Blühende Landschaften

06. Juni 2012
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Amtlicher Leitsatz:

a) Das Zitatrecht gemäß § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG hat im Hinblick auf Kunstwerke einen weiteren Anwendungsbereich als bei nichtkünstlerischen Sprachwerken. Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung verlangt, bei der Auslegung und Anwendung des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG die innere Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des Zitierenden über die bloße Belegfunktion hinaus auch als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen (BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 Germania 3).

b) Für die Annahme eines Kunstwerks ist es nicht ausreichend, dass der Verfasser eines Berichts über sein berufliches Wirken eigene einleitende Betrachtungen und Tagebucheinträge mit Artikeln aus Zeitungen, Urkunden und Lichtbildern kombiniert. Allein der Umstand, dass eine solche Kombination auch als künstlerische Technik, namentlich als literarische Collage oder Montage, in Betracht kommt, reicht nicht zur Annahme eines Kunstwerks im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG aus. Erforderlich ist vielmehr, dass das Werk auch die der Kunst eigenen materiellen Strukturmerkmale aufweist, also insbesondere Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung ist.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 30.11.2011

Az.: I ZR 212/10

 

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 30. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter … und die Richter …

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. November 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin gibt die insbesondere im östlichen Brandenburg gelesene „Märkische Oderzeitung“ heraus. Der Beklagte war von 1991 bis zu seiner Pensionierung 2003 Direktor des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt.

Im Jahre 2009 erschien das vom Beklagten verfasste Buch „Blühende Landschaften“, in dem er seine im Gerichtsbezirk Eisenhüttenstadt gemachten Erfahrungen beschreibt. Dieses Buch enthält mehrere in der Märkischen Oderzeitung erschienene Artikel und Lichtbilder, an denen der Klägerin ausschließliche Nutzungsrechte zustehen. Solche Artikel und Lichtbilder finden sich zum einen im vorderen Buchteil, und zwar kombiniert mit eigenen Betrachtungen und Tagebucheinträgen des Beklagten sowie mit weiteren Zeitungsartikeln, Lichtbildern und Urkunden. Zum anderen sind Artikel und Lichtbilder aus der Zeitung der Klägerin in einem mit „Dokumentation“ überschriebenen hinteren Buchteil ab Seite 232 abgedruckt. Diese „Dokumentation“ besteht aus einer Sammlung von – teilweise bebilderten – Zeitungsartikeln in Faksimile-Form sowie anderen Dokumenten wie Gesetzestexten und Schreiben ohne eigene Texte des Beklagten.

Die Klägerin hat die Darstellung der Artikel und Lichtbilder im Buch des Beklagten als Urheberrechtsverletzung beanstandet. Nachdem der Beklagte einer durch den Rechtsanwalt der Klägerin erhobenen Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht nachgekommen war, hat die Klägerin beantragt, es dem Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen,

1. in der „Märkischen Oderzeitung“ erschienene Artikel ohne ihre Erlaubnis zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, insbesondere wenn dies wie in dem Buch „Blühende Landschaften“ geschieht wie

a) auf Seite 37 mit dem Artikel „Landgerichts-Präsident gibt den Stab weiter“;

b) auf Seite 49 mit dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen 522 Asylbewerber“;

c) auf den Seiten 65 und 234 mit dem Artikel „Einen Jungen mit dem geschärften Spachtel ins Bein geritzt …“;

d) auf den Seiten 84 und 237 mit dem Artikel „Jugendkriminalität – nur eine Frage der Selektion?“;

e) auf Seite 203 mit dem Artikel „Laubendiebe gingen der Polizei ins Netz“;

f) auf Seite 235 mit dem Artikel „Angeklagt der räuberischen Erpressung mit Todesfolge“;

g) auf Seite 239 mit dem Artikel „Überlebende Opfer sind dem Zufall zu verdanken“;

h) auf Seite 241 mit dem Artikel „Alles nur saufende Ungeheuer?“;

i) auf den Seiten 247 bis 248 mit dem Artikel „Sitzung geriet zur Farce“;

j) auf Seite 257 mit dem Artikel „Langfinger machen inzwischen schon einen Bogen um Eisenhüttenstadt“;

k) auf Seite 260 mit dem Artikel „Mutieren Schulhöfe zu Drogenumschlagsplätzen?“;

l) auf Seite 261 mit dem Artikel „Haftanstalt kurz und klein geschlagen“;

m) auf Seite 271 mit dem Artikel „Ungarnreise winkte als Ansporn“;

n) auf den Seiten 272 bis 275 mit dem Artikel „Sonnenschein mit Schattenseiten“;

o) auf den Seiten 276 bis 277 mit dem Artikel „Sonnenschein auf Tauchstation“; sowie

2. in der „Märkischen Oderzeitung“ erschienene Lichtbilder ohne ihre Erlaubnis zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, insbesondere wenn dies wie in dem Buch „Blühende Landschaften“ geschieht wie auf den Seiten 14, 37, 39 bzw. 232, 81, 126, 142, 182 bzw. 274 und 277.

