„Immer in erstklassiger Optiker-Qualität“ nicht immer erstklassig

21. Mai 2013
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Eigener Leitsatz:

Die Online-Werbeaussage „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität“ erweckt beim Verbraucher den Eindruck, dass dieser immer die beste Brillenqualität erhält. Eine solche Qualität ist bei einem Online-Bestellmodus nicht zu erreichen, da in der Regel nicht alle relevanten Daten zur Verfügung stehen, die an sich zur Herstellung einer Brille von bester Qualität erforderlich sind. Die Erwartung des Verbrauchers, dass bei der Brillenherstellung zumindest all das berücksichtigt wird, was ein erstklassiger Optiker berücksichtigen würde, wird nicht erfüllt.

 Landgericht Kiel

Urteil vom 06.02.2013

Az.: 16 O 20/11

Tenor:

1. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer jeweils festzusetzenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen jeweils an den Mitgliedern des Vorstands, untersagt, geschäftlich handelnd Korrektionsbrillen im Internet mit dem Hinweis: „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität“ anzubieten, zu bewerben, und/oder anbieten und bewerben zu lassen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Entscheidung zu Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € und hinsichtlich der Entscheidung zu Ziffer 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Der Kläger vertritt als Bundesinnungsverband im Sinne des § 85 HwO die Gesamtinteressen der deutschen Augenoptiker. Es gehört insbesondere zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben, die wirtschaftlichen Interessen der den Landesinnungsverbänden angehörenden Mitglieder zu fördern. Die Beklagte vertreibt über das Internet unter den Marken „Lenscare“, „Acumed“ und „Lennox“ Produkte für das Auge wie Kontaktlinsen; Brillen, Zubehör und Pflegemittel. Im Februar 2011 bot die Beklagte im Internet unter www…de unter der Überschrift: „Brillen günstig kaufen – Brillen inkl. Gläser 29,29 €!“ Brillen an. Im anschließenden Werbetext hieß es: „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität!“. Diese Werbeaussage beanstandete der Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2011 als irreführend. Er forderte Unterlassung entsprechender Werbeaussagen und gab der Beklagten Gelegenheit, bis zum 17. Februar 2011 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Daraufhin entfernte die Beklagte die beanstandete Werbeaussage von ihrer Homepage. Sie weigerte sich aber, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die Herstellung der Korrektionsbrillen erfolgt bei der Beklagten auf der Grundlage der von ihren Kunden zu diesem Zweck elektronisch übermittelten Daten. Dabei handelt es sich in der Regel um die Angaben aus einem Brillenpass, die dem Kunden aus einer zuvor bei einem Augenarzt oder Augenoptiker durchgeführten Messung der Sehfähigkeit vorliegen. Wenn im Brillenpass keine Angaben zur Pupillendistanz enthalten sind und dem Kunden dieser Abstand auch nicht aus vorherigen Messungen bekannt ist, kann er seine Pupillendistanz mit einer Schablone messen, die von der Beklagten im Internet zum Ausdrucken und Ausschneiden zur Verfügung gestellt wird. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Korrektionsbrillen mit den von den Kunden übermittelten Daten in „erstklassiger Optiker-Qualität“ herstellen kann.

Der Kläger behauptet:

Die Beklagte könne eine „erstklassiger Optiker-Qualität“ entsprechende Leistung nicht bieten. Eine solche sei angesichts des von der Beklagten verwendeten Online-Bestellmodus nicht zu erreichen. Die Beklagte fertige Korrektionsbrillen – unstreitig – lediglich auf Grundlage der von ihren Kunden elektronisch übermittelten Daten an, während der Optiker vor Ort eine unter ergonomischen, funktionellen und gesundheitlichen Aspekten bessere Qualität gewährleiste als die Beklagte. Der Optiker vor Ort führe eine eigene sorgfältige Messung der Pupillendistanz durch. Eine Messung mit der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schablone sei nicht geeignet, vergleichbar zuverlässige Messergebnisse zu erzielen. Beim Optiker vor Ort würden die Korrektionsbrillen außerdem auf der Grundlage einer wesentlich breiteren Datenbasis angefertigt. Er berücksichtige im Gegensatz zu der Beklagten auch anatomische Besonderheiten wie unterschiedliche Augenhöhen und die individuelle Brillenvorneigung beim Tragen. Dies sei notwendig, um bei jedem Brillenglas eine optimale Zentrierung zu erreichen. Das sei wiederum erforderlich, um eine optimale Sehqualität zu gewährleisten. Wenn eine Höhendifferenz der Augen von nur 1 mm bei der Herstellung nicht berücksichtigt werde, ergebe sich bereits bei Glasstärken vom mehr als 5 dpt bei mehr als der Hälfte aller Betroffenen Brillenträger eine deutliche Komforteinbuße beim Sehen. Der Optiker vor Ort ermittle ferner den Hornhautscheitelabstand. Wenn dieser Abstand bei der Anfertigung einer Brille außer Acht bleibe, komme es zumindest bei Brillen mit Scheitelbrechwerten über 4 dpt zu Kopfschmerzen und Sehleistungseinbußen für die Kunden. Der Optiker vor Ort kontrolliere darüber hinaus den Sitz der Brille und nehme hier Korrekturen vor, um einen optimalen Tragekomfort zu gewährleisten und so z.B. Druckstellen an Nase und Ohren zu vermeiden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft (zu vollziehen an deren gesetzlichen Vertreter/n/in), oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, geschäftlich handelnd Brillen im Internet mit dem Hinweise „Immer in bester Optiker-Qualität“ anzubieten, zu bewerben und/oder anbieten und bewerben zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet:

