Der besonders bekömmliche Wein
Eigener Leitsatz:
Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen nicht mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben werden. Die Bewerbung eines Weins mit besonders guter Bekömmlichkeit aufgrund eines speziellen Gärverfahrens und einem dadurch besonders niedrigen Säuregehalt, ist jedoch als Gesundheitsbezug aufzufassen und somit unzulässig.
Europäischer Gerichtshof
Urteil vom 06.09.2012
Az.: C-544/10
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. September 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 23. November 2010, in dem Verfahren
Deutsches Weintor eG
gegen
Land Rheinland-Pfalz
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und D. Šváby,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Deutsches Weintor eG, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Eichele und B. Goebel,
– des Landes Rheinland-Pfalz, vertreten durch C. Grewing als Bevollmächtigte,
– der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und D. Hadroušek als Bevollmächtigte,
– der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,
– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, B. Cabouat und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,
– der ungarischen Regierung, vertreten durch Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
– der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
– des Europäischen Parlaments, vertreten durch I. Anagnostopoulou und E. Waldherr als Bevollmächtigte,
– des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro‑Nolin und S. Grünheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2012
folgendes
Urteil:
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 und Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404, S. 9) in der zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 der Kommission vom 9. Februar 2010 (ABl. L 37, S. 16) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1924/2006). Das Ersuchen betrifft außerdem die Gültigkeit dieser Vorschriften im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Deutsches Weintor eG (im Folgenden: Deutsches Weintor), einer deutschen Winzergenossenschaft, und den mit der Überwachung des Vertriebs alkoholischer Getränke betrauten Dienststellen des Bundeslandes Rheinland-Pfalz über die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“, mit der auf einen reduzierten Säuregehalt hingewiesen wird.
Rechtlicher Rahmen:
In den Erwägungsgründen 1 bis 3, 5, 10, 14 bis 16 und 18 der Verordnung Nr. 1924/2006 heißt es:
„(1) Zunehmend werden Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet, und es wird mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, sollten die im Handel befindlichen Produkte, einschließlich der eingeführten Produkte, sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Gesundheit, und einzelne Produkte sind im Kontext der gesamten Ernährung von relativer Bedeutung.
(2) Unterschiede zwischen den nationalen Bestimmungen über solche Angaben können den freien Warenverkehr behindern und ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Sie haben damit eine unmittelbare Auswirkung auf das Funktionieren des Binnenmarktes. Es ist daher notwendig, Gemeinschaftsregeln für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel zu erlassen.
(3) Die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür [(ABl. L 109, S. 29)] enthält allgemeine Kennzeichnungsbestimmungen. Mit der Richtlinie 2000/13/EG wird allgemein die Verwendung von Informationen untersagt, die den Käufer irreführen können oder den Lebensmitteln medizinische Eigenschaften zuschreiben. Mit der vorliegenden Verordnung sollten die allgemeinen Grundsätze der Richtlinie 2000/13/EG ergänzt und spezielle Vorschriften für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, festgelegt werden.
…
(5) Allgemeine Bezeichnungen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnte, wie z. B. ‚Digestif‘ oder ‚Hustenbonbon‘, sollten von der Anwendung dieser Verordnung ausgenommen werden.
…
(10) Lebensmittel, die mit entsprechenden Angaben beworben werden, können vom Verbraucher als Produkte wahrgenommen werden, die gegenüber ähnlichen oder anderen Produkten, denen solche Nährstoffe oder andere Stoffe nicht zugesetzt sind, einen nährwertbezogenen, physiologischen oder anderweitigen gesundheitlichen Vorteil bieten. Dies kann den Verbraucher zu Entscheidungen veranlassen, die die Gesamtaufnahme einzelner Nährstoffe oder anderer Substanzen unmittelbar in einer Weise beeinflussen, die den einschlägigen wissenschaftlichen Empfehlungen widersprechen könnte. Um diesem potenziellen unerwünschten Effekt entgegenzuwirken, wird es für angemessen erachtet, gewisse Einschränkungen für Produkte, die solche Angaben tragen, festzulegen. …
…
(14) Es gibt eine Vielzahl von Angaben, die derzeit bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln und der Werbung hierfür in manchen Mitgliedstaaten gemacht werden und sich auf Stoffe beziehen, deren positive Wirkung nicht nachgewiesen wurde bzw. zu denen derzeit noch keine ausreichende Einigkeit in der Wissenschaft besteht. Es muss sichergestellt werden, dass für Stoffe, auf die sich eine Angabe bezieht, der Nachweis einer positiven ernährungsbezogenen Wirkung oder physiologischen Wirkung erbracht wird.
