Über Warenbeschreibung & den Missbrauchseinwand nach § 8 Abs. 4 UWG

02. Dezember 2009
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Eigener Leitsatz:

Zu den Pflichten eines Unternehmers gehört es, dem Verbraucher Informationen über die wesentlichen Merkmale der angebotenen Ware zur Verfügung zu stellen. Darunter fallen unter anderem Angaben über Material, Farbe und Größe. Steht ein anderer Unternehmer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu einem, der diese Pflicht verletzt, hat er gegen diesen ein Unterlassungsanspruch, welcher aus dem Verbraucherschutz des § Abs. 1 Nr.4 BGB-InfoV abzuleiten ist. Ein solcher Unterlassungsanspruch wäre aber dann unzulässig, wenn der Missbrauchseinwand nach § 8 Abs. 4 UWG eingreift. Dieser ist nach herrschender Ansicht aber nur einschlägig, wenn es sich um eine aktiv geltend gemachte Unterlassungsklage handelt.                             

 

Landgericht Stuttgart

Urteil vom 24.11.2009

Az.: 32 O 72/09 KfH

Im Rechtsstreit

– Kläger –

Prozessbevollmächtigter:

gegen

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Hild & Kollegen, Konrad-Adenauer-Allee 55, 86150 Augsburg

wegen Feststellung
 
hat die 32. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 03. November 2009 durch

Vors. Richter am Landgericht als Vorsitzender
für     R e c h t     erkannt:

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.    Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung          in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages     
       vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Euro 10.173,24
 

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Feststellung, dass diesem gegen den Kläger kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch im Zusammenhang mit dem Internet-Angebot des Klägers zum Verkauf des Artikels „…“ wegen nicht hinreichender Angabe wesentlicher Merkmale dieser Ware zusteht, ebenso wenig wie ein Anspruch des Beklagten gegen den Kläger auf Erstattung von Umsatzsteuer in Höhe von Euro 173,24 für vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten (Abmahnkosten).

Beide Parteien bieten im Internet Waren an, der Kläger u.a. unter der Bezeichnung „www….…de“ und der Beklagte unter der Bezeichnung „www.….-….de“.

Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 21.07.2009 verlangte der Beklagte unter Ziffer 4 vom Kläger die Unterlassung, den Artikel „…“ in dem Internet-Shop unter der Überschrift „…“ entgegen § 312 c BGB, i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV ohne Angaben der wesentlichen Merkmale dieser Schmuckware dem Verbraucher anzubieten nebst vorgedruckter Unterlassungs-Verpflichtungserklärung. Für die Abmahnung verlangte der Beklagte Rechtsanwaltsgebühren aus seinem Geschäftswert von Euro 25.000,00 (Euro 891,80 netto) zzgl. Post und Telekommunikationsgebühr von Euro 20,00 sowie 19 % Umsatzsteuer hierauf von Euro 173,24.

Der Kläger trägt vor:
Die Beklagte berühme sich mit dem Schreiben vom 21.07.2009 eines ihm gegen den Kläger nicht zustehenden Unterlassungsanspruchs zum einen wegen des Fehlens eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses und zum anderen wegen missbräuchlicher Geltendmachung eines solchen Unterlassungsanspruchs. Diese missbräuchliche Geltendmachung ergebe sich nicht nur aus der Überhöhung des Geschäftswertes von Euro 25.000,00, sondern insbesondere aus vorgerichtlichen Äußerungen des Beklagten im E-Mail-Verkehr mit dem Kläger in dem er diesen massiv bedrohe u.a. mit den Worten „Wer Wind säht, wird Sturm ernten“, „Wer klagt verliert“, „Man kann einen Krieg beginnen, aber niemals beenden, wenn man will (Niccolo Machiavelli)“ und diversen Hinweisen auf seine besonderen Eigenschaften (8 Jahre … mit Schwerpunkt … sowie
….) immer verbunden mit dem Hinweis, dies stellen keine körperlichen Bedrohungen dar. Hieraus sei zu entnehmen, dass der Beklagte mit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs überwiegend sachfremde Interessen und Ziele verfolgte.

Der Kläger stellt den Antrag:

1. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch da-hingehend zusteht, der Kläger habe es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei Fernabsatzverträgen im Rahmen von Angeboten von Schuhen und / oder Bekleidung nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV die wesentlichen Merkmale der Ware anzugeben, wie geschehen am 21.07.09 unter der URL „www…de“ mit dem Produkt „…“ ohne Hinweis darauf, welchen Edelstein der Schuck enthält, sowie aus welchem Material dieses Produkt ist, insbesondere ob es Nickel enthält.

2. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer auf Rechtsanwaltskosten i.H.v. 173,24 zusteht.

Der Beklagte beantragt

    Klageabweisung.

Er trägt vor:
Das Warenangebot der Parteien im Internet überschneide sich zumindest teilweise mit der Folge, dass zwischen den Parteien auch in Ansehung des beworbenen … des Klägers ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe. Entgegen § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV habe der Kläger wesentliche Merkmale des Produkts „…“ nicht angegeben, insbesondere fehlen Angaben, aus welchem Edelstein der Schmuck des … bestehe. Die stelle einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 11 UWG dar. Im Übrigen verfolge er mit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs keine sachfremden Ziele und Interessen. Wer, wie der Kläger der Fall, Wettbewerber selbst auch abmahne, müsse damit rechnen, von seinem Wettbewerber ebenfalls zu wettbewerbskonformem Verhalten aufgefordert zu werden.