Weiter hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Auskunftserteilung, hilfsweise zur Versicherung der Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides Statt, zur Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und zur Freistellung von den Kosten zu verurteilen, die durch die vorgerichtliche anwaltliche Abmahnung entstanden sind.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er habe mit seinem Buch eine kritische Auseinandersetzung des Lesers mit dem Zeitgeschehen beabsichtigt. Hierauf habe auch das Belegen und Illustrieren der im Buch referierten und bewerteten Vorgänge mit Zeitungsartikeln und Bildern abgezielt. Die Verwendung insbesondere der Zeitungsartikel sei als Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG zulässig und vom Zitatrecht im Sinne von § 51 UrhG gedeckt.

Das Landgericht hat den Beklagten – mit Ausnahme des auf die Versicherung der Richtigkeit der Auskunft gerichteten Antrags – im Wege des Teilurteils antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen (OLG Brandenburg, GRUR 2011, 141 = WRP 2011, 106). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Eingriff des Beklagten in urheberrechtlich geschützte Positionen der Klägerin sei durch § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG gedeckt. Dazu hat es ausgeführt:

Der Beklagte könne sich auf einen im Lichte des Art. 5 Abs. 3 GG erweiterten Schutzbereich des Zitatrechts nach § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG berufen. Das Buch „Blühende Landschaften“ stelle ein selbständiges Sprachwerk im Sinne dieser Vorschrift dar. Es handele sich zudem um ein Werk der Kunst. Für die Herstellung des Werks habe sich der Beklagte einer künstlerischen Technik bedient, nämlich der literarischen Collage oder Montage. Er habe teils mit, teils ohne erkennbaren Bezug zueinander in Sprachebene und Sprachstil unterschiedliche Texte – einleitende Betrachtungen, Tagebucheinträge, Artikel aus mehreren Zeitungen, Urkunden – sowie Lichtbilder miteinander kombiniert. Das durch diese Bearbeitungstechnik geschaffene künstlerische Ergebnis erfasse den Buchinhalt im Ganzen, so dass eine isolierte Betrachtung einzelner Teile des Buches, namentlich des „Dokumentationsteils“ ab Buchseite 232, nicht geeignet sei, den dargestellten Gesamteindruck für sich maßgebend zu prägen.

Im Rahmen der danach bei der Auslegung des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG gebotenen kunstspezifischen Betrachtung müsse berücksichtigt werden, dass den Artikeln und Lichtbildern keine bloße Belegfunktion zukomme; vielmehr seien sie als künstlerisches Ausdrucks- und Gestaltungsmittel anzuerkennen. Demgegenüber komme dem Eingriff in das Urheberrecht der Klägerin nur sehr geringes Gewicht zu. Die Artikel und Lichtbilder beträfen durchweg Tagesereignisse, ihr Wert sei zum ganz überwiegenden Teil durch die ursprüngliche Veröffentlichung erschöpft. Eine Zweitverwertung in Jahrbüchern sei durch das Vorgehen des Beklagten nicht erschwert worden. Der Beklagte habe auf andere Weise als geschehen das Agieren der Presse und damit den atmosphärischen Hintergrund nicht adäquat darstellen können.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Vervielfältigung und Verbreitung der urheberrechtlich geschützten Presseartikel und Lichtbilder seien nach § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG zulässig.

1. Nach der genannten Bestimmung sind die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe zulässig, wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang Stellen eines Werkes nach seiner Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden. Für den Zitatzweck ist es erforderlich, dass eine innere Verbindung zwischen den verwendeten fremden Werken oder Werkteilen und den eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird. Zitate sollen als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen. Es genügt daher nicht, wenn die Verwendung des fremden Werkes nur zum Ziel hat, dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen oder sich selbst eigene Ausführungen zu ersparen (BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 26 – Vorschaubilder I, mwN).

