Keine Gutscheine für Freispiele am Spielautomaten

21. Juli 2009
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Eigener Leitsatz:

In Zeitungen abgedruckte Gutscheine, die einem ein kostenloses Spiel an Glücksspielautomaten ermöglichen, verstoßen gegen die Spielverordnung. Sie sollen neue Kunden an die Spielautomaten locken und sie langfristig an die Spielhallen zu binden. Dies verstößt gegen den Zweck des § 9 Abs. 2 SpielV, der zum Schutz der Spieler die Gefahr gesteigerter Spielanreize durch Werbemittel untersagt.

Verwaltungsgericht Hannover

Urteil vom 07.06.2009

Az.: 111 A 4402/07

Aus dem Entscheidungstext

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Untersagung der unentgeltlichen Abgabe und Einlösung von Freispielgutscheinen für ihre Spielhallen durch die Beklagte.

Die Klägerin betreibt auf den Grundstücken D. 6 und E. Straße 109 in F. Spielhallen. In der Zeitung "G. Wochenblatt" vom 25.07.2007 veröffentlichte sie eine Anzeige, bei der eine Abbildung des Spielgerätes "Glücksrad" mit dem Text "Einladung! – Höllisch heiße Spiele! Teuflisch gut" – Ihr kleines Casino." überschrieben ist, und der drei "Testcoupons" im Wert von jeweils 4,00 € mit dem Hinweis beigefügt sind "Gilt für Freispiele am neuen Glücksrad. Einzulösen in Ihren H. -SPIELOTHEKEN (siehe Adressen). Keine Auszahlung von Bargeld. Pro Person ein Gutschein möglich. Gültig bis 31.08.2007."

Bei dem "Glücksrad" handelt es sich um ein dem klassischen Roulette ähnliches elektronisches Spielsystem im Casino-Design mit bis zu sechs Spielpulten, bei dem die Zahlenziehung über ein mechanisches Glücksrad erfolgt.

Mit Verfügung vom 22.08.2007, zugestellt am 03.09.2007, untersagte die Beklagte der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG) die unentgeltliche Abgabe von Freispielgutscheinen und deren Einlösung für ihre Spielhallen auf den Grundstücken D. 6 und E. Straße 109 in F..

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die unentgeltliche Abgabe von Gutscheinen mit der Möglichkeit der Einlösung in den klägerischen Spielhallen verstoße gegen das umfassend zu verstehende Verbot des § 9 Absatz 2 der Spielverordnung (SpielV) in der ab dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung. Durch die Ausgabe der Gutscheine gewähre die Klägerin finanzielle Vergünstigungen. Das dabei verfolgte Ziel, Spieler durch die Möglichkeit eines Gewinnes anzulocken, an ihre Spielhalle zu binden und zu entgeltlichen Spielen zu bewegen, sei nicht zulässig. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig. Mit der Untersagung des Gutscheinsystems werde ein gesetzwidriges Verhalten unterbunden. Die damit einhergehenden Einkommenseinbußen müssten gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit, die Gäste der Spielhalle vor Ausbeutung zu schützen, die Spielsucht einzudämmen und Wettbewerbsverzerrungen zu unterbinden, zurückstehen.

Die Klägerin hat am 06.09.2007 Klage erhoben.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, mit der angegriffenen Verfügung werde ihr die unentgeltliche Abgabe von Freispielgutscheinen auch nach Ablauf der Werbeaktion am 31.08.2007 untersagt. Es liege kein Verstoß gegen die Spielverordnung vor. Die Ausgabe von Freispielgutscheinen außerhalb der Spielhalle an Leser einer Zeitung zu Werbezwecken erfolge kostenlos und stelle auch nach der dazu ergangenen wettbewerbsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung keine "dem Spieler" gewährte finanzielle Vergünstigung dar. Die Gutscheinwerbung richte sich lediglich an "jedermann" als Zeitungsleser. Die Gutscheine ermöglichten den ersten Einstieg in die neue Spieltätigkeit, überließen aber dem Kunden ohne weitere Anreize die Entscheidung, ob er nunmehr mit eigenem Einsatz weiterspielen wolle. Entgegen dem Wortlaut und dem legitimen Zweck des § 9 Absatz 2 SpielV, übermäßige Spielanreize zu verhindern, führe ein Verbot, potentiellen Kunden die Möglichkeit zu einem kostenlosen Spiel an einem Unterhaltungsgerät zu geben, zu einem Wertungswiderpruch zu § 6 a Absatz 3 SpielV, nach dem bis zu sechs Freispiele zulässig seien. Ein generelles Werbeverbot auch für solche kostenlose Gewinnspiele sei wegen des Verstoßes gegen die Freiheit der Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG und des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.