(15) Um zu gewährleisten, dass die Angaben der Wahrheit entsprechen, muss die Substanz, die Gegenstand der Angabe ist, im Endprodukt in einer ausreichenden Menge vorhanden bzw. im umgekehrten Fall nicht vorhanden oder ausreichend reduziert sein, um die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzeugen. Die Substanz sollte zudem in einer für den Körper verwertbaren Form verfügbar sein. …
(16) Es ist wichtig, dass Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden können und es ist angezeigt, alle Verbraucher vor irreführenden Angaben zu schützen. …
…
(18) Eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe sollte nicht gemacht werden, wenn sie den allgemein akzeptierten Ernährungs- und Gesundheitsgrundsätzen zuwiderläuft oder wenn sie zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels verleitet oder diesen gutheißt oder von vernünftigen Ernährungsgewohnheiten abbringt.“
Gegenstand und Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1924/2006 werden in ihrem Art. 1 wie folgt festgelegt:
„(1) Mit dieser Verordnung werden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben harmonisiert, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten.
(2) Diese Verordnung gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen.
…“
Art. 2 der Verordnung Nr. 1924/2006 enthält folgende Begriffsbestimmungen:
„(1) Für die Zwecke dieser Verordnung
„(1) Für die Zwecke dieser Verordnunga) gelten für ‚Lebensmittel‘, ‚Lebensmittelunternehmer‘, ‚Inverkehrbringen‘ und ‚Endverbraucher‘ die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 und Artikel 3 Nummern 3, 8 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit [(ABl. L 31, S. 1)];
…
(2) Ferner bezeichnet der Ausdruck
1. ‚Angabe‘ jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt;
…
4. ‚nährwertbezogene Angabe‘ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt …
5. ‚gesundheitsbezogene Angabe‘ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht;
6. ‚Angabe über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos‘ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass der Verzehr einer Lebensmittelkategorie, eines Lebensmittels oder eines Lebensmittelbestandteils einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt;
…“
In Kapitel II (Art. 3 bis 7) der Verordnung Nr. 1924/2006 werden die allgemeinen Bedingungen für die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben aufgestellt.
In Art. 3 („Allgemeine Grundsätze für alle Angaben“) der Verordnung Nr. 1924/2006 heißt es:
„Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen.
Unbeschadet der Richtlinien 2000/13/EG und 84/450/EWG dürfen die verwendeten nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben
a) nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein;
b) keine Zweifel über die Sicherheit und/oder die ernährungsphysiologische Eignung anderer Lebensmittel wecken;
c) nicht zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels ermutigen oder diesen wohlwollend darstellen;
…“
Art. 4 („Bedingungen für die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben“) der Verordnung Nr. 1924/2006 bestimmt in Abs. 3:
„Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen.
Bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent sind nur nährwertbezogene Angaben zulässig, die sich auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder eine Reduzierung des Brennwerts beziehen.“
Der allgemeine Bedingungen betreffende Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung sieht vor:
„(1) Die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben ist nur zulässig, wenn die nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:
a) Es ist anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise nachgewiesen, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat.“
Art. 6 („Wissenschaftliche Absicherung von Angaben“) der Verordnung bestimmt in Abs. 1:
„Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben müssen sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein.“
Die Art. 10 bis 19 in Kapitel IV der Verordnung Nr. 1924/2006 enthalten besondere Bestimmungen für gesundheitsbezogene Angaben.
