Bundesland haftet für Urheberrechtsverstöße von Lehrer

05. Februar 2015
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Sieben Schüler stehen im Halbkreis um den Lehrer um schauen sich etwas an. Urteil des LG Magdeburg vom 30.04.2014, Az.: 7 O 1088/13

Verstößt ein Lehrer gegen Urheberrecht, so haftet das Bundesland, bei dem er angestellt ist aus den Grundsätzen der Amtshaftung.

Landgericht Magdeburg

Urteil vom 30.04.2014

Az.: 7 O 1088/13

 

Tenor

Das beklagte Land wird verurteilt,

I. es gegenüber der Klägerin bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld Im Einzelfall höchstens … Euro Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, die DVD’s, bzw. die darauf enthaltenen Werke der Filme- und Tonkunst … zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen.

II. an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz von 7.844,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von… Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem … zu zahlen.

III. an die Klägerin einen Kostenersatz von … Euro nebst Zinsen in Höhe von …Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem … zu zahlen.

IV. das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von … des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar
Der Gegenstandwert wird auf die Stufe bis … Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber dem Land Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Filme sowie Kostenansprüche wegen der durch die erfolgte Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten geltend.

Die Klägerin handelt mit audiovisuellen Medien (Filme und Software) für Schule und Ausbildung. Die Produkte bietet sie bundesweit an. Die Klägerin bietet ihren Kunden an, die Produkte zur Ansicht zu bestellen. So können die DVD’s zunächst gesichtet werden, bevor eine Kaufentscheidung seitens des Kunden gefällt wird. Fällt eine Kaufentscheidung wird die anfallende Lizenzgebühr entrichtet und die Käufer erwerben die erforderlichen Rechte, um die DVD’s in ihre Kataloge für den Verleih aufzunehmen. Sollten die Kunden das Produkt nicht kaufen wollen, sind sie verpflichtet, es innerhalb von 4 Wochen nach Zugang an die Klägerin zurückzuschicken.

Der Streitverkündete … wird von dem beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Neben seiner Lehrfunktion war er bis zum … Leiter der regionalen Medienstelle des … . Auch als Leiter der Medienstelle, die eine Einrichtung des Landkreises ist, wurde der Streitverkündete weiter durch das Land bezahlt. Seine Tätigkeit an der Kreismedienstelle wurde ihm auf seine Regelstundenzahl angerechnet. In Ausübung seiner pädagogischen Aufgaben unterstand er als Leiter der Medienstelle der Fach- und Dienstaufsicht der zuständigen Schulbehörden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Organisation der regionalen Medienstellen wird auf den Erlass Bezug genommen.

Im Rahmen seiner Tätigkeit als Leiter der Medienstelle bestellte der Streitverkündete über einen längeren Zeitraum die 36 im Tenor aufgeführten DVD’s zur Ansicht. Die DVD’s wurden während des Ansichtszeitraumes durch den Streitverkündeten kopiert und in den Verleihkatalog der Kreismedienstelle aufgenommen. Die Original-DVD’s wurden zurückgesandt. Aufgrund von Verdachtsmomenten der Klägerin erstattete diese Strafanzeige. Bei einer Durchsuchung der Kreismedienstelle wurden 34 der 36 streitgegenständlichen DVD’s beschlagnahmt. Gegen den Streitverkündeten wurde wegen Verstößen gegen das Urhebergesetz betreffend dieser DVD’s ein seit … rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts Aschersieben erlassen, in dem der Streitverkündete verwarnt wurde und die Verhängung einer Gesamtgeldstrafe von … Tagessätzen vorbehalten blieb. Hinsichtlich der Einzelheiten, insbesondere der Bezeichnung der beschlagnahmten DVD’s, wird auf den Text des Strafbefehls (Anlage …) verwiesen.

Der Nettopreis der streitgegenständlichen Medien beträgt nach der Preisliste der Klägerin, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, insgesamt … Euro.

Die Klägerin behauptet, dass der Streitverkündete neben den beschlagnahmten DVD’s auch die beiden DVD’s Nr. 31 des Tenors und Nr. 33 des Tenors unerlaubt vervielfältigt habe.

Die Klägerin beantragt,

1. es gegenüber der Klägerin bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 1, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) zu unterlassen), die DVD’s, bzw. die darauf enthaltenen Werke der Filme- und Tonkunst … zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen.

2. an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz von 7.844,86 € nebst Zinsen in Höhe von … Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem … zu zahlen.

