Kommentar

OLG Stuttgart: Entscheidung im ADR-Verfahren kann unbeachtlich sein

18. Juli 2014
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Kommentar zum Urteil des OLG Stuttgart vom 28.05.2014, Az.: 2 U 147/13

Mit Hilfe des sog. ADR-Verfahrens wird allgemein die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung beschrieben, um einen Rechtsstreit außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entscheiden. Gerade auch bei einer Vielzahl von Top-Level-Domains besteht die Möglichkeit, ein solches Streitbeilegungsverfahren durchzuführen, wenn es z.B. zu einer rechtsverletzenden Domainregistrierung oder -benutzung kommt oder gekommen ist. Wann eine solche Entscheidung dann für die deutsche Gerichtsbarkeit zu beachten ist, hatte nun das Oberlandesgericht Stuttgart zu entscheiden.

Was ist passiert?

Die Beklagte firmierte seit 2004 unter dem Namen „G… AG“, führte seit 2008 eine mit seinem Namen gleich lautende Wort-/Bildmarke und seit 2012 eine ebenfalls gleich lautende Wortmarke.

Der Kläger war seit 2006 Inhaber einer .eu-Domain, deren Second-Level-Domain aus der Bezeichnung des Beklagten bestand.

Die Beklagte forderte den Kläger zunächst formlos zur Übertragung der Internet-Domain auf, blieb damit jedoch ohne Erfolg. Daraufhin leitete sie im Juli 2012 ein ADR-Verfahren gegen den Kläger beim Tschechischen Schiedsgericht ein. Das mit der Streitbeilegung befasste Gericht entschied zugunsten der Beklagten auf Übertragung der Domain auf die Beklagte.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Klage auf Feststellung, dass der Beklagten kein Anspruch auf Übertragung der Domain aufgrund des ADR-Verfahrens zusteht. Die Beklagte war der Ansicht, die Klage sei unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben wurde. Hilfsweise für den Fall, dass die Klage nicht unzulässig sei, erhob sie Widerklage auf Übertragung der Domain, hilfsweise die Erklärung der Löschung der Domain gegenüber der EURid als zuständigen Domain-Verwaltung für .eu-Domains.

Die Vorinstanz des Landgerichts Stuttgart wies im September 2013 die Klage ab und entschied auf Übertragung der Domain wegen unbefugter Namensanmaßung. Ein solcher Übertragungsanspruch wird in der deutschen Rechtsprechung zwar grundsätzlich nicht ausgeurteilt; im Hinblick auf die EU-Domain gelte jedoch die Besonderheit, dass es keine Möglichkeit eines Dispute-Eintrags gebe, weswegen die Gefahr bestehe, dass mit Freigabe der Domain diese an einen anderen Unberechtigten falle. Dies allein rechtfertigt eine Entscheidung auf Übertragung der Domain. Daraufhin legte der Kläger Berufung gegen das Urteil des LG Stuttgart ein.

Entscheidung des Gerichts

Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied zugunsten des Klägers (Urteil vom 28.05.2014, Az.: 2 U 147/13), dass er eine Übertragung der Domain auf die Beklagte nicht durchführen müsse. Allerdings bestätigte das Gericht auch den Hilfsantrag des Beklagten und verurteilte den Kläger auf Abgabe der Löschungserklärung gegenüber der EURid.

Zunächst stellten die Richter im Wege des Freibeweises fest, dass der Kläger rechtzeitig, nämlich binnen der 30-tägigen Frist nach Zustellung der ADR-Entscheidung, Feststellungsklage vor der deutschen Gerichtsbarkeit erhoben hat und damit der ADR-Schiedsspruch keinerlei Wirkungen mehr entfalten konnte.

Begründet wurde die ablehnende Entscheidung hinsichtlich der Domainübertragung damit, dass ein Übertragungsanspruch für Domains im deutschen Recht nicht existiert, sondern lediglich ein Anspruch auf Freigabe bzw. Löschung einer Domain. Würde man einen direkten Übertragungsanspruch gewähren, wäre die Beklagte unter Umständen besser gestellt, als sie ohne die rechtsverletzende Domainbenutzung gestanden hätte: andere Personen hätten ebenfalls zum Zuge kommen können und die Domain registrieren, und zwar noch vor der Beklagten.

Außerdem ging das OLG Stuttgart – anders als die Vorinstanz , die von einem Übertragungsanspruch mangels Dispute-Verfahrens für eu-Domains ausging – jedoch gerade von der Möglichkeit eines Dispute-Eintrags aus, da ein solcher laut den AGB der EURid für die Registrierung von .eu-Domains vorgesehen wird. Mit Hilfe eines Dispute-Eintrags kann der Antragsteller desselbigen gewährleisten, dass die Domain bei Freigabe direkt ihm zugewiesen wird. Bei einem gerichtlichen Vorgehen der Beklagten gegen den Kläger hätte sie auf diese Weise sicherstellen können, dass ihre Rechte gewahrt werden.

Dem hilfsweise gestellten Antrag der Beklagten auf Erklärung der Löschung der Domain durch den Kläger gegenüber der EURid hingegen wurde vollumfänglich entsprochen, da die Beklagte ihre Rechte an der Domain umfassend dargelegt hatte.

Fazit

Ein UDRP- oder ADR-Verfahren ist zwar auch im Rahmen von Domain-Streitigkeiten eine Möglichkeit, einen solchen Streit für die Beteiligten außergerichtlich zu lösen. Jedoch hat eine solche Entscheidung nach dem Urteil des OLG Stuttgart keine Relevanz mehr, sobald die deutsche Gerichtsbarkeit mit der Streitbeilegung betraut ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn binnen einer 30-tägigen Frist nach Zustellung der Entscheidung von einer Seite Klage erhoben wird.

Geht es um die Übertragung einer Domain, macht es – jedenfalls bei Domain-Verwaltungen wie der EURid, welche die Möglichkeit eines Dispute-Eintrags vorsehen – nach der Entscheidung des OLG Stuttgart mehr Sinn, den direkten Weg über die Zivilgerichtsbarkeit zu wählen, bevor ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren angestrengt wird.

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