Anspruchsvoraussetzungen für Domainfreigabe

28. Dezember 2009
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Eigener Leitsatz:

Die Denic kann nicht verpflichtet werden, eine Domain freizugeben, auch wenn bereits zwei aufeinanderfolgende Versuche einer Zustellung an den Admin-C gescheitert sind. Um als Störein verpflichtet werden zu können müsste es der Denic zweifelsfrei möglich sein, die Namensrechtsverletzung festzustellen. Dies ist aber insbesondere bei generischen Namen, welche unter Umständen beschreibenden Charakter haben, nicht ohne weiteres zu entscheiden sondern überschreitet regelmäßig die Erkenntnismöglichkeiten des Sachbearbeiters.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 26.03.2009

Az.: 315 O 115/08

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht namensrechtliche Ansprüche gegen die für die Top-Level-Domain „.de“ zuständige Domainverwaltungs- und Betriebsgesellschaft geltend.

Die Klägerin ist unter der Bezeichnung pr…Vi.. im Handelsregister eingetragen. Geschäftsgegenstand ist ausweislich des Handelsregisters der Groß- und Einzelhandel, der Vertrieb und die Verarbeitung von naturnahen Produkten. Es wird auf den Handelsregisterauszug Anlage GDM 1 verwiesen.

Die Beklagte ist für die Verwaltung der unter der Top-Level-Domain „.de“ registrierten Domains zuständig. Dort ist auch die Domain www. pr…Vi…de registriert. Inhaberin der Domain ist die V. S. House Ltd. mit Sitz in Saint Kitts and Nevis. Es wird Bezug genommen auf den Denic-Register-Auszug Anlage GDM 2.

Die Klägerin hatte zunächst beantragt, die Domaininhaberin zu verurteilen, gegenüber der DENIC, der jetzigen Beklagten, den Verzicht auf die Domain „pr…Vi…de“ zu erklären. Zwei Versuche, die Klage an die bei der DENIC registrierten Admin-Cs zuzustellen, scheiterten. Die Adresse des zunächst als Admin-C genannten „Ronny S.“ stellte sich als nicht existent heraus, die Zustellung der Klage an den später als Admin-C registrierten „Michael R.“ scheiterte, weil dieser unter der genannten Anschrift nicht zu ermitteln war (Zustellungsurkunde vom 05.05.2008 – Bl. 14 der Gerichtsakte). In der Folge korrespondierte die Klägerin mit der Beklagten und wies auf die gescheiterten Zustellungen sowie darauf hin, dass sie gegen die Domaininhaberin Klage erhoben habe. Sie wies weiter auf die Denic-Domainbedingungen hin, nach denen die Denic – die Beklagte – berechtigt ist, einen Domainvertrag zu kündigen, wenn gegenüber der Denic falsche Angaben über den Admin-C gemacht werden oder dessen Identität nicht festgestellt werden kann oder die von einem Dritten veranlasste Zustellung an den Admin-C bei zwei aufeinanderfolgenden Versuchen gescheitert ist (§ 7 Abs. 2 lit. f) bis h) der Bedingungen).

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei Störerin bzw. ggf. auch Mittäterin einer Namensrechtsverletzung. Denn die Domaininhaberin verletze die Rechte der Klägerin, was für die Beklagte ohne weiteres zu erkennen sei. Damit seien die Voraussetzungen der „Ambiente“-Entscheidung des BGH erfüllt, wonach die Beklagte bei einer „offensichtlichen Rechtsverletzung“ verpflichtet sei, eine Domain zu löschen. Die Beklagte sei zudem nach ihren eigenen Geschäftsbedingungen berechtigt, den Domainvertrag mit der V. S. House Ltd. zu kündigen.

Die Klägerin beantragt,

        die Beklagte zu verurteilen, die Domain „pr…Vi…de“ freizugeben.

Die Beklagte beantragt,

        die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des LG Hamburg. In der Sache verweist sie auf die Ambiente.de- Entscheidung des BGH und macht geltend, für den Freigabeanspruch nicht passivlegitimiert zu sein. Sie sei eine technische Registrierungsstelle, der Prüfungen von Kennzeichen-/Namensverletzungen nicht zuzumuten seien.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien und die Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.)

I.

Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Hamburg ist örtlich zuständig. Zur Begründung der Zuständigkeit gem. § 32 ZPO ist erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 32 Rn. 19 m.w.N.). Das ist hier der Fall. Die Klägerin behauptet, die Beklagte hafte als Störerin für eine (auch) im Gerichtsbezirk begangene Namensverletzung. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit der Klage (sog. „doppelt relevante Tatsache“).