2. Das Berufungsgericht hat zu diesen Voraussetzungen keine Feststellungen getroffen. Es hat vielmehr angenommen, dass der Eingriff des Beklagten in urheberrechtlich geschützte Positionen der Klägerin bei einem durch Art. 5 Abs. 3 GG vorgegebenen Verständnis der Vorschrift durch § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG gedeckt sei. Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Das Berufungsgericht ist allerdings im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das Zitatrecht gemäß § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG im Hinblick auf Kunstwerke einen weiteren Anwendungsbereich hat als bei nichtkünstlerischen Sprachwerken. Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung verlangt, bei der Auslegung und Anwendung des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG die innere Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des Zitierenden über die bloße Belegfunktion hinaus auch als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen (BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 = NJW 2001, 598 – Germania 3).

b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch nicht die An-nahme, es handele sich bei dem Buch des Beklagten, insbesondere bei der Illustrierung der eigenen Texte des Beklagten mit fremden, häufig bebilderten Zeitungsartikeln, um ein Werk der Kunst und die angegriffenen Zitate seien ein Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung.

aa) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung darauf gestützt, dass der Beklagte sich für die Herstellung des Buches einer künstlerischen Technik bedient habe, nämlich der literarischen Collage oder Montage. Er habe teils mit, teils ohne erkennbaren Bezug zueinander in Sprachebene und Sprachstil unterschiedliche Texte – einleitende Betrachtungen, Tagebucheinträge, Artikel aus mehreren Zeitungen, Urkunden – sowie Lichtbilder miteinander kombiniert. Der Beklagte habe mit dieser Technik – anders als bei einer Dokumentensammlung – ein künstlerisches Werk geschaffen, bei dem die einzelnen Teile der Montage miteinander in Wechselwirkung träten und der durch die Verschränkung unterschiedlicher Elemente erzielte literarische Effekt über die in den einzelnen Texten enthaltenen Aussagen hinausgehe. Dies gelte insbesondere für die aufgenommenen Zeitungsartikel und dazugehörigen Lichtbilder, die den Standpunkt der lokalen Presse nicht bloß wiedergäben und illustrierten, sondern gerade in ihrer konkreten Aufmachung in Zusammenschau mit den Tagebuchaufzeich-nungen und sonstigen Texten die im beschriebenen Zeitraum vor Ort herrschende „öffentliche“ Atmosphäre mit Farbe versähen und daher erfahrbar machten.

bb) Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (BVerfGE 30, 173, 188 f. – Mephisto; BVerfGE 67, 213, 226 – Anachronistischer Zug; BVerfGE 75, 369, 377 – Strauß-Karikatur; BVerfGE 83, 130, 138 – Josefine Mutzenbacher; BVerfGE 119, 1, 20 f. – Esra). Jede künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuel-len Persönlichkeit des Künstlers (BVerfGE 30, 173, 189 – Mephisto). Ob das urheberrechtlich geschützte Werk Gegenstand und Gestaltungsmittel einer eigenen künstlerischen Aussage ist oder bloß der Anreicherung des Werks durch fremdes geistiges Eigentum dient, ist auf Grund einer umfassenden Würdigung des gesamten Werkes zu ermitteln (BVerfG, GRUR 2001, 149, 152 – Germania 3).

cc) Den Feststellungen des Berufungsgerichts lassen sich diese an ein Kunstwerk zu stellenden Voraussetzungen, insbesondere das Vorliegen einer freien schöpferischen Gestaltung, nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat es im Kern ausreichen lassen, dass der Beklagte eigene einleitende Betrach-tungen und Tagebucheinträge mit Artikeln aus Zeitungen, Urkunden und Licht-bildern kombiniert hat. Eine solche Kombination mag – wie das Berufungsgericht angenommen hat – auch als künstlerische Technik in Betracht kommen, namentlich in Form einer literarische Collage oder Montage. Der Einsatz einer grundsätzlich als künstlerische Technik gebräuchlichen Form allein reicht jedoch zur Annahme eines Kunstwerks im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht aus (vgl. BVerfGE 81, 278, 291 Bundesflagge; BVerfGE 83, 130, 138 – Josefine Mutzenbacher; Scholz in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 62. Ergänzungslieferung, Art. 5 Abs. 3 Rn. 30). Erforderlich ist vielmehr, dass das Werk auch die der Kunst eigenen materiellen Strukturmerkmale aufweist, also insbe-sondere Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung ist, in der Eindrücke, Erfahrungen und Phantasien des Autors zum Ausdruck kommen, wobei als Elemente schöpferischer Gestaltung der Einsatz und die verfremdende Verknüpfung von verschiedenen Stilmitteln in Betracht kommen, die Interpretationen zulassen und so auf eine künstlerische Absicht schließen lassen (BVerfGE 81, 278, 291 – Bundesflagge; BVerfGE 83, 130, 138 – Josefine Mutzenbacher). Hierzu hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen.

