Kick-Back im Buchhandel unzulässig

09. Juli 2013
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Eigener Leitsatz:

Wer gewerbsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, muss gem. § 5 BuchPrG die von den Verlagen festgesetzten Preise einhalten. Ziel dieser Buchpreisbindung ist die Unterbindung jeglichen Preiswettbewerbs aus der Sicht des Letztabnehmers.  Ein "Fördermodell", welches dem Käufer eine Rabattierung mittels Kick-Back-Zahlung durch einen Dritten verspricht, steht dieser Regelung jedoch entgegen. Auch wenn der Verkäufer mit Hilfe dieses "Fördermodells" schlussendlich den von den Verlagen festgesetzten Verkaufspreis erhält, kann er aber gerade aus Sicht des Letztabnehmers preisgebundene Bücher regelmäßig günstiger als die Wettbewerber verkaufen, womit ein unzulässiger Preiswettbewerb bewirkt wird.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Urteil vom 24.10.2012

Az.: 5 U 164/11


Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 08.06.2011, Az. 315 O 182/11, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Verbotsausspruch der einstweiligen Verfügung vom 18.04.2011 wie folgt neu gefasst wird:

… verboten, beim Verkauf von verlagsneuen Büchern an Letztabnehmer andere Preise als die von den Verlagen gebundenen Ladenpreise zu berechnen, wenn dies im Rahmen eines „Fördermodells“ geschieht, wie aus den Anlagen ASt 1, ASt 3 bis 6 und ASt 9 bis 11 ersichtlich.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Parteien streiten über den Bestand der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 18.04.2011 (zum o.g. Az.) wegen eines behaupteten Verstoßes der Antragsgegnerin gegen die Buchpreisbindung.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und Preisbindungstreuhänder der Buchverlage im Sinne des § 9 II Nr.3 BuchPrG.

Die Antragsgegnerin betreibt oder betrieb unter der Domain www….de eine Versandbuchhandlung mit einem breit gefächerten Angebot. Sie spricht zwar vor allem Studenten an, es kann oder konnte aber jedermann bei ihr bestellen. Hierbei bietet sie eine Vielzahl von nach § 5 BuchPrG preisgebundenen Fachbüchern beispielhaft in der folgenden Weise an (Anl ASt 1):

Ladenpreis: € 8,90
Zuzahlung:  € 0,89

                    € 8,01

Hierbei handelte es sich bei dem jeweils als „Ladenpreis“ genannten Betrag um den jeweiligen nach § 5 BuchPrG von den Verlagen festgesetzten Preis des betreffenden Buches für den Verkauf an Letztabnehmer.

Die Antragsgegnerin beschreibt ihr Geschäftsmodell wie folgt: Für ihr „Fördermodell“ für den Erwerb von Fachbüchern habe sie sich an diverse Wirtschaftsunternehmen gewandt und um Beiträge für einen „Fördertopf“ gebeten und auch solche Beiträge erhalten. Aus diesem „Fördertopf“ habe ein Prozentsatz von 10 % des Verkaufspreises von bei ihr – der Antragsgegnerin – bestellten Fachbüchern bestritten werden sollen. Der Kunde habe im wirtschaftlichen Ergebnis nur mit den verbleibenden 90 % des Kaufpreises belastet werden sollen. Diesen 10%-Anteil erhalte sie ohne Abzüge von den „Förderern“ (Anl SNP 2 – 6). Der Antragsteller zweifelt insbesondere an, dass es keine Kickback-Zahlungen der Antragsgegnerin an die „Förderer“ gebe.

Diese als „Förderer“ angeworbenen Unternehmen sind auf der Homepage der Antragsgegnerin als „Partnerunternehmen“ ausgewiesen. Auf der Homepage finden sich auch Hinweise auf Wesen und Funktionsweise des Fördermodells insgesamt (vgl. Anlagen ASt 2 bis 5; SNP 2). Die Antragsgegnerin bewarb ihr Angebot als -B…B…f… D…- sowie mit den Worten -Fachbücher günstiger * (* Zuzahlung aus Fördersumme)- (vgl. Anl ASt 3).

