„WebShare“ als Marke eintragungsfähig

21. Mai 2013
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Eigener Leitsatz:

Grundsätzlich muss eine Marke, um eingetragen zu werden, Unterscheidungskraft aufweisen, d. h. sie muss geeignet sein, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel so aufgefasst zu werden, dass die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend gekennzeichnet sind und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterschieden werden können. Der betriebliche Herkunftshinweis kann beispielsweise fehlen, wenn bei einer Marke ein beschreibender Begriffsinhalt im Vordergrund steht.

Die vorliegend angemeldete Wortmarke "WebShare" bezeichnet jedoch die Dienstleistungen des Datenverarbeitungs-, Datenbank- und Telekommunikationssektors nicht so deutlich und unmissverständlich, als dass ein beschreibender Aussagegehalt für die beteiligten Verkehrskreise unter Einschluss des maßgeblichen Verkehrs und ohne weiteres Nachdenken erkennbar sei. Daher ist die Wortmarke „WebShare“ als Marke eintragungsfähig.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 23.1.2013

Az.: 26 W (pat) 534/10

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 066 826.4

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 23. Januar 2013

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Mai 2010 aufgehoben.

Entscheidungsgründe

I

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung der für die Waren und Dienstleistungen

„Klasse 09:
Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und –instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; Magnetaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte
Apparate; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; bespielte und unbespielte Datenträger aller Art (soweit in Klasse 9 enthalten); Computerprogramme (gespeichert); elektronisch gespeicherte
Daten (herunterladbar); elektronische Publikationen (herunterladbar);

Klasse 35:
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Sammeln, Systematisierung, Zusammenstellung und betriebswirtschaftliche Analyse von Daten und Informationen in Computerdatenbanken; Einzelhandelsdienstleistungen (auch über das Internet und sonstige Kommunikationsnetze), betreffend Waren der Klassen 9 und 16;

Klasse 38:
Telekommunikation; Dienstleistungen von Presseagenturen; Vermietung von Telekommunikationsgeräten; Auskünfte über Telekommunikation;

Klasse 42:
Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware, -software und Datenbanken; Wartung von Software; technische Beratung; elektronische Datenspeicherung; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten;
Gestaltung von Webseiten für Dritte“

bestimmten Wortmarke

WebShare

mit Beschluss vom 11. Mai 2010 zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke
für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die aus den Begriffen „Web“ – dem Kurzwort für „World Wide Web“ und „Internet“ – und „Share“ – einer EDV-Fachbezeichnung mit den Bedeutungen „gemeinsam nutzen, teilhaben“ – gebildete Marke weise die Bedeutung „das Internet gemeinsam nutzen“ auf und werde vom Verkehr auch ohne analysierende Betrachtungsweise in dieser Bedeutung verstanden. Die Bedeutung des englischen Begriffs „share“ kenne der an der Informations- und Kommunikationstechnologie interessierte deutsche Verkehr aus dem Begriff „Share Ware“, der eine kommerzielle Software bezeichne, die von Programmierern zum Kopieren freigegeben werde und vor dem Kauf von zahlreichen Nutzern und Nutzerinnen kostengünstig getestet werden dürfe. Zudem sei im Bereich der Telekommunikation und der Computer- und Informationstechnologie Englisch die vorherrschende Sprache. In
Bezug auf die mit der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei die angemeldete Marke nur ein beschreibender Hinweis auf ein Angebot, mit dem verschiedene Nutzer gemeinsam auf das Internet zugreifen könnten. Die angemeldete Marke weise damit auf den Gegenstand und die Bestimmung der Waren und Dienstleistungen hin bzw. darauf, dass sie sich inhaltlich mit diesem Thema befassten oder in einem engen funktionellen Zusammenhang damit stünden. Angesichts ihres sachbezogenen beschreibenden Inhaltes werde ein markenrechtlich relevanter Teil des Verkehrs die angemeldete Marke nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.

