OLG Hamm zur Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahnung

05. September 2014
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Urteil des OLG Hamm vom 23.01.2014, Az.: 4 U 118/13

Beruft sich der Abgemahnte auf eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung, so liegt es an diesem, entsprechende Indizien vorzutragen. Ein Indiz kann sein, dass der Abmahnende kein nennenswertes eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt, sondern sein Interesse sich auf sachfremde Ziele wie die Gebührenerzielung beschränkt. Kein ausreichendes Indiz stellt dar, wenn mehrere Abmahnungen verschickt werden, die Abmahntätigkeit jedoch weiterhin in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit des Abmahnenden steht. Eine Tätigkeit in völlig verschiedenen Geschäftsbereichen mit dem Ziel, möglichst viele Mitbewerber erfassen zu können, ist vom Abgemahnten näher darzulegen. Jedenfalls ist es dem Abmahnenden gestattet, sich gebührenpflichtiger anwaltlicher Hilfe zu bedienen, sowie einen Testkauf durch ein anderes Unternehmen durchführen zu lassen. Darüber hinaus ist eine Zahlungsfrist von 14 Tagen angemessen und kein Indiz für ein vorrangiges Gebührenerzielungsinteresse. Die Zahlungsverpflichtung darf ebenso in die vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgenommen werden, wie eine bezifferte Vertragsstrafe. Wenn die angesetzten Beträge dem für solche Verletzungen üblichen Wert entsprechen, ist auch hierin kein ausreichendes Indiz für einen Rechtsmissbrauch zu sehen.

Oberlandesgericht Hamm

Urteil vom 23.01.2014

Az.: 4 U 118/13

 

Entscheidungsgründe

A.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

B.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Verfügungsantrag ist zulässig.

1.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.

Das nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG hierfür erforderliche konkrete Wettbewerbsverhaltnis setzt voraus, das sich die beteiligten Parteien beim Anbieten oder Nachfragen gleichartiger oder austauschbarer Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises beeinträchtigen, also im Absatz behindern oder stören können, mithin auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig sind (hierzu BGH GRUR 2002, 828, 829 – Lottoschein; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 2 Rn. 106a; Teplitzky, 10. Aufl., Kap. 13 Rn. 5). Insoweit sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH GRUR 2004, 877, 878 – Werbeblocker).

Die Parteien sind Mitbewerber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG  Denn sie sind mit dem Angebot von Druckerzubehör, und zwar bundesweit im Internet auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig. Der Antragsgegner ist hierbei auch als Unternehmer gewerblich tätig (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG) – und insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der Begründetheit verwiesen.

2.

Der Antragsbefugnis der Antragstellerin steht nicht der vom Antragsgegner erhobene prozessuale Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4 UWG) entgegen.

Ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG setzt voraus, dass das beherrschende Motiv des Mitbewerbers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall des sachfremden Motivs umschreibt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Damit wird die Art der unzulässigen Geltendmachung eines solchen Anspruchs näher charakterisiert, aber der Weg zu anderen Missbrauchsformen durch die Rechtsverfolgung offen gelassen. Das beschriebene Vorgehen selbst oder jedenfalls die Art des Vorgehens muss rechtsmissbräuchlich sein. Der Anspruchsberechtigte muss mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen verfolgen und diese müssen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. u.a. BGH GRUR 2002, 260 – Vielfachabmahner; Senat, GRUR-RR 2005, 141, 142; Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.10).

Im Rahmen der gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist das Vorliegen eines Missbrauchs zwar als eine Prozessvoraussetzung betreffend von Amts wegen im Wege des Freibeweises, wenn auch nicht mittels Amtsermittlung, zu prüfen. Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG ist jedoch der Verletzer, mithin hier der Antragsgegner. Erst wenn in ausreichendem Umfang Indizien vorgetragen sind, die für eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sprechen, obliegt es sodann dem Anspruchsteller, diese zu widerlegen (BGH, GRUR 2001, 178 – Impfstoffversand an Ärzte; GRUR 2006, 243 – MEGA-Sale; Senat MD 2007, 381, 382; Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 Rn. 4.25).