Im Übrigen wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll vom 03.11.2009 verwiesen.
 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige negative Feststellungsklage des Klägers ist in der Sache nicht begründet.

Dem Beklagten steht gegen den Kläger ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11,8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in Ansehung der Bewerbung des Produkts „…“ im Internet-Shop des Klägers „…“ unter der Überschrift „…“ deshalb zu, weil der Kläger entgegen § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV diese Ware nicht bezüglich wesentlicher Merkmale hinreichend für den Verbraucher beschreibt. Zu diesen wesentlichen Merkmalen wie z.B. Material, Farbe, Schnitt, Größe etc. gehört bei Schmuckartikeln auch die Art der eingebrachten Edelsteine. Hierzu schweigt die Internetangabe des Klägers.

In Ansehung der angebotenen Ware „…“ des Klägers bestand zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, denn die vom Beklagten u.a. angebotenen Waren wie schmückende Schnallen (vgl. Anlage B 3) gehören wie das … des Klägers im weiteren Sinn zu schmückenden Kleidungsaccessoires, die vergleichbare Kaufinteressenten ansprechen (so genanntes konkretes Wettbewerbsverhältnis). Hieraus folgt im Hinblick auf den Verbraucherschutz des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV ein Unterlassungsanspruch des Beklagten gegen den Kläger gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

Die Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruchs ist gemäß § 8 Abs. 4 UWG auch nicht deshalb unzulässig, weil sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich sein könnte, insbesondere, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.  § 8 Abs. 4 UWG greift nach herrschender Meinung lediglich als Missbrauchseinwand gegenüber einer gerichtlichen Geltendmachung des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs Platz (Höhler in Hefermehl/Kähler/Bornkamm, Kommentar zum UWG, 26. Auflage, § 8 Rn. 4.3). Eine solche aktive Unterlassungsklage wäre dann wegen Fehlens der Klage- oder Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen.
 
Da die herrschende Meinung, der sich die Kammer anschließt, aus § 8 Abs. 4 keine rechtsvernichtende Einwendung i.S. der Unbegründetheit einer erhobenen Klage entnimmt, greift der Missbrauchsweinwand des § 8 Abs. 4 nur bei aktiv geltend gemachten Unterlassungsklagen Platz, nicht jedoch, wie vorliegend der Fall, bei Erhebung einer negativen Feststellungsklage. Eine solche wäre nur dann begründet, wenn dem vom Beklagten vorgerichtlich erhobenen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch das Schikaneverbot (§ 226 BGB) oder der allgemeine Rechtsmissbrauchseinwand des § 242 BGB entgegenstünde.

Nach der Lage der Gesamtumstände ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der vorgerichtlich erhobene Unterlassungsanspruch ausschließlich dem Zweck der Schadenszufügung des Beklagten diente. Zwar ergeben Inhalt und Wortwahl der im Tatbestand zitierten E-Mails des Beklagten an den Kläger bzw. dessen Rechtsanwalts bei isolierter Betrachtungsweise durchaus bei Abstellung auf den Empfängerhorizont die Nähe nötigenden oder gar bedrohenden Verhaltens. Andererseits ist bei der vorliegend gegebenen Sachlage, bei der auch der Kläger wettbewerbswidriges Verhalten des Beklagten abgemahnt hatte durchaus erkennbar, dass der Beklagte auch evtl. unter Überschreitung sachlicher Wortwahlgrenzen gleichwohl hauptsächlich das Ziel verfolgte, vom Kläger künftig mit weiteren wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen in Ruhe gelassen zu werden.

Nach Überzeugung der Kammer stellt deshalb auch die evtl. derbe, eine nötigende Komponente enthaltene Wortwahl des Beklagten keine aus § 242 BGB (Treu und Glauben) sich ergebende immanente Inhaltsbegrenzung seines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs dar (Heinrichs in Palandt, Kommentar zum BGB, 68. Auflage, § 242 Rn. 38 ff).

Auch weitere Anhaltspunkte für eine unzulässige rechtsausübung i.S.d. § 242 BGB sind nicht gegeben. Insbesondere ist die angesetzte Geschäftsgebühr von Euro 25.000,00 in der Rechnung vom 21.07.2009 durchaus noch im Rahmen üblicher Wertfestsetzungen von Unterlassungsansprüchen.
 
Die negative Feststellungsklage ist auch nicht hinsichtlich der vorgerichtlich vom Beklagten geltend gemachten Umsatzsteuer auf rechtsanwaltliche Abmahnkosten gemäß Rechnung vom 21.07.2009 begründet. Abmahnkosten unterliegen nämlich den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG [Büscher in Fezer, Kommentar zum UWG, 2005, § 12 Rn. 52]) und der vorgerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs des § 8 Abs. 4 UWG, der auch bei vorgerichtlicher Anspruchserhebung Platz greifen kann, aus den o.g. Gründen nicht entgegen, denn es steht bei Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht fest, dass die Anspruchserhebung vorwiegend sachfremden Interessen diente.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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