Die von ihr angefertigten Korrektionsbrillen entsprächen den von der DIN EN ISO 21987 vorgegebenen Standards. Die Produktion erfolge – unstreitig – unter der Kontrolle einer Augenoptikermeisterin, einer Dipl.-Ing. Augenoptik, eines Augenoptikers und geschulter Medizinproduktberater. Da sie lediglich Korrektionsbrillen mit bis zu +- 6dpt im stärksten Hauptabschnitt herstelle und dabei – unstreitig – modernste CNC-gesteuerte Fräs- und Bohrmaschinen einsetze, stehe die Qualität ihrer Brillen der Qualität der von Optikern vor Ort angefertigten Brillen in nichts nach. Den Kunden drohten auch keine größeren Gesundheitsrisiken als bei einer Fertigung durch einen Optiker vor Ort. Die von ihr – der Beklagten – produzierten Brillen seien geeignet, die Fehlsichtigkeit im Bereich +-6 dpt zu beheben, ohne Beeinträchtigungen wie Schwindel oder Kopfschmerzen bei den Kunden zu verursachen. Es sei dem Vertriebswege über das Internet immanent, dass sie sich bei der Anfertigung der Brillen auf die von den Kunden übermittelten Daten verlassen müsse. Eine Benachteiligung der Kunden sei damit nicht verbunden, zumal sie – unstreitig – eine umfassende Rücknahmegarantie gewähre. Außerdem würden auch bei Augenoptikern vor Ort in der Praxis häufig nicht alle Daten erhoben, die nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. … relevant seien. Bei einem Internetkauf erwarteten Kunden auch keine Kontrolle des Brillensitzes.

Das Gericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 13. Juli 2011 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 13. Juli 2011 (Bl. 87-90 d.A.) sowie das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dipl.-Ing. … vom 3. Februar 2012 (gesondert im Aktendeckel) Bezug genommen und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.

Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als Bundesinnungsverband im Sinne von § 85 HwO prozessführungsbefugt. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG stehen Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Dies trifft auf den Kläger zu. Der Kläger nimmt nach seiner Satzung die Interessen des Augenoptikerhandwerks wahr und fördert die wirtschaftlichen Interessen der den Landesinnungsverbänden angehörenden Mitglieder. Über die örtlichen Handwerksinnungen gehören ihm mittelbar zahlreiche Augenoptiker an, die ihre Waren und Dienstleistungen, zu denen insbesondere die Beratung und anschließende Fertigung von Korrektionsbrillen gehören, auf demselben Markt anbieten wie die Beklagte (zur Prozessführungsbefugnis des Klägers vgl. auch BGH GRUR 1996, 753 ff.).

Der Unterlassungsantrag des Klägers ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die vom Kläger begehrte Unterlassung der Werbeaussage „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität!“ ist klar und eindeutig. Es soll der Beklagten untersagt werden, exakt diese Formulierung zu verwenden. Dabei kommt es nicht darauf an, was unter erstklassiger Optiker-Qualität zu verstehen ist. Das vom Kläger erstrebte Verbot soll vielmehr unabhängig von der Bedeutung des Begriffs „erstklassige Optiker-Qualität“ in allen denkbaren Fällen gelten.

Auch die Bezeichnung „Brillen“ ist hinreichend bestimmt. Dabei ist unerheblich, ob diese Bezeichnung wörtlich genommen oder ob sie mit Hilfe der Klagebegründung dahin ausgelegt wird, dass damit lediglich Korrektionsbrillen gemeint sind. Die Bezeichnung Brillen erfasst alle Brillen und die Bezeichnung Korrektionsbrillen alle Korrektionsbrillen. Es unterliegt auch keinem Zweifel, welche Gegenstände mit diesen Bezeichnungen beschrieben werden sollen.