3. an die Klägerin einen Kostenersatz von … Euro nebst Zinsen in Höhe von … Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem … zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, es sei bereits nicht passiv legitimiert, da der Streitverkündete die Straftat nicht in seiner Funktion als Landesbediensteter, sondern in seiner Tätigkeit für den Landkreis begangen habe. Eine Urheberrechtsverletzung des Streitverkündeten sei bereits deswegen nicht gegeben, da er durch die Vervielfältigung der DVD’s nur die Ansichtszeit habe verlängern wollen. Es fehle daher auch für einen Schadensersatzanspruch am Verschulden. Die Höhe des Schadenersatzes sei im Übrigen nicht nachvollziehbar. Die Abmahnkosten seien nicht erstattungsfähig, da die Klägerin diese hätte ohne anwaltliche Hilfe durchführen müssen.

Die Kammer hat die Strafakte der Staatsanwaltschaft Magdeburg beigezogen. Sie war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

Für eine Urheberrechtsstreitsache ist der ordentliche Rechtsweg nach § 104 Abs. 1 UrhG gegeben.

Die Klägerin ist aktiv legitimiert.
Sie ist auf der Rückseite der DVD-Hüllen sowie der DVD selbst als Herausgeberin und Inhaberin der Rechte bezeichnet. Damit greift zugunsten der Klägerin eine gesetzliche Vermutung der Rechteinhaberschaft § 94 Abs. 4 UrhG i.V.m. § 10 Abs. 1 UrhG.

Das beklagte Land ist passiv legitimiert aus den Grundsätzen der Amtshaftung. Nach § 839 BGB i.V.m. Artikel 34 haftet das Land als Anstellungskörperschaft für den bei ihm beschäftigten Lehrer.

Nach Artikel 34 GG trifft die Verantwortlichkeit dem Grundsatz diejenige Körperschaft, in deren Dienst der pflichtwidrige handelnde Amtsträger stellt. Dies ist die Anstellungskörperschaft, d.h. die Körperschaft die diesen Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeiten zur Amtsausübung eröffnet hat. Ob auch die konkrete Aufgabe, bei deren Erfüllung die Amtspflichtverletzung begangen wurde, in den Aufgabenkreis der Anstellungskörperschaft fällt, ist unbeachtlich. So haftet z.B. die Anstellungskörperschaft auch, soweit ihr von einer anderen Körperschaft Aufgaben übertragen worden sind und ihr Beamter in Ausübung einer Auftragsangelegenheit tätig wird (vgl. Palandt BGB, Auflage 2014, § 839 Randziffer 25 mit Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Wenn demnach der kommunale Amtsträger dafür haftet, wenn er im Aufgabenkreis des Landes tätig wird, gilt dies auch umgekehrt. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Streitverkündete seine Amtspflichtverletzung im Rahmen seiner pädagogischen Aufgaben nach dem Erlass oder im Rahmen der Mittelbeschaffung und damit für den Landkreis tätig geworden ist in beiden Fällen haftet das Land als Anstellungskörperschaft.

Im Ergebnis haftet das Land daher aus Amtshaftung, da der Streitverkündete seine Amtspflichten verletzt hat. Eine Amtspflichtverletzung des Streitverkündeten liegt deswegen vor, weil dieser straffällig geworden ist. Er hat Straftaten nach den §§ 106 Abs. 1, 109, 110 S. 1 UrhG, § 53 StGB begangen. Deswegen wurde er auch rechtskräftig durch Strafbefehl des Amtsgerichts Aschersieben verurteilt. Eine Amtspflichtverletzung liegt bereits deshalb vor, da auch ein Amtsträger keine Straftaten begehen darf.  lm Übrigen hat der Streitverkündete die urheberrechtlich geschützten Inhalte der Klägerin unstreitig vervielfältigt und damit den Tatbestand der Urheberrechtsverletzung erfüllt, wobei die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit indiziert

Der Streitverkündete hat auch vorsätzlich gehandelt. In seiner schriftlichen Einlassung als Beschuldigter. im Strafverfahren hat er selbst ausgeführt, dass er mit dem Mitarbeiter der Klägerin über die Haushaltssituation der Kreismedienstelle und einem aus seiner Sicht fehlenden Kopierschutz der DVD’s gesprochen habe. Die Antwort der Klägerin sei gewesen, dass man auch sich gegenüber Kopien auch durch einen Kopierschutz nicht schützen könne und jeder das persönlich mit seinem Gewissen vereinbaren muss. Aus dieser Aussage des Mitarbeiters der Klägerin kann der Streitverkündete keinesfalls  den Schluss ziehen, dass die Klägerin mit der Vervielfältigung der DVD’s einverstanden gewesen ist. Ganz im Gegenteil wird hier an das Gewissen des Benutzers der MD appelliert. Aus dem Empfängerhorizont kann diese Aussage nicht anders verstanden werden, dass derjenige der trotz fehlenden Kopierschutzes die DVD’s kopiert, nicht korrekt handelt. Der Streitverkündete war sich daher sehr wohl bewusst, dass trotz eines fehlenden Kopierschutzes – wobei streitig ist ob es tatsächlich kein Kopierschutz gegeben hat, die Vervielfältigung der DVD’s nicht zulässig war. Dies war ihm egal. Er hat die DVD’s dennoch kopiert und in die Verleihliste aufgenommen. Damit hat er mindestens mit bedingtem Vorsatz „dolus eventualis“ gehandelt.