Der spezielle Bedingungen betreffende Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung bestimmt:
„(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.
…
(3) Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen:
Deutsches Weintor ist eine Winzergenossenschaft mit Sitz in Ilbesheim im Bundesland Rheinland-Pfalz (Deutschland). Sie vermarktet Weine der Rebsorten Dornfelder und Grauer/Weißer Burgunder unter der Bezeichnung „Edition Mild“ mit dem Zusatz „sanfte Säure“. Auf dem Etikett heißt es u. a.: „Zum milden Genuss wird er durch Anwendung unseres besonderen LO3‑Schonverfahrens zur biologischen Säurereduzierung.“ Die Halsschleife der Weinflaschen trägt den Aufdruck „Edition Mild bekömmlich“. Im Preisverzeichnis wird der Wein als „Edition Mild – sanfte Säure/bekömmlich“ bezeichnet.
Die im Bundesland Rheinland-Pfalz für die Überwachung des Vertriebs alkoholischer Getränke zuständige Behörde beanstandete die Verwendung der Bezeichnung „bekömmlich“ mit der Begründung, dass es sich um eine „gesundheitsbezogene Angabe“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 handle, die nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung bei alkoholischen Getränken unzulässig sei.
Die Parteien streiten somit darüber, ob die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“ in Verbindung mit dem Hinweis auf eine „sanfte Säure“ eine „gesundheitsbezogene Angabe“ im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 darstellt, die bei alkoholischen Getränken im Regelfall untersagt ist.
Deutsches Weintor erhob vor dem Verwaltungsgericht Klage auf Feststellung, dass sie befugt sei, die Angabe „bekömmlich“ zur Etikettierung der betreffenden Weine und in der Werbung für diese zu verwenden.
Zur Begründung ihrer Klage machte sie im Wesentlichen zum einen geltend, dass die Bezeichnung „bekömmlich“ keinen Gesundheitsbezug aufweise, sondern nur das allgemeine Wohlbefinden betreffe. Zum anderen gelte die Verordnung Nr. 1924/2006 nicht für Bezeichnungen, die – wie die Bezeichnung „Digestif“ für ein die Verdauung förderndes Getränk – traditionell für Lebensmittel oder Getränke verwendet würden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnten. Deshalb sei ein enges, auf die längerfristigen Auswirkungen des betreffenden Lebensmittels beschränktes Verständnis der gesundheitsbezogenen Angaben geboten.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 23. April 2009 ab. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 19. August 2009 zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ jedenfalls die mit einem Lebensmittel verbundenen Wirkungen auf den Körper des Verbrauchers und dessen Funktionen erfasse. Die Bezeichnung als „bekömmlich“ stelle bei Wein einen Zusammenhang zu Vorgängen im Körper her und spreche das allgemeine gesundheitliche Wohlbefinden an. Diesem Begriff könnten Synonyme wie „gesund“, „leicht verdaulich“ oder „den Magen schonend“ zugeordnet werden.
Dies sei, so das Berufungsgericht, beim Konsum von Wein von gewisser Bedeutung, denn mit ihm würden immer wieder Kopfschmerzen und Magenbeschwerden in Zusammenhang gebracht. Unter Umständen könne Wein sogar eine den menschlichen Organismus schädigende Wirkung zukommen und zu Suchtverhalten führen. Durch die Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ im Zusammenhang mit dem Hinweis auf ein besonderes Verfahren zur Säurereduzierung und eine milde Säure werde aus Sicht des Verbrauchers ein Zusammenhang zwischen dem Wein und dem Fehlen von mit dem Weinkonsum teilweise verbundenen nachteiligen Wirkungen beim Verdauungsvorgang hergestellt.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin des Ausgangsverfahrens beim Bundesverwaltungsgericht Revision ein.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts begegnet die weite Auslegung des Begriffs „gesundheitsbezogene Angabe“ durch die Vorinstanzen Bedenken. In Anbetracht der allen Lebensmitteln gemeinen Funktion, der Aufnahme von Nährstoffen und anderen Substanzen für den menschlichen Organismus zu dienen, könne der Hinweis auf eine bloß vorübergehende Aufrechterhaltung der Körperfunktionen oder auf das allgemeine gesundheitliche Wohlbefinden nicht ausreichen, um einen Gesundheitsbezug im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 herzustellen.