Die Klage hat in der Sache auch Erfolg.

Der Klageantrag ist – wie im Termin vom 4. September 2012 erörtert – dahin auszulegen, dass der Kläger der Beklagten lediglich untersagen lassen möchte, Korrektionsbrillen im Internet mit dem Hinweis „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität“ zu bewerben und anzubieten und/oder anbieten und bewerben zu lassen. Das ergibt sich aus der zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Klagebegründung. Der Kläger hat stets nur geltend gemacht, die Beklagte vermöge Korrektionsbrillen nicht in erstklassiger Optiker-Qualität herzustellen. Der Kläger hat nicht in Anrede gestellt, dass die Beklagte andere als Korrektionsbrillen in erstklassiger Optiker-Qualität herstellen kann.

Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit den §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch einen Anspruch auf die von ihm begehrte Unterlassung gegen die Beklagte.

Die Werbeaussage der Beklagten mit dem Inhalt: „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität!“, stellt eine nach den §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG unlautere geschäftliche Handlung dar. Nach § 3 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter sind gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 UWG insbesondere irreführende geschäftliche Handlungen. Die streitgegenständliche Internetwerbung der Beklagten stellt eine solche irreführende geschäftliche Handlung dar. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung insbesondere dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält. Dies ist hier der Fall. Die streitgegenständliche Interwerbung der Beklagten ist sachlich unzutreffend und täuscht Verbraucher über die Qualität der von der Beklagten tatsächlich angebotenen Leistungen.

Die Werbeaussage „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität“ erweckt die Vorstellung, dass der Verbraucher bei der Beklagten immer die beste Brillenqualität erhält, die er auch bei einem erstklassigen Optiker erhalten könnte. Das ist jedoch nicht zutreffend.

Davon ist die Kammer aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. … überzeugt.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen kann die Beklagte Korrektionsbrillen nicht immer in erstklassiger Optiker-Qualität herstellen, weil sie nicht stets über die dafür erforderlichen Daten verfügt. Die Beklagte stellt ihre Korrektionsbrillen nach ihrem eigenen Vortrag regelmäßig nur auf der Grundlage der aus einem Brillenpass ersichtlichen Refraktionswerte (Sphäre, Zylinder, Achslage) des Kunden und des Pupillenabstands her. Diese Daten sind nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. … nicht ausreichend, um eine erstklassige Optiker-Qualität zu gewährleisten. Danach berücksichtigt ein erstklassiger Optiker vielmehr weitere relevante Daten.

Gläser für Korrektionsbrillen könnten im Hinblick auf die ständige Bewegung der Augen nur für eine Sehsituation exakt zentriert werden. Üblicherweise würden die Bezugspunkte der Brillengläser mit den Hauptdurchblickpunkten in der Fassungsebene zur Deckung gebracht. Die Hauptdurchblickpunkte seien die Durchstoßpunkte der Sehachse durch die Fassungsebene bei leicht (ca. 10 Grad) gesenktem Blick in die Ferne. Beim Sehen sei für das Augenpaar die prismatische Differenz zwischen rechts und links entscheidend, also die Gesamtwirkung beider prismatischer Wirkungen. Unbeabsichtigte horizontale prismatische Wirkungen könnten das Augenpaar in eine nach innen (Konvergenz) oder nach außen (Divergenz) gewandte Stellung zwingen. Kopfschmerzen, Unwohlsein, Schwindel oder tränende Augen könnten die Folgen sein. Im Extremfall entstünden Doppelbilder. Die Kompensationsfähigkeit des Auges in horizontaler Richtung sei deutlich größer als in vertikaler Richtung. Deshalb seien vertikalprismatische Differenzen noch kritischer, da hier Unverträglichkeiten noch schneller zu erwarten seien. Unerwünschte prismatische Differenzen könnten mit Hilfe korrekter Einschleifdaten vermieden werden. Relevant seien hier der Durchblickpunktabstand, der meistens über die Pupillendistanz ermittelt werde, und die Durchblickpunkthöhe in der Fassungsebene. Beide legten die Koordinaten fest, auf denen der Bezugspunkt des Brillenglases in der Brillenfassung positioniert sein müsse, um die gewünschte optische Wirkung zu erhalten.