Die hierzu seitens des Antragsgegners angeführten Indizien lassen nicht den Schluss zu, dass die Antragstellerin überwiegend sachfremde, mithin keine schutzwürdigen wettbewerbsrechtlichen Interessen verfolgte.

a)

Der Umstand, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit in einer Reihe von Fällen Abmahnungen ausgesprochen hat, ist für sich genommen nicht geeignet, einen Missbrauch zu belegen (vgl. u.a. BGH GRUR 2005, 433 – Telekanzlei).

Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Abmahntätigkeit der Antragstellerin sich gleichsam verselbständigt hätte, d.h. in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit mehr stehen würde und damit bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse mehr bestehen könnte (vgl. BGH GRUR 2001, 260 – Vielfachabmahner; Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.12). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Die dazu vorgelegte Jahresbilanz der Antragstellerin (Anlage 6) ist insoweit ohnehin nicht von Belang, da sie sich auf das Geschäftsjahr 2011 und damit nicht auf den hier maßgeblichen Zeitraum der Abmahnung vom 28.03.2013 bezieht.

Im Übrigen würde selbst die dort ausgewiesene Bilanzsumme von 240.000,00 € einer nicht nur gelegentlichen Abmahnung, sondern der dem Senat mit maximal 5 Verfahren mit Aktenzeichen aus dem Jahre 2013 bekannten und damit noch überschaubaren Anzahl von Abmahnungen seitens der Antragstellerin nicht ohne weiteres im Wege stehen. Dazu, dass und inwieweit die Antragstellerin darüber hinaus Abmahnungen ausgesprochen hat, ist nicht substantiiert vorgetragen worden. Der Antragsgegner nennt hierzu keine konkreten Zahlen und spricht nur vage von „jeder Menge“ Abmahnungen. Die vorgelegten Internetausdrucke sind wenig aussagekräftig. Allenfalls den Anlagen 1 und 2 lässt sich entnehmen, dass dort wohl in einem Internetforum über insgesamt drei unterschiedliche Abmahnungen der Antragstellerin berichtet wird. Den Anlagen 3 bis 5a lässt sich mangels näherer Angaben nicht entnehmen, ob es sich um weitere Abmahnungen handelt, oder ob dort die bereits in den Anlagen 1 und 2 debattierten Vorfälle aufgegriffen werden.

b)

Die Behauptung, zwischen der Antragstellerin und ihrem Prozessbevollmächtigten bestehe eine Vereinbarung, wonach die Antragstellerin im Unterliegensfalle nichts zu bezahlen habe, ist nur ein Verdacht des Antragsgegners und mangels belastbarer Anhaltspunkte als solcher unerheblich.

c)

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Vermutung, die Antragstellerin sei nur deshalb in völlig verschiedenen Geschäftsbereichen tätig, um als Konkurrent von Internetanbietern abmahnen zu können.

d)

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass kein nennenswertes eigenes wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin an der Rechtsverfolgung des Antragsgegners besteht, weil dessen Angebot von Druckerzubehör im Hinblick auf Umfang und Preise mit demjenigen der Antragstellerin nicht vergleichbar sei.

Das Vorgehen der Antragstellerin als Mitbewerberin rechtfertigt sich schon daraus, dass durch die beanstandeten Verstöße Allgemein- und Verbraucherschutzinteressen tangiert werden. Abgesehen davon verschaffen sich gerade kleinere Anbieter durch derlei Vorgehen auch gegenüber größeren Anbietern auf unlautere Art und Weise betriebswirtschaftliche Vorteile (vgl. hierzu Senat BeckRS 2009, 24370). In Anbetracht dessen erscheint es nur konsequent, hiergegen im Hinblick auf die im Internet gerade nicht regional begrenzte Wettbewerbssituation auch gegenüber einem in einem anderen Bundesland ansässigen Mitbewerber vorzugehen.

e)

Die maßgebliche Abmahnung vom 28.03.2013 enthält ebenso wenig wie die ihr angefügte vorformulierte Unterlassungserklärung Indizien, die für sich genommen oder insgesamt den Schluss auf ein von sachfremden Erwägungen, insbesondere Gebührenerzielungsinteressen getragenes Vorgehen der Antragstellerin zuließen.