Vielmehr spreche einiges dafür, eine „gesundheitsbezogene Angabe“ erst dann anzunehmen, wenn längerfristige, nachhaltige Auswirkungen auf den körperlichen Zustand oder die Befindlichkeit angesprochen würden und nicht bloß flüchtige Einwirkungen auf Stoffwechselvorgänge, die die Konstitution und damit den eigentlichen Gesundheitszustand unberührt ließen.
Der Hinweis auf die Bekömmlichkeit der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens vertriebenen Weine erschöpfe sich in der Behauptung, der Wein verursache bei der Verdauung keine oder weniger Magenbeschwerden, als üblicherweise bei einem Wein dieser Art und Güte zu erwarten sei. Überdies sei fraglich, ob die bloße Tatsache, dass ein Lebensmittel weniger schädlich sei als vergleichbare Erzeugnisse derselben Kategorie, zur Anerkennung einer gesundheitsfördernden Wirkung ausreiche.
Schließlich bestünden Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Verbots gesundheitsbezogener Angaben bei Wein mit den Grundrechten auf Berufsfreiheit und auf unternehmerische Freiheit, wenn einem Erzeuger oder Vermarkter von Wein der Hinweis auf die Bekömmlichkeit seines Produkts wegen einer milden Säure selbst dann verboten werde, wenn diese Angabe zutreffe.
Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Erfordert der Gesundheitsbezug einer Angabe im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 oder des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 eine positive ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung, die auf eine nachhaltige Verbesserung des körperlichen Zustands abzielt, oder reicht auch eine vorübergehende, namentlich auf die Zeitspanne der Aufnahme und Verdauung des Lebensmittels beschränkte Wirkung aus?
2. Für den Fall, dass bereits die Behauptung einer vorübergehenden positiven Wirkung einen Gesundheitsbezug haben kann:
Reicht es für die Annahme, eine solche Wirkung werde mit dem Fehlen oder dem verringerten Gehalt einer Substanz im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und des 15. Erwägungsgrundes der Verordnung begründet, aus, wenn mit der Angabe lediglich behauptet wird, dass eine von Lebensmitteln dieser Art allgemein ausgehende, vielfach als nachteilig empfundene Wirkung im konkreten Fall gering ist?
3. Falls Frage 2 bejaht wird:
Ist es mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung vom 13. Dezember 2007 (ABl. 2008, C 115, S. 1) in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und Art. 16 (Unternehmerische Freiheit) der Charta in der Fassung vom 12. Dezember 2007 (ABl. C 303, S. 1) vereinbar, einem Erzeuger oder Vermarkter von Wein die Werbung mit einer gesundheitsbezogenen Angabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art ausnahmslos zu verbieten, sofern diese Angabe zutrifft?
Zu den Vorlagefragen:
Zu den ersten beiden Fragen
Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ eine Bezeichnung wie „bekömmlich“, verbunden mit dem Hinweis auf einen reduzierten Gehalt an Stoffen, die von einer Vielzahl von Verbrauchern als nachteilig angesehen werden, umfasst.
In Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 wird eine „gesundheitsbezogene Angabe“ definiert als „jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“.,
Überdies ist nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1924/2006 die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben nur zulässig, wenn anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise nachgewiesen ist, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat.
Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits werden die Vorlagefragen in Bezug auf Wein gestellt. Da Wein zur Kategorie der Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent gehört, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 für diese Kategorie von Getränken jede „gesundheitsbezogene Angabe“ ausnahmslos verboten hat.