Die Klägerin beantragt,

die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 22.08.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

                       die Klage anzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, in dem streitgegenständlichen Verbot der Gutscheinwerbung sei ein durch das Gemeinwohlinteresse gedeckter Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit zu sehen. Bei den Freispielgutscheinen handele es sich um Vergünstigungen in Form einer Ermäßigung des Spieleinsatzes auf Null. Es mache keinen Unterschied, ob verbotswidrig zusätzliche Gewinnchancen in Gestalt eines kostenlosen Gewinnspiels oder eines Gutscheines gewährt würden. Nach dem umfassend zu verstehenden Verbot sei das In-Aussicht-Stellen von sonstigen Gewinnchancen unabhängig von ihrer Form untersagt. Die Couponwerbung diene gerade dem Ziel, neue Kunden zu werben und diese über die Teilnahme am kostenlosen Spiel zum kostenpflichtigen Weiterspielen zu animieren, und müsse hinter dem öffentlichen Interesse, die Spielsucht möglichst einzudämmen, zurücktreten. Eine Differenzierung zwischen dem Spieler und dem bloßen Zeitungsleser sei wenig aussagekräftig und trage der gesetzgeberischen Intention nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Jeder mit der Zeitungsanzeige konfrontierte Leser sei bereits ein potentieller Spieler.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.

Das Rechtschutzinteresse der Klägerin an der Aufhebung der angegriffenen Verfügung der Beklagten vom 22.08.2007 besteht auch nach Ablauf der Werbeaktion am 31.08.2007 fort, weil die Beklagte der Klägerin damit auch die unentgeltliche Abgabe von Freispielgutscheinen und deren Einlösung für ihre Spielhallen auf den Grundstücken D. 6 und I. Straße 109 in F. für die Zukunft untersagt.

Die Klage ist indes unbegründet.

Die Entscheidung der Beklagten vom 22.08.2007, der Klägerin die unentgeltliche Abgabe von Freispielgutscheinen und deren Einlösung für ihre Spielhallen auf den Grundstücken D. 6 und E. Straße 109 in F. zu untersagen, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die Beklagte hat ihre Untersagungsverfügung zutreffend auf die Ermessensnorm des § 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG) gestützt und das ihr dabei zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Dieser subsidiären Ermessensnorm vorgehende Regelungen des Bundes- oder Landesrechts, in denen die Gefahrenabwehr oder die anderen Aufgaben besonders geregelt werden, hat die Beklagte nicht außer Acht gelassen. Das Gewerberecht enthält keine vergleichbaren spezialgesetzliche Ermächtigungen zu der von ihr erstrebten Abwendung von Gefahren für die Spieler in den klägerischen Spielhallen.

Eine Rücknahme der erteilten gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33 d Abs. 4 der Gewerbeordnung (GewO) wegen der unentgeltlichen Abgabe von Freispielgutscheinen und deren Einlösung in den klägerischen Spielhallen wegen persönlicher Unzuverlässigkeit wäre bei einem möglichen einmaligen Verstoß gegen die Spielverordnung zumindest unverhältnismäßig. Es handelt sich dabei um eine ungleich härtere Maßnahme als die streitgegenständliche Maßnahme. Der Regelungsbereich und die Maßnahme sind der von der Beklagten getroffenen Verfügung nicht vergleichbar.