Soweit es angenommen hat, die miteinander kombinierten Texte seien in Sprachebene und Sprachstil unterschiedlich, lässt dies eine schöpferische Gestaltung nicht erkennen, sondern beschreibt lediglich den technischen Umstand der Kombination verschiedenartiger Texte. Dass diese Zusammenstellung nicht eine bloße Mitteilung, sondern primär unmittelbarer Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Beklagten ist, bei der seine Intuition, seine Phantasie und sein Kunstverstand zusammenwirken, lässt sich den Feststellungen des angegriffenen Urteils nicht entnehmen. Dasselbe gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, die einzelnen Teile der Montage träten miteinander in Wechsel-wirkung und führten so zu einem Effekt, der über die in den einzelnen Texten enthaltenen Aussagen hinausgehe. Auch ein solcher Effekt kann allein auf dem formalen Akt der Kombination von Texten mit unterschiedlichen Aussagen und der Hinzufügung von Lichtbildern beruhen, ohne dass darin auch eine persönliche schöpferische Gestaltung liegen muss, die die Kombination erst zu einem nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstwerk macht.

Ein Kunstcharakter ergibt sich auch nicht aus den übrigen Feststellungen des Berufungsgerichts. Seine Annahme, die konkrete Aufmachung der Zeitungsartikel und der dazugehörigen Lichtbilder versähen die im beschriebenen Zeitraum vor Ort herrschende öffentliche Atmosphäre in Zusammenschau mit den Tagebuchaufzeichnungen und sonstigen Texten mit Farbe und machten sie erfahrbar, spricht vielmehr dafür, dass die Kombination von eigenen Texten mit den Zeitungsartikeln und Lichtbildern aus der Zeitung der Klägerin vorwiegend einer möglichst anschaulichen und facettenreichen Mitteilung historischer Tatsachen und deren Bewertung durch den Beklagten dient und gerade nicht pri-mär schöpferischer Ausdruck seiner individuellen Persönlichkeit ist.

c) Das Berufungsgericht hat sich – anders als das Landgericht – bei seiner Erörterung des Zitatrechts nach § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG nicht mit den in den Unterlassungsanträgen im Einzelnen aufgeführten Zeitungsartikeln und Licht-bildern konkret befasst, sondern angenommen, das durch die Bearbeitungstechnik geschaffene künstlerische Ergebnis erfasse den Buchinhalt im Ganzen, so dass eine isolierte Betrachtung einzelner Teile des Buches, namentlich des „Dokumentationsteils“ ab Buchseite 232, nicht geeignet sei, den Gesamteindruck des Buches für sich maßgeblich zu prägen. Auch diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

Wird durch ein Kunstwerk in mehrere urheberrechtlich geschützte Werke eingegriffen, entbindet die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung nicht von der konkreten Prüfung der Voraussetzungen des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG im Hinblick auf jeden einzelnen Eingriff. Denn die Qualifizierung des zitierenden Sprachwerks im Sinne des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG als Kunstwerk allein reicht für die Annahme dieser Schutzschranke nicht aus. Zu prüfen bleibt ferner das Erfordernis der inneren Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des Zitierenden. Denn die durch eine verfassungskonforme Auslegung geforderte Erweiterung des Zitatrechts besteht allein darin, dass die für den Zitatzweck erforderliche innere Verbindung nicht auf die Funktion als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden zum Zwecke der Erleichterung der geistigen Ausei-nandersetzung begrenzt ist, sondern darüber hinaus auch die Eigenschaft als Mittel des künstlerischen Ausdrucks und der künstlerischen Gestaltung anerkannt werden muss (BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 – Germania 3). Ob eine solche innere Verbindung vorliegt, kann nur konkret bezogen auf jeden einzelnen Eingriff in urheberrechtliche Verwertungsrechte beantwortet werden.

III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Insbesondere greift die Schutzschranke des § 50 UrhG nicht ein. Das Berufungsgericht hat dazu – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine eigenen Feststellungen getroffen. Das Landgericht, auf dessen Feststellungen das Berufungsgericht verweist, hat indessen festgestellt, dass der Beklagte in seinem Buch nicht über aktuelle Tagesereignisse berichtet und keine Tagesinteressen befriedigt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und ist vom Beklagten weder in der Berufungs- noch in der Revisionsinstanz beanstandet worden.