Im vorliegenden Fall suggeriert die streitige Angabe, dass der fragliche Wein aufgrund eines reduzierten Säuregehalts gut an die Verdauung angepasst oder leicht verdaulich ist. Der Wein soll also eine positive ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung haben.
Es steht fest, dass sich die Verdauung, da sie mit der punktuellen Aufnahme eines Lebensmittels in Zusammenhang steht, als ein definitionsgemäß zeitlich beschränkter physiologischer Vorgang darstellt, der nur vorübergehende oder flüchtige Auswirkungen hat.
Ausgehend von dieser Feststellung wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob eine Bezeichnung wie „bekömmlich“ als „gesundheitsbezogene Angabe“ eingestuft werden kann, selbst wenn sie nicht bedeutet, dass die dem fraglichen Wein zugeschriebene positive ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung zu einer nachhaltigen Verbesserung des körperlichen Zustands führt.
Insoweit geht aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 hervor, dass eine „gesundheitsbezogene Angabe“ im Sinne dieser Verordnung ausgehend von dem Zusammenhang definiert wird, der zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits bestehen muss. Diese Definition enthält weder genauere Angaben dazu, ob es sich um einen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang handeln muss, noch zu dessen Intensität oder Dauer. Unter diesen Umständen ist der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen.
Zum einen darf der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ somit nicht nur für einen Zusammenhang gelten, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs eines Lebensmittels impliziert, sondern muss auch jeden Zusammenhang erfassen, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen, also die bloße Erhaltung eines guten Gesundheitszustands trotz des genannten, potenziell schädlichen Verzehrs.
Zum anderen soll sich der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ nicht nur auf die Auswirkungen des punktuellen Verzehrs einer bestimmten Menge eines Lebensmittels beziehen, die normalerweise nur vorübergehender oder flüchtiger Art sein können, sondern auch auf die Auswirkungen eines wiederholten, regelmäßigen oder sogar häufigen Verzehrs eines solchen Lebensmittels, die nicht zwingend nur vorübergehend und flüchtig sind.
Wie sich nämlich aus der Zusammenschau der Erwägungsgründe 1 und 10 der Verordnung Nr. 1924/2006 ergibt, ist anerkannt, dass Angaben auf Lebensmitteln, mit denen diese beworben werden, durch den Hinweis auf einen nährwertbezogenen, physiologischen oder anderweitigen gesundheitlichen Vorteil gegenüber ähnlichen Produkten eine Lenkungswirkung auf die Entscheidungen der Verbraucher haben. Diese Entscheidungen beeinflussen unmittelbar die Gesamtmenge der verschiedenen Nährstoffe oder anderen Substanzen, für deren Aufnahme sich die Verbraucher entscheiden, und rechtfertigen somit die durch die genannte Verordnung auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Verwendung dieser Angaben.
Daher sind für die vorliegenden Zwecke sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen.
Im vorliegenden Fall impliziert die streitige, eine leichte Aufnahme und Verdaulichkeit des Weins suggerierende Bezeichnung u. a., dass das Verdauungssystem, also ein Teil des menschlichen Körpers, darunter nicht oder wenig leidet und dass der Zustand dieses Systems selbst bei wiederholtem, also in größeren Mengen und langfristig erfolgendem Verzehr verhältnismäßig gesund und intakt bleibt, weil dieser Wein sich durch einen reduzierten Säuregehalt auszeichnet.
Damit ist die fragliche Angabe geeignet, eine nachhaltige positive physiologische Wirkung zu suggerieren, die in der Erhaltung des Verdauungssystems in gutem Zustand besteht, während für andere Weine unterstellt wird, dass sie bei häufigerem Verzehr nachhaltige negative Auswirkungen auf das Verdauungssystem und folglich auf die Gesundheit haben.
Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ eine Bezeichnung wie „bekömmlich“, verbunden mit dem Hinweis auf einen reduzierten Gehalt an Stoffen, die von einer Vielzahl von Verbrauchern als nachteilig angesehen werden, umfasst.