Ein Widerruf der Erlaubnis nach § 33 d Abs. 4 GewO kommt nicht in Betracht, da es – soweit bislang vorgetragen und ersichtlich – bereits an der Nichtbeachtung einer entsprechenden in der gewerberechtlichen Erlaubnis enthaltenden Auflage fehlt. Nach § 33 d Abs. 1 Satz 2 GewO sind zwar auch nachträgliche Auflagen zulässig. Die Beklagte war aber nicht gehalten, auf diese – im Gegensatz zu § 5 des Gaststättengesetzes – nicht näher konkretisierte Möglichkeit bestimmter Auflagen zurückzugreifen, sondern konnte im Rahmen des ihr zustehenden Auswahlermessens ihre Untersagungsverfügung vorliegend auf die Generalklausel des § 11 Nds.SOG stützen.

Danach können die Verwaltungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Der Begriff der Gefahr i.S.d. § 11 Nds. SOG bezieht sich dabei auf eine konkrete Gefahr, d.h. eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird  (§ 2 Nr. 1 a Nds. SOG). Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehört auch die objektive Rechtsordnung, so dass u.a. in jedem Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften eine Störung der öffentlichen Sicherheit zu sehen ist.

Die Einlösung der in der Zeitung "G. Wochenblatt" vom 25.07.2007 veröffentlichten "Testcoupons" im Wert von jeweils 4,00 € für Freispiele am Spielgerät "Glücksrad" in den klägerischen Spielhallen auf den Grundstücken D. 6 und E. Straße 109 in F. verstößt nach Auffassung der Kammer gegen § 9 Abs. 2 der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung – SpielV -) in der seit dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung (BGBl. I S. 280).

Nach dieser Vorschrift darf der Aufsteller eines Spielgerätes oder der Veranstalter eines anderen Spiels dem Spieler neben der Ausgabe von Gewinnen über gemäß den §§ 33 c und 33 d der GewO zugelassene Spielgeräte oder andere Spiele keine sonstigen Gewinnchancen in Aussicht stellen und keine Zahlungen oder sonstigen finanziellen Vergünstigungen gewähren.

Die Kammer folgt nicht der von der Klägerin mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Oldenburg (Urt. v. 16.11.2006 – 1 U 72/06-) und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München (Beschl. v. 09.05.2006 – M 16 S 06.1579 -) geteilten Auffassung, die Ausgabe von vergleichbaren Freispiel-Gutscheinen in Zeitungsanzeigen als "Einstiegscoupons" stelle keine "dem Spieler" gewährte finanzielle Vergünstigung dar.

Der Begriff des Spielers ist weder in der Spielverordnung noch in den zugrunde  liegenden Vorschriften der Gewerbeordnung definiert. Auch die vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 18.12.2006 (- 4 B 1019/06 -) im Zusammenhang mit einer als Werbeaktion veranstalteten Jackpot-Verlosung entwickelte Definition scheint unzureichend und aus den angestellten Zweckerwägungen auf diese besondere Fallgruppe zugeschnitten. Danach ist Spieler im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV nicht nur derjenige, der gerade an einem Spielgerät im Sinne des § 33 c GewO spielt oder an einem anderen Spiel im Sinne des § 33 d GewO teilnimmt, sondern jede Person, die sich in der Spielhalle aufhält und deshalb als potentieller Spieler in Betracht kommt.

Spieler im gewerberechtlichen Sinne ist nach Auffassung der Kammer jede Person, die sich in Spielabsicht in einer mit Spielgeräten im Sinne des § 33 c GewO ausgestatteten Räumlichkeit oder in deren unmittelbaren Nähe aufhält oder an einem anderen Spiel im Sinne des § 33 d GewO teilnimmt.

Da § 9 Abs. 2 SpielV den Begriff des Spielers in Zusammenhang mit §§ 33 c und 33 d der GewO verwendet, muss die Spielereigenschaft in Bezug auf die in diesen Vorschriften genannten Geräte und anderen Spiele vorliegen (so auch: OVG NRW, Beschl. v. 18.12.2006 – 4 B 1019/06 – nach juris -). Dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ist insofern zuzustimmen, dass diese Voraussetzungen nach dem Gesetzeszweck und den zugrundeliegenden Materialien, unabhängig von der jeweiligen formal-rechtlichen Ausgestaltung des Spiels der auch im Hinblick auf die gesteigerten Spielanreize damit verbundenen erhöhten Suchtgefahr wirksam zu begegnen (vgl. BR-Drucks. 655/1/05), auch erfüllt sind, wenn die betreffende Person gerade nicht aktiv mit dem Spielgeschehen befasst ist, sich aber in der Spielhalle aufhält. Zur Eingrenzung bedarf es allerdings nicht des Rückgriffs auf die unscharfe, in sich widersprüchliche Figur des "potentiellen Spielers" wenn es sich bei dem Spiel um eine Werbemaßnahme handelt mit dem Ziel, alte Kunden durch die Möglichkeit des Gewinns an die Spielhalle zu binden und auch neue Kunden zu werben in der Erwartung, dass diese auch an den entgeltlichen Spielen teilnehmen. Der "potentielle Spieler" der vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entwickelten Definition ist schon nach den Begrifflichkeiten gerade noch kein Spieler, sondern erhält die Spielereigenschaft erst mit dem subjektiven Element der Spielabsicht.