Allein der Umstand, dass die Antragstellerin sich zur Abmahnung gebührenpflichtiger anwaltlicher Hilfe bedient hat, kann ihr nicht zum Vorwurf gereichen. Ein Unternehmen kann in der Regel die für eine Abmahnung entstandenen Anwaltskosten ersetzt verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn dieses Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, die aber mit anderen Bereichen als dem Wettbewerbsrecht befasst ist. Denn auch einem Unternehmen dürfen keine Nachteile dadurch entstehen, dass es für die Abwehr wettbewerbswidriger Angriffe keine eigene Rechtsabteilung unterhält (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 1.93).

aa)

Der in der in Rede stehenden Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert von 20.000,00 € ist nicht zu beanstanden – und dies sah der Antragsgegner in seinem vorgerichtlichen Schreiben vom 11.04.2013 noch selbst so.

Da die Abmahnung auf eine endgültig Beilegung des Wettbewerbsstreites gerichtet ist, muss vom Wert der Hauptsache als Gegenstandswert der Abmahnung ausgegangen werden (u.a. Senat BeckRS 2010, 02555; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 1.96).  Ein geringerer Streitwert als 20.000,00 € für die Hauptsacheklage käme nach der üblichen Wertfestsetzung des Senates nicht in Betracht. Hierbei spielt zum einen das allgemeine Interesse an der Einhaltung der Regeln des Verbraucherschutzes im Internet eine Rolle. Zudem muss auch dem Umstand, dass bei Wettbewerbsverstößen im Internet die Gefahr der Nachahmung im Allgemeinen verhältnismäßig hoch ist, angemessen Rechnung getragen werden. Zudem handelte es sich um gleich mehrere verletzte Verbraucherschutzvorschriften.

Nichts anderes gilt im Übrigen hinsichtlich des von der Antragstellerin versandten Abschlussschreibens. Denn auch dieses dient dazu, den Rechtsstreit endgültig zu beenden und das Hauptsachverfahren zu vermeiden, was den Wert der Hauptsache als Gegenstandswert rechtfertigt.

Wenn in der sodann seitens der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Landgerichts Bochum ein Streitwert von 15.000,00 € festgesetzt wurde, trägt dies dem Umstand Rechnung, dass es sich hierbei um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelte, bei dem – wie auch im vorliegenden Verfahren – der Streitwert im Allgemeinen 2/3 des Hauptsachstreitwertes beträgt.

bb)

Dass die Antragstellerin sich zur Durchführung des Testkaufes der Einschaltung des Unternehmens von Frau L bediente, stellt schon deshalb kein Indiz für ein missbräuchliches Verhalten dar, weil die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten jedenfalls umstritten ist (vgl. hierzu Harte/Henning-Goldmann, 3. Aufl., § 9 Rn. 125).

Selbst wenn man diese Kosten für nicht erstattungsfähig erachten würde, wäre allein dieser Aspekt für sich genommen nicht geeignet, den Schluss auf vorrangig sachfremde Motive der Antragstellerin zu rechtfertigen.

cc)

Entgegen der Darstellung der Berufungsbegründung weist die Abmahnung auch keinen „verdächtigen“ sog. Gleichklang der Fristen auf. Die Antragstellerin setzte dem Antragsgegner für die Zahlung nämlich eine Frist bis zum 12.04.2013, mithin von fast zwei Wochen. Eine solche Zahlungsfrist ist weder unüblich noch Anlass über ein vorrangiges Gebührenerzielungsinteresse zu spekulieren.

dd)

Die Aufnahme der Zahlungsverpflichtung in die der Abmahnung anliegende vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ist durchaus gängig.

Sie begegnet solange keinen Bedenken, als dem Abgemahnten nicht der Eindruck vermittelt wird, die gerichtliche Inanspruchnahme auf Unterlassung könne nur durch uneingeschränkte Abgabe der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, mithin auch durch die Übernahme der Zahlungsverpflichtung vermieden werden.

Dies ist hier nicht der Fall.