Gegen die Zurückweisung der Anmeldung wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die angemeldete Marke weise für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft auf. Sie stelle weder eine zur Beschreibung dieser Waren und Dienstleistungen geeignete Angabe dar noch weise sie einen genügend engen Sachbezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf. Die Gesamtbezeichnung „WebShare“ sei begrifflich unscharf und interpretationsbedürftig. Der Begriff „share“ weise neben dem von der Markenstelle angenommenen Begriffsgehalt noch eine Vielzahl weiterer Bedeutungen auf. Angesichts der Großschreibung des Markenbestandteils „Share“ liege eine Wertung dieses Zeichenteils als Substantiv näher denn als Verb, wobei sich dann Bedeutungen wie „Internetaktie“ oder „Internetbeitrag“ ergeben könnten, die für die beanspruchten Waren und Dienstleis-

tungen keine beschreibende Bedeutung aufwiesen. Aber auch wenn „Share“ mit der Markenstelle im Sinne von „gemeinsam nutzen“ bzw. „teilhaben“ übersetzt werde, lasse die angemeldete Marke nicht erkennen, ob das Internet selbst von den Nutzern geteilt werden könne bzw. solle, ob beliebige Inhalte über das Internet geteilt werden könnten oder ob etwa Aktien oder Gesellschaftsanteile eines internetbezogenen Unternehmens gemeint seien. Es bedürfe auf Seiten der angesprochenen Verkehrskreise jedenfalls weiterer gedanklicher Schritte, um zu irgendeiner konkreten Bedeutung der angemeldeten Marke zu gelangen. Deshalb eigne sich die angemeldete Marke auch nicht zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Ergänzend verweist die Anmelderin zur Unterstützung ihrer Auffassung auf eine Anzahl ihrer Ansicht nach mit der angemeldeten Marke vergleichbarer, voreingetragener Marken, die entweder den Bestandteil „Web“ oder den Bestandteil „Share“ aufweisen.

Die Anmelderin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

II

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht das von der Markenstelle angenommene Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nicht entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die angemeldete Marke kann auch nicht zur unmittelbaren Beschreibung der Art, Beschaffenheit oder Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Eigenschaften der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift bedeutet die Eignung einer
Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH
GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608,
Rdn. 62 – Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein
Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f.,
Rdn. 51 – Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 – FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die
Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 – EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 – Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 – FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden, reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft aus (vgl. z. B. BGH GRUR 2006, 850,
Rdn. 28 – FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2008, 1002 Rdn. 29 – Schuhpark).

Hiervon ausgehend kann der angemeldeten Marke die Fähigkeit, als betriebliche
Herkunftskennzeichnung für die in der Anmeldung aufgeführten Waren und
Dienstleistungen zu dienen, und damit die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen der Ansicht der Markenstelle nicht abgesprochen werden.

Die angemeldete Marke ist, wie die Markenstelle im Ansatz zutreffend festgestellt hat, erkennbar aus den Begriffen „Web“ und „Share“ zusammengesetzt. Der Markenbestandteil „Web“ ist – neben seinen ursprünglichen Bedeutungen „Gewebe“ und „Netz“ – die auch in den deutschen allgemeinen Verkehrskreisen üblich gewordene Kurzbezeichnung von „world wide web“ bzw. eine Alternativbezeichnung für das Wort „Internet“. Der weitere Markenbestandteil „Share“ ist einerseits, wie die Markenstelle festgestellt hat, ein englischsprachiges Verb mit der Bedeutung „teilen“ bzw. „gemeinsam nutzen“ und insoweit Bestandteil des englischen Grundwortschatzes. Er ist aber auch ein englischsprachiges Substantiv mit einer Vielzahl weiterer Bedeutungen und bezeichnet u. a. einen Geschäftsanteil bzw. ganz allgemein einen Anteil. Insgesamt kann die angemeldete Marke ihrem ursprünglichen Wortsinn damit entweder mit „(das) Netz teilen“ bzw. „(das) Internet teilen“ bzw. mit „Netzanteil“ bzw. Internetanteil“ übersetzt werden.