Damit lässt sich auch der Besucher einer Spielhalle oder einer anderen mit Spielgeräten im Sinne des § 33 c GewO ausgestatteten Räumlichkeit, der diese Räumlichkeiten lediglich betreten hat, um seinen kostenlosen Getränkegutschein einlösen oder jemanden abholen, klar von dem vom Gesetzgeber als besonders gefährdeten Spieler im Sinne der Spielverordnung und der zugrundeliegenden gewerberechtlichen Vorschriften abgrenzen. Ein Besucher solcher Räumlichkeiten ohne Spielabsicht ist den mit den Spielanreizen verbundenen Gefahren nicht in dem Maße aufgesetzt und für die Reize einer Webeveranstaltung nicht oder zumindest deutlich weniger empfänglich, als der durch die Teilnahme an Spielen und Spielgeräten oder Werbemaßnahmen an diese herangeführte Besucher oder Teilnehmer mit Spielabsicht. Für diesen haben sich die vom Gesetzgeber gesehenen Gefahren bereits verwirklicht, wenn er sich in unmittelbarer Nähe einer mit Spielgeräten ausgestatteten Räumlichkeit aufhält und es nur noch geringen Aufwandes bedarf, die Spielabsicht zu realisieren, etwa weil kostenlose "Testcoupons" vor oder in räumlicher Nähe zu einer Spielhalle verteilt werden.

Ob die finanzielle Vergünstigung in dem vorliegenden Verfahren einem "Spieler" im Sinne der von der Kammer vertretenen Definition gewährt wird, hängt davon ab, worin die Gewährung der finanziellen Vergünstigung für den von der klägerischen Werbemaßnahme Angesprochenen liegt und wann er diese Vergünstigung erlangt. Ob er zu diesem Zeitpunkt schon Spieler im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV ist oder noch nicht, ist wiederum von der rechtlichen Qualifikation der im "Hannoverschen Wochenblatt" vom 25.07.2007 veröffentlichten "Testcoupons" abhängig.

Nach gängiger Rechtsprechung wird zu Werbezwecken ausgegebenen "Gutscheinen" im rechtsgeschäftlichen Verkehr allenfalls die Funktion eines durch den Gutschein verkörperten Leistungsversprechens in Gestalt eines kleinen Inhaberpapiers bzw. Inhaberzeichens im Sinne des § 807 BGB beigemessen (vgl. Martin Ahrens, Gutscheine, BB 1996, 2477, 2480; zu Geschenkgutscheinen: OLG München, Urt. vom 17.01.2008 – 29 U 3193/07 – nach juris). Bei einem Werbegutschein stellt ein Unternehmen einen Gutschein aus, um den verbilligten oder kostenlosen Bezug eigener Waren oder Leistungen zu ermöglichen. Diese Gutscheine werden in Zeitungsanzeigen gedruckt, über Broschüren oder Prospekte verteilt oder im Wege des Direktmarketings einem ausgewählten Kundenkreis übermittelt. Materielle causa des Geschäfts bildet zumeist die Schenkung eines Rechts gemeinsam mit einer Sache, dem Gutschein. Nach der Theorie vom mehrgliedrigen Rechtsgeschäft ist für die Entstehung des Leistungsversprechens ein Ausstellungsakt sowie ein Begebungsvertrag erforderlich. Mit dem Abdruck des Gutscheins in Zeitungsinseraten ist der Skripturakt erfolgt. Obgleich eine Anzeige auf persönliche Angaben verzichtet, liegt hierin nicht nur eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum). Auch das wirtschaftliche Risiko des Werbenden spricht nicht gegen einen verbindlichen Charakter, weil es vom Werbenden selbst gesteuert und wegen der Vorlagepflicht des Papiers durch die Auflagenhöhe der Anzeige begrenzt ist. Der Werbende richtet deswegen ein bindendes Angebot ad incertam personam. Dieses Angebot wird sodann durch konkludentes Handeln des Beworbenen angenommen, der den Gutschein an sich nimmt. Eine Mitteilung dieser Annahmeerklärung ist nach § 151 Satz 1 BGB nicht erforderlich (Martin Ahrens, Gutscheine, BB 1996, 2477, 2480). In der Konsequenz dessen ist der Werbende gegenüber jedermann leistungspflichtig, der den Gutschein vorlegt. Ohne zeitliche oder qualitative Schranken muss der Werbende die Leistung selbst bei einem unerwarteten Andrang erbringen.

