des Schreibens nicht wirksam in einen Vertrag einbezogen werden können. Vorliegend geht es jedoch nicht um einen Vertragsschluss zwischen den Parteien oder um einen Haftungsausschluss. Entscheidend ist nach Auffassung des Gerichts, dass für die Verfügungsbeklagte erkennbar einer Veröffentlichung der E-Mails des Verfügungsklägers widersprochen wurde. Dies wurde auch schon aus der ersten E-Mail des Verfügungsklägers deutlich. Es wäre unbillig, eine solche zwar pauschale, aber doch eindeutige Erklärung nicht als ausreichende Willensbekundung der Vertraulichkeit der Äußerung anzusehen.
3. Die Veröffentlichung der Mail ist auch rechtswidrig, da bei Abwägung der gegenseitigen Interessen dasjenige des Verfügungsklägers überwiegt.
Durch die Veröffentlichung der geschäftlichen E-Mail ist dessen Sozialsphäre betroffen. Eine Veröffentlichung kann hier zulässig sein, wenn eine alle Umstände des konkreten Falles berücksichtigende Interessenabwägung ergibt, dass die Meinungsfreiheit der Verfügungsbeklagten und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nach Artikel 5 Absatz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 18.2.2010, Az. 1 BvR 2477/08) das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers nach Artikel 2 Absatz 1 iVm Artikel 1 GG überwiegt (Staudinger/Weick BGB, Neubearbeitung 2004, Vorbemerkung zu § 1 Rz 27; Jauernig/Teichmann, BGB, 13. Auflage 2009, § 823 Rz 75; BGH NJW 1999, 2893). Nach Auffassung des Gerichts ist dies hier nicht der Fall. Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im konkreten Fall überwiegt und die Veröffentlichung rechtswidrig ist.
Hier ist die Sozialsphäre des Verfügungsklägers tangiert worden. Der Verfügungskläger konnte – ohne Vertraulichkeitsvermerk – nicht damit rechnen, dass seine E-Mail nicht weitergegeben wird. Gerade bei E-Mails muss wegen der problemlos möglichen Weiterverbreitung an einen großen Empfängerkreis (es müssen nur die Weiterleitungsfunktion angeklickt werden und der oder die Empfänger bestimmt werden) immer mit einer Weitergabe gerechnet werden.
Hier hat die Verfügungsbeklagte die E-Mail des Verfügungsklägers trotz des Vertraulichkeitshinweises veröffentlicht.
Zwar ist der Verfügungsbeklagten zuzugeben, dass grundsätzlich ein großes Interesse der Öffentlichkeit daran besteht, zu erfahren, inwieweit die Bestimmung des Bundesdatenschutzgesetzes eingehalten werden, bzw. von welchen Unternehmen diese Vorgaben verletzt wurden. Jedoch ist in jedem Einzelfall genau zu differenzieren, ob dieses öffentliche Interesse tatsächlich das Interesse des Einzelnen auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes überwiegt und somit eine Veröffentlichung fremder vertraulicher Schriftstücke zulässig ist. Im vorliegenden Fall ist zu bedenken, dass der Verfügungskläger sich nicht grundsätzlich gegen die Bearbeitung von Auskunftsersuchen betroffener Bürger wendet. Er äußert lediglich eine andere Rechtsmeinung bezüglich der gesetzlichen Voraussetzungen eines solchen Auskunftsersuchens. Die Schreiben wurden jedoch nicht nur dem betroffenen Personenkreis, nämlich den Auskunftsersuchenden bekannt gemacht, sondern ein auf einer global zugänglichen Internetseite, die von einer unbegrenzten Zahl von Personen besucht werden kann. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten diese Seite zumeist nur von eben den betroffenen Auskunftssuchenden besucht wird. Unabhängig davon, wer tatsächlich auf diesen Blog zugreift, ist nach Auffassung des Gerichts ausreichend, dass jede Person, die auf das Internet zugreifen kann, potentiell auch die veröffentlichten Inhalte der Mails lesen kann. Entscheidend ist die tatsächlich uneingeschränkte Zugangsmöglichkeit.
Das Geheimhaltungsinteresse des Verfügungsklägers überwiegt auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit des Verfügungsbeklagten, weil die Veröffentlichung von vertraulichen Schreiben einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt, der in seiner Wirkung weit schwerer wiegt als die bloße Mitteilung ihres Inhaltes. Ausdrücklich hat der Verfügungskläger mitgeteilt, dass er sich gegen eine Meinungsäußerung des Verfügungsbeklagten in seinem Blog nicht wendet. Der Verfügungskläger seinerseits hat sich mit der Wahl der E-Mailkommunikation bewusst dagegen entschieden, seine Meinung im Rahmen einer öffentlichen Kommunikation, z. B. eines Blogs, kundzutun.
2.
Die Wiederholungsgefahr wird durch die Veröffentlichung indiziert, die erbetene strafbewehrte Unterlassungserklärung ist nicht abgegeben worden.
Der Einwand der Verfügungsbeklagten, es fehle an einer inhaltlich kongruenten Abmahnung seitens des Verfügungsklägers, geht ins Leere. Zum einen ist bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Abmahnung schon nicht erforderlich. Davon abgesehen war für die Verfügungsbeklagte aufgrund des anwaltlichen Schreibens ausreichend erkennbar, dass der Verfügungskläger nicht mit der Veröffentlichung seiner Korrespondenz einverstanden war. Weder die fälschliche Bezeichnung des Klägers als GbR noch das frühere Berufen auf Urheberrecht statt auf Persönlichkeitsrecht können an dieser Beurteilung etwas ändern. Im Rahmen einer Abmahnung ist es lediglich erforderlich, dass für den Adressaten erkennbar ist, wer von ihm welches Verhalten verlangt.
Die Behauptung zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung sei die wörtliche Veröffentlichung nicht mehr auf der Webseite der Verfügungsbeklagten vorhanden gewesen, wurde von dieser nicht glaubhaft gemacht.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.