Die Antragstellerin fordert den Antragsgegner in der Abmahnung zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung „nur“ zur Abgabe einer ausreichenden Unterlassungserklärung auf – und differenziert insoweit zwischen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Lediglich für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der für die Abgabe der Unterlassungserklärung gesetzten Frist kündigt der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin an, seinem Mandanten die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches zu empfehlen.

ee)

Die vorformulierte Zahlungsverpflichtung mag den vom Abgemahnten letztlich zu zahlenden Endbetrag nicht benennen. Hierdurch wird dieser jedoch nicht „verklausuliert“. Denn der entsprechende Betrag ergibt sich aus dem maßgeblichen Abmahnschreiben selbst in aller Deutlichkeit, wenn die beanspruchten Gebühren und Kosten dort im Einzelnen erläutert werden.

ff)

Auch die vorgesehene Vertragsstrafe weist nicht auf ein Interesse an der Generierung hoher Vertragsstrafen hin.

Im Allgemeinen wird die Zahlung eines bestimmten Betrages für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprochen. Hierbei war die vorliegend vorgesehene absolute Vertragsstrafe i.H.v. 5.100,00 € bislang durchaus üblich, um die Zuständigkeit der Landgerichts zu erreichen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 1.140).

Sofern der Antragsgegner diese in Anbetracht des ihm vorgeworfenen Wettbewerbsverstoßes als unangemessen hoch erachtete, hätte es ihm frei gestanden, auf eine niedrigere Vertragsstrafe oder auf eine Regelung nach sog. „neuem“ Hamburger Brauch, aufgrund derer bei späteren Verstößen auch nach fahrlässiger und vorsätzlicher Zuwiderhandlung hätte unterschieden werden können, zu bestehen (vgl. hierzu Harte/Henning-Brüning, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn.198ff., 202ff; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 1.140ff.).  In der Abmahnung selbst wird die vorformulierte Unterlassungserklärung als Vorschlag bezeichnet. Sie stellt es dem Abgemahnten damit frei, eine eigene Erklärung aufzusetzen.

gg)

Nichts anderes gilt im Hinblick auf den seitens des Antragsgegners erhobenen Vorwurf, die vorgeschlagene Unterlassungserklärung sei zu weit gefasst, und stelle damit gleichsam eine Art „Haftungsfalle“ dar.

Sofern die Abmahnung alles, was nötig ist (konkrete Beanstandung, Aufforderung zur Abgabe einer Unterwerfungserklärung), enthält – und dies ist hier der Fall -, ist es unschädlich, wenn der Gläubiger mit der vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr fordert, als ihm zusteht. Denn es ist Sache des Schuldners, auf Grund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben. Bei einer zu weitgehenden Forderung bleibt es also dem Schuldner überlassen, eine ausreichende Unterwerfungserklärung abzugeben (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 1.17).

Im Übrigen ist die Unterlassungserklärung wie jede andere Willenserklärung stets Gegenstand der Auslegung. Dabei sind die Vorgeschichte, vor allem die konkrete Verletzungsform, das Abmahnschreiben sowie die beiderseitigen Interessen einzubeziehen. Da die Unterlassungserklärung regelmäßig dazu dient, die Wiederholungsgefahr auszuräumen, die durch ein gesetzeswidriges Verhalten begründet worden ist, will der Schuldner sich grundsätzlich nicht weitergehend binden, als es seiner gesetzlichen Verpflichtung entspricht (Harte-Henning-Brüning, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 143). Dementsprechend wäre die geforderte Unterlassungserklärung ohnehin dahin zu verstehen, dass der Antragsgegner sich nur insoweit verpflichten sollte, als er gewerblich tätig ist. Denn hierauf stellt die Abmahnung vom 28.03.2013 gleich zu Beginn maßgeblich ab. Sämtliche der nach Ansicht der Antragstellerin durch die konkrete Verletzungshandlung verwirklichten Wettbewerbsverstöße knüpfen an ein solches gewerbliches Handeln des Verkäufers an. Das Handeln des Antragsgegners als Privatmann wäre damit von Verbotsumfang ohnehin nicht erfasst.