Die rechtliche Gestaltung spricht zwar dafür, dass das Leistungsversprechen als solches bereits mit der Ansichnahme des in der Zeitung abgedruckten Gutscheines konkludent angenommen wird. Damit ist zwar bereits der schuldrechtliche Anspruch gegen die Klägerin auf Gewährung des Freispiels am Spielgerät "Glücksrad" zu einem Zeitpunkt begründet, zu dem der Gutscheininhaber noch nicht Spieler im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV ist.

In dem durch die Annahme des Gutscheins begründeten Leistungsversprechen allein kann indes noch nicht die Gewährung von Zahlungen oder sonstigen finanziellen Vergünstigungen im Sinne dieser Vorschrift gesehen werden.

Nach der Ausgestaltung der Anzeige im "Hannoverschen Wochenblatt" vom 25.07.2007 und dem daraus erkennbaren Willen der Klägerin soll gerade keine Auszahlung des Wertes des Gutscheines in Höhe von jeweils 4,00 € oder sonstige Auszahlung an Bargeld an den Inhaber erfolgen. Die Erfüllung des schuldrechtlichen Anspruchs durch Erbringung der versprochenen Leistung ist zwingend an die Einlösung des Gutscheines in den konkret bezeichneten Räumlichkeiten der klägerischen Spielhallen gebunden. Der Gutschein und der mit der Annahme begründete schuldrechtliche Anspruch als solcher sind für den Gutscheininhaber ohne erkennbaren finanziellen Nutzen. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 SpielV verlangt indes, dass Zahlungen vergleichbare sonstige finanzielle Vergünstigungen "gewährt" werden müssen. Gewährt wird dem Inhaber des Gutscheins die sonstige finanzielle Vergünstigung in Gestalt von Freispielen am Spielgerät "Glücksrad" im Wert von 4,00 € aber erst mit der Erfüllung des Leistungsversprechens durch Aushändigung der Spielberechtigung in Form von Geldmünzen nach Vorlage des Gutscheines in den Räumlichkeiten der klägerischen Spielhallen. Zu diesem Zeitpunkt ist der sich dort in Spielabsicht aufhaltende Gutscheininhaber bereits "Spieler" im gewerberechtlichen Sinn.

Eine solche Auslegung ist auch im Übrigen mit Wortlaut und dem Zweck des § 9 Abs. 2 SpielV vereinbar.

Aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 SpielV ergibt sich bereits ein umfassendes Verbot der In-Aussicht-Stellung sonstiger Gewinnchancen und der Gewährung von Zahlungen oder sonstigen finanziellen Vergünstigungen. Die Regelung differenziert weder nach Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit noch nach Koppelung des zusätzlichen Gewinnspiels mit einem Spielgerät oder einem anderen Spiel und einer entsprechenden Entkoppelung. Das gilt umso mehr, als in § 9 Abs. 1 SpielV explizit die Unzulässigkeit entgeltlicher Spiele hinsichtlich der Gewährung von Vergünstigungen geregelt ist. Demgegenüber enthält § 9 Abs. 2 SpielV eine solche Einschränkung nicht (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 07.03.2006 – W 5 S 06.162 -; VG Lüneburg, Beschl. v. 18.07.2006 – 5 B 21/06 – veröffentlicht in juris -; Beschl. d. Kammer v. 22.09.2006 – 11 B 4373/06 -; Beschl. v. 28.09.2006 – 11 B 1330/06 -). Dafür spricht auch das Gesetzgebungsverfahren. So begründen bereits die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrats vom 04.10.2005 die Neuregelung damit, dass mit dem neu eingefügten § 9 Abs. 2 SpielV „sämtliche Zahlungen und Vergünstigungen verboten werden, die neben der Ausgabe von Gewinnen über zugelassene Spielgeräte oder andere Spiele gewährt werden“ (vgl. Bundesrat Drs. 655/1/05). Die Ausschüsse des Bundesrats hatten bei der vorgeschlagenen Einführung des § 9 Abs. 2 SpielV jede Art zusätzlicher In-Aussicht-Stellung weiterer Gewinnchancen sowie jede zusätzliche Zahlung oder sonstige finanzielle Vergünstigung im Auge (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 07.03.2006 – W 5 S 06.162 -; VG Osnabrück, Beschl. v. 25.04.2006 – 1 B 21/06 -, GewArch. 2006, 389, 391, bestätigt durch: Nds. OVG, Beschl. v. 13.07.2006 – 7 ME 96/06 -; Beschl. d. Kammer v. 22.09.2006 – 11 B 4373/06 – und v. 28.09.2006 – 11 B 1330/06 -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 05.01.2007 – 7 L 1605/06 -).

Zwar kann durch die Teilnahme an einem kostenlosen Spiel unmittelbar kein finanzieller Verlust bei dem Teilnehmer eintreten. Mit dem kostenlosen Spiel wird in der Regel der Zweck verfolgt, Kunden in die Spielhalle zu locken, Spieler durch die Möglichkeit des Gewinns an die Spielhalle zu binden und auch neue Kunden zu werben in der Erwartung, dass diese auch an den entgeltlichen Spielen teilnehmen. Nur durch diesen Anreiz gewinnt das kostenlose Spiel für den Spielhallenbetreiber einen wirtschaftlichen Wert. Dieser Anreiz zur Fortführung der Spieltätigkeit widerspricht indes dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 SpielV (vgl. LG Osnabrück, Urt. v.  10.03.2006 – 15 O 180/06 -; o. g. Beschl. d. VG Lüneburg vom 18.07.2006; o.g. Beschl. d. Kammer v. 22.09.2006 – und v. 28.09.2006 – 11 B 1330/06 -; OVG Münster, Beschl. v. 18.12.2006 – 4 B 1019/06 – nach juris -). Es erscheint durchaus sachgerecht, zum Schutz des Spielers und zur Verhinderung der Gefahr gesteigerter Spielanreize das Spiel als Werbemittel für die Durchführung weiterer, dann kostenpflichtiger Spiele zu untersagen.

Die Gewährung einer Vergünstigung an einen "Nichtspieler" nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Oldenburg (Urt. v. 16.11.2006 – 1 U 72/06-) und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München (Beschl. v. 09.05.2006 – M 16 S 06.1579 -) könnte nur angenommen werden, wenn der "Testcoupon" als Erfüllungssurrogat anzusehen wäre, der Zeitungsleser – entfernt von den mit Spielgeräten im Sinne des § 33 c GewO ausgestatteten Räumlichkeiten – mit dem Ausschneiden des "Testcoupons" ein verbrieftes Recht auf Freispiele im Wert von 4,00 € am Spielgerät "Glücksrad" in den von der Klägerin auf den Grundstücken D. 6 und E. Straße 109 in F. betriebenen Spielhallen dergestalt erwoben hätte, dass der späteren Einlösung des "Testcoupons" in eine Spielberechtigung in Form von Geldmünzen in der klägerischen Spielhalle als Annex zu dem bereits im Vorfeld abgeschlossenen Rechtsgeschäft lediglich eine "Schlüsselfunktion" ohne weitere rechtliche Wirkungen zukäme.

Eine solche Auffassung entspricht indes nicht der üblicherweise mit solchen "Werbegutscheinen" verbundenen rechtlichen Qualifikation und dem erkennbaren Willen der Beteiligten. Eine so weitreichende Bindung mit den daraus folgenden rechtlichen Konsequenzen ist der Anzeige der Klägerin gerade nicht zu entnehmen.