Zur dritten Frage
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass es einem Erzeuger oder Vermarkter von Wein nach der Verordnung Nr. 1924/2006 auch dann ausnahmslos verboten ist, eine Angabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art zu verwenden, wenn diese Angabe für sich genommen zutrifft, mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV vereinbar ist.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV erkennt die Europäische Union die in der Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, wobei die Charta und die Verträge rechtlich gleichrangig sind.
Das vorlegende Gericht zieht als im Hinblick auf das fragliche Verbot einschlägige Grundrecht Art. 15 Abs. 1 der Charta heran, wonach jede Person das Recht hat, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben, und Art. 16 der Charta, der die unternehmerische Freiheit gewährleistet.
Allerdings ist auch Art. 35 Satz 2 der Charta zu berücksichtigen, der verlangt, dass bei der Festlegung und Durchführung aller Politiken und Maßnahmen der Union ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird. Wie nämlich aus den Erwägungsgründen 1 und 18 der Verordnung Nr. 1924/2006 hervorgeht, gehört der Gesundheitsschutz zu den Hauptzwecken dieser Verordnung.
Unter diesen Umständen sind bei der Beurteilung der Vereinbarkeit des ausnahmslosen Verbots einer Angabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art nicht nur die Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit heranzuziehen, sondern auch der Gesundheitsschutz.
Infolgedessen ist bei einer solchen Beurteilung darauf zu achten, dass die Erfordernisse des Schutzes dieser verschiedenen durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechte miteinander in Einklang gebracht werden und dass zwischen ihnen ein angemessenes Gleichgewicht besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C‑275/06, Slg. 2008, I‑271, Randnrn. 65 und 66).
Was erstens den Gesundheitsschutz betrifft, ist hervorzuheben, dass alkoholische Getränke in Anbetracht der Abhängigkeits- und Missbrauchsrisiken sowie der erwiesenen komplexen schädigenden Wirkungen des Alkoholkonsums, u. a. des Auftretens schwerer Krankheiten, eine spezielle Kategorie von Lebensmitteln darstellen, die einer besonders strengen Regelung unterliegen.
Insoweit hat der Gerichtshof bereits wiederholt anerkannt, dass Maßnahmen, die die Möglichkeit von Werbung für alkoholische Getränke einschränken und damit zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs beitragen sollen, der Sorge um die öffentliche Gesundheit Rechnung tragen und dass deren Schutz, wie sich auch aus Art. 9 AEUV ergibt, ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel darstellt, das gegebenenfalls eine Beschränkung einer Grundfreiheit rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 1980, Kommission/Frankreich, 152/78, Slg. 1980, 2299, Randnr. 17, vom 25. Juli 1991, Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivía, C‑1/90 und C‑176/90, Slg. 1991, I‑4151, Randnr. 15, sowie vom 13. Juli 2004, Kommission/Frankreich, C‑262/02, Slg. 2004, I‑6569, Randnr. 30, und Bacardi France, C‑429/02, Slg. 2004, I‑6613, Randnr. 37).
Da zudem aus Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1924/2006 bereits allgemein hervorgeht, dass nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein dürfen, gilt diese Bestimmung erst recht für alkoholische Getränke. Es ist nämlich von wesentlicher Bedeutung, dass alle Angaben, die diese Getränke betreffen, frei von jeder Mehrdeutigkeit sind, damit die Verbraucher in der Lage sind, ihren Konsum unter Berücksichtigung aller damit verbundenen Gefahren zu regulieren und auf diese Weise ihre Gesundheit wirksam zu schützen.
In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ist die streitige Angabe, selbst wenn man unterstellt, dass der in ihr enthaltene Hinweis auf einen reduzierten Säuregehalt für sich genommen sachlich richtig ist, gleichwohl unvollständig. Die genannte Angabe stellt nämlich eine bestimmte, zur Erleichterung der Verdauung geeignete Eigenschaft heraus; verschwiegen wird aber, dass ungeachtet der guten Verdaulichkeit die mit dem Konsum alkoholischer Getränke zusammenhängenden Gefahren keineswegs beseitigt oder auch nur begrenzt werden.