Sobald eine verbindliche Bestellung eines Kunden über ein Fachbuch einging und der Kaufvertrag zustande kam, erhielt der Kunde eine Rechnung, wie beispielhaft aus Anlage ASt 6 ersichtlich. In der Rechnung wurde zunächst der volle Ladenpreis ausgewiesen. Auf diesen Preis wurde eine „Zuzahlung“ aus dem „Fördertopf“ in Anrechnung gebracht und der zu zahlende „Restbetrag“ für den Kunden ausgewiesen. Die Rechnung enthielt jeweils auch einen Hinweis auf das fördernde Unternehmen (vgl. Anl SNP 3 bis 6).

Die Antragsgegnerin hat zudem erstinstanzlich vorgetragen, dass es dem Kunden frei gestanden habe, den vollen Preis zu bezahlen oder den Erwerb nicht zu tätigen, soweit in einzelnen Fällen der „Fördertopf“ kein Guthaben mehr aufgewiesen habe, also eine „Zuzahlung“ im vorbezeichneten Sinne nicht in Betracht gekommen sei.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass das „Fördermodell“ der Antragsgegnerin gegen die gesetzliche Buchpreisbindung verstößt und ließ Anfang April 2011 seinen Prozessbevollmächtigten einen Testkauf durchführen (vgl. Anl ASt 6). Unter dem 06.04.2011 ließ der Antragsteller die Antragsgegnerin zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern (Anl ASt 7); hierzu mochte sich die Antragsgegnerin nicht verstehen.

Zur Kenntnisnahme vom „Fördermodell“ der Antragsgegnerin hat der Antragsteller vorgetragen, dass er und sein Prozessbevollmächtigter Prof. Dr. R… hiervon erst durch eine E-Mail des Justitiars des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Dr. S…, vom 30.03.2011 Kenntnis erlangt hätten. Die Antragsgegnerin behauptet demgegenüber, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, Rechtsanwalt Prof. Dr. R…, sich bereits im Sommer 2010 gegenüber einer interessierten Fa. Sc…zu dem Modell der Antragsgegnerin geäußert habe (vgl. Anl SNP 11). Die Antragsgegnerin hat deshalb die Verjährungseinrede erhoben und vertritt die Ansicht, dass es auch an einem Verfügungsgrund fehle. Der Antragsteller trägt dazu vor, dass es sich seinerzeit um eine theoretische Frage des Verlages C.H. B…nach der grundsätzlichen Zulässigkeit von „Fördertopfmodellen“ gehandelt habe.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 18.04.2011 antragsgemäß bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten,

beim Verkauf von verlagsneuen Büchern an Letztabnehmer andere Preise als die von den Verlagen gebundenen Ladenpreise zu berechnen.

Mit dem angegriffenen Urteil vom 08.06.2011 hat das Landgericht diese einstweilige Verfügung bestätigt. Es sei bereits zweifelhaft, ob das „Fördermodell“ der Antragsgegnerin überhaupt zulässig sei, dies könne aber dahinstehen, weil die „Förderer“ bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung effektiv nicht die vollen fehlenden 10 % des Buchpreises zahlten; vielmehr erhielten sie als gewissermaßen „eingepreiste“ Gegenleistung von der Antragsgegnerin die Gelegenheit für Imagewerbung bei attraktiven Zielgruppen. Wegen der Einzelheiten wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung strebt die Antragsgegnerin eine Abänderung des landgerichtlichen Urteils, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung sowie die Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags an. Es fehle an einem Verfügungsanspruch: Es handele sich bei ihrem Geschäftsmodell lediglich um eine Marketingidee; derartiges wolle das BuchPrG nicht verhindern, sondern lediglich zugunsten kleiner und mittlerer Buchhandlungen einen Preiswettbewerb ausschließen. Weder § 3 BuchPrG noch § 433 BGB verböten, dass Dritte den Kaufpreis eines Buches zahlten. Kooperationen zwischen Unternehmen, die Gutscheine ausgäben, und Buchhandlungen seien zulässig, wenn diese Unternehmen wirtschaftlich unabhängig von den Buchhändlern seien und die Buchhändler letztendlich 100 % des festgesetzten Preises erhalten hätten. Wenn man ihr Fördermodell verbiete, müsse man auch solche Gutscheine verbieten. Die Nennung der „Förderer“ sei keine Leistung, die sie für diese erbringe, sondern die Ausübung eines eigenen Rechtes; die Erwähnung der „Förderer“ auf den Rechnungen und auf ihrer Homepage habe für die Förderer keinen geldwerten Vorteil. Es fehle auch an einem Verfügungsgrund; das Erstgericht habe der Frage nachgehen müssen, wann der Antragsteller Kenntnis von ihrem Fördermodell erlangt habe; die anwaltlichen Versicherungen seien zu „hinterfragen“.