Dies gilt auch im Hinblick auf die erst im späteren Verfügungsantrag aufgenommene Einschränkung „mit Toner und Tintenpatronen für Drucker“. Denn auch die Unterlassungserklärung wäre anhand der konkreten Verletzungshandlung auf die konkrete Verletzungsform sowie kerngleiche Verstöße beschränkt gewesen.

f)

Inwieweit der Hinweis auf sonstige Angebote des Antragsgegners auf ein Gewinnerzielungsinteresse der Antragstellerin hindeutet, ist nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin mag insoweit nicht im Konkurrenzverhältnis zum Antragsgegner stehen. Das dahingehende Vorbringen dient jedoch dazu, den Klageanspruch im Hinblick auf die Gewerblichkeit des Handelns zu untermauern. Das ist zulässiges prozessuales Vorgehen.

II.

Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Denn die hierfür nötige Dringlichkeit wird gemäß § 12 Abs. 2  UWG tatsächlich vermutet. Diese Dringlichkeitsvermutung ist nicht widerlegt.

III.

Der Verfügungsantrag ist auch begründet.

Der Antragstellerin steht der begehrte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3 Abs. 2; 4 Nr. 11 UWG zu.

1.

Die in Rede stehende Y-Anzeige stellt eine geschäftliche Handlung des Antragsgegners i.S.d. § 2 Nr. 1 UWG dar.

Diese weist vor allem den erforderlichen Unternehmensbezug aus.

Denn der Begriff des Unternehmers ist weit auszulegen und bezeichnet eine Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt ein selbständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus (BGHZ 167, 40). Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internetplattform solchermaßen im geschäftlichen Verkehr oder im privaten Bereich handelt, ist auf Grund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen (BGH GRUR 2009, 871 – Ohrclips).

a)

Anhaltspunkte für ein Handeln im geschäftlichen Verkehr, an das im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, sind wiederholte, gleichartige Angebote, ggf. auch von neuen Gegenständen, Angebote erst kurz zuvor erworbener Waren, eine ansonsten gewerbliche Tätigkeit des Anbieters, häufige Bewertungen und Verkaufsaktivitäten für Dritte (BGH GRUR 2009, 871 – Ohrclips; Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Auflage, § 2 Rn. 23 mwN).

Danach spricht schon der Umfang der Bewertungen, die der Antragsgegner als Verkäufer allein auf der Internetplattform Y – und von weiteren Bewertungen auf anderen Internetplattformen geht auch das Landgericht nicht aus – erhielt, für sein gewerbliches Handeln. Ausweislich des von der Antragstellerin als Anlage A2a zu den Akten gereichten Screenshots des Bewertungsprofils vom 27.03.2013 erhielt der Antragsgegner allein in den vorangegangenen 12 Monaten 84 positive Bewertungen als Verkäufer. Die Anzahl der Bewertungen seit Ende Juni 2011 liegt bei ca. 200. Nach dem als Anlage A5 zu den Akten gereichten Screenshot des Bewertungsprofils vom 13.06.2013 belief sich die Zahl der positiven Bewertungen der vorangegangenen 12 Monate auf insgesamt schon 109.

Hierbei verkaufte der Antragsgegner in größerem Umfang gleichartige Artikel.So werden beispielsweise im Bewertungsprofil vom 27.03.2013 (Anlage 2a) 22 Bewertungen nur aus Januar und Februar 2013 für Schmuck, und zwar allein 10 für Uhren aufgeführt. Ferner finden sich zuvor von Ende Oktober bis Ende November 2012 insgesamt 13 Einträge für X-Artikel, und zwar u.a. 6 für „X Grußelfigur lebensgroß Unikat Einzelstück“, mit der der Antragsgegner Preise bis zu immerhin