Der Gesamtbegriff „WebShare“ ist in Wörterbüchern, einschließlich solcher des
Computer- und Internetbereichs, nicht verzeichnet. Im Internet findet er sich zweimal. Eine Fundstelle ist eine Internetseite der Anmelderin (Deutsche Telekom AG) selbst, die „WebShare“ als eine kostenlose Webanwendung zum Austausch von Dateien beschreibt, die einen in die Lage versetzen soll, anderen sicher und schnell auch große Dateien in einem geschützten Bereich (des Internets) zum Download bereitzustellen. Daneben wird die Bezeichnung „WebShare“ noch von der Universität Chicago nach Art einer Marke auf ihren Seiten https://itservices.uchicago.edu/services/webshare und http://webshare.uchicago.edu verwendet und wie folgt beschrieben:

„WebShare is a web-based file sharing tool available to students, faculty and staff. One of WebShare´s most powerful features ist hat it allows you to store your files.“

Die beiden vorstehend unter der Bezeichnung „WebShare“ angebotenen Internetanwendungen sind also dazu bestimmt und erlauben es, Dritten eigene Dateien im Internet zugänglich zu machen und ihren Inhalt mit ihnen zu teilen. Es wird also nicht, wie es dem unmittelbaren Wortsinn von „WebShare“ entspräche, das Internet als solches geteilt, sondern es werden Dateien ausgetauscht bzw. deren Inhalte Dritten zugänglich gemacht. Das Internet als solches ist auch nicht teilbar. Teilbar sind vielmehr lediglich Dateien bzw. der Zugang zum Internet, der jedoch nicht mit dem Wort „web“, sondern mit den Begriffen „internet access“ bzw. „web access“ bezeichnet wird. Angesichts dieser Sachlage ist die angemeldete Marke von Haus nicht geeignet, die von der Anmelderin mit der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen des Datenverarbeitungs-, Datenbank- und Telekommunikationssektors so deutlich und unmissverständlich zu bezeichnen, dass ein beschreibender Aussagegehalt für die beteiligten Verkehrskreise unter Einschluss der Fachverkehrs unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar st. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Angabe ist aber davon auszugehen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen i. d. R. so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Die bloß theoretische Möglichkeit, dass die eine oder andere Sachaussage durch die Marke vermittelt werden könnte, reicht zur Verneinung der Unterscheidungskraft nicht aus. Insoweit ist selbst bei der Verbindung an sich nicht unterscheidungskräftiger beschreibender Einzelelemente die Unterscheidungskraft nur zu verneinen, wenn auch der damit entstehenden Gesamtaussage die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (EuGH GRUR 2004, 943 – SAT.2; GRUR 2010, 534 – PRANAHAUS). Dies ist bei der angemeldeten Marke selbst für die zuvor genannten Waren und Dienstleistungen des Datenverarbeitungs-, Datenbank- und Telekommunikationsbereichs nicht anzunehmen, weil es auch insoweit erst einer gedanklichen Analyse der angemeldeten Marke bedarf, um ihr ggf. einen beschreibenden Inhalt entnehmen zu können.

Für einen erheblichen Teil der beanspruchten Waren der Klasse 9, nämlich „wissenschaftliche-, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische,
Wäge-, Mess-, Signal- Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate
und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln,
Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Magnetaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Rechenmaschinen“ sowie die Dienstleistungen der Klasse 35 „Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Einzelhandelsdienstleistungen (auch über das Internet
und sonstige Kommunikationsnetze), betreffend Waren der Klassen 9 und 16“ und die Dienstleistungen der Klasse 42 „Entwurf und Entwicklung von Computerhardware; Gestaltung von Webseiten für Dritte“ fehlt es darüber hinaus sogar schon an einem direkten Bezug zum Internet bzw. zum Begriff „teilen“ bzw. „Anteil“, so dass insoweit erst recht kein unmittelbarer beschreibender Inhalt der angemeldeten Marke feststellbar ist.

Angesichts der fehlenden Eignung der angemeldeten Marke zur deutlichen und
unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen steht der Eintragung der angemeldeten Marke auch das – von der Markenstelle offengelassene – Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen.

Der Beschwerde der Anmelderin war daher stattzugeben.

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