Der „beschissene“ oder „verarschte“ Kunde – Was ist zulässig?

08. Dezember 2009
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Eigener Leitsatz:

Ein Telekommunikationsunternehmen welches seine Mitbewerber in einem Werbegespräch mit einem potentiellen Kunden des "Bescheißens" bezichtigt handelt unzulässig. Durch eine solche Aussage entsteht beim Verbraucher der Eindruck, dass der Mitbewerber den Kunden betrügt. Ein "Verarschen" jedoch erweckt eben diesen herabsetzenden Eindruck nicht. Es ergibt sich vielmehr, dass jemand veralbert oder zum Narren gehalten wird, ohne dass dadurch ein Schaden entsteht.

Landgericht Frankfurt am Main

Beschluss vom 26.09.2008

Az.: 3-11 O 63/05

In dem Ordnungsmittelverfahren (…)

hat die 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main durch die Richter … am 26.09.2009

b e s c h l o s s e n:

Der Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin vom 27.05.2008 wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Ordnungsmittelverfahren wird auf € 10.000,00 festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Der Ordnungsmittelantrag war zurückzuweisen, da schon nach dem Vortrag der Gläubigerin kein Verstoß der Schuldnerin gegen die ihr in der Beschlussverfügung vom 31.05.2005 unter Ziff. 3 auferlegten Verpflichtung, nämlich es zu unterlassen,

„lm geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden zu behaupten und / oder behaupten zu lassen

(…)

3. wenn der aufgesuchte Kunde lieber der … das Geld in den Rachen werfen wolle – was zuviel bezahltes Geld sei -, anstatt die günstigen Tarife von … zu nehmen, dann solle er sich halt bescheißen lassen;

(…)"

vorliegt.

Die Gläubigerin hat vorgetragen, der Zeuge … sei von zwei Werbern der Schuldnerin aufgesucht worden. Diese hätten ihn, der …-Kunde sei, zu einem Wechsel zu … überreden wollen. Der Zeuge … sei darauf jedoch nicht eingegangen und habe erklärt, er zahle wegen des guten Services gerne mehr an die …. Daraufhin habe einer der beiden Werber gesagt: „Dann lassen Sie sich weiterhin von denen verarschen".

Sie meint, es handele sich bei dieser Äußerung um eine kerngleiche Zuwiderhandlung gegen die Beschlussverfügung, da die Äußerungen jeweils darauf abzielten, dass die Gläubigerin betrügerisch vorgehe.

Die Schuldnerin, die den Vorfall mit Nichtwissen bestreitet, ist der Ansicht, die behauptete Äußerung des Werber falle nicht unter den Kernbereich der Unterlassungsverpflichtung, da die streitige Äußerung gegenüber einem Betrugsvorwurf deutlich abgeschwächt sei.

Die Kammer ist ebenfalls der Auffassung, dass die von der Gläubigerin zum Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens gemachte Äußerung des Werbers nicht von dem Verbotsumfang des Unterlassungstitels erfasst wird. Der Verbotsumfang eines Titels beschränkt sich zwar nicht nur auf Verletzungsfälle, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern erstreckt sich auch auf solche Handlungen, die von der Verbotsform nur unbedeutend abweichen oder deren Abweichungen den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen. Jedoch ergibt die Auslegung des Titels im vorliegenden Verfahren keinen Verbotskern, der auch die nunmehr streitgegenständliche Außerung mit erfasst.

Der Ausdruck des „Bescheißens" wird im Sinne des Betrügens oder Übervorteilens verstanden, denn nach seiner allgemeinen Bedeutung in der Umgangssprache umschreibt er ein Verhalten, bei dem durch unredliches Einwirken oder Täuschen ein materieller Vorteil auf Kosten des anderen erlangt wird. Auch in der Antragsschrift, auf die zur Auslegung des Titels zurückzugreifen ist, wird ausgeführt, dass die beanstandete Behauptung den Tatsachenkern beinhalte, dass die Gläubigerin ihre Kunden betrüge, indem sie systematisch überhöhte Preise fordere.

Demgegenüber hat der Ausdruck des „Verarschens" die Bedeutung, dass jemand veralbert bzw. zum Narren gehalten wird, ohne dass ihm dadurch ein materieller Schaden entstehen muss. Auch aus dem Kontext, in dem die Äußerung des Werbers gefallen sein soll, ergibt sich nicht, dass damit ein Betrugsvorwurf gegenüber der Gläubigerin verbunden war.

Damit war der Antrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891, 91 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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