276,00 € erzielte, sowie 5 Einträge für „X Grabstein“.  Hinzu kommt der – ausweislich Anlage A6 -zwischenzeitliche Verkauf von 50 neuen und gebrauchten Laufrädern aus der früheren Tätigkeit des Antragsgegners als Konvolut für 50,00 € am 01.06.2013. Schließlich bot der Antragsgegner zu den Akten gereichten Screenshots vom 27.03.2013 (Anlage A2) im März 2013 in insgesamt 23 Angeboten, mithin in größerem Umfang neue Toner- und Druckerkartuschen sowie Farbbandkassetten an. Hierbei standen bei einzelnen Angeboten – wie auch dem hier maßgeblichen Angebot „Tonerkartuschen Panasonic 10 Stück“ – gleich mehrere Produkte zum Verkauf bereit. Diese Artikel stammen nach dem eigenen Vorbringen des Antragsgegners aus einem Bestand von rund 50 Farbbändern und Kartuschen, die ihm zuvor durch seinen Bekannten S geschenkt worden waren. Der Antragsgegner beabsichtigte hierbei nach der eidesstattlichen Versicherung des Herrn S vom 05.06.2013 schon bei Erhalt der Ware, diese bei Y zu verkaufen.

In Anbetracht der Anzahl und Art der angebotenen gleichartigen, auch neuwertigen kurz zuvor erworbenen Artikel sowie der Anzahl der insgesamt über eine mehrmonatigen Zeitspanne und damit durchaus (schon) auf eine gewisse Dauer angelegten Verkäufe liegt ein Handeln im geschäftlichen Verkehr auf der Hand, ohne dass es weiterer Indizien bedürfen würde.

b)

Gesichtspunkte für eine hiervon abweichende Beurteilung liegen nicht vor.

Der Antragsgegner hat keine erheblichen Umstände vorgetragen, denen zu entnehmen wäre, dass er mit seiner Verkaufstätigkeit dennoch objektiv einen privaten Zweck verfolgte. Die genannten Indizien werden vom Antragsgegner letztlich gar nicht bestritten. Er vertritt „lediglich“ die Ansicht, er habe mit seiner Tätigkeit den Bereich der Gewerblichkeit nicht erreicht, so dass er als privater Verkäufer tätig geworden sei und demzufolge nicht im Wettbewerb mit der Antragstellerin gestanden habe.

aa)

Das Angebot von Druckertoner mag bei Y üblich sein. Der Verkauf von Druckerzubehör unterschiedlicher Marken in dem vom Antragsgegner getätigten Umfang ist jedoch für einen privaten Haushalt zweifelsohne unüblich.

Zwar spricht gerade das Merkmal des „Weiterverkaufs“ in der Abgrenzung zu privaten Gelegenheitsverkäufen regelmäßig für eine gewerbliche Tätigkeit, während Verkäufe aus einem privaten Bestand eher dem nicht unternehmerischen Bereich zuzuordnen sein werden. Der Einkauf der Verkaufsware ist jedoch kein konstitutives Element des Unternehmerbegriffs. Bei Verkäufen aus Privatvermögen wird es zwar häufig an dem Merkmal einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Betätigung fehlen (vgl. Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 32. Aufl., § 2 UWG Rdnr. 23). Zwingend ist dies jedoch nicht (vgl. auch OLG Frankfurt MMR 2007, 378). Dies zeigt gerade der vorliegende Fall. Denn der unentgeltliche Erwerb durch den Antragsgegner war gerade nicht rein privater und zufälliger Natur, sondern nach seinem eigenen Vorbringen durchaus von dem Gedanken motiviert, dass es zu schade sei, das Druckerzubehör wegzuwerfen, da man es bei Y verkaufen könne. Das heißt letztlich nichts anderes, als dass dem Antragsgegner der wirtschaftliche Wert der Ware bewusst und sein Handeln von vorneherein – und hierin liegt der Unterschied zum herkömmlichen Verkauf aus einem zu ursprünglich privaten Zwecken angelegten Bestand – von einem Gewinnerzielungsinteresse getragen war. Dies zeigt nicht zuletzt seine Überlegung, die Artikel einzeln und nicht als Gesamtkonvolut anzubieten. Hierfür hätte sich nämlich nach seinen eigenen Ausführungen nicht ohne weiteres ein (zahlungswilliger) Abnehmer gefunden. Dass der Antragsgegner auch nur in Erwägung zog, die insgesamt 50 Bänder und Kartuschen verschiedener Händler tatsächlich rein privat zu nutzen, trägt er selbst nicht vor.