Der Unionsgesetzgeber war daher zu der Annahme berechtigt, dass Angaben der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art mehrdeutig oder sogar irreführend sind, wenn sie sich auf alkoholische Getränke beziehen. Denn die streitige Angabe ist dadurch, dass sie allein die leichte Verdaulichkeit des in Rede stehenden Weins herausstellt, geeignet, dessen Konsum zu fördern und letztlich die mit einem übermäßigen Konsum jedes alkoholischen Getränks einhergehenden Gefahren für die Gesundheit der Verbraucher zu erhöhen. Daher lässt sich das Verbot solcher Angaben mit der Notwendigkeit rechtfertigen, ein hohes Gesundheitsschutzniveau für den Verbraucher zu gewährleisten.
Aus diesen Gründen kann das absolute Verbot einer Angabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art als notwendig angesehen werden, um die Wahrung der Art. 35 der Charta zu entnehmenden Anforderungen zu gewährleisten.
Was zweitens die Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die freie Berufsausübung, ebenso wie das Eigentumsrecht, nicht absolut gewährleistet wird, sondern im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, Slg. 2004, I‑11893, Randnr. 72). Die Ausübung dieser Freiheiten kann daher Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich den dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union entsprechen und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (Urteile vom 15. April 1997, Irish Farmers Association u. a., C‑22/94, Slg. 1997, I‑1809, Randnr. 27, und vom 10. Juli 2003, Booker Aquaculture und Hydro Seafood, C‑20/00 und C‑64/00, Slg. 2003, I‑7411, Randnr. 68).
In Bezug auf die erwähnten Ziele geht aus den Randnrn. 48 bis 53 des vorliegenden Urteils hervor, dass die in Rede stehende Regelung dem Gesundheitsschutz dienen soll, der ein durch Art. 35 der Charta anerkanntes Ziel darstellt.
Was die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit betrifft, trifft es zwar zu, dass der Berufstätigkeit der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer durch das Verbot der fraglichen Angaben bezüglich eines konkreten Aspekts bestimmte Beschränkungen auferlegt werden, doch ist die Beachtung der wesentlichen Aspekte dieser Freiheiten sichergestellt.
Die in Streit stehende Regelung ist nämlich weit davon entfernt, die Herstellung oder den Vertrieb alkoholischer Getränke zu verbieten, sondern beschränkt sich darauf, für solche Getränke innerhalb eines klar abgegrenzten Bereichs die Etikettierung und Werbung zu regeln.
Somit berührt das in Streit stehende Verbot in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens in keiner Weise den Wesensgehalt der Berufsfreiheit oder der unternehmerischen Freiheit.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das in der Verordnung Nr. 1924/2006 aufgestellte absolute Verbot einer Angabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art als vereinbar mit der Anforderung anzusehen ist, die verschiedenen betroffenen Grundrechte miteinander in Einklang zu bringen und zwischen ihnen ein angemessenes Gleichgewicht zu schaffen.
Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass der Umstand, dass es einem Erzeuger oder Vermarkter von Wein nach der Verordnung Nr. 1924/2006 auch dann ausnahmslos verboten ist, eine Angabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art zu verwenden, wenn diese Angabe für sich genommen zutrifft, mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV vereinbar ist.
Kosten:
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel in der zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 der Kommission vom 9. Februar 2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ eine Bezeichnung wie „bekömmlich“, verbunden mit dem Hinweis auf einen reduzierten Gehalt an Stoffen, die von einer Vielzahl von Verbrauchern als nachteilig angesehen werden, umfasst.
2. Der Umstand, dass es einem Erzeuger oder Vermarkter von Wein nach der Verordnung Nr. 1924/2006 in der durch die Verordnung Nr. 116/2010 geänderten Fassung auch dann ausnahmslos verboten ist, eine Angabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art zu verwenden, wenn diese Angabe für sich genommen zutrifft, ist mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV vereinbar.