Beamtenstatus und Table-Dancing im Internet

18. März 2009
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Eigener Leitsatz:

Während der Entscheidung über die Eignung als Beamte kann sich die Behörde des Internets zum Abruf von Informationen über den Bewerber bedienen. Zweifel an der charakterlichen Eignung können durch Table-Dance-Einlagen im Internet entstehen, auch wenn die Fotos unverzüglich gelöscht werden.

Verwaltungsgericht Stuttgart

Beschluss vom 18.2.2009

Az.: 9 K 384/09

Beschluss

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 5.700.- EUR festgesetzt.

Gründe
  
Für den Rechtsstreit um den Antrag der Antragstellerin, „dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Antragstellerin vorläufig in den mittleren Polizeivollzugsdienst zum Frühjahr 2009 gem. § 15 ff. LVO Pol. bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache einzustellen“, ist das angerufene Verwaltungsgericht Stuttgart örtlich zuständig . Denn für Klagen (und damit auch Eilverfahren), die sich auf die Entstehung eines Beamtenverhältnisses richten, ist das Verwaltungsgericht Stuttgart örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Antragstellerin ihren dienstlichen oder in Ermangelung dessen ihren privaten Wohnsitz hat (§ 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO). Eine Einstellungsbewerberin hat noch keinen dienstlichen Wohnsitz (so auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.11.2008 – 4 S 2332/08 – <juris>), so dass es auf den privaten Wohnsitz der Antragstellerin ankommt. Dieser richtet sich nach § 7 ff. BGB. Zwar hat die Antragstellerin zwei melderechtliche Wohnsitze in L. und in W. Doch nach ihren glaubhaften Angaben im Schriftsatz vom 16.2.2009 ist ihr Lebensschwerpunkt nach wie vor in L., da sie in der Wohnung in W. allenfalls einmal wöchentlich nächtigt. Somit kann noch nicht von einem Doppelwohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 2 BGB gesprochen werden, da dieser eine Gleichwertigkeit beider Wohnsitze erfordert (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.6.2005, NVwZ-RR 2006, 203). Mithin ist L. Wohnsitz der Antragstellerin im Sinne von § 7 BGB und § 52 Abs. 4 Satz 1 VwGO; L. liegt im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Stuttgart.
 
Allerdings bedarf der Antrag der Antragstellerin einer Auslegung , da er in der gestellten Form wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig wäre. Denn eine auf die vorläufige Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf gerichtete einstweilige Anordnung beinhaltet eine Vorwegnahme auf Hauptsache (so auch OVG NRW, Beschl. v. 9.1.2008, IÖD 2008, 146), weil eine Einstellung einer Ernennung bedarf (vgl. § 9 Nr. 1 LBG) und eine dazu erforderliche Urkunde (§ 12 Abs. 1 Satz 1 LBG) nicht nur vorläufig ausgehändigt werden kann. Die Kammer erachtet auch die Verpflichtung zur Freihaltung eines Ausbildungsplatzes für die Antragstellerin (so OVG NRW, Beschl. v. 4.12.2008 – 6 B 1520/08 – <juris>) nicht als sinnvollen Antragsinhalt, da dieser Antrag dazu führen könnte, dass die Antragstellerin mitten in das Ausbildungsprogramm mit dann uneinholbaren Rückständen gegenüber den anderen Anwärterinnen und Anwärtern einsteigen müsste. Grundsätzlich wäre es rechtlich möglich, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung dazu zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig am Ausbildungsprogramm teilnehmen zu lassen. Dem steht jedoch im vorliegenden Fall entgegen, dass die Antragstellerin (möglicherweise durch das Verhalten des Antragsgegners bedingt) medizinische Auflagen noch nicht erfüllt hat, so dass schon aus gesundheitlichen Gründen derzeit kein Anspruch auf Teilnahme am Ausbildungsprogramm besteht. Somit bleibt als zulässiger Antrag nur, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur zügigen Fortsetzung des Bewerbungsverfahrens der Antragstellerin vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu verpflichten.
 
So ausgelegt ist der Antrag zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt nämlich voraus, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Antragstellerin ist es jedoch nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Denn weder hat sie eine Einstellungszusicherung erhalten (dazu 1.), noch ist derzeit hinreichend glaubhaft, dass der Abbruch ihres Bewerbungsverfahrens rechtsfehlerhaft war (dazu 2.).
 
1. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin stellt das Schreiben des Bereitschaftspolizeipräsidiums vom 9.9.2008 keine Einstellungszusicherung dar (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG). Denn eine Zusicherung setzt einen erkennbaren unbedingten Bindungswillen der erklärenden Behörde voraus (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 26.9.1996, BVerwGE, 102, 81). Und selbst ein Laie vermag unschwer zu erkennen, dass das Schreiben vom 9.9.2008 zwar mit einer „direkten Zusage für eine Einstellung“ beginnt, schon im folgenden Satz aber einen umfassenden Vorbehalt formuliert („dass keine Hinderungsgründe [z. Bsp. Krankheit, Strafverfahren usw.] entgegenstehen“).
 