Der Parteiwechsel auf Beklagtenseite ist ebenfalls zulässig. Die Einwilligung des ursprünglichen Beklagten in den Parteiwechsel ist entbehrlich, denn über die ursprüngliche Klage ist noch nicht mündlich verhandelt worden. Auch bedarf es keiner Einwilligung des neuen Beklagten (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 263 Rn. 24).

II.

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, die Beklagte zu verurteilen, die Domain „pr…Vi…de“ freizugeben.

1.

Ein auf § 12 BGB – Namensanmaßung – gestützter Anspruch setzt voraus, dass die Beklagte als Störerin für eine solche Rechtsverletzung haftet. Die Beklagte ist jedoch nicht Störerin.

Nach der Ambiente-Entscheidung (BGH NJW 2001, 3265, 3267) haftet die Beklagte als Störerin nur dann, wenn die Beklagte ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei feststellen kann, dass ein registrierter Domain-Name Rechte Dritter verletzt. Bei solchen offenkundigen, von dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten unschwer zu erkennenden Rechtsverstößen kann von der Beklagten verlangt werden, dass sie die Registrierung aufhebt. Diese enge Begrenzung etwaiger Prüfungspflichten findet seine Rechtfertigung in den Aufgaben der Beklagten. Diese verfolgt keine eigenen Zwecke und nimmt ihre Aufgaben im Interesse aller Internetnutzer wahr (BGH a.a.O.). Würden diese Aufgaben nicht von der Beklagten wahrgenommen werden, müssten sie – wie etwa die Vergabe von Straßennamen oder Hausnummern – von staatlichen Stellen übernommen werden.

Die Voraussetzungen für eine Störerhaftung sind im Streitfall nicht erfüllt. Nicht jede Registrierung einer Domain verletzt – entgegen der Ansicht der Klägerin – das Namensrecht eines gleichlautenden Namensträgers.

Zwar ist im Regelfall anzunehmen, dass in der Anmeldung eines Namens als Domain durch einen Nichtberechtigten ohne Weiteres eine Namensverletzung zu erblicken ist (vgl. BGH GRUR 2007, 259, 260 – solingen.info ; GRUR 2003, 897, 898 – maxem.de ).

Weniger eindeutig ist die Lage aber z.B. schon dann, wenn es sich bei dem Namen zugleich um einen generischen Begriff handelt. Denn dann kann ohne weiteres eine berechtigte Nutzung auch von Personen, welche nicht Namensträger sind, anzunehmen sein. Die Entscheidung aber, ob ein generischer Begriff vorliegt, wird im Einzelfall nicht immer eindeutig zu beantworten sein. Das gilt etwa für den Namen der Klägerin: Dieser weist jedenfalls beschreibende Anklänge auf, auch wenn er wohl nicht rein beschreibend sein dürfte. Eine derartige Entscheidung, ob ein Begriff rein beschreibend ist, kann aber nicht den Sachbearbeitern der Beklagten obliegen.

Gleichfalls problematisch kann die Frage werden, ob ggf. ein Treuhänder die Domain für einen berechtigten Namensträger angemeldet hat. Die Anmeldung einer Domain durch einen Treuhänder wird in der Rechtsprechung des BGH akzeptiert und stellt keine Namensanmaßung dar (vgl. BGH GRUR 2007, 811 ff. – Grundke ).

Nicht entscheidend kann sein, dass es sich bei den geschilderten Fällen um eher theoretische, im vorliegenden Fall voraussichtlich nicht einschlägige Ausnahmen handelt. Denn abzustellen ist nach der Ambiente-Entscheidung auf die Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Sachbearbeiters, der den Fall ohne weitere Nachforschungen beurteilen soll. Aus dessen ex-ante-Sicht liegen aber keine weiteren Erkenntnisse als die Behauptung eines besseren Namensrechts vor. Es würde im Übrigen die Arbeit der Beklagten über Gebühr beeinträchtigen, wenn stets auch die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen wären. Entscheidend muss vielmehr sein, ob die Domainanmeldung offenkundig rechtswidrig war. Diese Frage konnte der Sachbearbeiter der Beklagten im Streitfall aber nicht ohne weiteres bejahen; nach dem Vorstehenden ist die Beklagte nicht Störer und damit nicht passivlegitimiert für den geltend gemachten Freigabeanspruch.

2.

Ein Anspruch der Klägerin auf Freigabe der Domain ergibt sich auch nicht daraus, dass die Domaininhaberin gegen Richtlinien der Beklagten verstoßen hat. Der Domainregistrierungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Domaininhaber ist kein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

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