Die Antragsgegnerin beantragt,

I. Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8.6.2011, Az. 315 O 182/11, wird aufgehoben.

II. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 18.4.2011, Az. 315 O 182/11, wird aufgehoben; der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin vom 14.07.2011 gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 08.06.2011, Az. 315 O 182/11, mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass an den Verbotstenor die folgenden Worte angefügt werden:

– … wenn dies im Rahmen eines „Fördermodells“ geschieht, wie aus den Anlagen ASt 1, 3 – 6, 9 – 11 ersichtlich. –

Der Antragsteller verteidigt das Urteil und wiederholt hierbei vor allem seine bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
1. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist unbegründet.

a) Zum Streitgegenstand: Der Antragsteller hat seinen Unterlassungsantrag in erster Linie damit begründet, dass das konkrete „Fördermodell“ der Antragsgegnerin, wie diese selbst es darstellt, einen unzulässigen Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Buchpreisbindung darstelle. Der beantragte und zugesprochene Verbotstenor bringt dies indes nicht zum Ausdruck, sondern untersagt nach seinem Wortlaut schlechthin das „Berechnen“ anderer Preise als die von den Verlagen gebundenen Ladenpreise beim Verkauf von verlagsneuen Büchern an Letztabnehmer. Das ist zum einen wenig deutlich, denn damit könnte auf den Vorgang des „in Rechnung Stellens“ abgestellt sein, mithin darauf, wie die dem Kunden erteilte Rechnung aufgemacht ist; das ist indes ersichtlich nicht das Ziel des Angriffs des Antragstellers. Wenn man den Vorgang des „Berechnens“ indes – wie vom Antragsteller ersichtlich angestrebt – umfassender versteht, stellt ein solcher Verbotstenor kaum etwas anderes als eine Wiederholung des Gesetzeswortlauts der Verbotsnorm des § 3 I BuchPrG dar. Es erscheint fraglich, ob ein derartiger Verbotstenor hinreichend bestimmt ist.

Zum anderen wären nach dem Wortlaut des Antrages auch Handlungen untersagt, die der Antragsteller erklärtermaßen nicht angreifen will, wie etwa verbilligte Angebote verlagsneuer Mängelexemplare. Insoweit dürfte der Tenor der einstweiligen Verfügung weiter formuliert sein, als es dem Begehren des Antragstellers entspricht.

Diesen Bedenken hat der Antragsteller indes dadurch Rechnung getragen, dass er klarstellend eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils mit der Maßgabe beantragt hat, dass sich die einstweilige Verfügung alleine auf die konkrete Verletzungsform des „Fördermodells“ der Antragsgegnerin in seiner durch die beigefügten Anlagen dokumentierten Ausgestaltung bezieht.

b) Ein Verfügungsgrund liegt vor. Nach § 9 III BuchPrG gelten für das Verfahren bei Anspruchsberechtigten nach § 9II Nr.1 bis 3 BuchPrG die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Unstreitig ist der Antragsteller Preisbindungstreuhänder der Buchverlage im Sinne des § 9 II Nr.3 BuchPrG. Damit gilt im vorliegenden Verfahren auch die Vorschrift des § 12 II UWG, wonach das Vorliegen eines Verfügungsgrundes vom Anspruchsinhaber nicht glaubhaft gemacht werden muss.

Es sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, geschweige denn glaubhaft gemacht, aufgrund derer diese Vermutung des § 12 II UWG widerlegt sein könnte. Die Antragsgegnerin hat zwar Zweifel am Vortrag des Antragstellers geäußert, dass er erst im März 2011 Kenntnis vom konkreten Fördermodell der Antragsgegnerin erlangt habe, aber hierbei handelt es sich ausschließlich um Spekulationen der Antragsgegnerin. Die angeführte E-Mail vom 07.07.2010 (Anl SNP 11) gibt schon keine (angeblichen) Aussagen des Antragstellers wider, sondern solche seines Prozessbevollmächtigten. Außerdem ist das ein Ausschnitt aus einem Schriftwechsel eines Dritten mit einem Vierten darüber, was der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, Prof. Dr. R…, gegenüber dem Dritten zu „Drittzahlungsmodellen“ wie dem der Antragsgegnerin gesagt habe. Das kann in der Tat bedeuten, dass es sich um eine relativ abstrakte Fragestellung gehandelt hat, wie es der Antragsteller vorträgt. Im Übrigen hat sein Prozessbevollmächtigter genau dies anwaltlich versichert, so dass etwaige Zweifel wegen der E-Mail vom 07.07.2010 (Anl SNP 11) – wenn man sie denn überhaupt sehen wollte – jedenfalls ausgeräumt wären.

Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu angeblichen Marktbeobachtungspflichten des Antragstellers aufgrund seiner Stellung als Preisbindungstreuhänder der Verlage führen zu keiner anderen Beurteilung. Hierbei kann zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt werden, dass eine Form von eigeninitiativer Marktbeobachtung Teils des Auftrages ist, den der Antragsteller von den Verlagen erhalten hat. Schon weil die Antragsgegnerin nach ihrem eigenen Vortrag indes am Markt eine nahezu unbedeutende Rolle spielt, folgt hieraus indes nicht, dass es nunmehr dem Antragsteller obläge, zu begründen und glaubhaft zu machen, weshalb er nicht früher Kenntnis vom Geschäftsmodell der Antragsgegnerin hatte. Das gleiche gilt für die allgemein gehaltenen Ausführungen der Antragsgegnerin dazu, dass spätestens im Sommer 2010 eine große „Sensibilisierung der Branche“ in Bezug auf „solche“ Modelle bestanden habe. Damit ist schon nicht gesagt, dass es Diskussionen gerade um das konkrete Modell der Antragsgegnerin gab. Nach allem führen die Argumente der Antragsgegnerin nicht im Ansatz dazu, dass es so unwahrscheinlich erscheint, dass der Antragsteller erst im März 2011 konkrete Kenntnis von dem Aufbau des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin erlangt haben will, dass ihn nunmehr entgegen §12 II UWG eine erweiterte Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast zum Zeitpunkt seiner Kenntniserlangung träfe.

Demnach weist die Antragsgegnerin zwar zutreffend darauf hin, dass der Antragsteller seine eigene (Un-)Kenntnis nicht durch eine anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft machen kann, nach den vorstehenden Ausführungen muss er das aber auch nicht. Die Antragsgegnerin ihrerseits hat eine dringlichkeitsschädliche frühere Kenntnis des Antragstellers (oder seines Prozessbevollmächtigten) evident nicht im Ansatz glaubhaft gemacht.

c) Der Antragstellerin steht gemäß §§ 9 I 1, 3, 5 BuchPrG ein Verfügungsanspruch mit dem geltend gemachten Inhalt gegen die Antragsgegnerin zu.

aa) Die grundsätzliche Berechtigung des Antragstellers zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach dem BuchPrG ist nach § § 9 II Nr.3 BuchPrG gegeben. Der Antragsteller ist unstreitig Preisbindungstreuhänder der Buchverlage im Sinne dieser Vorschrift.

bb) Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin in der angegriffenen konkreten Ausgestaltung verstößt gegen die Vorschrift des § 3 Satz 1 BuchPrG.

Nach dieser Vorschrift muss, wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, den nach § 5 BuchPrG von den Verlagen festgesetzten Preis einhalten.

aaa) Unterstellt man die – unwiderlegten – Behauptungen der Antragsgegnerin zu ihrem Geschäftsmodell als zutreffend, dann erhielt sie in der Tat auch bei jedem einzelnen Buchverkauf mit „Zuzahlung“ stets den gebundenen Preis, nämlich zu 90 % vom Kunden und zu 10 % von einem der „Förderer“. Und sie zahlte auch keine „Kickbacks“ an die Förderer zurück. Betrachtet man die angebotenen Transaktionen alleine oder maßgeblich aus der Sicht der Antragsgegnerin als Buchhändler, könnte man also in der Tat sagen, dass der vorgeschriebene Preis „eingehalten“ wurde.

bbb) Der Senat ist auch nicht der Ansicht, dass es entscheidend darauf ankommen kann, wer die Zahlung des Preises vornimmt. Das BuchPrG verhält sich dazu schlicht nicht. Wie Weitner in dem von den Parteien diskutierten Beitrag (Buchpreisbindung – Wer muss zahlen?, GRUR 2012, S.1ff) ausgeführt hat, ist vielmehr maßgeblich, ob aus Sicht des Kunden ein Preiswettbewerb besteht, denn genau das will das BuchPrG zum Schutz der kleinen und mittleren Buchhandlungen unterbinden. Genau hiergegen verstößt das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin indes. Im Einzelnen:

(1) Zutreffend weist Weitner in dem genannten Beitrag darauf hin, dass gemäß § 267 BGB ein Dritter eine fremde Leistung bewirken, zum Beispiel eine Zahlungsverpflichtung eines anderen erfüllen kann. Das allgemeine Kaufrecht sieht keine höchstpersönliche Pflicht vor, die eine Anwendung des § 267 BGB ausschlösse, aber auch aus § 3 BuchPrG folgt keine solche Pflicht. Dagegen stehen der Wortlaut des Gesetzes und die Systematik des Buchpreisbindungsgesetzes, dass sich nicht an Letztabnehmer von Büchern, sondern an den Verkäufer von Büchern richtet.

Sinn und Zweck des Buchpreisbindungsgesetzes zeigen vielmehr, dass es dem Gesetzgeber darum ging, auf dem Buchmarkt jeglichen Preiswettbewerb aus der Sicht des Letztabnehmers zu unterbinden. Nach § 1 BuchPrG ist Zweck des Gesetzes der Schutz des Kulturgutes Buch; die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz soll nach dieser Vorschrift zugleich gewährleisten, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert. Eine breite Angebotsvielfalt, die Förderung einer großen Zahl von Verkaufsstellen und der Erhalt kleiner und mittlerer Verlage, die eine Vielzahl deutscher Autoren verlegen, sichert dieses Ziel. Diese Ziele sollen durch die Ausschaltung des Preiswettbewerbs im Buchhandel erreicht werden (vgl. Begründung zum BuchPrG in der BT-Drs. 14/9196, S.8). Als Mittel dazu dient die Festsetzung der Preise. Daher muss jede Maßnahme, die der Ausschaltung des Preiswettbewerbs zuwider läuft, nach Sinn und Zweck des § 3 BuchPrG unzulässig sein (zu allem s. Weitner GRUR 2012, 1, 2f). Dass es im Lichte dieser gesetzgeberischen Intention geboten sein sollte, dass der Letztabnehmer in jedem Fall den Preis vollständig allein aufbringen muss, erschließt sich nicht.

Der mit dem BuchPrG zu unterbindende Preiswettbewerb liegt vielmehr dann vor, wenn versucht wird, den Buchabsatz gegenüber anderen Händlern zu steigern, indem ein Buchhändler Bücher zu geringeren Preisen anbietet als der andere, dadurch aber insgesamt mehr verkauft. Dazu muss der Buchhändler den potentiellen Letztabnehmern den Eindruck vermitteln, bei ihm regelmäßig günstiger einkaufen zu können als bei anderen (Weitner GRUR 2012, 1, 4).

Wegen der Festsetzung der Buchpreise versuchen Händler, einen ähnlichen Effekt durch Verkaufsfördermaßnahmen wie Gutschein- oder Fördermodelle zu erreichen. Maßgeblich für die Frage, ob derartige Modelle zulässig sind, ist, ob der Letztabnehmer den günstigen Buchpreis mit dem Buchhändler assoziiert. Verkaufsfördermodelle führen daneben dann zu einem Preiswettbewerb, wenn sie bewirken, dass der Letztabnehmer sich auf Grund der Modelle regelmäßig – nicht nur einmalig – für einen bestimmten Händler entscheidet. Es kommt daher auf die gedankliche Verknüpfung des Letztabnehmers an, also darauf, ob er den günstigen Preis mit dem Buchhändler verbindet. Ein unzulässiges Verkaufsfördermodell liegt damit vor, wenn der Letztabnehmer erstens den günstigeren Preis mit dem Buchhändler selbst assoziiert und wenn der Letztabnehmer zweitens auf Grund dessen bei diesem Buchhändler dauerhaft oder wenigstens regelmäßig günstigere Preise erwartet. Nur dann wird er diesen Händler auf Grund der Erwartung günstigerer Preise anderen vorziehen, so dass von einem Preiswettbewerb gesprochen werden kann (Weitner GRUR 2012, 1, 4f).

(2) Nach diesen Kriterien ist das von der Antragsgegnerin entwickelte und betriebene „Fördermodell“ als Verstoß gegen § 3 Satz 1 BuchPrG anzusehen.