Bei Verneinung eines geschäftlichen Handelns in solchen Fällen größerer Margen neuer Handelsgegenstände, die von einem Unternehmen nicht mehr benötigt werden, an Privatleute verschenkt und von diesen dann privat in Konkurrenz zu den damit geschäftlich handelnden Unternehmen ohne Rücksicht auf die Verbraucherschutzrechte veräußert werden, wäre im Übrigen dem Missbrauch solcher Warenüberlassungen Tür und Tor geöffnet (OLG Hamm MMR 2013, 717). Auch diese Kontrollüberlegung spricht für die Annahme der Gewerblichkeit des Handelns.

bb)

Nichts anderes gilt im Hinblick auf den Verkauf der 50 Laufräder aus seinem aufgegebenen Fahrradgeschäft. Diese Ware stammt zweifelsohne aus einer früheren gewerblichen Tätigkeit. Die Laufräder wurden nie von ihm zu privaten Zwecken genutzt. Er hatte keine private Verwendung für die Ware und hat sie deshalb verkauft.
84

Dass sich seine Sammlertätigkeit nicht nur auf Münzen, sondern auch auf Schmuck, insbesondere auf Uhren bezog, trägt der Antragsgegner nicht vor.

Selbst ein nur begrenzter Gewinn des Antragsgegners spricht nicht gegen ein gewerbliches Handeln. Denn die Unternehmerstellung des Verkäufers setzt noch nicht einmal voraus, dass dieser die Absicht verfolgt, überhaupt Gewinn, geschweige denn erheblichen Gewinn zu erzielen (BGH NJW 2006, 2250). Im Übrigen ist es keineswegs so, dass das in Rede stehende Druckerzubehör jeweils zum (festen) Kaufpreis von 1,00 € angeboten und verkauft werden sollte. Vielmehr handelte es sich hierbei nur um das auf der Internetplattform Y übliche Prozedere des gängigen Mindestpreises, der sodann im Laufe der Auktion von den interessierten Käufern überboten werden soll und allein hierin liegt der vom Antragsgegner als „spielerisch“ bezeichnete Aspekt solcher Angebote mit ungewissem Ausgang.

2.

Dieses Handeln erfüllt den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG.

Denn der Antragsgegner informiert den Verbraucher nicht gemäß § 312c Abs. 1 BGB nach Maßgabe des Art. 246 EGBGB § 1 Nr. 10 über das ihm bei Fernabsatzverträgen gemäß § 312d BGB zustehende Widerrufsrecht nach § 355 BGB, insbesondere hierbei auch nicht über die Widerrufsfrist, den Beginn der Widerrufsfrist, über die Anschrift, an die der Widerruf und/oder die Rücksendung zu erfolgen hat sowie über die Widerrufsfolgen. Zudem informiert er nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG im Impressum über seine Identität.

Die Vorschrift des § 312c BGB dient der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie (Richtlinie 97/7/EG), während mit § 5 TMG Art. 5, 6 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG) umsetzt wird. Der Antragsgegner verstößt damit gegen Marktverhaltensregelungen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.170, 172 zu § 321c BGB sowie Rn. 11.169 zu § 5 Abs. 1 TMG)

Dieser Rechtsbruch des Antragsgegners ist geschäftlich relevant i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG. Gem. § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Gemäß § 5a Abs. 4 UWG gelten solche Informationen als wesentlich i.S.d. Abs. 2, die aus dem Gemeinschaftsrecht stammen, also auch die hier in Rede stehenden Informationspflichten (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 5a Rn. 41, 46). Werden wesentliche  Informationen vorenthalten, ist die Spürbarkeit eines Wettbewerbsverstoßes nicht separat zu prüfen (vgl. BGH GRUR 2010, 852, 854 – Gallardo Spyder; Senat MMR 2012, 377; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2012, § 5a Rdnr. 56).

3.

Die Wiederholungsgefahr wird sodann aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 1.33). Eine wettbewerbliche Unterwerfungserklärung seitens des Antragsgegners liegt nicht vor.

C.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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