Eine ausreichend genaue Vertikalzentrierung setze eine exakte Ermittlung der Durchblickpunkthöhe voraus, welche eine exakte anatomische Anpassung der Brille erfordere. Diese Anpassung sei stets individuell und müsse die meistens unsymmetrische Anatomie der Augenbrauen, der Nase, der Ohren, der Schläfe und der Gesichttopographie ausgleichen. Die hier relevanten Daten stünden bei einer Bestellung im Internet in der Regel nicht zur Verfügung. Schon bei einer nicht berücksichtigten geringfügigen Höhenabweichung beider Augen von nur 1 mm, könne sich bei Glasstärken von mehr als 5,0 dpt eine deutliche Komforteinbuße des Sehens ergeben. Unberücksichtigte unterschiedliche Durchblickpunkthöhen könnten ferner Achsfehler von zylindrischen Brillengläsern erzeugen, die zu einer Visusminderung und zu Komforteinbußen bis hin zur Unverträglichkeit der Brille führen könnten.

Eine ausreichend genaue Horizontalzentrierung setze eine zutreffende Ermittlung der Pupillendistanz voraus. Korrekte Werte lägen bei einer Bestellung im Internet in der Regel nur dann vor, wenn die Pupillendistanz bei einer durch den Augenarzt oder Augenoptiker durchgeführten Refraktion festgestellt und in den Brillenpass eingetragen worden sei. Die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Schablone könne die Messung der Pupillendistanz durch den Augenarzt oder geschultes Personal beim Augenoptiker nicht ersetzen. Bei ungeübten Laien sei mit erheblichen Fehlerquellen zu rechnen. So sei es bei einem von ihm – dem Sachverständigen – durchgeführten Versuch drei von fünf Probanden nicht gelungen, mit Hilfe der Schablone akzeptable Messwerte zu erzielen.

Die von der Beklagten angewandte Drehpunktanpassung stelle keine geringeren Anforderungen an die erforderlichen Daten. Die Drehpunktforderung sei nur erfüllt, wenn die Brillenfassung so angepasst werde, dass die optische Achse des Brillenglases durch den optischen Augendrehpunkt verlaufe. Das lasse sich nur mit Hilfe der Durchblickhöhe zuverlässig feststellen. Außerdem sei eine Ermittlung der Vorneigung des Brillenglases anhand einer Betrachtung des Kunden von der Seite erforderlich, um beurteilen zu können, wie die Fixierlinie des Auges auf das Brillenglas treffe. Auch eine solche Prüfung sei bei einer Bestellung im Internet nicht möglich.

Der Hornhautscheitelabstand (Abstand des Brillenglases zur Hornhaut des Auges) könne hier ebenfalls nicht geprüft werden. Die Größe des Netzhautbildes im Auge ändere sich mit dem Abstand des Brillenglases vom Auge. Wenn sich der Hornhautscheitelabstand vergrößere, entstehe bei einem Kurzsichtigen eine Unterkorrektion und bei einem Weitsichtigen eine Überkorrektion. Das könne im Bereich der höheren Scheitelbrechwerte in beiden Fällen zu einer Einbuße der Sehleistung und zu Kopfschmerzen führen.

Die Einhaltung der DIN EN ISO 21987 sei allein nicht geeignet, die erforderliche Qualität einer Brille zu gewährleisten. Diese DIN befasse sich mit maximal zulässigen Abweichungen bei vorgegebenen Daten wie Scheitelbrechwert, Prisma, Zentrierpunktabstand und Einschleifhöhe. Wenn die vorgegeben Daten nicht korrekt oder nicht vollständig seien, sei die Verträglichkeit einer Korrektionsbrille trotz Einhaltung der Grenzwerte der DIN EN ISO 21987 für die vorgegeben Daten nicht gewährleistet.

Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der gut nachvollziehbaren und insgesamt überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln. Das gilt insbesondere auch für den von ihm geschilderten Versuch einer Pupillenabstandmessung durch mehrere Probanden. Es liegt auf der Hand, dass die Messung des Pupillenabstands durch Laien mit einer Schablone wie der aus Anlage B 1 (Bl. 44 d.A.) ersichtlichen sehr fehlerträchtig ist.

Einer Vernehmung der von der Beklagten gegenbeweislich zum Sachverständigengutachten benannten Zeugin … bedurfte es nicht, weil die Zeugin insoweit nach den Beweisangeboten der Beklagten keine relevanten Tatsachen bekunden, sondern eine sachverständige Beurteilung vornehmen soll. Das ist jedoch nicht die Aufgabe einer Zeugin, sondern die Aufgabe eines Sachverständigen.

Aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. … ergibt sich zur Überzeugung der Kammer, dass die Beklagte ungeachtet des Einsatzes moderner CNC-Fräsen und der Überwachung ihrer Herstellung durch eine Optikermeisterin und anderes Fachpersonal Korrektionsbrillen nicht immer in erstklassiger Optiker-Qualität herzustellen vermag. Diese Feststellung lässt sich auch ohne eine nähere Überprüfung der konkret von der Beklagten angefertigten Brillen treffen. Nach dem Sachverständigengutachten stehen der Beklagten im Gegensatz zu einem erstklassigen Optiker in der Regel nicht alle Daten zur Verfügung, die zur Herstellung einer Brille in erstklassiger Optiker-Qualität erforderlich sind. Sie kann eine erstklassige Optiker-Qualität demnach insbesondere in den vom Sachverständigen Prof. … genannten kritischen Fällen allenfalls zufällig erreichen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist auszuschließen, dass die Beklagte in jedem dieser Fälle zufällig eine Brille in erstklassiger Optiker-Qualität hergestellt hat und in Zukunft herstellen wird. Dagegen spricht im Übrigen auch, dass nach dem Ergebnis der „Lennox Brillenumfrage“ der Beklagten (Anlage B 7, Bl. 121 ff d.A.) 10,5 % der Befragten das Gefühl hatten, mit ihrer Brille nicht wie erwartet sehen zu können, und dass danach 34,0 % der Befragten erklärt haben, die bei ihrem Optiker vor Ort gekaufte Brille habe eine bessere Qualität.

Die von der Beklagten gewährte „Rücknahmegarantie“ vermag eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Denn bei einer Brille, die erst nach mehrmaliger Anfertigung zufällig den an sie gestellten Anforderungen genügt, kann nicht von einer Leistung gesprochen werden, die dem von der Beklagten in ihrer Werbeaussage selbst aufgestellten Maßstab „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität“, gerecht wird.

Unerheblich ist auch, ob mehr oder weniger Optiker vor Ort auch nicht stets alle nach dem Sachverständigengutachten erforderlichen Daten ermitteln. Denn die Beklagte hat in ihrer streitgegenständlichen Werbung nicht den Vergleich mit einem durchschnittlichen oder gar unterdurchschnittlichen Optiker vor Ort gewählt, sondern den mit einem „erstklassigen“ Optiker. Dieser ermittelt alle erforderlichen Daten, und das begründet nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. … eine wesentlich höhere Gewähr für eine erstklassige Qualität der Brillen.

Auch damit lässt sich zwar nicht immer ausschließen, dass eine Brille im Einzelfall einmal nicht verträglich ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Formulierung „Immer in erstklassiger Optiker-Qualität“ beim Verbraucher die Erwartung weckt, die Beklagte berücksichtige bei der Brillenherstellung zumindest all das, was ein erstklassiger Optiker berücksichtigt, und diese Erwartung erfüllt die Beklagte nicht.

Deshalb ist ihre streitgegenständliche Werbung irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

Die Irreführung ist auch relevant im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG, weil Träger von Korrektionsbrillen in ihrer gesamte Lebensführung auf die Qualität ihrer Brillen angewiesen sind und es für sie daher von besonderer Bedeutung ist, eine Brille zu erhalten, die in erstklassiger Optiker-Qualität hergestellt worden ist.

Es besteht auch die für einen Unterlassungsanspruch des Klägers vorausgesetzte Wiederholungsgefahr im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 UWG. Diese ist gegeben, wenn eine Wiederholung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ernsthaft und greifbar zu besorgen ist (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 8 Rn. 1.32). Die Wiederholungsgefahr wird bei vorherigen Wettbewerbsverstößen vermutet. Die Vermutung kann im Allgemeinen nur durch die Abgabe einer unbedingten und unwiderruflichen Unterlassungsverpflichtungserklärung entkräftet werden (vgl. BGH GRUR 1984, 214, 216; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 8 Rn. 1.33 f., m.w.N.).

Die Beklagte hat die wegen ihres vorangegangenen Verstoßes zu vermutende Wiederholungsgefahr nicht zu widerlegen vermocht. Sie hat nach der Abmahnung des Klägers vom 10. Februar 2011 zwar ihre streitgegenständliche Werbeaussage von ihrer Homepage entfernt, die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung jedoch nicht abgegeben. Dieses Verhalten und ihre im vorliegenden Prozess zum Ausdruck gebrachte Auffassung, ihre Werbeaussage sei zulässig, sprechen dafür, dass die Beklagte freiwillig nicht endgültig auf die streitgegenständliche Werbeaussage verzichten möchte.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

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