2. Es ist derzeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner durch den Abbruch des Bewerbungsverfahrens der Antragstellerin rechtsfehlerhaft gehandelt hat.
 
Die von ihr angestrebte zügige Fortführung des Bewerbungsverfahrens zielt im Ergebnis auf die Ernennung der Antragstellerin zur Polizeianwärterin und damit zur Beamtin auf Widerruf (§§ 7 Abs. 1 Nr. 4a, 9 Nr. 1 LBG) ab. Die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers liegt im pflichtgemäßen Ermessen des (künftigen) Dienstherrn. Die im Rahmen dieser Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung , Befähigung und fachlicher Leistung (§ 11 LBG) ist ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat (so auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.11.2008, a.a.O.). Dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn ist bei einer Auswahlentscheidung überlassen, welchen Umständen er das größere Gewicht beimisst und in welcher Weise er den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.1983, BVerwGE 68, 109).
 
Bricht der Dienstherr ein Auswahlverfahren wegen Zweifeln an der – hier charakterlichen – Eignung einer Bewerberin ab und gibt anderen den Vorzug, ist der Maßstab zur Bewertung dieser Handlung ein völlig anderer, als wenn bei einem bereits eingestellten Beamten auf Widerruf oder Probe dessen Eignung mit dem Ziel verneint werden soll, ihn aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf oder auf Probe zu entlassen. Dann gelten erheblich strengere Maßstäbe (so auch OVG NRW, Beschl. v. 4.12.2008, a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist stattdessen aus einer Vielzahl von Bewerberinnen und Bewerber um die Anwärterplätze (ca. 1.500 Bewerber auf 252 Plätze) eine Auswahl zu treffen. In dieser Konstellation genügen zur Ablehnung der Einstellung einer Bewerberin bzw. ihres Aufrückens in die nächste Auswahlverfahrensstufe bereits berechtigte und belegbare Zweifel des Dienstherrn daran, ob die Beamtin jedenfalls in ähnlicher Weise wie eine Vielzahl anderer Bewerberinnen und Bewerber geeignet ist .
 
Vor diesem Hintergrund ist es der Antragstellerin nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass Zweifel an ihrer charakterlichen Eignung, wie sie bei einer Vielzahl anderer Bewerberinnen und Bewerber bislang nicht bekannt sind, bei ihr zu Unrecht angenommen werden. Dem Bereitschaftspolizeipräsidium wurden nämlich anonym Auszüge aus einem Internet-Forum mit über einer Million Nutzern zugeleitet. Dort hatte sich die Antragstellerin noch während des Auswahlverfahrens einerseits als Polizeimeisteranwärterin bezeichnet (wobei streitig ist, ob einschränkende Zusätze: „ab…“ vorhanden waren), andererseits Fotos eingestellt gehabt, die jedenfalls wie „Table-Dancing“ vor Publikum wirkten. Die Antragstellerin bringt dazu vor, abgesehen davon, dass diese Fotos inzwischen gelöscht seien, habe sie nur in der C.-Bar bedient und in Stiefeln und Bikini zum Amüsement der z.T. auch jugendlichen Gäste getanzt.
 
Gleichwohl darf der Antragsgegner derzeit voraussichtlich schon deswegen Zweifel an der charakterlichen Eignung der Antragstellerin haben, weil ein Ermittlungsverfahren gegen sie wegen des Verdachts des Missbrauchs von Dienstbezeichnungen (§ 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB) anhängig ist. Zwar wurde dieses Verfahren durch eine Anzeige des Bereitschaftspolizeipräsidiums eingeleitet, so dass es einer kritischen Würdigung bedarf. Doch dürfte die Einleitung jedenfalls im Hinblick auf den objektiven Tatbestand dieses Vergehens nicht abwegig sein. Das gilt ungeachtet dessen, dass Rechtsprechung und Literatur nahezu einhellig der Ansicht sind, dieser umfasse nicht jede Äußerung gegenüber Dritten. Doch jedenfalls das Abwarten der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erscheint geboten.
 
Unabhängig davon dürften sich Zweifel an der charakterlichen Eignung der Antragstellerin jedenfalls auf die für viele Internetnutzer einsehbare Verknüpfung zwischen einer (auch nur künftigen) Tätigkeit bei der Polizei und ihren Aktivitäten als „Table-Dancerin“ oder Ähnliches stützen lassen. Denn diese Verknüpfung lässt es jedenfalls nicht ausschließen, dass sich die Antragstellerin durch die Angabe der (künftigen) Berufstätigkeit einen stärkeren Zulauf bei ihrem Job als Kellnerin versprochen hat, worin ein merkwürdiges Verständnis des Verhältnisses von Beamtenstatus zu etwaigen Nebentätigkeiten liegen dürfte.
 
Nachdem die Antragstellerin unterliegt, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO).
 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und ist nach der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin bemessen. Nach Ziffer 10.1. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist diese bei Klagen auf Einstellung in ein Anwärterverhältnis mit dem 6,5-fachen des Anwärtergrundbetrags zu bemessen. Eine Halbierung im Eilverfahren hat hier deswegen zu unterbleiben, weil der Antrag der Antragstellerin auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet war.

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