Nachdem die Urheberrechtsverletzung feststeht, haftet das beklagte Land nach § 97 UrhG sowohl auf Unterlassung als auch auf Schadensersatz. Der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG wird dabei durch den Amtshaftungsanspruch nach § 839 i.V.m. Artikel 34 Grundgesetz nicht verdrängt (BGH Urteil vom 16.01.1992, I ZR 36190; „Seminarkopien“ Randziffer 26f, zitiert nach juris), wobei die Haftung des Inhabers eines Unternehmens nach § 99 UrhG nach der zitierten BGH-Entscheidung auch auf die öffentliche Hand anzuwenden ist. Auch die öffentliche Hand ist verpflichtet, das Urheberrecht zu beachten. Sie ist grundsätzlich auch dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch ausgesetzt, wenn von ihr Eingriffe in urheberrechtlich geschützte Rechte zu befürchten sind.

Stand aber der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zu, ist die Wiederholungsgefahr für das Fortbestehen des Unterlassungsanspruches nicht deswegen entfallen, weil der Streitverkündete mittlerweile nicht mehr Leiter der Kreismedienstelle ist (vgl. BGH, a.a.O., Randziffer 28). Hier ist es so, dass der Streitverkündete nicht einmal aus dem Anstellungsverhältnis beim Land ausgeschieden ist. Es ist nicht auszuschließen, dass er erneut als Leiter einer Medienstelle tätig wird. Im Übrigen hat auch jeder Lehrer Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken. Es ist daher insgesamt nicht auszuschließen, dass der Streitverkündete auch in Zukunft vergleichbare Urheberrechtsverletzungen begeht, indem er beispielsweise für seinen Unterricht bei den Schülern Urheberrechtlich geschützte Werke unzulässig vervielfältigt.

Der Klägerin steht auch gegenüber dem beklagten Land ein Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Wie bereits ausgeführt, hat der Streitverkündete eine Urheberrechtsverletzung begangen. Das Land als Anstellungskörperschaft ist damit der Klägerin zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet ist. Im Wege der Lizenzanalogie kann die Klägerin mindestens den Betrag als Schaden geltend machen, der ihr dadurch entgangen ist, dass die urheberrechtlich geschützten Werke nicht erworben worden sind: Mit der von der Klägerin eingereichten Preisliste hat sie ihren Schadenersatzanspruch substantiiert dargelegt. Insbesondere sind aus den angegeben Bruttobeträgen die Nettobeträge durch eine einfache Rechenoperation zu ermitteln. Die hiergegen gerichteten. Einwände des Landes sind unsubstantiiert.

Aufgrund der Tabelle ist der Schadensersatzanspruch im Gegensatz zur Ansicht des beklagten Landes vereinzelt worden.

Die Kammer ist auch überzeugt davon, dass der Streitverkündete nicht nur die 34 durch die Polizei beschlagnahmten DVD’s, sondern die 36 streitgegenständlichen DVD’s unerlaubt vervielfältigt hat. Diese Überzeugung gründet darauf, dass auch die beiden weiteren  DVD’s in den Medienkatalog der Kreismedienstelle aufgenommen worden sind, obwohl sie nicht ordnungsgemäß erworben wurden. Angesichts dieser substantiierten Darlegung der Klägerin wäre es Sache des beklagten Landes gewesen, seinerseits detailliert zu erwidern, warum die DVD’s nicht vervielfältigt worden sein sollen, obwohl sie wie die anderen 34 vervielfältigten DVD’s ebenfalls in dem Katalog aufgenommen wurden.

Der Klägerin steht auch  gegenüber dem beklagten Land eine Erstattung der Abmahnkosten aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG i.V.m. § 839 BGB und Artikel 34 Grundgesetz zu. Als Empfänger einer berechtigen Abmahnung war das Land zum Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet. Dieser Erstattungsanspruch umfasst insbesondere auch die Rechtsanwaltskosten. Die Inanspruchnahme von Rechtsanwälten war auch erforderlich, da sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geboten ist. Der Klägerin als Unternehmen der Privatwirtschaft war es nicht zuzumuten juristisch geschulte Mitarbeiter vorzuhalten, um komplizierte Abmahnungen, selbst rechtswirksam zu formulieren (vgl. BGH Urteil vom 17.07.2008, I ZR 2197/05, zitiert nach Juris, Randziffer 38) Die Klägerin hat daher entsprechend ihrer Berechnung auf Seite 12 der Klageschrift einen Anspruch auf Ersatz der Höhe nach unstreitigen Kosten in Höhe von … Euro.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 281, 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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