IV. Der Senat vermag nach alledem nicht in der Sache selbst zu entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Die Sache bedarf einer erneuten Beurteilung der Voraussetzungen des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG durch den Tatrichter. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

V. Für die neue Verhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Die Unterlassungsanträge richten sich abstrakt gegen die Vervielfälti-gung und Verbreitung von in der „Märkischen Oderzeitung“ erschienenen Artikeln und Lichtbildern ohne Erlaubnis der Klägerin. Sie erfassen damit auch Fälle, in denen solche Artikel oder Lichtbilder vom Beklagten als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen zitiert werden und damit der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen. In solchen Fällen können die Voraussetzungen des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG erfüllt sein. Der Klägerin ist nach § 139 Abs. 1 ZPO Gelegenheit zu geben, ihre Anträge insoweit gegebenenfalls neu zu fassen und diese auf die – bislang lediglich in Gestalt eines mit „insbesondere“ eingeleiteten Teils zum Gegenstand der Anträge gemachte – konkrete Verletzungsform zu beziehen.

2. Im Hinblick auf die im Dokumentationsteil ab Buchseite 232 aufgeführten Artikel und Lichtbilder scheidet die Zulässigkeit des Eingriffs in die der Klägerin zustehenden urheberrechtlichen Befugnisse der Klägerin gemäß § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG unabhängig davon aus, ob das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem Buch des Beklagten aufgrund der Collagetechnik um ein Kunstwerk handelt. Denn die Dokumentation enthält nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts keine eigenen Ausführungen des Beklagten, die sich mit den Zeitungsartikeln oder bildlichen Darstellungen geistig auseinandersetzen. Deshalb kann sich der Beklagte insoweit weder auf eine innere Verbindung eigener Gedanken mit den fremden Werken im Sinne einer Belegfunktion noch auf eine Zulässigkeit der Veröffentlichung der fremden Werke unter dem Gesichtspunkt des künstlerischen Ausdrucks im Rahmen einer Collage berufen.

3. Bei der Beurteilung, ob die angegriffene Verwendung der Artikel und Fotos im Buch des Beklagten nach § 51 UrhG zulässig sind, kommt es in jedem Einzelfall maßgeblich darauf an, ob dies zum Zweck des Zitats geschieht. Die Zitatfreiheit soll die geistige Auseinandersetzung mit fremden Werken erleichtern (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 – I ZR 127/09, GRUR 2011, 415 Rn. 22 – Kunstausstellung im Online-Archiv; Urteil vom 7. April 2011 – I ZR 56/09, GRUR 2011, 1312 Rn. 45 = WRP 2011, 1463 – ICE). Die Zitierfreiheit gestattet es nicht, ein fremdes Werk nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen. Ebenso wenig reicht es aus, dass ein solches Werk in einer bloß äußerlichen zusammenhanglosen Weise eingefügt und angehängt wird. Die Verfolgung des Zitatzwecks im Sinne des § 51 UrhG erfordert vielmehr, dass der Zitierende eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – I ZR 42/05, BGHZ 175, 135 Rn. 42 – TV Total; BGH, GRUR 2011, 1312 Rn. 46 – ICE). An einer solchen inneren Verbindung fehlt es regelmäßig, wenn sich das zitierende Werk nicht näher mit dem eingefügten fremden Werk auseinandersetzt, sondern es nur zur Illustration verwen-det (BGH, GRUR 2011, 415 Rn. 22 – Kunstausstellung im Online-Archiv, mwN), es in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise einfügt oder anhängt (BGH, Urteil vom 23. Mai 1985 – I ZR 28/83, GRUR 1986, 59, 60 = NJW 1986, 131 – Geistchristentum) oder das Zitat ausschließlich eine informierende Berichterstattung bezweckt (BGH, Urteil vom 1. Juli 1982 – I ZR 118/80, BGHZ 85, 1, 10 f. – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die auf der Sozialbindung des geistigen Eigentums beruhenden Schrankenbestimmungen der §§ 45 ff. UrhG gene-rell eng auszulegen sind (BGHZ 185, 291 Rn. 27 – Vorschaubilder I).

Nach dem Zitatzweck bestimmt sich auch, in welchem Umfang ein Zitat erlaubt ist (vgl. BGH, GRUR 1986, 59 f. – Geistchristentum; Schricker/Spindler in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 51 UrhG Rn. 19; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 51 UrhG Rn. 18; Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 51 UrhG Rn. 14). Ist der Zitatzweck überschritten, so ist – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – nicht nur der überschießende Teil, sondern das ganze Zitat unzulässig (vgl. Schricker/Spindler aaO § 51 UrhG Rn. 19; Dustmann aaO § 51 UrhG Rn. 47; Lüft aaO § 51 UrhG Rn. 6).

Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 11.01.2010 – 2 O 266/09 –
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 09.11.2010 – 6 U 14/10 –

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