Die Ausgabe und Einlösung solcher "Werbegutscheine" kann auch nicht lediglich als ein Instrument der Preisgestaltung vergleichbar einem sogenannten "Happy-hour"- Angebot aufgefasst werden. Bei einem solchen Angebot steht die Gewährung günstigerer Preise in Zeiten geringerer Nachfrage im Vordergrund. Anhaltspunkte dafür sind in von der Klägerin im "Hannoverschen Wochenblatt" vom 25.07.2007 veröffentlichten Anzeige nicht erkennbar.

Es liegt auch kein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte vor.

Ein Eingriff in die durch Art. 12 gewährleistete Berufsfreiheit ist nach der Rechtsprechung, der sich die Kammer angeschlossen hat, nicht zu erkennen (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 07.03.2006 – W 5 S 06.162 -; VG Lüneburg, Beschl. v. 18.07.2006 – 5 B 21/06 – nach juris -; Beschl. d. Kammer v. 22.09.2006 – 11 B 4373/06 -; Beschl. v. 28.09.2006 – 11 B 1330/06 -).

Ein Eingriff in die Berufsfreiheit scheidet schon deshalb aus, weil sich die Untersagung lediglich gegen die Durchführung einer bestimmten Werbemaßnahme für ein bestimmtes Spielgerät richtet. Die Klägerin ist hingegen nicht gehindert, ihre Spielhallen nach wie vor zu betreiben. Darüber hinaus ist die Benutzung des Glücksrades für die jeweiligen Spieler nur in dem durch den Gutschein im Wert von 4,00 € begrenzten Umfang kostenlos, so dass der Klägerin unmittelbar keine unerträglichen wirtschaftlichen Nachteile durch die Untersagung dieser Werbemaßnahme für das neue "Glücksrad" entstehen. Im Übrigen kann sie das "Glücksrad" und die anderen Geldspielgeräte ungehindert weiter betreiben.

Nach der Intention des Gesetzgebers ist allein ein umfassendes Verbot von Spielen, die sonstige Gewinnchancen in Aussicht stellen und Zahlungen oder sonstige finanziellen Vergünstigungen gewähren, geeignet, die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Unter diesem Aspekt erscheint es ebenfalls sachgerecht, zum Schutz des Spielers und zur Verhinderung der Gefahr gesteigerter Spielanreize das Spiel als Werbemittel für die Durchführung weiterer, dann kostenpflichtiger Spiele zu verbieten (vgl. VG Lüneburg, Beschl. v. 18.07.2006 – 5 B 21/06 -).

Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Sie hat schon keine Vergleichsgruppen genannt und nicht dargetan, worin eine solche Verletzung bestehen soll.

Die Beklagte hat bei ihrer Untersagungsverfügung auch das ihr durch § 11 Nds. SOG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt und unter Abwägung der privaten Interessen der Klägerin mit dem Interesse der Allgemeinheit, die Folgen der Spielsucht einzudämmen und Wettbewerbsverzerrungen zu unterbinden, dargetan, dass die Maßnahme geeignet und erforderlich ist, um die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen.

Dem Antrag der Klägerin, durch Vernehmung der Zeugin Birgit Friederike Haberbosch Beweis zu erheben, ob die von der Beklagten beanstandeten Testcoupons ausschließlich über eine Annonce in der Zeitung "G. Wochenblatt" an die Leser dieser Zeitung und nicht an Spieler oder Kunden der Spielstätte verteilt worden sind, brauchte die Kammer nicht mehr nachzugehen. Die Tatsache ist schon nicht von der Beklagten bestritten worden. Im Übrigen ist der Beweisantrag nach der oben vertretenen Auffassung unerheblich.

Die Klage ist mit der Kostenentscheidung aus § 154 VwGO abzuweisen.

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus § 167 i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

1 Kommentar

  1. Glücksspielfreund, 21. Juli 2009

    Das Gericht hält uns wohl alle für total suchtgefährdet. Da sieht man mal wieder, dass der deutsche Staat seine Bürger für unmündig hält. Wo soll das bloß hinführen???

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