Fraglich erscheint bereits, ob das Angebot der Antragsgegnerin aus der Sicht des Letztabnehmers von preisgebundenen Büchern überhaupt so verstanden wurde, dass er gegebenenfalls einen Kaufvertrag zu einem Preis in der vollen Höhe des gebundenen Preises abschließt und lediglich ein Teil dieses Preis von einem Dritten – dem jeweiligen „Förderer“-beglichen wurde. Vielmehr dürfte sich das Geschäftsmodell aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise so darstellen, dass er nur zu einer um 10 % reduzierten Kaufpreiszahlung verpflichtet wird. Dies gilt jedenfalls bei Zugrundelegung der vom Antragsteller als Anlagen ASt 1 vorgelegten Auszüge aus dem Angebot der Antragsgegnerin, aus denen die Letztabnehmer den Schluss ziehen könnten, dass sie selbst lediglich einen um 10 % unter dem genannten „Ladenpreis“ liegenden Kaufpreis schulden.

Doch selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt, dass der Letztabnehmer zu den konkreten Angebotsseiten erst gelangt, nachdem er in unmissverständlicher Weise darauf hingewiesen wurde, dass er selbst den gesamten „Ladenpreis“ schulde und dass lediglich ein Dritter – der „Förderer“-einen Teil dieses Preises aufbringe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, denn auch durch eine solche Gestaltung entstünde ein Preiswettbewerb im vorbezeichneten Sinne. Denn das Angebot der Antragsgegnerin ist so aufgemacht, dass der Letztabnehmer aus seiner Sicht preisgebundene Fachbücher um 10 % günstiger kaufen kann, als bei anderen Buchhändlern. Der Letztabnehmer muss das Unternehmen, das seinen Kauf „gefördert“ hat, weder kennen, noch – vor oder nach dem Buchkauf – irgendeine Beziehung zu ihm pflegen. Ob die restlichen 10 % des Buchpreises von der Antragsgegnerin erlassen oder von einem dritten Unternehmen übernommen werden, spielt für den Letztabnehmer keine Rolle. Wesentlich ist, dass die Förderung – ohne Zutun des Letztabnehmers – von der Antragsgegnerin organisiert wird. Er wird davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin bei jedem seiner zukünftigen Käufe eine Förderung organisieren wird oder es jedenfalls versucht. Der Letztabnehmer assoziiert daher nach dem Einkauf seinen Preisvorteil ausschließlich mit der Antragsgegnerin und sieht einen solchen Vorteil auch als regelhaft an. Damit ist ein preislich bedingter Anreiz für den Letztabnehmer gesetzt, auch zukünftige Buchkäufe bei der Antragsgegnerin zu tätigen, weil er davon ausgeht, jedes Mal nur 90 % des festgesetzten Preises zu zahlen. Dieser Eindruck des Letztabnehmers, beim Buchkauf bei der Antragsgegnerin regelmäßig weniger zahlen zu müssen als bei anderen Buchhändlern, bewirkt einen nach dem BuchPrG unzulässigen Preiswettbewerb (vgl. Weitner GRUR 2012, 1, 5). Den vorstehend geschilderten Eindruck des vom Angebot der Antragsgegnerin angesprochenen Letztabnehmers können die Mitglieder des Senates selbst feststellen, da sich das Angebot der Antragsgegnerin an jedermann und damit auch an sie richtet.

Nach allem kommt es nicht darauf an, ob sich die Antragsgegnerin von ihren „Fördern“ den Werbewert, der evident und nach der eigenen Selbstdarstellung der Antragsgegnerin in ihrem Internetauftritt mit deren Nennung einhergeht, von diesen gesondert (und in angemessener Höhe) vergüten lässt (so dass das vom Landgericht für maßgeblich gehaltene Argument entfiele).

cc) Der Unterlassungsanspruch des Antragstellers ist nicht verjährt. Die auch insoweit darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Antragsgegnerin hat keine frühere Kenntnisnahme des Antragstellers als den März 2011 substantiiert vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht; es wird auf die obigen Ausführungen zur Frage des Vorliegens eines Verfügungsgrundes Bezug genommen. Damit wäre eine Verjährung selbst dann nicht eingetreten, wenn man der Ansicht der Antragsgegnerin folgen wollte, dass für den Unterlassungsanspruch des Antragstellers die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 I UWG gelte.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

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